Gottfried von Straßburg
Tristan und Isolde
Gottfried von Straßburg

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVIII. Brangäne.

                     

Auch zwang sie noch ein ander Leid,
Das war Isoldens Weibheit:
Das brachte Beiden Leiden,
Das leidete den Beiden;
Doch war noch zu ertragen
Dieß Leid in schönen Tagen,
Da Beide Wunsch und Willen
So frei noch mochten stillen
Oft und zu gar manchem Mal.

Als sie jetzo Cornewal
Gesegelt waren also nah,
Daß man wohl das Land ersah,
Des freuten sie sich Alle gleich,
Sie wurden Alle freudenreich
Bis auf Tristan und Isot:
Denen schuf es Angst und Noth,
Und könnt ihr Wille jetzt ergehn,
Sie hätten nie das Land ersehn.
Die Furcht um ihre Ehre
Schuf ihnen Herzensschwere;
Zum Schluße kamen Beide nie,
Was sie sollten thun und wie,
Daß Isold nicht, wie man pflegt,
Dem König würde beigelegt.
Und doch, ob guten Rath zu finden
Minnern selten glückt, den Blinden,
Da sie blind wie Kinder sind,
Hier fand doch guten Rath das Kind.

Wenn Minn ihr Spiel an blinden
Kindern vermag zu finden,
So mag man an den Blinden
Auch List und Klugheit finden.

Langer Umschweif sei verbannt:
Isold im kindschen Sinne fand
Eines klugen Rathes List,
Die allerbeste zu der Frist:
Daß sie nichts weiter thäten
Als Brangänen bäten,
Daß sie in der ersten Nacht
Sonder Rede, still und sacht
Bei König Marke läge,
Mit ihm Gesellschaft pfläge.
Er mocht es leiden ungeklagt,
Denn sie war schön und war auch Magd.
Seht, so macht die Minne
Unschuldige Sinne
Auf Falschheit beflißen,
Die doch nicht sollten wißen
In seligem Genügen
Von Falschheit und Betrügen.

So geschahs von Jenen:
Sie baten Brangänen
Also lang und also viel,
Bis sie es brachten an das Ziel,
Daß sie sich dazu verstand
Und es versprach mit Mund und Hand;
Doch kostete das große Noth.
Sie wurde nicht nur einmal roth
Und wieder bleich von dem Gesuch;
Es that ihr wohl auch Noth genug,
Denn seltsam wars, ich wähne.
»Traute Herrin«, sprach Brangäne,
»Eure Mutter, meine Herrin,
Die gnadenreiche Königin,
Befahl euch in meine Pflege.
So hätt ich euch auf diesem Wege
Bei dieser leidigen Fahrt
Gehütet billig und bewahrt.
Schande habt ihr nun und Leid
Von meiner Wahrlosigkeit.
Ich darf mich drum nicht viel beklagen,
Muß ich die Schande mit euch tragen:
Es wäre wohl gefüge,
Daß ich allein sie trüge,
So ihr nur ledig möchtet sein.
Lieber Gott und Herre mein,
Wie hast du mich hintangesetzt!«
Isot sprach zu Brangänen jetzt:
»Stolze Niftel, sage mir,
Was meinest du, was wirret dir?
Mich wundert was du hast: nun sags.«
»Frau, ich warf doch jenes Tags
Aus dem Schiff ein Glas mit Wein.«
»So thatest du; was soll das sein?«
Sie sprach: »Dieß Glas, o weh mir gar!
Und der Trank, der drinne war,
Der ist euer Beider Tod.«
»Wie so denn, Niftel?« sprach Isot,
»Wie ists damit?« – »So ists bewandt«:
Da sagte sie der Sache Stand
Den Beiden ganz von Anfang an.
»Nun Gott mags walten«, sprach Tristan,
»Es gelte Tod nun oder Leben,
So ist dem Leben sanft vergeben:
Weiß nicht, wie jener werden soll;
Doch dieser Tod, der thut mir wohl.
Soll die wonnige Isot
Denn auf ewig sein mein Tod,
So wollt ich gerne werben
Um ein ewigliches Sterben.«

Laßt alle Rede bleiben:
Wollen wir Liebe treiben,
Es kann dabei nicht bleiben,
Wir müßen Leid auch treiben.

Wie sanft uns mit der Liebe sei,
So müßen wir doch auch dabei
Gedenken der Ehren.
Wer sich an nichts will kehren,
Als an der Sinne Gelust,
Das ist der Ehren Verlust.
Wiewohl Tristanden gefiel
Dieses Leben hier im Kiel,
Seine Ehre zog ihn doch hindann,
Seine Treue lag ihm immer an,
Daß er ihrer auch gedächte
Und sein Weib dem König brächte.
Die beiden, Ehr und Treue,
Bezwangen ihm aufs Neue
Sein Herz und seine Sinne:
Die zwei, die vor der Minne
Sieglos geworden kurz zuvor,
Als er statt ihrer Minne kor,
Nun brachten ihm den Unsieg bei
Dieselben sieglosen Zwei.

Von Tristan wurden gleich ans Land
In zwei Barken Boten ausgesandt,
Die brachten Marke Märe,
Wie es ergangen wäre
Mit der schönen Braut von Irenland.
Da besandte Marke gleich zur Hand
Die er hatte zu besenden:
Tausend Boten aller Enden
Entboten ihm der Ritter Menge.
Man empfieng mit festlichem Gepränge
Die Bekannten und die Gäste.
Das Ärgste und das Beste,
Das an den Zweien Mark empfieng,
Womit sein Leben auch zergieng,
Das empfieng er also wohl
Als man das empfahen soll
Was lieb vor allen Dingen ist.
Marke ließ zur selben Frist
Des Landes Herren sagen,
Daß sie in achtzehn Tagen
Zu Hofe kämen alle,
Wie es ihm wohlgefalle
Geschmückt zu seinem Brautgeleit.
So geschah es zur bestimmten Zeit.
Sie zogen herrlich einher;
Es kam ein wonniges Heer
Von Rittern und von Frauen,
Ihrer Augen Lust zu schauen,
Die lichte Isolde.
Da wurde viel die Holde
Für ein Wunder angeschaut
Und immer nur die Rede laut:
»Isot, Isot la blonde
Marveil de tu le monde:
Isolde ist jetzunder
Über alle Welt ein Wunder!«
Es ist wahr was man sagt
Von der seligen Magd,
Daß sie der Welt giebt Wonne
Nicht anders als die Sonne:
Es gewannen alle Reiche
Keine Magd je die ihr gleiche.«

Als sie zur Eh begabt nun ward
Und an ihrem Recht bewahrt,
Daß Cornwal ihr und Engelland
Mit dem Beding ward zugewandt,
Wenn sie erblos sollte sterben,
So sollte Tristan erben,
Demnach die Huldigung gebracht,
Und sie nun sollte bei der Nacht
Mit König Mark zu Bette gehn,
Da hatten sie sich vorgesehn,
Sie und Brangäne mit Tristan,
Und ihren Fleiß verwandt daran,
Daß Ort und Gelegenheit
Zu ihrem Zweck schon war bereit
Und Alles wohlberathen.
In Markes Kemenaten
Waren bei dem König hehr
Die Dreie nur und Niemand mehr.
Da Marke nun zu Bette fand,
Brangäne war ins Brautgewand
Der Königin geschloffen.
Es war ein Tausch getroffen
Der Kleider unter denen.
Tristan führte Brangänen,
Die Pein zu leiden und die Noth.
Die Lichter löschte Frau Isot.
Herr Mark Brangänen zu sich zwang;
Ich weiß nicht wie der Anfang
Dieser Sache ihr gefiel:
Doch sie ergab sich in das Spiel,
Daß es ohne Lärm verblieb.
Was ihr Gespiel auch mit ihr trieb,
Sie zahlte und gewährte
Was er von ihr begehrte
Mit Messing oder Golde
Nach seinem Wunsch, die Holde.
Ich wollte des mich wohl versehn,
Es sei nicht häufig sonst geschehn,
Das man so schönes Messing hat
An goldner Pfennige Statt
Zu Bettegeld gegeben.
Zu Pfande setz ich auch mein Leben,
Kein edler Erz seit Adams Tagen
Ward noch zu falschem Geld verschlagen
Und nie Betrug so wohl zu loben
Einem Mann unter je geschoben.

Dieweil sie Beide lagen
Und ihres Bettspiels pflagen,
Unterdessen hatt Isot
Mit großer Angst zu thun und Noth.
Sie dachte immerdar bei sich:
»Gott und Herr, bewahre mich
Und hilf nun, daß mein Niftelein
Mir getreu möge sein:
Treibt sie dieses Bettspiel
Allzulang und allzuviel,
So fürcht ich, daß es ihr behage
Zu treiben bis der Morgen tage:
So würden wir dann Alle
Zu Spott und zu Schalle.«
Nein, ihr Gedanken und ihr Muth
War lauter wider sie und gut.
Nachdem sie für Isolde
Messing gemacht zu Golde,
Und ihre Theidigung vollbracht,
Von dem Bette gieng sie sacht.

Nun war auch Isolde nah;
Vor dem Bette saß sie da
Und schien dieselbe zu sein.
Der König heischte da den Wein,
Wie es der Brauch im Lande war.
Denn Sitte wars vor manchem Jahr,
Der Alle pflagen zu der Zeit,
Wenn Einer lag bei einer Maid
Und das Blümlein hatt empfangen,
So kam ein Kämmerling gegangen
Mit Wein und ließ sie Beide
Da trinken nach der Waide.
Als nun so auch hier geschah,
Tristan, sein Neffe, brachte da
Licht zumal und Wein herein.
Mit dem König trank Isold den Wein.
Auch hat man wohl gelesen,
Es sei des Tranks gewesen,
Durch den in ihre Herzensnoth
Tristan verfallen und Isot;
Nein, des Trankes war nicht mehr:
Brangäne warf ihn in das Meer.

Als sie den Brauch gehalten auch,
Getrunken Beide nach Gebrauch,
Die junge Königin Isot
Legte sich mit mancher Noth,
Mit verhohlnen Schmerzen
In ihrem Muth und Herzen
Zu ihrem Herrn dem König nieder.
Der griff an seine Freude wieder.
Er zwang sie nah an seinen Leib;
Da gedeucht ihn Weib wie Weib:
Was er gefunden, fand er hier.
Gut war Wesen und Manier
Beider miteinander.
An Jedweder fand er
Gold neben Messing.
Sie leisteten die Theiding
Also her und also hin,
Ihm fiel nichts auf in seinem Sinn.

Frau Isolde ward da stark
Von ihrem Herrn und König Mark
Geminnet und gehehret;
Gepriesen und geehret
Von Land und Leuten dabei,
Da selger Gaben mancherlei
Und guter Kunst ihr nicht gebrach.
Ihr zu Preis und Ehre sprach
Was Preis nur mocht ermeßen.
Immer unterdessen
Hatten diese zwei Gelieben
Sich die Weile gut vertrieben,
Und genutzt zu Freud und Lust.
Denn Keinem war davon bewust:
Es ahnte weder Weib noch Mann
Ein Unrecht irgendwie daran.
Sie war in seiner Pflege
Alle Stund und allewege
Und lebte wie sie hielt für gut.

Nun nahm Isold in ihren Muth
Wie es um ihre Sache stand.
Da nur Brangänen bekannt
War ihre List und ihr Betrug,
So bedeucht es sie mit Fug,
Wenn die allein nicht wäre,
Sie dürft um ihre Ehre
Nicht mehr in Sorgen schweben.
Sie sorgte stäts mit Beben
Und fürchtete nicht wenig,
Wenn etwa zu dem König
Brangäne trüge Liebe
Daß ihm unverhohlen bliebe
Ihre Schande samt der Märe,
Wie es ergangen wäre.
Da zeigt' in ihrer Sorgen Haft
Die Königin des Wortes Kraft,
Daß man Schande leicht und Spott
Noch mehr fürchtet als Gott.

Zwei Knechte sie besandte,
In England unbekannte:
Eide über Eide
Ließ sie die schwören Beide,
Treu über Treue geben,
Und gebot bei Leib und Leben
Was Sie sie würde heißen,
Des sollten sie sich fleißen
Und solltens ewig bergen.
So sagte sie den Schergen
Und sprach, die Übelstifterin:
»Nun merket Beide meinen Sinn:
Ich geb euch eine Jungfrau bei,
Die nehmt und reitet ihr Drei
Heimlich und balde
Zu einem tiefen Walde
Ferne oder nahebei,
Der euch dazu gelegen sei,
Wo Niemand heimlich halten kann.
Da schlagt vom Hals das Haupt ihr dann,
Und merkt die Reden wohl der Magd
Und sagt mir wieder was sie sagt.
Ihre Zunge bringt mir her,
Und daran zweifelt nimmermehr,
Wie ichs auch möglich machen mag,
Daß ich euch morgen will am Tag
Mit ritterlichen Dingen
Zu Ritterehren bringen
Und will euch leihen und geben
So lang mir währen mag das Leben.«

Des gaben sie sich Sicherheit.
Brangänen nahm Isold beiseit,
»Brangäne«, sprach sie, »nimm doch wahr,
Seh ich nicht bleich und farblos gar?
Ich weiß nicht wie es um mich steh,
Mir thut das Haupt gar schmerzlich weh.
Du must uns Kräuter bringen:
Wir müßen diesen Dingen
Bald abzuhelfen streben,
Sonst geht es uns ans Leben.«
Brangäne, die getreue, sprach:
»Ja, Herrin, euer Ungemach
Macht mir Noth und Sorgen.
Nun wartet nicht bis morgen,
Heißt mich reisen an den Ort,
Wo ich finden mag sofort
Das gut zu euern Dingen sei.«
»Zwei Knappen sind hier nahebei,
Mit denen reit, sie weisen dich.«
»Gerne, Frau, das thu ich.«
Hin ritt sie sonder Aufenthalt.

Als sie kamen in den Wald,
Wo sie Gras und Kraut zur Hand
Genug zu ihrem Willen fand,
Brangäne wollt vom Ross herab;
Doch führte man sie noch im Trab
In weite Wüst und Wilde.
Da sie nun vom Gefilde
Ins Waldesdunkel kamen,
Die treue Maid sie nahmen,
Die höfische, vom Pferde
Und setzten sie zur Erde
Mit Trauer und mit Leide
Und zuckten Schwerter Beide.
Darüber war ihr Schreck so groß,
Sie stürzte hin, der Sinne bloß,
Und lag da lange nieder;
Ihr bebten Herz und Glieder.
Erschrocken blickte sie empor:
»Gnad, ihr Herr; was habt ihr vor?
Um Gotteswillen, gebt mir Kunde.«
»Euer Leben laßt ihr hier zur Stunde.«
»O weh! warum? das saget mir.«
Ihrer Einer sprach: »Was habet ihr
Der Königin gethan zu Leid?
Die hieß euch tödten; nun ists Zeit.
Eur' und unsre Frau Isot
Hat uns befohlen euern Tod.«

Die Hände faltete sie beide,
»Ihr Herren, nein«, sprach sie im Leide,
»Bei Gott und eurer Güte, nicht!
Fristet mir noch dieß Gericht
Und laßt mich nur so lange leben,
Bis ich euch Antwort möge geben:
Ihr habt mich dann ja bald erschlagen.
Meiner Herrin sollt ihr sagen
Und selber wißen, ihre Huld
Verwirkt' ich nie mit einer Schuld,
Daran ich mich versehen
Hätt, ihr wär ein Leid geschehen;
Dieses Eine wär es dann,
Was ich doch schwerlich glauben kann.
Wir hatten, da vom Irenlande
Wir fuhren, beide zwei Gewande:
Die hatten wir uns Beiden
Erwählt, laßt euch bescheiden,
Aus anderm Gewande;
Das fuhr vom Heimatlande
Mit uns: zwei Hemden weiß wie Schnee.
Da wir nun kamen auf die See
Und her zu Lande gieng die Fahrt,
Isolden von der Sonne ward
So heiß in jenen Tagen,
Sie mocht an sich vertragen
Ihr Hemde alleine,
Das weiße, das reine.
Ihr ward das Hemde so lieb,
Daß es immer an ihr blieb,
Was sie so lange übte,
Bis sich die Weiße trübte.
Derweil hatt ich das meine
Heimlich in meinem Schreine
In reinem weißen Falten
Verborgen aufbehalten;
Und als die Frau zu Lande kam
Und ihren Herrn, den König, nahm
Und zu ihm sollte schlafen gehn,
Da war ihr Hemde nicht so schön
Geblieben als es sollte
Und als sie selber wollte,
So daß ich ihr das meine gab.
Zwar schlug ich ihr es anfangs ab
Und vergaß insoweit wohl der Pflicht.
Verdachte sie mir dieses nicht,
So weiß es Gott, ich übergieng
Sonst in keinem andern Ding
Ihr Wünschen und Verlangen noch.
Nun thut es Gott zu Liebe doch
Und grüßet sie von mir so wohl,
Als eine Magd die Herrin soll,
Und Gott nach seiner Güte
Bewahre und behüte
Ihr Ehre, Leib und Leben:
Mein Tod sei ihr vergeben.
Der Seele möge Gott nun walten;
Mit dem Leibe habt ihr selbst zu schalten.«

Da begannen sich die Zween
Voll Erbarmung anzusehn,
Und rührte sie der Reinen
Herzinnigliches Weinen.
Sie bereuten nun mit Schmerzen
Und nahmen sichs zu Herzen,
Daß sie gutwillge Thoren
Hätten solchen Mord geschworen,
Da sie nichts an ihr fänden,
Wie sie es möchten wenden,
Was solchen Tod verdiene
Und todeswürdig schiene.
Da riethen sie und sannen,
Bis sie den Sinn gewannen,
Was immer möchte geschehn,
Sie wollten sie nicht sterben sehn.
Die Getreuen banden sie alsbald
Auf einen hohen Baum im Wald,
Daß Wölfe sie nicht nähmen,
Bis daß sie wieder kämen;
Und schnitten auch zur Stunde
Einem ihrer Vogelhunde
Die Zunge aus und ritten hin.

Da begannen sie der Königin,
Der mordlichen, zu sagen,
Sie hätten sie erschlagen
Mit Jammer und mit Leide.
Sie sagten ihr auch Beide,
Diese Zunge wär von ihr.
Isolde sprach: »Nun saget mir,
Was sagte euch von mir die Magd?«
Sie sagten ihr was sie gesagt
Von Anfang bis zu Ende frei
Und verschwiegen nicht ein Wort dabei.
»Und war das Alles, was sie sprach?«
»Ja, Frau!« Da rief Isolde: »Ach
Und Weh mir über dieses Leid!
Unselge Mörder, die ihr seid!
Was habt ihr angefangen!
Ihr müßet Beide hangen.«
»Himmel!« riefen Die entsetzt:
»Wie lauten diese Mären jetzt!
Wunderliche Frau Isot,
Ihr habt uns doch mit großer Noth
Erfleht erst und genöthet
Bevor wir sie getödtet.«
»Ich weiß nicht, was von Flehn ihr sagt;
Befohlen hab ich meine Magd
In eure Hut und eure Pflege,
Sie zu behüten auf dem Wege,
Daß sie mir sollte bringen,
Was mir Noth zu meinen Dingen.
Nun müßt ihr mir sie wiedergeben,
Oder es geht euch an das Leben.
Ihr feigen Mordschlangen,
Ihr werdet Beid erhangen,
Wo nicht auf einer Hurt verbrannt.«

»In Treuen«, sprachen Die zuhand,
»Frau, euer Herz und euer Muth
Die sind nicht lauter und gut;
Eure Zunge klingt zu mannigfalt.
Frau, nun fristet die Gewalt,
Eh wir verlieren unser Leben:
Wir wollen sie euch wiedergeben,
Schön und wohl gesund zumal.«
Isold, in ihres Herzens Qual,
Sprach mit bitterlichen Thränen:
»Nun lügt nicht länger von Brangänen;
Ist sie am Leben oder todt?«
»Sie lebt noch, seltsame Isot.«
»O wohl, so bringt sie mir hieher,
Und was ich euch gelobt vorher,
Das sollt ihr Alles empfahn.«
»Frau Isot, das sei gethan.«

Isold behielt den Einen dort;
Der Andre ritt dahin sofort,
Wo sie verborgen war im Wald,
Und brachte sie der Frauen bald.
Und als sie vor Isoten kam,
Isot sie in die Arme nahm
Und küsst' ihr Mund und Wange
Nicht einmal, oft und lange.
Den Zwein gab sie zu Solde
Zwanzig Mark von Golde;
Nur sollten sie mit Nichten
Jemand hievon berichten.

Nun daß die Königin Isot
Brangänen in der Todesnoth
Getreu und beständig
Und Ihr unabwendig
Hatt in aller Weis erkannt,
Und im Tiegel gebrannt
Und geläutert wie das Gold,
Da war Brangäne mit Isold
Von Herzen und von Sinne
So eine Treu und Minne,
Daß sie nicht mehr auf Erden
Geschieden mochten werden:
Sie waren miteinander so
Ihres Sinns und Herzens froh.

Am Hof gefiels Brangänen wohl;
Der Hof war ihres Lobes voll.
Sie war beliebt bei Allen,
Sie trug zu Niemand Gallen
Über oder unterm Kleid.
Die Vertraute war sie allezeit
Des Königs und der Königin.
Es konnte nichts zur Kammer hin,
Brangäne must es wißen.
Auch war sie beflißen,
Isolden treu zu dienen:
Sie diente treulich ihnen,
Ihr und ihrem Freund Tristan.

So leise trieben sies voran,
Daß ob ihrem Thun und Laßen
Niemand Argwohn mochte faßen.
Ihr Reden, Thun und Treiben,
Ihr Kommen, Gehn und Bleiben
Nahm da selten Jemand wahr:
Aller Argwohn schlief noch gar.
Ihnen war so sanft und wohl
Als da zwein Gelieben soll,
Denen immer Statt und Frist
Zu Statten und zu Willen ist.
Da fliß sich Freund und Freundin
Zu der Minne Gewinn
Alle Zeit und alle Weise.
Sie konnten täglich leise
Mit inniglichen Blicken
Die Augen verstricken
In der Meng und unter Leuten,
Da Blicke Sinn bedeuten
Und Wechselrede meinen,
Womit man sich vereinen
Der Gelieben Liebe mag.
Das trieben Beide Nacht und Tag
Und sonder Gefährde:
Mit Rede wie Geberde
Waren sie Beide gehend,
Sitzend oder stehend
Frei, ohne Zwang und Zagen.
Solch offenes Betragen
Verstanden Beide meisterlich,
Und wustens, bot die Stunde sich,
Mit Klebeworten zu durchweben.
Man sah in ihren Reden kleben
Der Minne Werk in Worten
Wie Gold verwirkt in Borten.
Niemand gedachte jedoch,
Daß ihr Thun und Reden noch
Von andrer Liebe die Spur
Trug, als der Verwandtschaft nur,
Die man so groß und so nah
An Marken und Tristanden sah.
Mit der verkauften sie viel,
Mit ihr hehlten sie ihr Minnespiel,
Mit ihr bethörte Minne
Gar Manchem Herz und Sinne,
Daß da Keiner noch befand,
Wie es um ihre Liebe stand.
Die war an ihnen rein und gut;
Ihr beider Sinn, ihr beider Muth
War immer eins, alleins allein,
Nur Ja und Ja, nur Nein und Nein:
Ja und Nein und Nein und Ja,
In Treuen, das war nimmer da.
An ihnen galt kein Scheiden:
Da waren Beid an Beiden.

Die Zwei vertrieben unter sich
So ihre Stunden wonniglich,
Zuweilen so, zuweilen so:
Sie waren unterweilen froh
Und unterweilen ungemuth,
Wie Liebe bei Gelieben thut:
Die schafft in ihren Herzen
Die Süße bei den Schmerzen,
Bei Freude Kummer und Noth.
Wenn Tristan und Schön Isot
Sich zu schauen Ort und Zeit
Nicht fanden noch Gelegenheit,
Das war ihr Leid: sie waren so
Traurig, waren anders froh;
Wobei es nicht ganz unterblieb,
Daß auch der Zorn sein Spiel wohl trieb,
Ich meine Zorn all sonder Haß.
Sagt mir aber Einer, daß
Kein Zorn je sei zu finden,
Wo sich Herzen so verbinden,
Dem ward, wie sicher ich des bin!
Nie wahre Liebe zum Gewinn.
Denn das ist recht die Art der Minne,
Damit entzündet sie die Sinne,
Damit befeuert sie den Muth.
Denn wie der Zorn uns wehe thut,
So versöhnt uns dann die Treu:
So wird die Liebe wieder neu
Und die Treue größer denn zuvor.
Doch wie der Zorn wohl flammt empor
Und wie es mag zur Sühne kommen,
Das habt ihr selbst wohl oft vernommen.
Verliebte dünket gerne,
Sind sie sich gleich nicht ferne,
Sondern täglich nahebei,
Daß ein Andrer lieber sei
Und liege Jenem näher an.
So machen sie aus kleinem Wahn
Einen mächtigen Zorn,
Und aus solchen Leides Born
Kommt Sühne reich geronnen.
Daran ist viel gewonnen,
Man soll es nicht verwehren,
Es muß die Liebe nähren,
Verjüngen und erneuern,
Mit neuer Glut befeuern.
Liebe verarmt, veraltet,
Sie erkühlt, erkaltet,
Wenn sich ihr Feuer nicht erfrischt.
Wenn der Zorn ihr gar erlischt,
Gleich ist es um ihr Blühn gethan.
Wenn unter Freunden dann und wann
Ein Zorn erglüht, das ist Gewinn,
Denn Treu ist stäts die Sühnerin,
Die sich erfrischt aufs Neue.
Hiemit erneut sich Treue,
Die Liebe läutert sich wie Gold.

So trieben Tristan und Isold
Mit Lieb und Leid die Stunden hin.
Lieb und Leid hielt ihren Sinn
Immer in Unmüßigkeit;
Lieb mein ich ohne Herzeleid.
Noch wusten sie nicht Beide
Von solchem Herzeleide,
Noch von solchem Jammer nicht,
Davon ein Herz im Leide bricht.
Sie verschwiegen auch noch Lieb und Leid
Und hehlten ihre Heimlichkeit
Gar sorglich und enge,
Und trieben das die Länge.
Sie waren hochgemuth dabei,
Ihres Muthes froh und frei.
Die Königin Isolde war
Auch gern gesehen immerdar
Den Leuten und den Landen.
Auch sagten von Tristanden
So die Leute wie das Land,
Er sei an Kühnheit auserkannt
Und erfürchtet sonder Gleichen
In beiden Königreichen.


 << zurück weiter >>