Gottfried von Straßburg
Tristan und Isolde
Gottfried von Straßburg

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XXV. Petitcriu.

                           

Tristan, Isots Geselle nun,
Als er sie zu Carliun
Getragen hatte zum Gestad
Und so vollbracht was sie ihn bat,
Fuhr er desselben Males
Von Engelland gen Swales
Zu dem Herzog Gilan:
Der war noch ein junger Mann,
Reich und fröhlich und dabei
Noch ehlichen Weibes frei.
Der hieß ihn gerne willkommen:
Er hatte viel von ihm vernommen
Von mannlichen Dingen
Und seltsamem Gelingen,
Und fliß sich deswegen
Ihn ehrenvoll zu pflegen,
Bot ihm Gemach und Freude da,
Und wovon er sich versah,
Es wär ihm erfreulich,
Da wandt er getreulich
Allen Fleiß sogleich daran.
Denn der traurge Tristan
War zu allen Stunden
Mit Gedanken gebunden
Zu Trauer, immer neuer,
Um sein Liebesabenteuer.

Eines Tages nun geschahs,
Als Tristan bei Gilanen saß,
Sinnen und Sehnen in der Brust:
Da erseufzt' er unbewust.
Als Gilan des ward gewahr,
Gebot er, daß man brächte dar
Sein Hündelein Petitcriu,
Seines Herzens Spiel von Avelu
Und seiner Augen Gemach.
Da that man seinen Worten nach:
Ein Purpur edel und reich,
Einem fremden Wunder gleich,
Nach des Tisches Maß gebreitet
Ward vor ihn auf den Tisch gespreitet,
Ein Hündelein darauf getragen:
Das war gefeinet, hört ich sagen,
Und Gilanen zugesandt
Aus Avelun, der Feinen Land,
Von einer Göttin drinne
Aus Lieb und aus Minne.
Mit solcher Kunst war und so fein
Geschaffen dieses Hündelein
An Farb und an der Kraft zugleich,
Daß keine Zunge redereich
Genug, kein Herz so weise ward,
Seine Schönheit, seine Art
Zu beschreiben und zu sagen.
Ihm waren Farben aufgetragen
So künstlich und so wundersam,
Daß Niemand recht ins Klare kam,
Wie seine rechte Farbe war.
So seltsam schillerte sein Haar:
Sah man von der Brust es an,
Geschworen hätte Jedermann,
Es wäre weißer als der Schnee.
Von Weichen wars doch grün wie Klee,
Eine Seite roth wie Gran,
Die andre gelber als Safran;
Blau wie Lazur von unten,
Doch oben wars mit bunten
Gemischten Farben übergoßen,
Die so in einander floßen,
Daß sich keine vor der andern bot.
Da sah man weder grün noch roth,
Noch weiß, noch schwarz, noch gelb, noch blau
Und doch von allen eine Schau,
Ein rechter purpurbrauner Schein.
Dieß Werk der Avaloner Fein
Sah man widerhaar es an,
So war kein noch so weiser Mann
Seiner Farbe recht gewaltig.
Sie schien so mannigfaltig,
Sie irrte so und flirrte,
Daß es den Sinn verwirrte.
Auch gieng ihm um den Kragen
Eine Kette, goldgeschlagen,
Daran hieng eine Schelle,
Die klang so süß und helle,
Sobald es sich bewegte,
Daß, wie er Sorgen hegte
Von Abend bis zum Morgen,
Doch Tristan seiner Sorgen
Ledig und ohne saß
Und des Leides gar vergaß,
Das ihn um Isolde zwang.
So süß war der Schelle Klang,
Daß sie Niemand vernahm,
Dem sie nicht wandte den Gram
Und was ihm je zu Leid geschah.

Nun hörte Tristan und sah
Das wunderliche Wunder an.
Hund und Schellen begann
Er zu beschaun und zu betrachten,
Auf jedes einzeln zu achten,
Den Hund und seine schöne Haut,
Die Schellen und den süßen Laut.
Ihn nahmen beide Wunder
Und deucht ihn doch jetzunder
Das Wunder mit dem Hündelein
Viel wundersamer noch zu sein
Als jenes mit dem Schellenklang,
Der so süß ihm in die Ohren drang
Und nahm ihm all sein Grämen.
Dieß must ihn Wunder nehmen,
Daß er mit lichten Augen
An seiner Augen Taugen
Bei diesen Farben irre ward,
Denn keine blieb bei ihrer Art,
Im Sehn versagt' ihm stäts der Sinn.
Gefüge griff er endlich hin
Und streichelt' ihm das glatte Haar:
Da ward ihm zu Muthe gar,
Als ers zu streicheln begann,
Als griff er Palmatseiden an,
So linde war es und so fein.
Man hört' es bellen nie noch schrein,
Noch zeigt' es jemals Ungeberde,
Was auch mit ihm getrieben werde;
Es aß oder trank auch nicht,
Wie uns die Märe von ihm spricht.

Als es hinweg nun ward getragen,
Tristans Trauern war und Klagen
So frisch da wieder wie vorher,
Ja Eine Sorge hatt er mehr,
Da er nun all sein Tichten
Begann darauf zu richten,
Auf andres nichts mehr achtete,
Als was sein Herz ertrachtete:
Mit List und klugen Sinnen
Das Hündlein zu gewinnen,
Das Hündlein Petitcriu.
Er schickt' es gern der Herrin zu,
Daß ihres Herzens Schwere
Damit erleichtert wäre.
Nun konnt er sich doch nicht versehn,
Wie es sollte geschehn
Durch Bitten oder listgen Schlich:
Denn das wust er sicherlich,
Außer für sein Leben
Würd es Gilan nicht geben
Um alles Goldes Schimmer.
Dieß Trachten wollte nimmer
Aus seinem Herzen weichen;
Doch that er nicht desgleichen.

Wie die rechte Sage Bescheid
Giebt von Tristans Mannheit,
So war desselben Males
Dem Lande zu Swales
Ein Riese nah geseßen;
Hochfährtig und vermeßen
Haust' er an dem Meeresstrand,
Urgan li filus genannt.
Demselben Riesen war Gilan
Mit dem Lande Swales unterthan:
Sie musten Zins ihm geben,
Daß er die Leute leben
Ledig ließ' und ungeplagt.
Dem Hofe ward nun angesagt,
Urgan der Riese wär gekommen
Und hätte schon hinweggenommen
Den Zins gar, Schaf und Rinder,
Und Schweine nicht minder:
Die ließ' er vor sich jagen.
Da begann Gilan zu sagen
Seinem Freunde Tristan,
Wie dieser Zins von Anfang an
War auferlegt dem Lande
Mit Gewalt zu seiner Schande.
»Herr, nun sagt mir«, sprach Tristan,
»Wenn ich dazu verhelfen kann,
Und schaffen, daß in kurzer Zeit
Ihr solchen Zinses ledig seid
Und immer bleibet all eur Leben,
Was wollt ihr mir zu Lohne geben?«

»In Treuen, Herr«, sprach da Gilan,
»Ich geb euch Alles, was ich kann.«
Tristan aber sprach fürbaß:
»Herr, versichert ihr mir das,
So helf ich euch fürwahr dazu,
Mit wie großer Noth ichs thu,
Daß ihr binnen kurzer Zeit
Auf immer Urgans ledig seid,
Ich verlöre denn das Leben.«
»In Treuen, Herr, ich will euch geben
Wieviel ihr fordert«, sprach Gilan,
»Was ihr gebietet, ist gethan.«
Zu Pfande bot er ihm die Hand.
Für Tristan ward zuhand besandt
Sein Ross und auch sein Eisen;
Dann bat er, ihm zu weisen
Den Weg, auf dem des Teufels Brut
Hinfuhr mit dem geraubten Gut.

Tristanden ward gewiesen
Die Heimfahrt des Riesen:
Er kam in einen wilden Wald.
Der an des Riesen Aufenthalt
Eben bei der Brücke stieß,
Über die den Raub er gehen ließ.
Raub und Riese kamen dort;
Doch Tristan war schon an dem Ort
Und hielt den Raub gewaltsam an.
Da nun der schnöde Ries Urgan
An der Brück sah die Wehr,
Da lief er ungesäumt daher
Und eine überlange
Stählerne Stange
Trug und schwenkt' er hoch empor.
Als er den Ritter davor,
Den wohlgewaffneten, sah,
Verächtlich sprach er zu ihm da:
»Freund auf dem Ross, wie heißet ihr?
Und warum laßet ihr mir
Die Habe nicht hinübergehn?
Daß das mir ist von euch geschehn,
Weiß Gott, das geht euch bloß ans Leben,
Wollt ihr euch nicht gefangen geben.«

Der auf dem Rosse sprach zuhand:
»Freund, ich bin Tristan genannt
Und daß du's wißest, fürcht ich
Deine Stange da und dich
Nicht eine halbe Bohne.
Drum laß von deinem Hohne;
Denn glaube sicher, Geselle,
Dein Raub kommt nicht von der Stelle
Sofern als ichs verwehren kann.
»Ja«, sprach der Riese, »Herr Tristan,
Ihr trotzt, weil ihr bestanden
Morolfen von Irlanden,
Mit dem ihr euer Gefecht
Mit so großem Unrecht
Um nichts zusammentruget
Und ihn aus Hochfahrt schluget.
Es ist noch nicht um mich bewandt
Wie um Den von Irland,
Zu dem ihr pralend kamet
Und ihm die Schöne nahmet,
Die blühende Isolde,
Die er begehrt zum Solde:
Nein, nein, die Küste hört mir zu,
Und heiß ich Urgan li filu.
Nur bald mir aus den Wegen!«

Da begann er zu wägen
Und mit beiden Händen
Auf Tristan loszusenden
Einen Wurf und einen Schwang,
Der war groß zumal und lang.
Er hatt ihm seine Richte
Im Fall und im Gewichte
Recht nach dem Ziel gegeben,
Daß er sollt ans Leben
Tristanden sein gegangen.
Und als er mit der Stangen
Ihn meinte zu erreichen,
Tristan begann zu weichen;
Doch wich er nicht geschwind genug:
Er traf ihm vor dem Hinterbug
Das Ross und schlug es gar entzwei.
Das Ungethüm mit freudgem Schrei
Rief Tristanden lachend an:
»So helf euch Gott, mein Herr Tristan,
Beeilt euch nicht mit Reiten,
Bleibt mir noch hier zur Seiten,
So ich euch mag erflehen,
Damit ihr mich mein Lehen
Mit Ehren und mit Minnen
Noch bringen seht von hinnen.«

Als er das Ross erschlagen sah,
Ins Gras herab sprang Tristan da
Und mit dem Sper nun lief er her
Und stach dem Riesen mit dem Sper
Eine Wund ins Auge,
Daß sie zum Tode tauge.
Der ungeheure Ries Urgan,
Der Stelle eilt' er sich zu nahn,
Wo seine lange Stange lag
Und als er niedergriff darnach,
Da hatte Tristan seinen Sper
Vertauscht und kam geschwind daher
Gelaufen mit dem Schwerte
Und traf, wie ers begehrte,
Den Riesen; denn er schlug die Hand,
Als er zur Stange sie gewandt,
Ihm ab, daß sie am Boden lag;
Und gab ihm wieder einen Schlag
Ins Bein und wandte sich hindann.
Urgan, der schadhafte Mann,
Griff mit der linken Hand hernieder
Und hob empor die Stange wieder.
Da ward sein Feind bestanden:
Er jagte Tristanden
Manchmal ängstlich grad und krumm
Unter den Bäumen herum.
Doch war der Blutstrom so groß,
Der von Urgans Wunden floß,
Daß zuletzt der Teufelsmann
Sich zu fürchten begann,
Ihm möchte von dem Blute
An Kräften und am Muthe
In kurzer Zeit zu viel entgehn.
Da ließ er Raub und Ritter stehn
Und nahm die Hand, wo er sie fand,
Und seiner Veste zugerannt
Entkam er ihm balde.

Tristan stand in dem Walde
Bei seinem Raub alleine;
Angst hatt er doch nicht kleine,
Als Urgan lebend ihm entrann.
Da setzte sich aufs Gras Tristan,
Bedenkend und betrachtend
Und klüglich beachtend,
Da er von der That Gelingen
Kein Zeichen hätte zu bringen
Als den Zins nur und den Raub,
So helf ihm Alles nicht ein Laub,
Wieviel er auch Mühseligkeit
Und Angst bestanden hätt im Streit,
Und sorgte, Gilan dächte nun
Des Vertrags sich abzuthun,
Der unter ihnen zwein bestand.
Da kehrt' er auf den Weg zuhand
Der Spur nachfolgend immerdar,
In der Urgan gelaufen war,
Und wo die Erde und das Gras
Noch roth war von dem Blut und naß.

Als er nun zu der Veste kam,
Fleißiglich des Riesen nahm
Er wahr, wo er ihn fände dort;
Doch traf er Ihn noch Wen am Ort,
Der jemals Leben gewann:
Denn der verwundete Mann,
Wie uns die Märe thut bekannt,
Hatte die verlorne Hand
Auf einen Tisch in seinem Saal
Gelegt, und war hinab ins Thal
Von der Burg gelaufen, Wurzeln graben,
Die er zur Wunde sollte haben,
Dieweil sie ihm zu genesen
Behülflich wären gewesen.
Nicht übel hatt ers auch bedacht:
Hätt er die Hand zum Arm gebracht
Mit den Künsten, die er wuste,
Eh sie verfallen muste
Unwiderruflichem Tod,
Er war geheilt von dieser Noth,
Mit dem Auge nicht, doch mit der Hand.
Nun aber war das abgewandt.
Denn als Tristan kam und sah
Die Hand auf dem Tische da
Und Niemand, der sie wehrte,
Da nahm er sie und kehrte
Zurück wie er gekommen war.

Urgan kam heim und ward gewahr,
Daß ihm verloren war die Hand.
Er ward in bittern Zorn entbrannt:
Die Arzenei warf er nieder
Und lief nach Tristanden wieder.
Der war schon über der Brücke
Und blickte von dort zurücke
Und sah, daß er gelaufen kam.
Des Riesen Hand er eilends nahm
Und barg sie unter einem Strauch.
Da übernahm die Angst ihn auch
Vor dem ungeheuern Mann,
Denn es war kein Zweifel dran,
Des Einen Tod nun must es sein,
Es sei des Riesen oder sein.
Da lief er hin zur Brücken
Und begann den Sper zu zücken,
Und stach auf ihn, daß er zerbrach.
Und mittlerweile, daß er stach,
So war auch schon der leidge lange
Mann zur Hand mit seiner Stange,
Die er gar hastig auf ihn schlug;
Zum Glück, daß sie da übertrug,
Er mochte sonst nicht genesen,
Wär er auch von Erz gewesen.
Doch half ihm jetzt aus der Gefahr,
Daß Urgan ihm so zornig war,
Drum war er ihm zu nah gekommen,
Und hatte seinen Schwung genommen
Zu ferne hinter ihm her:
Eh nun die Stange, die war schwer,
Zurückzog der unselge Mann,
Da hat ihm unversehns Tristan
Einen Stich ins Auge gestoßen:
Er stieß zum Glücke dem Großen
Ins andre Auge einen Stich.
Hiemit schlug Urgan um sich
Ins Blaue wie ein blinder Mann.
Er fieng es so mit Schlagen an,
Tristan gieng ruhig seitwärts stehn
Und ließ ihn sich im Kreise drehn
Und schlagen mit der linken Hand.
So kam es, daß er dem Rand
Seinen Platz so nahe nahm,
Daß Tristan hergelaufen kam
Und hatt an diese Ritterschaft
All seine Macht gelegt und Kraft,
Ihn in den Tod zu senden:
So stieß mit beiden Händen
Er ihn hinab die Brücke,
Daß in viel tausend Stücke
Am Felsen von der eignen Last
Zerbrach der ungeheure Gast.

Hiemit nahm aber Tristan,
Der siegbeseligte Mann,
Die Riesenhand und eilte fort
Und kam dahin bald, wo von dort
Ihm entgegenritt Herzog Gilan.
Dem hatt es leid derweil gethan,
Daß Tristan sich des unterfangen
Mit dem Riesen kämpfen war gegangen:
Denn nimmer hätt er sichs versehn,
Er würd entgehn, wie nun geschehn.
Nun er ihn zu sich kommen sah,
Mit Freuden sprach er zu ihm da:
»Ah bien venianz, gentil Tristan:
Seliger Mann, nun saget an,
Wie stehts um euch, seid ihr gesund?«
Da ließ ihn Tristan gleich zur Stund
Die todte Hand des Riesen sehn
Und sagt' ihm was da war geschehn,
Sein Heil und sein Gelingen
In allen diesen Dingen.
Gilan erfreute sehr sein Glück:
Zu der Brücke ritten sie zurück
Und fanden in der Tiefe dort,
Nach Tristans ungelognem Wort,
Den zerstürzten großen Mann
Und sahn das Wunder wundernd an.
Dann wandten Beide sich alsbald
Und trieben fröhlich aus dem Wald
Die Heerde wieder in das Land.
Hiervon erhob sich allzuhand
In Swales großer Jubelschall.
Die Leute sagten überall
Tristanden Ehre, Lob und Preis:
Der drein vernahm man, daß ich weiß,
So viel im Land zu keiner Zeit
Von eines Mannes Mannheit.

Als nun Gilan und Tristan,
Der siegbeseligte Mann,
Nach Hause wieder kamen,
Ihr Glück zum Stoffe nahmen
Wohl in Gesprächen später,
Da sprach der Wunderthäter
Tristan zu Gilan zuletzt:
»Herr Herzog, ich mahn euch jetzt
An das Wort, das ihr mir gabt
Und was ihr mir verheißen habt
Bei eurer Treue Sicherheit.«
Gilan sprach: »Herr, ich bin bereit
Und thu es gern; nur saget mir
Was euch geliebt, was fordert ihr?«
»Herr Gilan, ich muth euch zu,
Daß ihr mir gebt Petitcriu.«
»So rath ich beßer«, sprach Gilan.
Doch Tristan sprach: »Was meint ihr dann?«
»Laßt mir, Herr, das Hündelein
Und nehmt die schöne Schwester mein
Und halb das Gut, das ich gewann.«
»Nein, Herr Herzog Gilan,
Ich mahn euch eurer Sicherheit,
Denn alle Lande weit und breit,
Die nähm ich wahrlich nicht dafür,
So lang es stünd in meiner Kür.
Ich schlug Urganen li filu
Um nichts als um Petitcriu.«

»In Treuen, mein Herr Tristan,
Liegt euch so viel mehr hieran
Als an dem angebotnen Hort,
So lös ich mein verpfändet Wort
Und geb euch was euch lieber ist.
Ich will nimmer falsche List
Gebrauchen, das sei fern, hiezu.
Wie gar ungern ich es thu,
Was ihr gebietet, das soll sein.«
Hiemit ließ er das Hündelein
Vor sich und vor Tristanden tragen.
»Seht«, sprach er, »Herr, ich will euch sagen,
Und will euch schwören einen Eid
Auf alle eure Seligkeit,
Daß ich kein Ding erlangen kann
Und nichts so Liebes je gewann
(Nur ausgenommen Ehr und Leben)
Das ich nicht gerner wollte geben,
Als dieß Hündelein Petitcriu;
Doch nehmt es hin und habts in Ruh
Und laß es Gott euch wohl bekommen.
Ihr habt mir traun an ihm benommen
Meiner Augen liebstes Spiel
Und meiner Herzenswonnen viel.«

Als das Hündelein Tristan
So zu eigen gewann,
Dagegen hätt er Römisch Reich
Und die ganze Welt zugleich,
Alle Länder, alle Meere
Nicht werth geachtet eine Beere;
So lieb ihm auch noch nie geschah,
Als bei Isolden, so wie da.
Zu seiner Heimlichkeit gewann
Er einen gälschen Fiedelmann,
Der gefüge war und weise,
Daß er ihn unterweise
In gefügen Dingen,
Wie er es sollte bringen
Isot der schönen Königin
Damit zu trösten Herz und Sinn.
Er verleimt' es dem Galotten
Heimlich in seiner Rotten;
Er schrieb auch einen Brief an sie
Und entbot ihr wo und wie
Er ihr das Wunder hätt erjagt.

Der Spielmann, wie ihm war gesagt
Beeilt' er sich zu reisen
Und nach Tristans Unterweisen
Kam er gen Tintajoel
In König Markes Castel,
Daß ihm keinerlei Misslingen
Widerfuhr in seinen Dingen.
Brangänen that er Alles kund
Und übergab ihr Brief und Hund
Die übergab es Isoten.
Als es Isoten ward geboten
Und sie es sah jetzunder
Das wunderliche Wunder,
Das sie an dem Hündlein fand,
Dem Spielmann gab sie gleich zur Hand
Zu Lohn und zu Solde
Zehn Mark von Golde.
Sie entbot auch zuhanden
In einem Briefe Tristanden,
Daß Marke wie billig
Ihm wieder hold und willig
Zu Lieb und Freundschaft wäre
Und sich der Kläffer Märe
Nicht mehr zu Herzen nähme:
Daß er nur wieder käme:
Sie hätt es Alles abgethan.

Dem Rathe folgte Tristan:
Er kehrte wieder heim zuhand.
Hof und König, Leut und Land
Boten ihm Ehre wie vorher.
Man hatt ihm Ehren niemals mehr
Am Hof geboten als geschah,
Obgleich Mariodo ihm da
Ehr außerhalb des Herzens bot,
Und sein Gesell Petit Melot.
Ihr Ehren mochten sparen,
Die seine Feinde waren:
Nur wenig Ehre war dabei.
Nun sprechet Alle wie dem sei:
Wo solch äußrer Schein besticht,
Ist das Ehre oder nicht?
Ich spreche Nein und spreche Ja:
Ja und Nein sind beide da.
Nein an jenem, der sie beut,
Ja an dem, den sie erfreut.
Die Zwei sind beide an den Zwein:
Man findet da so Ja als Nein.
Was lehrt uns nun die Lehre?
Es ist Ehre sonder Ehre.

Frau Isot, die Königin,
Sagt' ihrem Herrn mit schlauem Sinn,
Von der Mutter wär ihr zugesandt
Das Hündelein aus Irenland.
Auch ließ sie ihm machen
Von köstlichen Sachen,
Von Gold und von Geschmeide,
Zu aller Augen Weide
Ein wonnigliches Häuselein;
Ein reicher Pfellel war darein
Ihm gespreitet, drauf er lag,
So daß es immer, Nacht und Tag,
So geheim als offenbar
Isolden vor den Augen war.
Die Gewohnheit ward ihr lieb:
Wohin sie ritt, wo sie verblieb,
Es kam ihr aus den Augen nimmer:
Man führt' es oder trug es immer,
Daß sies mit Augen vor sich sah;
Was nicht um ihr Gemach geschah:
Wie uns die Märe sagt, geschahs,
Daß sie ihr Herzleid nie vergaß,
Und der Liebe Tristans willen,
Der es ihr gesandt, ihr Leid zu stillen.

Nicht Gemach gab ihr Petitcriu:
Sie gewann von ihm nicht Trost und Ruh,
Denn die getreue Königin,
Als ihr des Hündeleins Gewinn
Zu allererst zu Statten kam,
Und sie die Schellen vernahm,
Von der ihr all ihr Leid entschwand,
Da erwog sie zuhand,
Wie Tristan ihr Freund beladen
Wär um sie mit Herzensschaden,
Und gedacht alsbald bei sich:
»O weh, o weh, und freu ich mich
Wie thu ich Ungetreue so?
Wie mag ich jemals wieder froh
Sein die allerkleinste Frist,
Dieweil er um mich traurig ist,
Der seine Freude und sein Leben
Für mich der Trauer hat ergeben?
Was freu ich mich wohl ohne Ihn,
Des Leid und dessen Freud ich bin?
Warum erlach ich jemals noch,
Da Er in seinem Herzen doch
Nicht weiß was Ruh und Friede sei,
Es wär mein Herz denn auch dabei?
Er hat kein Leben ohne mich,
Und ich lebte freudiglich
Und froh je ohne Sünde,
Da er in Trauer stünde!
Nicht wolle Gott der Gute,
Daß ich in meinem Muthe,
Ohn Ihn der Freude mich geselle!«
Hiemit brach sie ab die Schelle
Und ließ die Kette hangen.
Damit war auch vergangen
Der Schelle Kraft und Tugend all:
So herzerquicklichen Schall
Gab sie nicht wieder wie vorher.
Man sagt, daß sie hinfort nicht mehr
Erlöschte noch zerstörte,
Wie oft man sie auch hörte,
Bedrängter Herzen Weh und Ach.
Isolde fragte nicht darnach,
Sie wollte doch nicht fröhlich sein.
Die Schwelgerin in Sehnsuchtspein
Hatt alle Freude, all ihr Leben
Dem Sehnen und dem Freund ergeben.


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