Gottfried von Straßburg
Tristan und Isolde
Gottfried von Straßburg

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XXIV. Das Gottesgericht.

                     

Ich sage das wohl überlaut,
Daß keine Art von Neßelkraut
Je so scharf und bitter war
Als der böse Nachbar,
Nichts je im Herzen so verdroß
Wie der falsche Hausgenoß.
Das aber nenn ich falschen Muth,
Wo man dem Freunde freundlich thut
Und ist ihm heimlich feindgesinnt:
Das ist ein greulich Hausgesind.
Da trägt der falsche Kunde
Den Honig stäts im Munde
Und birgt im Stachel doch das Gift;
Da haucht der giftge Neid und trifft
Den Freund, daß ihm misslingen
Muß in allen Dingen,
Davon er weiß und hat erfahren,
Und Niemand kann sich vor ihm wahren.
Doch wo man frei und offen,
Nicht wider sein Verhoffen,
Dem Feinde Schaden wirkt und Leid,
Das zähl ich nicht für Falschheit.
Zeigt er ein feindlich Angesicht,
So wird so groß der Schade nicht;
Erst wenn er lieblich blickt und lacht,
So nehme man sich wohl in Acht.

So that Melot und Mariodo.
Sie waren Tristan wieder so
Allstund und aller Zeiten
Heimtückisch an der Seiten
Und trugen ihm bei Tag und Nacht
Mit Falschheit und mit Niedertracht
Dienst an und Vertraulichkeit.
Doch scheute Tristan jederzeit
Sich vor den Lügenbolden
Und warnte auch Isolden.
»Seht«, sprach er »Herzenskönigin,
Habt unser Acht mit klugem Sinn
Im Reden und Gebahren,
Da wir so mit Gefahren
Umringt sind und umfangen:
Uns gehn zwei giftge Schlangen,
Süßblinkend, in der Tauben Bild,
Zur Seite schmeichlerisch und mild.
Vor denen wacht mit schlauem Sinn,
Wonnereiche Königin;
Denn wo die Hausgenoßen sind
Von Antlitz wie der Taube Kind
Und wie der Schlange Brut am Zagel,
Da soll man kreuzen vor dem Hagel
Und segnen vor dem jähen Tod.
Selge Herrin, Schön Isot,
Hütet euch mit Angst und Noth
Vor der Schlange Melot
Und dem Hund Mariodo.«

Sie erwiesen sich auch Beide so,
Als Schlange Jener, Der als Hund,
Schufen sie doch zu jeder Stund
Den Liebenden Gefährde
Bei jeglicher Geberde,
Bei jeglichem Gange
Als Hund und als Schlange.
Sie trieben früh und späte
Durch ihre falschen Räthe
Den König Marke tückisch an,
Bis er abermals begann
In seiner Liebe zu schwanken
Und argwähnischer Gedanken
All ihren Heimlichkeiten
Strick und Schlingen zu bereiten.

Eines Morgens er zur Ader ließ,
Wie ihn seine Tücke hieß,
Mit Tristan und der Königin.
Die wähnten nimmer, daß darin
Irgendwie Gefährde
Ihnen bereitet werde
Und nahmen keiner Arglist wahr.
Nun blieb daheim die traute Schar
Und ward, so rieth der Bader,
Bis sich vernarbt die Ader,
Am Tag nicht viel Geräusch gemacht.
Des andern Tages in der Nacht
Als schon sich das Gesind zerstreut,
Auch Marke schlafen gieng für heut,
Da lag in seiner Kemenaten,
Wie ihm heimlich war gerathen,
Außer Marken und Isot,
Nur Tristan und der Zwerg Melot,
Brangäne und ein Jungfräulein.
Auch hatte man der Lichter Schein
Mit Teppichen befangen
Und ihren Glanz verhangen.

Als nun die Glocke läutete,
Die Mettezeit bedeutete,
Herr Mark in seinem Argwahn
Kleidete sich schweigend an
Und gebot Meloten aufzustehn,
Zur Mette mit ihm hinzugehn.
Als Marke von dem Bette kam,
Melot Mehl zu Handen nahm
Und den Estrich übersäte,
Daß, wenn Wer zum Bette träte,
Oder wieder von dem Bette,
Man seine Spur gefunden hätte.
Dann giengen diese Beiden hin;
Gar wenig war doch Beider Sinn
Auf Andacht und Gebet gewandt.
Doch Brangäne hatte gleich erkannt
An dem Mehl den Hinterhalt:
Zu Tristan schlich sie sich alsbald,
Warnte ihn und kehrte wieder
Und legte da sich wieder nieder.
Tristan, ob ihm die Falle
Das Blut verkehrt zu Galle,
Das Herz in seinem Leibe
War doch ihm nach dem Weibe
Mit Trachten so entglommen,
Er sann nur, hin zu kommen
Und zeigt' aufs Neu an dieser Statt,
Daß Minne keine Augen hat,
Und kein Bangen Liebe kennt,
Wenn sie ernstlich entbrennt.
»O weh«, gedacht er da bei sich,
»Herr Gott, wie erwehr ich mich
Dieser schnöden Tücke?
Auf diesem Wagestücke
Steht eine hohe Wette.«
Er erhob sich von dem Bette
Und sah sich um und spähte lang,
Wie zu vollbringen sei der Gang;
Es war auch so viel Lichtes da,
Daß er wohl das Mehl ersah.
Zwar deuchte die Entfernung ihn
Zu breit für einen Sprung dahin;
Doch wagt' er auch nicht hinzu gehn.
Da must er sich zu dem verstehn,
Was da schien die beste Wahl,
Die Füße setzt' er erst einmal
Zurecht und schwang sich hin geschwind.
Tristan vollbrachte minneblind
Den Anlauf und die Ritterschaft
Ein wenig über seine Kraft:
Er sprang hin an das Bette
Und verlor auch gleich die Wette,
Da ihm die Ader wieder brach,
Was ihm großes Ungemach
Und Leid noch sollte machen.
Bett und Bettelachen
Die befleckte das Blut,
Wie das Blut natürlich thut,
Es färbte hier und färbte dort.
Er lag da gar unlange fort,
Als schon Purpur und Bliant,
Das Bett und alles Bettgewand
Missfarbe von dem Blut gewann.
Da sprang er wiederum hindann
Nach seinem Bette hin und lag
In Gedanken bis zum lichten Tag.

Nicht lang, so kam Herr Marke wieder
Und blickte nach dem Estrich nieder,
Und nahm da seines Fallstricks wahr,
Ward aber nichts davon gewahr.
Als er aber weiter kam,
In Augenschein das Bette nahm,
Da sah er Blut und wieder Blut,
Und ward ihm sehr beschwert der Muth.
Er sprach: »Wie nun, Frau Königin,
Wo deutet diese Märe hin?
Wie kam denn dieses Blut hieher?«
»Meine Ader brach, da floß es schwer
Und ist noch kaum gestanden.«
Da ließ er auch Tristanden
Noch durch seine Hände gehn,
Als sollt es nur im Scherz geschehn,
Und sprach: »Wohlauf, Herr Tristan.«
Und warf das Bettgewand hindann,
Und fand auch hier Blut so wie dort.
Nun schwieg er still und sprach kein Wort.
Er ließ von ihm und gieng dahin.
Die Gedanken und den Sinn
Beschwert' es ihm gar sehr; er sann
Und sann, nicht anders als ein Mann,
Dem es zu kleiner Freude tagt.
Hier hatt er wieder nachgejagt
Und nichts erjagt als Herzeleid.
Doch jener Beiden Heimlichkeit
Und wie es war hierum bewandt,
Davon war ihm nicht mehr bekannt
Als in den Betten dort das Blut:
Das war doch zum Erweis nicht gut.
Von Zweifel und von Argwahn,
Die kaum erst waren hingethan,
Sah er sich abermals umschnürt.
Daß er den Estrich unberührt
Gefunden hatte und das Mehl,
Das nähme, schien ihm, jeden Fehl
Von Tristan, seinem Neffen, hin;
Daß er jedoch die Königin
Und sein Bette blutig fand,
Darob ergriff ihn allzuhand
Sein Unmuth und sein übler Wahn,
Wie sie dem Zweifler immer nahn.
So zweifelnd wust er nicht wohin;
Bald wähnte dieß, bald das sein Sinn,
Nicht wißend was er wollte
Noch was er wähnen sollte.
Er hatte zu den Stunden
In seinem Bett gefunden
Der schuldhaften Minne Spur,
Nicht vor dem Bett, im Bette nur.
Hiemit war ihm die Wahrheit
Gewährt, verwehrt zu gleicher Zeit:
Er war an diesen Zwein betrogen.
Dieses Wahr und dieß Gelogen
Glaubt' er beide zu besitzen
Und konnte keins von beiden nützen:
Er sah sie nicht für schuldig an
Und ließ der Unschuld doch nicht Bahn.
Viel bittern Kummer schafften
Die Zwei dem Zweifelhaften.

Herr Marke der verirrte,
Wie sehr ihn nun verwirrte
Das Trachten erst und Sinnen!
Was hier sei zu beginnen,
Daß er zurecht sich richtete
Und diesen Argwahn schlichtete
Und so der Zweifelbürde
Ledig und ohne würde,
Auch Ritter so wie Knechte
Von dem Verdachte brächte,
Den sie ihm ließen schauen
Ob Isolden seiner Frauen
Und seinem Neffen Tristan.
Da befandt er Die in seinem Bann,
Von Denen er sich Treu versprach,
Legt' ihnen vor sein Ungemach,
Und wie diese Märe
Am Hof entsprungen wäre:
Wie er in Sorgen stehe
Um seine Ehr und Ehe.
Denn ihm scheine nun mit Nichten,
Da solcherlei Inzichten
Wären in aller Munde
Und allgemeiner Kunde,
Daß er der Königin Isold
Noch heimlich dürfte sein und hold,
Eh sie Treu und Unschuld sonder Wahn
Öffentlich ihm dargethan.
Hierüber such er ihren Rath,
Wie er um ihre Missethat
Den Zweifel tilgen möchte,
Daß es ihm Ehre brächte
Es sei mit Ja oder Nein.

Seine Freund und Mannen insgemein
Gaben ihm den Rath zuhand,
Nach Lunders hin, in Engelland
Zu berufen ein Concil,
Und da vor der Pfaffen viel
Und gründlicher Antisten,
Die Gottes Recht wohl wüsten,
Seinen Zweifel kundzuthun.
Das Concilium ward auch nun
Gen Lunders gesprochen
Nach Pfingsten, in der Wochen,
Die da beschließt den Maien.
Pfaffen und Laien
Kamen in vollen Scharen
Zu diesem Tag gefahren,
Wie der König bat und auch gebot;
Auch Marke kam und Frau Isot,
Gar schwer bekümmert beide
Mit Furcht und mit Leide.
Isolde war mit Bangen
Um Ehr und Leib befangen:
So trug auch Marke sorglich Leid,
Seine Freud und seine Würdigkeit,
Daß er die kränken würde
An seines Weibes Würde.

Als Marke zum Concile kam,
Den Fürsten trug er vor den Gram,
Wie er bekümmert wäre
Mit dieser schmähen Märe,
Und bat sie so um Gottes Segen
Als der eignen Ehre wegen,
So sie nur irgend möchten,
Daß sie ihm doch erdächten
Einen Anschlag oder Rath,
Wie er dieser Missethat
Gericht und Rache nähme,
Oder damit zu Ende käme
Es sei mit Nein oder Ja.
Hierüber sprachen Manche da
Gar Mancherlei nach ihrem Muth,
Dieser übel, Jener gut,
Und ward bald so, bald so geschwätzt.

Auf stand der Fürsten Einer jetzt,
Die bei dem Rathe waren,
An Weisheit und an Jahren
Zu gutem Rathe wohl erlesen,
Alt und von ehrwürdgem Wesen,
Der greise und weise
Bischof von Thameise.
Über seine Krücke lehnt' er sich,
»Herr König«, sprach er, »höret mich.
Ihr habt uns her vor euch besandt,
Uns Fürsten hier von Engelland,
Daß wir euch rathen treu und gut,
Da treuen Rathes Noth euch thut.
Darunter bin auch ich erschienen:
Ich hab auch Platz, Herr, unter ihnen.
Auch bin ich in den Tagen wohl,
Daß ich frei wohl darf und soll
Laßen und thun was mir beliebt,
Und reden was zu reden giebt.
Ein Jeder rede hier für sich:
Herr, so sag ich euch für mich
Meinen Sinn und meinen Muth:
Dünkt mein Sinn alsdann euch gut,
Und gefällt er euch, so folget Ihr
Meinem Rathe so wie mir.
Die Königin und Herr Tristan
Klagt man hier auf Argwahn an,
Und hat sie keiner Ungebühren
Noch jemals können überführen,
So weit es mir ward kundgethan.
Wie mögt ihr diesen Argwahn
Denn nun im Argen schlichten,
Wie mögt ihr hier wohl richten
Über euern Neffen und eur Weib,
Daß es an Ehre geh und Leib,
Da man sie nicht betroffen hat
Auf irgend einer Missethat
Und vielleicht auch nie betreffen kann?
Leicht mag Einer Tristan
Wohl beschuldgen und bezichten,
Behaupten kann ers doch mit Nichten
Wie er wohl billig sollte.
So brächt auch, wer da wollte,
Isolden leicht zu Mären
Und kann es nicht bewähren.
Doch weil der Hof um Missethat
Sie in so schwerem Argwahn hat,
So sollt ihr der Königin

Zu Tisch und Bette fürderhin
Gesellt nicht sein bis an den Tag,
Da sie ihre Unschuld zeigen mag
So vor euch als vor dem Lande,
Das den Leumund weiß von dieser Schande
Und ihn weiter fördert alle Tage.
Denn leider, so gethaner Sage
Ist ein jedes Ohr bereit,
Zur Lüge wie zur Wahrheit.
Ob es wahr sei, ob gelogen,
Was in den Leumund wird gezogen
Und wo man von Bezichten spricht,
Da wächst und wuchert die Bezicht
Und kehrt sich stäts zur ärgern Hand.
Wie es hierum auch sei bewandt,
Es sei nun Wahrheit oder Wind,
Der Leumund und die Inzicht sind
Mit Reden nun so weit gekommen,
Daß ihr es habt für Arg genommen
Und es der Hof verübelt hat.
Nun weiß ich, Herr, und ist mein Rath,
Soll meine Frau, die Königin,
Besprochen werden fürderhin
Um so unlautre Dinge,
Daß man sie vor uns bringe
Vor unser Aller Angesicht,
Und der Hof nach Recht und Pflicht
Von euch vernehme eure Klage
Und was sie zur Entschuldgung sage.«

»Herr«, sprach da Mark, »ich stimme bei
Der Rath und eure Rede sei,
Bedünkt mich, gut und fördersam.«
Isolde ward besandt: sie kam
In den Pallas zum Concilium:
Sie saß, und Alles saß herum.
Der Bischof nun, der greise
Und weise von Thameise,
Wie ihm der König gebot,
Stand auf und sprach: »Frau Isot,
Tugendreiche Königin,
Meine Rede werde mir verziehn.
Mein Herr der König heißet mich
Sein Wort hier thun, mithin muß ich
An euch leisten sein Gebot.
Nun weiß es aber wahrlich Gott,
Was eurer Würde nicht geziemt
Und euch das reine Lob benimmt,
Daß ich das ungern trage
Zu Licht und zu Tage,
Möcht es mir erlaßen sein.
Selge, gute Köngin rein,
Mir gebeut eur Herr und eur Gemahl,
Euch anzusprechen hier im Saal
Um eine offene Bezicht.
Ich weiß nicht, Er weiß selber nicht,
Wie dieß ist angebrochen,
Als daß ihr seid besprochen
Vom Hof und von den Landen
Mit seinem Neffen Tristanden.
So Gott will, Frau Königin,
Der Unthat, der sie All euch ziehn,
Mögt ihr unschuldig sein und frei;
Er denkt doch, daß es Wahrheit sei,
Weil man so bei Hofe spricht.
Er selber hat euch anders nicht
Als rein und gut bewährt gesehn;
Von Reden, die bei Hofe gehn,
Hat er den Wahn auf euch gewandt,
Nicht weil ihm Wahrheit wär bekannt.
Darum so spricht er hier euch an,
Daß es die Freunde wie sein Bann
Vernehmen all und hören,
Ob er damit zerstören
Möge mit unser aller Rath
Den Leumund und die Missethat.
Nun däuchte mich es wohlgethan,
Wenn ihr um den Argwahn
Ihm Antwort gäbet und Bescheid
In unsrer Gegenwärtigkeit.«

Isolde mit dem klugen Sinn,
Die klugsinnge Königin,
Da ihr zu sprechen ward ertheilt,
Auf stand sie selber unverweilt.
»Herr«, sprach sie, »mein Herr Bischof,
Die Barone hier und all der Hof,
Ihr sollt das alle wißen wohl,
Wo immer ich verreden soll
Mein und meines Herren Schmach,
Da verred ich sie der Wahrheit nach
So wie jetzt zu aller Zeit.
Ihr Herren, mir ward wohl Bescheid,
Daß ich auf diese Thorheit hin
Vor einem Jahr schon ward verschrien
Über Hof und über Land.
Euch Allen aber ist bekannt,
Wie Niemand so glücklich ist,
Daß er der Welt zu jeder Frist
So wohl zu Willen möge leben,
Daß nichts ihm werde Schuld gegeben.
Drum scheint mir nicht Verwunderns werth,
Wenn mir das Gleiche widerfährt:
Man konnte Mich nicht übergehn:
Ich must auch zu Gerichte stehn
Um schmähliche Schande,
Zumal ich fremd im Lande
Und hier schwerlich Jemand fände,
An den mich Blut und Sippe bände.
Weiß ich doch Niemand nahebei,
Der meines Leides leidig sei.
Ihr All zumal und All zugleich,
Ob ihr arm seid oder reich,
Laßt es euch schwerlich rauben,
An meine Schmach zu glauben.
Könnt ich nun was beginnen
Und guten Rath gewinnen,
Daß ich mein Unverschulden
Zu euer Aller Hulden
Und meines Herren Ehre
Beweise und bewähre,
Guten Willen hätt ich wohl dazu.
So rathet Ihr denn, was ich thu.
Was man mir auflegt vor Gericht,
Ich bin bereit und weigr es nicht,
Daß euer Aller Argwahn
Beseitigt werd und abgethan;
Und thu es darum noch viel gerner,
Daß meines Herren Ehre ferner
Keiner Schmach mehr wird geziehn.«

Der König sprach: »Frau Königin,
Ich laß es gern hiebei bestehn:
Soll ich Beweise von euch sehn,
Wie uns verheißen hat eur Mund,
So thut uns Sicherheit nur kund.
Vor unserm Angesichte
Versteht zu dem Gerichte
Euch mit dem glühnden Eisen,
Wie euch der Hof wird weisen.«
Die Königin versagt' es nicht:
Sie gelobte das Gericht
Wie es ihr ward gesprochen
Nach den nächsten sechs Wochen
In die Stadt zu Carliun.
König und Ritter schieden nun
Und das Concil all insgemein.

Isolde blieb zurück allein
Mit Sorgen und mit Leide.
Leid und Sorge beide
Damit war sie befangen.
Um die Ehre must ihr bangen;
Auch zwang sie das verhohlne Leid,
Daß sie ihre Unwahrheit
Zu Wahrheit sollte bringen.
In beiden leiden Dingen

Wuste sie nicht aus noch ein.
Sie stellte beide, Furcht und Pein,
Auf den gnadenreichen Christ,
Der in den Nöthen hilfreich ist.
Der sollte sie vertreten:
Mit Fasten und mit Beten
Befahl sie ihm die Angst und Noth.
In diesen Sorgen hatt Isot
Zuflucht zu einer List gesucht
Im Vertraun auf Gottes höfsche Zucht.
Sie schrieb und bestellte dann
Einen Brief an Tristan,
Und entbot ihm, daß er kommen möchte,
Wie er es auch zuwege brächte,
Des Tages früh gen Carliun,
Und wenn sie landen sollte nun,
Ihrer harren an dem Port.
Nun, so geschahs. Es fehlte dort
Im Pilgerkleide Tristan nicht;
Jedoch hatt er sein Angesicht
Ganz entfärbt und aufgeschwellt,
Dazu sich anders sehr entstellt.

Als Isold und Marke kamen,
Da ihr Gelände nahmen,
Die Königin ersah ihn dort
Und erkannt ihn auch sofort;
Und als das Schiff zu Lande stieß
Da gebot Isold und hieß,
Wenn der Waller, der da stände,
Stark genug wär und behende,
Und sonst es gerne thäte,
Daß man um Gott ihn bäte,
Daß er sie durch die Flut zuhand
Von der Brücke trüg ans Land;
Sie wolle sich in diesen Tagen
Von keinem Ritter laßen tragen.
Da riefen Alle gleich ihn an:
»Kommt doch näher, guter Mann,
Und tragt die Köngin ans Gestad.«
Er leistete was man ihn bat:
Die Köngin auf der Brücke dort
Nahm er auf den Arm sofort
Und trug sie durch die Flut ans Land.
Ihm raunt' ins Ohr Isold zuhand,
Wenn er ans Ufer käme,
Daß er den Fall da nähme
Mit ihr pardauz zur Erden.
Was auch draus sollte werden,
Er thats: sobald er das Gestad
Erreichend festes Land betrat,
Zur Erde sank der Wallersmann,
Als hätt ers nicht mit Fleiß gethan,
Und siel so ungeschickt dahin,
Daß er der schönen Königin
Im Arm und an der Seite lag.
Da hieß es: »Laufe schnell, wer mag!«
Des Gesindes eilt' auch gleich ein Heer
Mit Stäben und mit Stöcken her
Und dacht ihn wohl mit tüchtigen
Schlägen dafür zu züchtigen.
»Nein, nein, laßt ab«, rief da Isot,
»Es geschah dem Waller nur aus Noth:
Der Arme ist so schwach und krank,
Daß er wider seinen Willen sank.«

Des sagten ihr die Weisen
Nur Dank: sie mustens preisen,
Und loben ihr Gemüthe,
Daß sie es mit Ungüte
Dem armen Manne nicht verwies.
Lachend sprach Isolde dieß:
»Was Wunder war denn auch daran,
Wenn dieser wallende Mann
Mit mir hätte Scherz getrieben?«
Das nahmen sie wohl auf und schrieben
Für Zucht ihrs an und höfschen Sinn.
Gelobt ward die Königin
Und gepriesen drum von manchem Mann.
Herr Marke sah es Alles an;
Er hörte dieß und wieder das.
Isot sprach aber noch fürbaß:
»Nun weiß ich nicht, was werden soll,
Denn euer Jeder sieht nun wohl,
Daß ich das nicht beschwören kann,
Daß außer Marke nie ein Mann
In meinen Arm gekommen,
Oder jemals Platz genommen
Hab an meiner Seiten.«
So trieben sie im Reiten
Ihren Scherz noch Alle
Mit des Pilgrims Falle
Bis Carliun; da war ihr Ziel.
Da sah man der Barone viel,
Von Pfaffen, Rittern groß Gedränge,
Gemeinen Volkes auch die Menge,
Bischöfe und Prälaten,
Die da das Hochamt thaten
Zur Einweihung des Gerichts.
Da gebrach nun weiter nichts
Was Noth war nach des Hofs Gebrauch;
Im Feuer lag das Eisen auch.
Die gute Königin Isold,
Die hatt ihr Silber und ihr Gold,
Ihre Zier und was zur Hand
Ihr war von Pferden und Gewand
Hingeschenkt um Gottes Huld,
Daß Gott doch ihrer wahren Schuld
Nicht an ihr gedächte
Und sie zu Ehren brächte.
Zum Münster war sie so gekommen
Und hatte da ihr Amt vernommen
Mit inniglichem Muthe,
Die weise, die gute.
In tiefer Andacht lag sie da.
Sie trug dem bloßen Leibe nah
Ein hären Hemde hart und rauch;
Ein wollen Röcklein drüber auch,
So kurz, daß es zwo Hände
Ob den Enkeln gieng zu Ende.
Die Armel waren aufgezogen
Schier bis an den Ellenbogen;
Arm' und Füße waren bar.
Manch Herz und Auge nahm es wahr
Und erbarmte sich des Weibes.
Des Gewands und bloßen Leibes
Ward von Allen wahrgenommen.
Das Heilthum war nun auch gekommen,
Darauf den Eid sie sollte thun.
Man gebot Isolden nun,
Ihre Schuld an diesen Sünden
Gott und der Welt zu künden.
Nun hatt Isolde Ehr und Leben
An Gottes Güte ganz ergeben.
Sie bot ihr Herz und ihre Hand
Furchtsam, wie es um sie stand,
Dem Heilthum und dem Eide.
Hand und Herz auch, beide
Befahl sie Gottes Segen
Zu bewahren und zu pflegen.

Nun waren da auch Leute
So ungezogen heute,
Daß sie der Königin den Eid
Staben wollten ihr zu Leid,
Zu Schaden und zu Falle.
Die bittre Neidgalle,
Der Truchsäß Mariodo,
Der legt' es so und wieder so
Und vielfach auf ihr Unheil an.
Doch war dawider mancher Mann,
Der sich selber an ihr ehrte
Und es ihr zu Gute kehrte.
So gieng das Kriegen hin und her,
Wie ihr der Eid zu stellen wär:
Der war ihr böse, der ihr gut,
Wie man in solchen Fällen thut.
»Herr König«, fiel die Köngin ein,
»Mein Eid muß so gestellt doch sein
Wie euch selber wohl behagt.
Darum so seht nun selber zu
Was ich spreche oder thu,
Ob ich es mit dem Eide
Euch auch zu Dank bescheide;
Ihr Aller Reden ist zuviel.
Vernehmt wie ich euch schwören will:
Daß meines Leibes nie ein Mann
Jemals Kunde gewann,
Und mir zu keinen Zeiten
Im Arme noch zur Seiten
Außer euch ein Mann noch lag
Als der, den freilich ich nicht mag
In meinem Eid verläugnen:
Ihr saht es sich eräugnen,
Ihr saht mir in den Armen
Den Waller, den armen.
So helfe mir der Jungfrau Kind
Und alle Heilgen, die da sind,
Zum Segen und zum Heile
Bei diesem Urtheile.
Wenn ihr noch nicht zufrieden seid,
So beßr ich euch auch gern den Eid
So oder so, wie ihr nur wollt.«

»Nein«, sprach der König, »Frau Isold,
Es dünkt mich schon genug hieran
Soweit ich mich versinnen kann.
Nun nehmt das Eisen in die Hand
Und wie ihr Wahrheit habt bekannt,
So helf euch Gott in dieser Noth.«
»Amen«, sprach da Schön Isot.
In Gottes Namen griff sie's an
Und trug es, daß sie nicht verbrann.
Da wurde klar ans Licht gestellt
Und bewährt vor aller Welt,
Daß der tugendreiche Christ
Windschaffen wie ein Ermel ist.
Er fügt sich gern und schmiegt sich an,
Wie man es nur verlangen kann,
So gefüge stäts und wohl,
Als er nach allen Wünschen soll;
Er ist den Herzen gleich bereit
Zum Truge wie zur Wahrheit.
Seis zum Ernste, seis zum Spiel,
Er ist wie man ihn haben will.
Das war hier wohl zu schauen
An der gefügen Frauen.
Ihr half die Verschlagenheit
Und ihr vergifteter Eid,
Mit dem sie falsch vor Gott gespielt,
Daß sie die Ehre behielt
Und wurde da von Neuem
Von Marke dem Getreuen
Sehr geminnt und geehrt,
Dazu gepriesen und gehehrt
Von Land und Leuten allerwärts.
Woran der König ihr Herz
Mit Verlangen nur sah hangen,
Das war sogleich auch sein Verlangen.
Er bot ihr Ehr und volles Gut;
All sein Herz und all sein Muth
Sah man auf sie gewandt allein
Ohn alle Falschheit treu und rein.
Sein Zweifel und sein Argwahn
Waren wieder abgethan.


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