Gottfried von Straßburg
Tristan und Isolde
Gottfried von Straßburg

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XV. Gewonnen Spiel.

                     

Der Tag war angebrochen jetzt,
Der zu dem Kampf war angesetzt.
Da kam der Ritter große Menge
Und des Landvolks dicht Gedränge
Vor den König in den Saal.
Geredet ward auch viel zumal
Unter den guten Knechten:
Sie fragten, wer zu fechten
Sich der Magd Isoten
Mit dem Truchsäß hätt erboten?
Die Frage gieng da her und hin.
Doch war da Niemand, wie es schien,
Der es zu sagen wüste.
Tristanden von der Küste
Mit den Kleidern war der Schrein gekommen.
Drei Gürtel hatt er draus genommen
Zum Schmuck der dreien Frauen;
Nie beßern gabs zu schauen
An Kaiserin noch Königin.
Fürspann und Schapel lagen drin,
Senkel und Fingerlein.
Damit war angefüllt der Schrein,
Und war das Alles also gut,
Daß nimmer eines Herzens Muth
Geschmeide noch erdachte,
Das man für beßer achte.
Nichts ward auch je davon gethan
Als was sich selber Tristan
Entnommen heut mit eigner Hand:
Ein Gürtel, der ihm herrlich stand,
Ein Schapel und ein Spängelein,
Die gemäß ihm mochten sein.
»Ihr Schönen«, sprach er, »alle drei,
Diesen Schrein und was darinnen sei,
Damit so schaffet alle
Und thut was euch gefalle.«

Mit dieser Rede gieng Tristan;
Seine Kleider legt' er an
Und wendete darauf den Sinn
Und fliß sich, wie er sich darin,
Zieren mochte also wohl
Als ein vollmüthger Ritter soll;
Sie standen ihm auch wundersam.
Nun er wieder zu den Frauen kam,
Daß sie ihn möchten schauen
Da ließen ihn die Frauen
Durch Herzen und Gedanken ziehn:
Allen Drein zusammen schien
Er schön und sonder Gleichen.
Die drei Wonnereichen
Gedachten all zu Einer Frist:
»Wahrlich, dieser Mann, der ist
Eine mannhafte Creatur.
Sein Kleid und seine Figur
Bilden wohl an ihm den Mann:
Sie stehn so wohl einander an,
Um ihn ist Alles wohl bewandt.«

Nun hatt auch Tristan besandt
Sein Geleit; es war gekommen
Und hatte Sitze eingenommen
Hintereinander in dem Saal.
Da gieng nun alle Welt zumal
Und besahn mit Wohlgefallen
An Diesen Herren allen
Die Wunder von Gewanden;
Und Manche wohl gestanden,
Sie hätten an so Vielen nie
So gut Gewand gesehn als hie.
Daß sie jedoch so stille sind,
Nicht reden mit dem Landgesind,
Hat guten Grund, vernehmt Bericht:
Sie können seine Sprache nicht.
Nun sendete der König hin
Einen Boten nach der Königin,
Daß sie zu Hofe käme
Und die Tochter mit sich nähme.
Sie sprach: »Isot, komm, gehen wir;
Herr Tristan, bleibet Ihr noch hier.
Doch wird alsbald nach euch gesandt:
Dann nimmt Brangän euch an die Hand,
Und kommt ihr Beiden auch dahin.«
»Das soll geschehe, Frau Königin.«

So kam die Königin Isot,
Das fröhliche Morgenroth,
Ihre Sonne führend an der Hand,
Das Wunder aus der Iren Land,
Die lichte Magd Isolde,
Die ihrem Morgengolde
Leicht und mit gemeßnem Gang
Folgte durch der Leute Drang,
Süß gebildet überall
Hochgewachsen, schlank und schmal
In enge schließendem Gewand,
Wie geschaffen von der Minne Hand
Ihr selbst zu einem Federspiel;
Dem Wunsch zu allerhöchstem Ziel,
Das er nicht überholen kann.
Sie hatt aus braunem Sammet an
Rock und Mantel, in dem Schnitte
Von Frankreich, und nach dessen Sitte
War jener, wo die Seiten
Nach der Hüfte gleiten,
Gefranset und geenget,
Nah an den Leib gedränget
Mit einer Borte, die ihr wohl
Lag, wo Borte liegen soll.
Auch war der Rock ihr heimlich:
Nahe zu ihr schmiegt' er sich;
Er stand nicht ab, er fugte glatt
Den Gliedern sich an jeder Statt
Von oben bis herab zu Thal:
Er nahm im Faltenwurf den Fall
Und schleppt' am Boden nach so viel,
Als es Jeder gerne sehen will.
Der Mantel war zu Fleiße
Mit des Hermelines Weiße
Im Innern gezieret,
In Zeilen ausstaffieret,
Nicht zu kurz und nicht zu lang;
Er schwebte, wo er niedersank,
Nicht zur Erde noch empor.
Ein hübscher Zobel saß davor,
Dermaßen wie das Maß befahl,
Nicht zu breit und nicht zu schmal,
Mit Abwechslung schwarz und grau;
Schwarz und Grau war so genau
Geordnet und gemeßen,
An keinem schien vergeßen.
Er war auch so im Bogen
Um den weißen Hermelin gezogen
Wie sich der Zobel wenden soll,
Damit das Einvernehmen voll.
Die Knöpfe, wo die sollten sein,
Da war ein kleines Schnürlein
Von weißen Perlen eingefügt:
Die Schöne ruhte da vergnügt
Den Daumen ihrer linken Hand;
Die Rechte senkte sie gewandt
Ein wenig tiefer, wie ihr wißt,
Daß man da den Mantel schließt:
Sie schloß ihn da nach höfschem Brauch
Mit zweien ihrer Finger auch.
Mehr abwärts fiel er selbst herwider
Und warf so bis zum Fuß hernieder
Die Falten, daß man beide
Gewahrte Pelz und Seide,
Und man inn und außen da
Und innerthalben lauschen sah
Das Bild, das die Minne
Am Leib und an dem Sinne
So lieblich wust und wohl zu drehn.
Ja, mit Drehen, Weben, Nähn
Brächte keine Kunst zuwege
Ein Bild, daß diesem gleichen möge.
Beschwingte Räuberblicke
Flogen da schneedicke
Raubend durch der Männer Schar:
Ich meine, daß hier Manchen gar
Isot sein selbst beraubte.
Sie trug auf ihrem Haupte
Einen schmalen Reif von Golde,
Eigens für Isolde
Gewirkt mit klugem Sinne;
Juwelen lagen drinne,
Erwünschte Edelsteine,
Glänzende, kleine,
Die besten in dem Lande.
Smaragde und Jachande,
Saphire, Chalcedone,
Die waren in die Krone
Eingelaßen hier und dort,
Ein jeglicher an seinen Ort,
Daß Steine keines Meisters Hand
Zu fügen beßer noch verstand.
Da leuchteten sich Gold und Gold,
Der goldne Cirkel und Isold,
Im Wechselstreit einander an.
Da war kein noch so weiser Mann,
Hätt er die Steine nicht erschaut,
Den Augen hätt er wohl getraut,
Daß da kein Cirkel möge sein:
So gleich kam und so überein
Ihr golden Haar dem Golde.

Isolden gieng Isolde,
Die Tochter an der Mutter Hand,
Frei von aller Sorgen Band.
Ihre Tritte waren und ihr Gang
Gemeßen, weder kurz noch lang
Und doch in beider Maße.
So kam sie ihre Straße
Aufrecht mit freien Sitten,
Dem Sperber gleich, geschritten,
Glattfiedrig wie ein Papagei.
Sie ließ die Augen schweifen frei
Wie der Falk auf seinem Zweig.
Nicht zu streng und nicht zu weich
Hielten Beide ihre Weide.
Sie weideten Beide
So eben und so leise
Und in so süßer Weise,
Daß wohl kein Auge war allda,
Daß nicht in beide Spiegel sah
Mit Wundern und mit Wonne.
Die wonnereiche Sonne
Verbreitete den lichten Stral,
Daß alles Volk sich freut' im Saal
Wie sie bei der Mutter schien so klar.
Die Beiden waren immerdar
In süßer Unmuße
Mit zweierlei Gruße,
Mit Grüßen und mit Neigen,
Mit Sprechen und mit Schweigen.
Ihnen war ihr Recht an diesen
Dingen von selber zugewiesen:
Die Eine grüßt, die Andre neigt,
Die Mutter spricht, die Tochter schweigt.
So hieltens die Gefügen zwo:
Unmuße hatten sie so.

Nun Isot war mit Isot
Die Sonne und ihr Morgenroth,
Zu dem König hingekommen,
Hatten bei ihm Platz genommen,
Der Truchsäß nahm des Alles wahr
Und fragte ringsum in der Schar:
Wo denn mit Schwert und Spere
Der Frauen Kämpfer wäre?
Darüber ward ihm kein Bescheid.
Da nahm er Freunde zum Geleit
(Es stand in großer Zahl um ihn),
Und trat vor den König hin.
Dem Gerichte stellt' er sich
Und sprach: »Herr König, hier bin ich
Und fordere mein Kampfesrecht.
Wo ist denn nun der gute Knecht,
Der mich von meinen Ehren
Und Würden wähnt zu kehren?
Noch hab ich Freund' und manchen Mann.
Auch ist so gut mein Recht hieran,
Thut mir das Landrecht wie es soll,
So führ ich meine Sache wohl:
Gewalt erschreckt mich keine,
Ihr thut sie denn alleine.«

»Truchsäß«, fiel die Köngin ein,
»Soll dieser Kampf unwendbar sein,
So weiß ich nicht was hier zu thun,
Denn unbereit noch bin ich nun.
Wärst du jedoch wie billig
Noch so zum Frieden willig,
Daß Isolde dieser Märe
Ledig und ohne wäre,
Truchsäß, es käme wahrlich dir
So gut zu Statten noch als mir.«
»Ledig?« sprach der Andre froh.
»Ja Frau, Ihr thätet auch wohl so,
Ihr ließet auch gewonnen Spiel.
Was ihr auch reden mögt, ich will
Mit Frommen und mit Ehren
Aus diesem Handel kehren.
Ich hätte großer Mühe viel
Verwendet ohne Zweck und Ziel,
Wollt ich so von dannen traben.
Frau, eure Tochter will ich haben:
Kein ander Ende kommt daran.
Ihr wißet ihn so wohl, den Mann,
Der den Drachen erschlug:
Den bringt, so ist des Spiels genug.«

»Truchsäß«, sprach die Königin,
»Ich höre wohl, es kommt dahin,
Ich muß mein selber nehmen wahr.«
Sie winkte Paraneisen dar,
Und sprach: »Geh hin und bring den Mann.«
Da sahn sie all einander an,
Baron' und Ritter staunend.
Ein Jeder fragte raunend
Den Andern, wer er wäre,
Der dem Truchsäß Kampf gewähre?
Doch wust es weder Weib noch Mann.
Da kam mit leisem Schritt heran
Die stolze Brangäne,
Der Vollmond gegen Jene,
An ihrer Hand den werthen
Tristan als Gefährten.
Die stolze wohlgezogne Maid
Bei ihm in Wohlgezogenheit,
Von Antlitz auserlesen,
Leutselig all ihr Wesen,
Ihres Muthes stolz und frei.
Ihr Gefährte gieng dabei
In stolzlicher Weise;
An dem war auch zum Preise
Und zur Bewunderung bereit
Jegliche Vollkommenheit,
Die den Ritter machen soll.
Es stund ihm Alles schön und wohl
Was Rittern jemals löblich stand.
Die Gestalt an ihm und das Gewand
Stimmten wonnig überein
Und bildeten ihn im Verein
Zu einem ritterlichen Mann.
Von Ciclat hatt er Kleider an,
Die waren außer Maßen reich,
Lobenswerth, ob fremde gleich.
Sie waren nicht am Hof geschnitten,
Das Gold war nicht nach Hofessitten
Verwoben gleichermaßen;
Die seidenen Straßen
Sah man nicht aller Orten:
Sie waren hier und dorten
So mit dem Gold ertränket
Und in das Gold versenket,
Kaum sah man dran die Arbeit.
Ein Netz ward über dem Kleid
Von kleinen Perlen getragen;
Die Maschen all so weit geschlagen,
Als eine Hand an Breite hat.
Dazwischen brannte der Ciclat
Wie man Kohlen glühen sieht.
Das Unterfutter war Timit,
Brann, wie kein Veilchen ist zu schaun,
Dem Agleiblatte eben braun.
Derselbe Pfellel legte sich,
Wie er fiel und niederstrich,
So enge an und also wohl
Als ein Pfellel immer soll;
Er stand dem löblichen Mann
Auch so wohl und löblich an,
Er hätt es beßer nicht bestellt.
Auf seinem Haupte trug der Held
Von seinem Werke seinen Schein:
Ein Schapel wonniglich und fein,
Das recht wie eine Kerze brann.
Wie Sterne leuchteten daran
Topasen und Sardinen,
Chrysolithen und Rubinen.
Es war so licht und so klar,
Es hatt ihm Haupt zumal und Haar
Mit klarem Schein umfangen.

So kam er eingegangen,
Reich geschmückt und hochgemuth,
Von Gebahren hehr und gut,
Nach seinem ganzen Aufzug reich;
Er schien auch selber Fürsten gleich
In allen seinen Sachen.
Man begann ihm Raum zu machen,
Als er eintrat in den Saal.
Da wurden auch von Cornewal
Die Gefährten sein gewahr:
Entgegen sprang ihm froh die Schar:
Sie grüßten und empfiengen
Die Hand in Hand da giengen,
Brangänen und Tristanden,
Und nahmen sie bei Handen
Die Gefährten beide, sie und ihn,
Und conduierten sie dahin
Schön und mit freudigen Sinnen
Vor den König und die Königinnen.
Der König und die beiden Frauen
Ließen ihre Zucht ihn schauen:
Sie standen auf, ihn zu begrüßen.
Den König grüßt' er und die Süßen;
Darnach empfiengen auch die Dreie
Tristans Gefährten nach der Reihe
So herrlich und so ehrenvoll
Als man billig Herren soll.

Nun kam die Ritterschaft vom Land
In Scharen auch herzugerannt
Und empfieng der Gäste Schar,
Deren Werben noch verborgen war.
Doch, Die als Zins seit manchen Jahren
Von Cornewal gekommen waren,
Die erkannten bald im Saal
Der Freund' und Vettern große Zahl.
Da lief vor Freuden mancher Mann
Den Ohm, den Vater weinend an:
Man hörte Freud und Klage viel,
Die ich nicht näher schildern will.
Der König da Tristanden nahm
Und sie, die mit zum Saale kam,
Brangänen, sein Geleite,
Die setzt' er sich zur Seite.
Doch sah er gern und so geschahs,
Daß Tristan in der Mitte saß;
Ihm zur Rechten saßen auf dem Thron
Die holden Königinnen schon.
Ritter und Barone,
Tristans Compagnone,
Saßen auf des Estrichs Dielen,
Doch so, daß Jeder von den Vielen
Dem Gericht wohl in die Augen sah,
Und Alles sah was da geschah.

Vom Volk des Lands erhoben
Nun ward Tristan zu loben
Gered und Raunen viel zumal.
Da musten wahrlich in dem Saal
Aus manchen Mannes Munde
Wie aus der Erde Grunde
Lobquellen viel erspringen
Von allen seinen Dingen.
Sie sprachen ihm zu Lob und Preis
Mancherlei in mancher Weis.
Ihrer Viele huben an:
»Wo schuf Gott jemals beßern Mann
Nach ritterlichem Rechte!
Wie ist er zum Gefechte,
Zu jeder Kampfweise
Gestaltet so zum Preise!
Die Kleider, die er trägt, seht an,
Wie sind sie reich und wohlgethan.
Wer sah noch in der Iren Land
Also kaiserlich Gewand?
Gekleidet ist auch sein Geleit
In königlicher Herrlichkeit.
Wahrlich, wer er immer sei,
Sein Muth, sein Gut sind stolz und frei.«
Solcher Reden gabs genug.
Der Truchsäß hingegen trug
Den Eßig in den Augen nun;
Keine Lüge denk ich da zu thun.

Eine Stille nun befahl
Der König über all den Saal.
Die rief man aus: nun wagte dort
Niemand ein ganz noch halbes Wort.
Der König sprach: »Truchsäß, nun sprich,
Wes vermißest du dich?«
»Herr, ich schlug den Serpant.«
Der Gast stand auf und sprach zuhand:
»Nein, Ihr nicht, Herr, ich ganz allein«,
»Es soll sogleich erwiesen sein.«
»Mit welchem Zeugniss?« frug Tristan.
»Mit diesem Haupt, das ich gewann.«
»Herr König«, sprach Tristan sofort,
»Da er an dem Haupte dort
Ein Zeugniss zu haben glaubt,
So heißt doch schauen in das Haupt:
Und findet man die Zunge drin,
Weiß ich, daß ich im Unrecht bin
Und begebe mich des Streits fortan.«

So ward das Haupt denn aufgethan
Allein die Zunge drin vermisst.
Die Zunge holen gleich zur Frist
Ließ Tristan da: sie ward gebracht.
»Ihr Herren«, sprach er, »habet Acht
Und seht, ob sie des Drachen sei.«
Da stimmten sie ihm Alle bei
Und sagten Ja, sie muß es sein.
Nur der Truchsäß allein,
Der wollt es widerreden noch;
An Gründen fehlt' es ihm jedoch.
Der arme Überführte,
Wie er Mund und Zunge rührte,
Mit Red und mit Gedanken
Auch lallen mocht und wanken,
Nicht sprechen konnt er und nicht schweigen,
Wuste nicht, wie sich bezeigen.
»Ihr Herren alle«, sprach Tristan,
»Ein großes Wunder, schauet an,
Hat sich hier zugetragen:
Als ich den Drachen hatt erschlagen
Und ohne mir viel Müh zu machen
Die Zung aus seinem todten Rachen
Schnitt und sie von dannen trug,
Daß Er ihn dann zu Tode schlug.«
Die Herren sprachen alle:
»Mit diesem lauten Schalle
Hat er wenig Ehr erjagt.
Was Jemand spricht oder sagt,
Ein Jeder hier erkennt doch wohl,
Wenn man die Wahrheit sagen soll:
Der zuerst zur Stelle kam
Und die Drachenzunge mit sich nahm,
Der erschlug auch den Serpant.«
Dem stimmten Alle bei zuhand.

Da so dem Falschen gebrach
Und für den Falschlosen sprach
Des Hofs Entscheidung Mann für Mann,
»Herr König«, hub da Tristan an,
»Nun seid an euer Wort gemahnt:
Eure Tochter steht in meiner Hand.«
Der König sprach: »Das räum ich ein,
Es kann auch anders nicht sein.«
»Nein, Herr«, sprach der falsche Wicht,
»Um Gotteswillen, sprecht so nicht.
Wie es hiemit ergangen sei,
Untreu ist sicherlich dabei,
Mit Falschheit ists hierzu gekommen.
Doch eh mir also benommen
Die Ehre werde wider Recht,
Eh will ich ihrer mit Gefecht
Und mit Kampf verlustig gehn:
Herr, ich will den Kampf bestehn.«
Da sprach die weise Isot:
»Truchsäß, du theidigst ohne Noth:
Mit Wem willst du im Kampfe rechten?
Dieser Ritter will nicht fechten.
Ihm ward schon an Isoten
Sein volles Recht geboten.
Er wäre dümmer als ein Rind,
Mit dir zu fechten um den Wind.«
»Warum«, sprach Tristan, »Königin?
Eh daß er spricht, wir hätten ihn
Gekränkt hier an den Rechten,
Lieber will ich mit ihm fechten.
Herr und Herrin, sprecht ein Wort,
Gebietet ihm, daß er sofort
Sich zu waffnen eile;
So thu auch ich derweile.«

Als der Truchsäß erkannte,
Daß sichs zum Kampfe wandte,
Seine Freund und Mannen
Nahm er und gieng von dannen,
Mit ihnen da zu tagen
Und Rath sich zu erfragen.
Nun däuchte sie, ihm wäre
So lästerlich die Märe,
Daß er da wenig Rathes fand.
Sie sprachen Alle gleich zur Hand:
»Truchsäß, deine Forderung
Hatte bösen Ursprung
Und ist zu bösem Ende kommen.
Wes hast du dich angenommen?
Willst du wider alles Recht
Dich erbieten zum Gefecht,
Es geht dir wahrlich an das Leben.
Was Rathes möchten wir dir geben?
Ehr und Rathes bist du bar.
Verlörest du das Leben gar
Zu den schon verlornen Ehren,
Das hieße nur den Schaden mehren.
Wir meinen All und sehen wohl,
Der wider dich da fechten soll,
Der ist beherzt zu aller Noth:
Bestehst du ihn, so ists dein Tod.
Nun dich einmal des Teufels Rath
Betrogen um die Ehre hat,
So behalte doch das Leben noch.
Besieh noch und versuche doch,
Ob es sich fügen läßt mit Glimpf,
Daß der Lüge Schmach und Schimpf
Nur an der Ehre hafte.«
Da sprach der Lügenhafte:
»Wie wollt ihr denn, daß ich das thu?«
»Wir rathen dir da kurzweg zu:
Geh wieder in den Saal und sprich:
Deine Freunde hießen dich
Auf diese Forderung verzichten:
So bestündest du darauf mit Nichten.«

Der Truchsäß folgte dem sofort,
Er gieng hinein und sagte dort:
Die Freund' und Die in seinem Lehn
Hätten ihm gerathen abzustehn:
So leg er seine Fordrung hin.
»Truchsäß«, sprach die Königin,
»Ich wähnt' es nimmer zu erleben,
Daß du gedächtest aufzugeben
Ein also gar gewonnen Spiel.«
Solchen Spottes ward da viel
Im Saal getrieben nah und fern.
Der arme Truchsäß ward den Herrn
Zur Geige und zur Rotte:
Sie trieben ihn mit Spotte
Um und um wie einen Ball;
Des Spotts vernahm man großen Schall.
So nahm der Trug behende
Mit offner Schmach ein Ende.


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