Curt Grottewitz
Unser Wald
Curt Grottewitz

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Weißdornbusch

Weißdornbusch

Die Sträucher unserer Wälder.

Wer in einem gut verwalteten Forst an den gleichaltrigen, gleichhohen und gleichstarken Bäumen auf schnurgeradem Gestellwege dahinwandelt, der bekommt möglicherweise auf Meilen hin keine andere Gehölzart zu sehen, als die eine, die den Forst bildet. Diese heutige »rationelle« Forstverwaltung, die einzig auf die Holzerzeugung des Waldes bedacht ist, vertreibt, wo sie streng durchgeführt ist, alle die schönen und mannigfaltigen Sträucher, die eine so große Zierde des Waldes bilden. Selbst allbekannte Buschpflanzen wie die Hasel, der Holunder, der Weißdorn, um die sich Sage nnd Dichtung seit alter Zeit geschlungen und die mit dem Leben und der Tätigkeit des Menschen ehemals so eng verknüpft waren, beginnen in manchen Waldgegenden ganz zu fehlen. Da werden eben anf einmal große Schläge vollständig abgeholzt, jeder Baum, jeder Strauch wird ausgerodet und der kahle Schlag wird dann mit einer und derselben Baumart wieder aufgeforstet. In Reih und Glied, in dichten Linien stehen dann die jungen Kiefern, Fichten, Buchen, Eichen, und der Samen von Sträuchern, der etwa zwischen sie fällt, findet keinen Platz mehr zum Gedeihen. Und so wird wohl Jahr für Jahr ein neuer Schlag eines Waldreviers abgeholzt und aufgeforstet, und das geschieht nun schon seit einem halben Jahrhundert oder noch länger. Da ist es kein Wunder, daß die Sträucher, die zumal als Unterholz schon an und für sich nicht die allergünstigsten Lebensbedingungen haben, an vielen Orten immer seltener werden.

Es steckt freilich in vielen unserer Waldsträucher eine überaus große Zähigkeit. Fast alle wachsen außerordentlich schnell in die Höhe. Holunder, Wildrosen, Liguster, Faulbaum, Pfaffenhütchen wachsen alle um ein sehr Vielfaches schneller als Fichte, Kiefer, Eiche, Buche. An Samenertrag sind die Sträucher unserer Wälder reich. Viele haben Früchte mit auffälliger Färbung, die von Vögeln sehr leicht bemerkt werden können. Von den Früchten sind viele eßbar, auch für den Menschen. Haselnüsse, Schlehen, Hagebutten, Brombeeren und Himbeeren, die Früchte von Weißdorn, Sauerdorn und Holunder werden vielfach von Menschen, namentlich von Kindern verschleppt. Da sammelt irgendein wilder Bengel Haselnüsse und füllt damit seine Tasche. Einige verliert er dabei im Dickicht, andere benützt er als Wurfgeschoß, um sie seinen jüngeren Brüdern an den Kopf zu schleudern, und den Rest, den er nicht sofort vertilgen kann, wirft er womöglich weg. Die Haselnüsse, die gegessen werden, sind freilich für die Vermehrung des Strauches verloren, aber eine einzige genügt ja schon, einen neuen Strauch eutstehen zu lassen, der zehn und mehr Jahre lang Früchte tragen kann. In der Regel liegt aber das Fruchtfleisch rings um einen harten, ungenießbaren oder unverdaulichen Kern. In diesem Falle wird kein Samen vernichtet. Jeder Mensch, jedes Tier, das solche Frucht ißt, wird der Verbreiter des Strauches, von dem die Frucht stammt. Die für den Menschen nicht genießbaren Früchte des Pfaffenhütchens, Hartriegels, Schneeballs und anderer Buschpflanzen finden doch in der Regel dankbare Abnehmer und Verbreiter.

Die meisten unserer Waldsträucher haben aber — und das kommt ihnen ganz besonders zustatten — die Fähigkeit, aus dem Wurzelstock wieder auszuschlagen, wenn ihr Stamm über dem Boden abgehauen worden ist. In den kleinen Privatwäldern Mitteldeutschlands werden meist Abholzungen in der Weise vorgenommen, daß Baum wie Busch über dem Erdboden abgeschlagen werden. Die meisten Sträucher (und auch die jüngeren Bäume) schlagen dann aus den Wurzeln wieder kräftig aus. Es dauert nicht lange, so sind wenigstens die Sträucher wieder zur alten Herrlichkeit emporgewachsen. In früheren Zeiten nahm man sich wohl überhaupt nie die Mühe, einen Busch mit den Wurzeln auszugraben. Irgendein Drechsler brauchte ein recht zähes Holz. Da ging er in den Wald und schnitt einen Hartriegelstrauch über der Erde ab. Der Strauch schlug in kurzer Zeit wieder aus den Wurzeln hervor, die Prozedur hatte ihm kaum etwas geschadet. Jetzt dagegen geht man beim Abholzen eines ganzen Waldes an solchen Strauch direkt mit der Absicht heran, ihn zu vernichten. Man sieht ihn als Unkraut an, das die schöne militärische Gleichförmigkeit des Bestandes zerstört und womöglich den Holzertrag vermindert. So wird er mit dem ganzen Wurzelwerk ausgegraben, vernichtet, er und seine Nachkommenschaft. Immerhin ist es mühevoll, alle diese in den Augen des rationellen Forstmannes wertlosen Sträucher mit den Wurzeln auszugraben, und so bleibt doch Mancher Wurzelstock unbeschädigt, aus dem sich der Strauch regenerieren kann.

Man könnte vielleicht annehmen, daß in früherer Zeit in den hohen zusammenhängenden Urwäldern die Lebensbedingungen für die Sträucher auch nicht die günstigsten gewesen seien. Unter hohen alten Bäumen schwindet gewöhnlich jedes Unterholz, da es ihm Sowohl an Licht als auch an Raum zur Ausbreitung der Wurzeln gebricht. Allein wie noch heute die Urwaldstellen des Böhmerwaldes zeigen, darf man sich einen solchen Naturwald nicht als einen gleichmäßigen Bestand uralter Bäume denken, vielmehr herrscht gerade in ihm die größte Verschiedenheit in der Ausnutzung des Raumes. Stürzt nämlich so ein alter Baumriese, der seine Äste nach allen Seiten weit ausgestreckt und alles um sich her unterdrückt hat, so entsteht eine sehr große Lücke, und hier kann sich sowohl der junge Baumnachwuchs, wie auch die Sträuchervegetation Jahrzehnte hindurch breit machen. So gibt es allenthalben freie Stellen, wo Sträucher günstige Gelegenheit zum Gedeihen finden. Auch in unseren Gebirgswäldern und in den Laubwäldern der Ebene, in denen die Baumarten in gemischten Beständen angebaut werden, finden die Sträucher noch gute Unterkunft. In Gebirgswäldern wehrt sich die Natur mit ihrem mannigfach geformten Terrain, ihrer abwechslungsreichen Bodenart, ihrer schwierigen Zugänglichkeit erfolgreich gegen den Bureaukratismus der Menschen. Hier herrschen daher mehr ursprüngliche Verhältnisse, die der Strauchvegetation günstig sind. In den gemischten Laubwäldern der Ebene aber findet das Unterholz insofern passende Bedingungen, als die verschiedenen Baumarten sehr ungleichmäßig wachsen. Der Bestand ist dann nicht so gleichförmig, es gibt eher Lichtstellen, an denen ein Strauch sein Unterkommen finden kann.

Von dem Maße der Beleuchtung hängt es wesentlich ab, ob in einem Walde Sträucher gedeihen können oder nicht. Allerdings ist das Lichtbedürfnis bei den einzelnen Arten fehr verschieden. Den meisten Schatten ertragen die Traubenkirsche, das gemeine Geißblatt, Pfaffenhütchen, Faulbaum, Haselnuß. Sehr wohl als Unterholz befindet sich auch die Weißbuche. Sie tritt so häufig als Baum auf, aber sie bildet in schattigen Wäldern oft das einzige Unterholz, sie wächst in diesem Falle ganz strauchartig, und sie bleibt hier ein Strauch ihr Leben lang. Am wohlsten fühlen sich aber fast alle Sträucher am Waldrande. Hier haben sie Licht und Luft in Fülle, hier entwickeln sie sich denn auch meist, wenn der Boden nicht ganz aus trockenem Sande besteht, sehr üppig, hier blühen und Fruchten sie in reichstem Maße. Wenn man sich einem Walde nähert, so macht dieser daher oft einen sehr vollen, reichhaltigen Eindruck. Und der Eindruck hält an, wenn man den Wald auf einem guten Wege durchschneidet. Denn die Wegränder bieten ja dem Strauchwerk ungefähr dieselbe Leichtigkeit des Lebens wie der Waldrand selbst. Dringt man aber durch die dichte Buschwand hindurch in das Innere des Waldes hinein, so sieht man hier oft genug den Boden kahl, nur mit Blättern, Moos, Farnen oder höchstens Sauerklee bedeckt. In neuerer Zeit haben die meisten Wälder eine Menge Wege erhalten, viele Bergwälder sind geradezu von einem dichten Netz von Touristenwegen zerschnitten. Hier hat die moderne Kultur also viel zur Ausbreitung der schönen Waldsträucher beigetragen. Denn viele von diesen gedeihen wirklich gut nur an Randstellen. Berberitze, Schlehe, Schneeball, Himbeere gedeihen zwar als Unterholz, blühen und fruchten aber fast nur am Waldrande.

Einer der bekanntesten und nützlichsten aller Sträucher ist die Hasel. Sie ist ein robuster, stiller, prunkloser Strauch. Sie hat keinen Zierrat, keine auffallenden Blüten oder Früchte, aber es steckt eine große Kraft in ihr. Sie kann bis vier Meter hoch und sehr breit werden. Ihr Stamm, der sich allerdings meist bald über dem Erdboden oder schon unter der Erde in eine Menge von Stöcken zerspaltet, kann unter guten Verhältnissen eine Baumartige Stärke erreichen. Darin verrät die Hasel ihre hohe Abkunft, denn sie stammt aus der Familie der Birkengewächse, zu der Birken und Erlen und Weißbuchen gehören, sie ist ein Kätzchenträger. Ganz früh im Frühjahr, zu allererst von allen Gehölzarten, oft schon im Februar, fangen die Kätzchen, die bereits den Winter über in geschlossenem Zustande an den Zweigen hängen, an, sich zu strecken und zu blühen. Sie sind sehr unscheinbar, die männlichen Kätzchen bilden einen langen, lockeren Zylinder, die weiblichen ein mehr kugelförmiges, viel kleineres Gebilde, aus dem karminrote Narben hervorschauen. Stößt man an den Strauch an, wenn er so mit den langen, lustigen Kätzchen behängt ist, so bricht aus diesen eine Wolke gelben Blütenstaubes. Nach kurzer Blüte schrumpfen die männlichen Kätzchen zusammen und fallen ab, die weiblichen aber bilden sich im Laufe des Sommers zu Früchten, den bekannten Haselnüssen, aus.

Die Hasel hat ziemlich schlanke, aber immerhin steife Ruten. Ihre Blätter sind groß, rundlich, ungegliedert, etwas rauh. Kurzum, sie hat ein recht schweres, dichtes Laub. Ueberrascht Einen im Sommer ein Regen, so duckt man sich am besten in einen Haselstrauch, falls einer in der Nähe steht. Da hat es gute Wege, ehe das Wasser durchdringt. Mit den dichtbelaubten Zweigen treiben wir in meiner Heimat, in Sachsen, die Fliegen aus der Stube. Der Haselstrauch ist dort der gewöhnlichste Strauch, und an Fliegen hatten wir auf unserm Bauernhofe, wo es außer anderem Vieh auch eine Menge Schafe gab, stets Überfluß. Aber die vollen Zweige eigneten sich vorzüglich zum Verjagen der lästigen Insekten. Das Volle, Derbe des Laubes drückt sich in der ganzen Gestalt der Hasel aus. Sie wird, wo sie sich ganz ihrer Eigenart gemäß entwickeln kann, ein hoher, kugelrunder Busch. Unter Bäumen aber wächst auch sie in einzelnen langgestreckten Stöcken empor.

Die Hasel ist nicht gerade wählerisch im Boden, sie wächst auch noch auf Sandboden, wenn dieser nicht gar zu dürr ist. Aber hier trägt sie doch wenig Früchte. In Norddeutschland spielt daher die Hasel im Volksleben keine so bedeutende Rolle. Anders in Mittel- und wohl auch in Süddeutschland. Hier ist sie in allen Laubwaldungen, zumal in den kleinen Bauernwäldern, aber auch allenthalben in den Hecken der Gärten überaus häufig. Der Boden ist hier überall sehr gut und hier tragen die Sträucher fast Jahr für Jahr ungemein reichlich. Wird eine Hecke geschnitten, ein Bauernwäldchen abgeholzt, so wächst doch die Hasel sehr schnell wieder in kräftigen Trieben in die Höhe. Sie ist hier unverwüstlich und niemandem ist sie im Wege, jeder hat eine gewisse Sympathie für sie.

Das Angenehmste, das die Hasel den Menschen liefert, ist ihre Frucht. Sie ist von einer grünen, dünnen, gefranzten Hülle derart umschlossen, daß nur die Spitzseite hervorschaut. Wird die Nuß braun und reif, dann Springt sie leicht aus der dürr gewordenen Hülle heraus. Handelswert hat unsere Haselnuß wenig, da an ihrer Stelle meist die Lambertnuß zur Erzeugung der für den Handel bestimmten Hafelnüsse kultiviert wird. Aber gerade weil sie nicht gesammelt wird, um verkauft zu werden, darum ist sie in vielen Gegenden für Jung und Alt ein Gegenstand reinster Freude. Als wir Kinder waren, erwarteten wir die Haselnußzeit mit einer großen Spannung. Es war eine Sache, bei der es um die Ehre ging. Das heißt: Anstandssache war es auch, daß man nicht vor dem 1. September »in die Haselnüsse« ging. Aber so lange konnten wir unmöglich warten. Wir gingen gut ein, zwei Wochen früher, fanden dann oft den Kern der Nüsse noch völlig ungenießbar und mußten uns obendrein die Verachtung älterer Leute gefallen lassen. Aber es galt möglichst viel zu sammeln, jeder wollte den Rekord im Haselnußsammeln erreichen. Wir Kinder hatten nun einen sehr gefährlichen Konkurrenten in meinem Onkel, der in einem Nachbardorf wohnte und der ebenfalls mit Leidenschaft und viel Erfolg Hafelnüsse Sammelte. Der brachte jedes Jahr wohl so viel Metzen zusammen, wie wir Schock, er wanderte allerdings weiter umher als wir, die wir uns auf einen Umkreis von etwa einer halben bis dreiviertel Meile von unserm Dorfe beschränkten. So ein Auszug nach den kleinen Wäldchen der Umgegend war für uns Kinder, aber selbst für einige erwachsene Personen, die sich daran beteiligten, ein wahres Fest. Es ging uns weniger um den Genuß der Nüsse, als um das Durchstreifen und Absuchen der Büsche, wobei einer dem andern die dichtbehängten Zweige vor der Nase wegnahm. Mitunter mußte man auch auf einen starken stämmigen Busch, dessen Stöcke nicht herabzubiegen waren, hinaufklettern. Dann konnte es passieren, daß man mit dem Zweige zusammenbrach und wohl gar in einen der lieblichen Bäche fiel, die dort häufig an den Rändern der kleinen Laubwäldchen entlang fließen. man bekam eine große Übung im Erkennen und Erhaschen der Nüsse. Nichts ist wohl überhaupt gesunder für Leib und Seele als solch ein Waldesleben. Wir blieben gewöhnlich so lange, bis wir müde und hungrig waren. Dann setzten wir uns an den Waldrand und zählten die Beute. Wer am meisten hatte, dem fiel die allgemeine Achtung zu. Die Nüsse wurden in ziemlich primitiver Weise von der Hülle befreit, indem wir auf diese mit den Zähnen bissen. Es war ein sehr herber, zusammenziehender Geschmack, die Zähne wurden ganz stumpf davon, aber das kümmerte uns wenig. zu Hause augekommen, schütteten wir die Nüsse in einen Beutel und hängten diesen am Fenster auf, doch so, daß der Beutel im Freien hing und die Nüsse gehörig trocknen konnten. Nach jedem neuen Ausflug vermehrte sich der Inhalt des Beutels. Es wurde angestrebt, die Nüsse bis Weihnachten aufzubewahren. Den wenigsten gelang dies. Viele waren Naschkatzen und aßen die Nüsse sofort nach dem Sammeln. In diesem ungetrockneten Zustande schmeckten sie übrigens sehr zart, Mancher zog die frischen Nüsse den getrockneten sogar vor.

Das Holz der Hasel ist zäh und fest. Es wird zum Korbflechten, zu Faßreifen, zu Stöcken, Eggehaken und dergleichen benutzt. Für uns Jungen war das Haselholz unentbehrlich, wir brauchten es zu Bogen, um Spatzen zu schießen oder uns gegen einen Überfall von »Feinden« gewappnet zu halten. Man konnte nicht wissen, ob nicht unser kleines Dorf einmal der Schauplatz eines kriegerischen Einfalls werden könnte. Die Zeitungen schrieben immer von solchem Zeug, und wir Jungen glaubten damals daran. Wir brauchten aber das Holz der Hasel auch zu Sprenkeln, um Rotkehlchen zu fangen. Glücklicherweise fingen sich die lieblichen Singvögelchen nicht so leicht. Das Holz war überhaupt für sehr viele Zwecke brauchbar, für Lanzen, Stecken, Wassermühlen und all die ähnlichen Gerätschaften, die wir Kinder damals zu einer standesgemäßen Lebensführung für nötig erachteten.

Eine ähnliche volkstümliche Bedeutung wie die Hasel hat auch der Holunder. Es gibt in Deutschland wohl wenig Dörfer, in denen dieser Strauch nicht in dem oder jenem Winkel, hinter einer Scheune, im Garten, an Schuttplätzen vorhanden wäre. Aber in den Wäldern ist er wohl doch nicht so häufig wie die Hasel. nur weil er, abgesehen vom Walde, auch in der Nähe der menschlichen Wohnungen, ja hier mit Vorliebe zu Haufe ist, darum ist er so eng mit dem Leben des Landvolkes verknüpft. In der massigen Bauart, in seiner Größe und Breite, in der Dichtigkeit des Laubes, in seinem raschen Wachstum und seiner starken Triebkraft nach dem Zurückschneiden ist der Holunder der Haselnnß sehr ähnlich. Im übrigen ist er ein Strauch von ganz anderer Art. Er gehört zu den Geißblattgewächsen, denen außer ihm noch unsere Waldsträucher Geißblatt und Schneeball angehören. Seine weißen Blüten sind zu einem doldenartigen Stand angeordnet. Im Juni ist der Strauch mit diesen großen weißen Scheiben von Blüten, die stark duften, ganz überdeckt. Er sieht dann, zumal wenn er einen mächtigen breiten, fünf Meter hohen Busch bildet, sehr stattlich aus. aus den Blüten entwickeln sich zu Ende des Sommers kleine schwarze Beeren. Der Holunder hat gefiederte Blätter, aber die Fiederblättchen sind so groß, daß das laub gar nichts von der Zierlichkeit besitzt, die vielen fiederblättrigen Gehölzen, z. B. der Akazie, Eberesche oder gar der Gleditschie eigen ist. Das Massige, Derbe des Strauches gibt sich schon in den jungen Trieben kund, die sehr stark sind. Allerdings bleiben sie lange krautig; sie sind mit einem dicken Mark erfüllt, das auch in den mehrjährigen Zweigen und Stöcken eine recht große Stärke behält.

Der Holunder oder Holder wird oft auch Flieder genannt, obwohl dieser Name jenem bekannten Zierstrauche mit den schönen, herrlich riechenden, meist lilafarbigen Blütensträußen zukommt. Mit ihm hat der Holunder aber doch sehr wenig Gemeinsames. Der Holunder liebt einen fetten, feuchten Boden. In der Nähe von Dungstätten, an verwilderten, wenig ausgesogenen Stellen gedeiht er vorzüglich. In den Wäldern sucht er sich ebenfalls die feuchten, fruchtbarsten Stellen aus. In den Kiefernwaldungen Norddeutschlands trifft man ihn häufig an den Rändern, die an Wiesen oder an Seen grenzen. Da er sehr leicht durch Samen verbreitet wird und die Sämlinge sehr schnell wachsen, so überzieht er namentlich in Fruchtbaren Laubwäldern Lückenstellen, die durch Ausrodung, durch Wind- oder Wasserschaden entstanden sind.

Das Holz des Holunders, namentlich das alte, ist sehr hart und zäh; es dient deshalb zu feineren Drechslerarbeiten. Das schneeweiße Mark wird, zu kleinen Kugeln geformt, wegen seiner elektrischen Eigenschaften zu Experimenten in der Physik benutzt. Beliebt sind die Beeren, die, zu Mus gekocht, als Hausmittel verwendet werden oder zur Bereitung von Holundersuppe dienen. Die Blüten liefern den bekannten Fliedertee, der, wenn ich nicht irre, dieselbe Bedeutung wie Lindenblüten-, Kamillentee und ähnliche Teearten besitzt. Er hat wohl nie einem geschadet, und das ist immerhin anerkennenswert an solchen Hausmitteln. Als wir Kinder waren, hatten wir freilich noch viel schönere Beziehungen zum Holunderstrauch. Er roch allerdings nicht sehr gut, das Laub hat so etwas Ungelüftetes, Modriges. Wie angenehm duftete dagegen die Hasel — wir Schlingel kannten jeden Strauch und Baum am Geruch. Die Holunderbeeren dienten uns als Lockspeise für die oben erwähnten Sprenkel. Wir fütterten damit auch die gefangenen Rotkehlchen, wie denn diese Beeren überhaupt bei vielen Vögeln sehr beliebt sind. Das herrlichste aber war das Holz des Holunders. Wir schälten davon Stücke zwischen zwei Knoten heraus, dann bohrten wir das Mark aus dem Holze und nun stellte dieses ein schönes Brunnenrohr dar, das bei uns wassertechnische Verwendung fand, indem wir die Rohre aneinandersetzten, an einer Seite Wasser hineingossen, das dann zur andern wieder herauslief. Noch besser war solch ein Holzstück als Knall- und als Spritzbüchse zu verwenden. Die letztere war eine wirkliche Spritze; das Wasser kam in schönem Strahl daraus hervor, mündete dann freilich irgendwohin, wo es nicht sollte, in das Gesicht eines Schornsteinfegers oder auf die Wäsche, die zum Trocknen aufgehäugt war. Kurzum, die Sache wurde von Erwachsenen gewöhnlich nicht mit viel Verständnis aufgenommen, und es gab dann manchen Ärger. Harmloser waren die Knall- oder Platzbüchsen. Bei ihnen wurde ein Pfropfen mit lautem Knall durch Luftzusammenpressung herausgetrieben. Der Knall war dabei die Hauptsache, mit dem Pfropfen konnten wir zu unserem großen Bedauern niemanden verwunden, geschweige denn totschießen.

Es gibt in Deutschlands Wäldern noch eine andere Art des Holunderstrauchs, den Traubenholunder. Der wächst aber nur auf den Gebirgen. Im Riesengebirge, in der Sächsischen Schweiz, im Harz, überall ist er häufig. Hier bildet er einen schönen Schmuck der Waldränder und der lichten Waldstellen. Seine Fiederblätter sind, obwohl auch groß, doch schöner, glänzender, er wird aber nicht so massig. Herrlich sind seine scharlachroten Beeren. Weniger zierend sind dagegen die Blüten, die in gelblich-weißen, eiförmigen Rispen zeitig im Frühjahr erscheinen. Das Holz findet dieselbe Verwendung wie das des gemeinen Holunders.

Schönheit und Nützlichkeit vereint am besten von unseren Waldsträuchern der Weißdorn. Das ist auch solch ein Riese wie die Haselnuß und der Holunder, ja noch mehr als sie. Er gehört ja zu den Kernobstgewächsen, gleich dem Apfel und der Birne, und etwas von der Kraft unserer besten Obstbäume besitzt auch er. Seine Blätter sind aber so schön gelappt und die Triebe sind so dünn, daß er mit der Kraft doch große Anmnt verbindet. Aber man darf sich ihm nicht unvorsichtig nahen. O weh, er hat gar scharfe Dornen. Kein Vieh kann von diesem Strauch ein Blatt abweiden, er ist so gut bewehrt wie die Wildrosen, obwohl seine Dornen gerade sind und keine Widerhaken besitzen. Etwas später als unsere Obstbäume, meist gegen Ende Mai erst, blüht der Weißdorn. Es sind schöne, blendend weiße Blüten von duftigem Bittermandelgeruch. Sie gleichen etwa denen des Birnbaums, sind nicht ganz so groß, aber ebenso in größerer Anzahl vereint. Aus den Blüten werden gegen den Herbst hin rote kugelige oder ovale Früchte. In manchen ist bloß ein Kern, in anderen sind bis drei. Man unterscheidet nämlich zwei Arten: den gemeinen und den spitzblätterigen Weißdorn. Beide sind aber einander sehr ähnlich, und sie verhalten sich in ihren Lebensgewohnheiten ganz gleich. Der letztere hat gewöhnlich nur einen Griffel und einen Kern in der Frucht, er hat spitze, gelappte Blätter und blüht etwas später als der gemeine Weißdorn. Die Früchte besitzen ein mehliges, etwas trockenes Fleisch. Die Kinder nennen die Früchte Mehlfäßchen und verzehren sie mit gutem Appetit. Für uns waren sie neben Schlehen und allenfalls Hagebutten eine willkommene Erquickung, wenn wir vom Haselnußsammeln müde und hungrig geworden waren.

Der Weißdorn ist ziemlich auspruchslos in der Bodenart. An den Rändern von Laubwäldern kommt er überall vor. Man trifft ihn auch, gleich der Heckenrose, häufig an Feldwegen; der Dornen wegen wird er gern als Heckenstrauch verwendet. Als solcher eignet er sich auch darum noch besonders gut, weil er den Schnitt vorzuglich verträgt. Allerdings wird er viel von Raupen heimgesucht. Sein Holz ist ebenfalls sehr fest und zäh und findet deshalb zu feineren Gerätschaften Verwendung.

Viel Ähnliches und wiederum auch recht viel Verschiedenes vom Weißdorn besitzt der Schwarz- oder Schlehdorn. Er gehört zu den Steinobstgewächsen, ja, er ist nichts anderes als eine Pflaumenart. Der Schlehdorn kommt nur als Randstrauch, zumal an dürren sonnigen Abhängen vor. Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Sträuchern ist er sehr klein. Er kann wohl mannshoch werden, bleibt aber gewöhnlich in knapper Meterhöhe stecken. Er wächst außerordentlich sparrig und sieht fast immer struppig aus, einige Zweiglein sind verdorrt. Dabei ist er ganz schwarz und düster und dazu hat er große Dornen, die aber nicht gar so schlimm sind wie sie aussehen. Gestochen haben wir uns wohl kaum, wenn wir das Schlehengestrüpp auf unseren Pferden — es waren Haselruten — durchritten, und auf die Hosen kommt es einem braven Reitersmann nicht an. In der kurzen Blütezeit zu Ende des April nehmen sich die kleinen Schlehensträucher aber ganz schön aus, wenn sie mit den reinweißen Obstblüten überschüttet sind. Auch die immerhin großen runden blauen Früchte im Herbst verschönern den unscheinbaren Strauch. Sie sind außerordentlich herb. Wer nie unreife Äpfel und Birnen gegessen, nie die Weinbeeren schon im Augnst gekostet, nie auf dem Felde Kartoffeln im Kräutigfeuer gebraten und mit der Schale gegessen hat, kurz, wer nie als Kind auf dem Lande gelebt hat, der lasse die Hand von dieser Frucht. Essig ist nichts dagegen. Er ist nur sauer, aber die Schlehe ist außerdem noch herb, daß man nach einer Mahlzeit von einigen Dutzend Früchten eine Zunge so hart wie Schuhleder bekommt. Wir aßen sie damals als Kinder aber dennoch mit viel Wohlgeschmack.

Sehr saure Früchte besitzt auch der Sauerdorn, der auch Berberitze heißt. Botanisch hat er mit dem Weiß- und Schwarzdorn nichts zu tun, er gehört zu einer Pflanzenfamilie, die nach ihm den Namen führt und die den Hahnenfußgewächsen nahe steht. Er ist ein recht zierlicher, eleganter Strauch. Die Blätter sind rund, und ihr Rand ist in der Weise gesägt, daß die Sägezähne in zierliche Wimpern auslaufen. Die Dornen sind dreiteilig oder gar fünfteilig, und mit diesen stolzen Waffen ist der Strauch dicht besetzt. Die kleinen gelben Blüten stehen in Trauben. Aus ihnen entwickeln sich im Herbst schöne hellrote längliche Beeren, die eine sehr angenehme Säure enthalten. Sie können deshalb einen Ersatz für Zitronen bilden. Die Berberitze kommt auch nur an Waldrändern vor. Noch mehr bevorzugt sie den Rand von kleineren Gebüschen oder bildet selbst ein niederes Buschwerk an Wegrändern. Der Strauch wird auch häufig in Parkanlagen angepflanzt. Er enthält in seinem Holze, in der Rinde und in der Wurzel einen gelben Farbstoff, der zum Färben benutzt wird.

An dornigen Sträuchern fehlt es in unseren Wäldern nicht. Die unangenehmsten Dornen besitzen die Wildrosen, unter denen die Heckenrose (Rosa canina) die bekannteste ist. An sonnigen Waldrändern können wir die Heckenrose öfters antreffen, obwohl ihr gewöhnlichster Standort die Feldwege, Raine, vernachlässigte Landstellen sind. Sie ist ein Strauch von wunderbarer Schönheit. Wenn im Juni die zahlreichen, talergroßen, offenen Blüten aus den zierlich geschlitzten Kelchen und dem feinen, gefiederten Laube hervorstrahlen, dann ist der Strauch von einer unbeschreiblichen Anmut. Der Reiz jungfräulicher Unberührtheit, »morgenschöner« Jugend liegt über ihn ausgegossen. Viel anheimelnder, unserer Eigenart entsprechender ist diese innige, ästhetische Schönheit der Wildrose als die volle Üppigkeit, der exotische Prunk der gefüllten Gartenrosen, die aus Asiens glutdurchhauchtem Klima stammen.

Die Heckenrose kann ein sehr großer, voller Busch werden. Auf gutem Boden und in voller Sonne gedeiht sie am besten. Aber sie nimmt auch mit geringerem Sandboden vorlieb, wird hier allerdings nicht sehr hoch. An schattigen Stellen, von anderen Büschen dicht umdrängt, bildet sie nur einzelne lange, dornige Ruten, die gewöhnlich nicht blühen. Die Dornen gleichen in der Form dem Schnabel eines Raubvogels. Sie sind an der Basis sehr dick, verjüngen sich aber nach der Spitze hin immer mehr und sind dabei sehr krumm gebogen, so daß sie sich fest in das Fleisch einhaken. Wir vermieden es wohlweislich, mit unseren Haselrutenpferden durch Wildrosengestrüpp zu reiten. Die großen Früchte dagegen, die schönen roten Hagebutten, erregten immer unser Interesse. Zwar im eigentlichen Herbst war ihr Fleisch zu hart und schmeckte nicht recht nach etwas, aber wir brachten die Früchte mit nach Hause und hier wurde wohl öfters ein Kompott von ihnen gekocht, eine äußerst delikate Sache von einem ganz eigenartig feinen Aroma. In den späteren Herbstmonaten und im Winter wurden dann die Früchte weich, und sie schmeckten sehr angenehm, es war aber immer schwierig, das Fleisch von den Kernen zu trennen, und diese sind von Unmengen kleiner Haare oder Borsten umgeben, die einem leicht in der Kehle hängen bleiben und da sehr unangenehm kratzen und kitzeln. Die Früchte sind übrigens eine sehr große Zierde des Strauches, wenn sie sich röten, erwacht er noch einmal zu großer Schönheit. Er ist aber an und für sich mit seinen etwas graugrünen schmalen Fiederblättchen und seinen überhängenden Zweigen ein eleganter Strauch. Im Sommer sieht er freilich, zumal an Wegen, sehr verstaubt aus, auch leidet er viel von Ungeziefer. Raupen, Blattläuse, Käfer setzen ihm mehr als anderen Sträuchern zu.

Die geschätztesten Früchte, die es in unseren Wäldern gibt, liefern der Himbeer- und der Brombeerstrauch. Beide sind einander in vielen Stücken ähnlich, sie sind ja auch Arten einer und derselben Gattung. Von den Himbeeren gibt es nur eine, von den Brombeeren jedoch sehr viele einander allerdings recht ähnliche Arten. Als Rosengewächse haben die Himbeeren und Brombeeren fünfzählige, staubfädenreiche Blüten. Diese sind weiß wie die unserer Obstbäume und der Erdbeere. Himbeeren und Brombeeren blühen aber erst spät, nachdem sie schon lange ihr volles Laub entwickelt haben. Darum sind bei ihnen die Blüten nicht so wirksam. Äußerlich unterscheiden sich die beiden Sträucher dadurch am auffälligsten, daß die Himbeeren rote, die Brombeeren schwarze Früchte und außerdem Dornen besitzen. Sonst sind die Sträucher einander sehr ähnlich. Sie bilden immer ein niederes, wirres Gestrüpp und man kann sie fast als Unkraut im Walde betrachten. Sie haben die Eigentümlichkeit, daß sie Fruchte immer am alten zweijährigen Holze tragen. Jedes Jahr treiben sie neue Wurzelschosse, die aber erst im zweiten Jahre blühen und tragen, um alsdann wieder abzusterben. in Norddeutschland wachsen Himbeeren und Brombeeren fast nur in den Erlengebüschen, in die der Kiefernwald nach Wiesen und Seen zu übergeht. Sie sind hier nur an einzelnen Orten zahlreich. Im übrigen Deutschland dagegen gibt es fast an jedem Wald- und Gebüschrande eine Menge sehr ertragreicher Himbeer- und Brombeersträucher. Die letzteren bilden wirre, undurchdringliche Mauern vor den übrigen Büschen und den Bäumen des Waldes. Der Reichtum an Früchten ist sehr groß. Als wir Kinder waren, aßen wir uns jeden Tag ein- oder mehrmals an den herrlichen Beeren satt. Wenn die Süßkirschen im Garten sich dem Ende näherten, dann begann die Saison für die Himbeeren. Gegen Ende August war es mit diesen vorbei, darauf begannen die Brombeeren, die dann etwa bis zur Haselnußsaison anhielten. Eine Herrlichkeit folgte so schön der anderen, gerade als ob es jemand absichtlich so eingeteilt hätte.

Ebenso ähnlich einander wie die beiden erwähnten Sträucher sind die Heidel- und Preiselbeeren. Sie sind auch ebenso nützlich wie jene, ja der Handelswert ihrer Früchte ist wohl noch größer. Am üppigsten gedeihen die Preisel- und Heidelbeeren im Gebirge, zumal unter den Nadelbäumen. auch in den norddeutschen Kiefernwäldern bedecken, soweit das Terrain nicht ganz dürr ist, Heidelbeeren häufig den Boden. Die Preiselbeere behält ihr schönes glänzendes Laub auch im Winter, dagegen wirft die Heidelbeere ihre Blätter in der kalten Jahreszeit ab. Beide sind sehr niedere Pflanzen, die im gewöhnlichen Leben gar nicht als Sträucher gelten. Allein sie sind in ihren Stengeln und ihren Wurzeln holzig und sie dauern sehr lange Jahre aus.

Alle diese vier Beerensträucher sind unscheinbare, unbedentende Sträucher. Die Brombeeren, die mit ihren langen dornigen Zweigen weit ausgreifen, sind im Walde meist recht lästig, da man sich sehr leicht an ihnen festhakt. Es gibt aber in unseren Wäldern noch manchen schönen Strauch, der freilich weniger Nutzen gewährt. Neben Weißdorn und Heckenrose zeichnen sich Pfaffenhütchen, Schneeball und Traubenkirsche (Prunus padus) vor allem durch ihre zierenden Eigenschaften aus. Die letztere, die sehr viel Schatten verträgt, kommt namenlich in feuchten Wäldern und Gebüschen vor. Ihre weißen Blüten bilden schöne Trauben, mit denen der Strauch im Frühjahr dicht behängt ist. Sie ähnelt im Laub unseren Kirschen, wie sie ja auch eine wirkliche Kirschenart ist. Sie kann eine beträchtliche, baumartige Höhe erreichen. Ihre Fruchte sind klein, sie besitzen eine schwarze Farbe. Sind bei der Traubenkirsche die Blüten der Schmuck des Strauches, so sind es bei dem Pfaffenhütchen die Früchte. Das Pfaffenhütchen oder der Spindelbaum ist ein gedrungener Strauch, dessen ovale Blätter eine sehr tiefe dunkle Färbung besitzen. Die Blüten sind unscheinbar, aber die Früchte, die im Herbst reifen, sind sowohl in Farbe wie in Form sehr auffällig. Sie sind karmoisinrot, später springen sie aus und dann hängen aus der roten Fruchtschale die orangefarbenen Kerne heraus. Sind diese Farben schon auffallend in unserer Waldflora, so ist es die Gestalt der Früchte noch mehr. Sie gleichen mit ihren Kanten und Ecken dem Barett eines katholischen Geistlichen, daher stammt auch der Name des Strauches. Das Pfaffenhütchen ist recht anspruchslos im Boden, es leidet allerdings an dürren Stellen sehr häufig derart unter Raupenfraß, daß die Zweige völlig kahlgefressen sind. Sehr schön ist der Schneeballstrauch. Seine Blätter sind ahornartig gelappt und besitzen einen spiegelnden Glanz. Etwa zu Pfingsten ist der Strauch mit großen weißen scheibenartigen Blütenständen bedeckt. In der Kultur werden diese Blütenstände meist kugelig, alsdann gleichen sie in ihrer weißen Farbe den Schneebällen, daher hat denn der Strauch auch seinen Namen. Im Herbst hat sich aus jedem Blütenstand ein herrlicher Strauß knallroter Früchte entwickelt. Der Schneeballstrauch liebt viel Feuchtigkeit, er wächst daher besonders an solchen Waldrändern, die feuchte Wiesen oder Gewässer abgrenzen. Ein schöner Strauch ist auch das Gemeine Geißblatt (Lonicera xylosteurn), das besonders in Buchenwäldern gern wächst. Die rundlichen Blätter haben wenig Auffallendes, dagegen sind die gelblichen Blüten in ihrer zweilippigen Form recht anmutig. auch die roten Beeren sind eine Zierde des Strauches.

Eine eigentümliche Melancholie liegt über dem bekannten Wacholderstrauch, der mit seinen seinen Nadelblättern und in seiner säulenartigen Form ein schmuck unserer norddeutschen Kiefernwälder ist. In Laubwäldern sehr verbreitet ist der Seidelbast; das ist ein kleiner niederer Strauch, der im zeitigen Frühjahr schon blüht. Er besitzt recht schöne rosenrote Blüten. Seine roten Früchte sind giftig, der ganze Strauch enthält brennend scharfe Stoffe.

Unter den unscheinbaren Sträuchern sind der Faulbaum und der Kreuzdorn die verbreitetsten. Sie sind zwei Arten einer und derselben Gattung. Ihre Blüten sind unbedeutend, ihre Früchte klein und schwarz. auch das Laubwerk hat nichts Auffallendes. Der Kreuzdorn hat Dornen, die aber nicht sehr gefährlich sind. Der Faulbaum wächst noch in sehr nassem Boden, der halb moorig ist. In den norddeutschen Kiefernwäldern gibt es allenthalben fennige Stellen. Sie sind meist von Faulbaum eingerahmt. Frischen, wenn auch nicht nassen Boden liebt auch der gemeine Hartriegel, der, obwohl mit jenen beiden nicht verwandt, doch in der Unscheinbarkeit seiner Blüten und schwarzen Früchte ihnen gleicht. An Größe erreicht er sie nicht, er wird allenfalls mannshoch, der Faulbaum wird größer, der Kreuzdorn kann einen bedeutenden Umfang und eine baumartige Höhe erreichen. Zu den unscheinbarsten Sträuchern unseres Waldes gehören auch die wilden Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche, die hier und da ein niederes Unterholz bilden.

Unser Wald zeigt nicht die Mannigfaltigkeit der tropischen Urwälder. Es fehlt nicht nur der Reichtum an Gehölzarten, sondern vor allem auch die üppigen Schlinggewächse und die Epiphyten. Allerdings fehlen diese nicht gänzlich. Wir besitzen sogar mehrere Sträucher, deren Zweige klettern und sich um andere Pflanzen schlingen. Da ist vor allem der allbekannte Efeu, der in unseren Laubwäldern bisweilen bis in die Wipfel der Bäume emporklettert. Indem er seine Luftwurzeln in die Rinde der Bäume bohrt, gibt er diesen mit seinen lederartigen, immergrünen Blättern einen malerischen Schmuck. Auch das deutsche Geisblatt kann sich ziemlich hoch an Bäumen emporschlingen. In Blatt und Blüte dem gemeinen Geißblatt ähnlich, liebt es doch mehr den Waldrand als der Efeu, dem es in des Waldes tiefsten, schattigsten Gründen am wohlsten ist. Ein kleiner Schlingstrauch ist das Bittersüß, ein naher Verwandter der Kartoffel, ein Nachtschattengewächs mit violetten Blüten und großen roten Beeren. Es liebt feuchte Stellen. Hier schlingt es sich öfter gegen zwei Meter hoch in die Gebüsche der Erlen und des Faulbaumes.

Wir haben auch zwei Epiphyten unter unseren Sträuchern. Der bekannteste Schmarotzerstrauch ist die Mistel. Sie thront hoch oben im Geäst der Waldbäume und bildet dort einen kleinen, etwa halbmeterhohen Busch, der mit seinen hellen, harten, länglichen, eigentümlich gestellten Blättern und seinen weißen Beeren recht fremdartig ausschaut. Ihm verwandt ist der andere epiphytisch lebende Strauch, die Riemenblume. Sie ist der Mistel sehr ähnlich, doch etwas größer. Sie gehört nicht eigentlich zur Flora des Deutschen Reiches. Von Böhmen aus ist sie nach Sachsen eingedrungen. Hier wachsen in der Umgegend von Pirna diese seltsamen Sträucher in den Ästen der Eichen.

Besitzen unsere Wälder nicht die Üppigkeit und Mannigfaltigkeit südlicher Urwälder, so bergen sie doch gerade in ihren Sträuchern noch eine genügende Buntheit der Gehölzwelt. Die Sträucher sind gerade zahlreich genug, um es an Abwechselung nicht fehlen zu lassen, aber ihre Mannigfaltigkeit ist nicht so übergroß, daß man sie nicht leicht kennen lernen könnte. Man kann zu ihnen ein vertrauliches, persönliches Verhältnis gewinnen und sich dadurch den Naturgenuß, den der Wald spendet, tausendfach erhöhen. —


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