Curt Grottewitz
Unser Wald
Curt Grottewitz

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Feldweg in der Mark mit Weiden

Feldweg in der Mark mit Weiden

Unsere Weiden.

Vielgestaltiger, formenreicher, leichtlebiger als irgendein anderes baumbildendes Pflanzengeschlecht sind die Weiden. Es ist schwer, ein allgemeines Bild von ihrem Charakter zu entwerfen: die einen sind hohe und stolze Bäume, die andern sind zwerghafte Sträucher, die eine Art ist zierlich und von höchster Anmut, die andere ist plump und sparrig und düster wie die Nacht. Die eine steht am Wasser, die andere gar auf trockenem Sand, die eine in der Ebene, die andere im Gebirge, die eine in vollster Isolierung, die andere im Walde. Aber im allgemeinen kann man doch sagen, daß die Weiden viel Licht und Luft brauchen und den schattigen Wald meiden, daß sie ein luftiges, leichtes Geäst und Laub haben und daß sie das Wasser lieben. Sie wachsen ungemein schnell empor und bilden jedes Jahr lange biegsame Ruten; sie leben gewissermaßen flott dahin, schon in frühester Jugend blüht ihnen die die Liebe, und dann schmücken sie sich mit schönen seidigen Kätzchen, aber sie sterben auch schnell hinweg. Wenn die Eiche noch eine schmale Stange ist, sind die Baumweiden schon dicke, ehrwürdige Stämme, und wenn jene beginnt ein Stamm zu werden, wird diese von der Kernfäule, der Alterskrankheit der Weiden, dahingerafft.

Die Weiden rechnet der Pflanzenkundige mit Eichen, Buchen, Birken, Erlen zu den Kätzchenträgern. Mit den Pappeln zusammen bilden sie als Weidengewächse eine Familie. In ihrer äußerlichen Gestalt haben sie mit den starken, steifen, etwas ungeschlachten Pappeln wenig Übereinstimmendes. Aber die Kätzchen der beiden Pflanzengeschlechter sind doch recht ähnlich.

Die Weiden sind fast in der ganzen Welt in vielen Arten vertreten, nur in den Tropen fehlen sie. Die übergroße Wärme verscheucht sie, aber gegenüber der Kälte sind sie sehr wenig empfindlich. Noch in den Polargegenden gibt es Weiden, und es gibt solche, die hoch im Gebirge leben an der Grenze des ewigen Schnees. Als wildes, luftiges, gleich dem Rohr schwankendes Gebüsch begleiten sie mit ihrem blinkenden Blattwerk und ihren dünnen Ruten den Lauf der Flüsse und Bäche. Als sehr schlanke Bäume mit lichten Kronen mischen sie sich mit Erlen und Pappeln am Rande der Gewässer. Besonders malerisch sind die alten hohlen Kopfweiden, die mit ihrem dicken kurzen Stamm und ihrem Rutenausschlag den Bach begleiten, der sich in Zickzacklinien durch das Wiesengelände schlängelt.

Bei ihrem raschen Wachstum ist es fast selbstverständlich, daß sie kein sehr festes, kerniges Holz bilden. Als Brenn- und Bauholz haben sie wenig Wert. Dagegen sind sie in Manchen Gegenden für die Korbflechterei von größerer Bedeutung. Für diesen Zweck wird hauptsächlich die sogenannte Korbweide benutzt, die sehr lange, dünne, biegsame Ruten liefert. Aber auch einige andere Arten, namentlich die Silberweide, Reifweide und Purpurweide werden zur Flechterei benutzt. Jedes Jahr werden alle Triebe, die dort zwei bis drei Meter lang sind und das Flechtmaterial darstellen, abgeschnitten. Der Stamm der Weiden kann also nicht nach oben, sondern nur in die Breite wachsen, er wird jährlich dicker und dicker, aber nach oben entsendet er immer nur seine langen, unverzweigten Ruten, die ihm immer wieder genommen werden. Die Korbweidenzucht kann sehr lohnend sein, da sie an Ortlichkeiten betrieben werden kann, die sonst kaum zu verwenden sind, an Flußläufen und Kanalufern und auf feuchtem Gelände, das nur schlechtes Gras liefert. Ein Vorteil bei der Kultur der Weiden ist es, daß sich diese aus Stecklingen vermehren. Soll ein Stück Land zum Anbau von Buschweiden verwendet werden, so schneidet man von einer alten Weide halbmeterlange Ruten ab und steckt diese ziemlich dicht nebeneinander schräg in die Erde des betreffenden Landes. Hier schlagen sie alsbald aus. Im nächsten Jahre werden die Setzlinge dicht über dem Boden abgeschnitten, alsdann treiben aus dem Stumpf lange Gerten hervor, die eben zur Flechterei verwendet werden. Um dagegen Kopfweiden heranzuziehen, nimmt man große, mehrere Meter lange Stangen und steckt diese gerade in den Boden. Hier schlagen sie sehr bald Wurzeln und nach wenigen Jahren ist aus der Setzstange ein dicker hoher Stamm geworden. Dieser vorteilhaften Eigenschaft, sich leicht durch Setzstangen und Stecklinge zu vermehren, haben es die Weiden zu verdanken, daß sie häufig an Gewässern angepflanzt werden. Die Weide vermehrt sich aber auch leicht aus Samen, der, in Wollhaar eingebettet, vom Winde leicht nach allen Richtungen verbreitet wird. Die verschiedenen Weidenarten kreuzen sich sehr leicht, so entstehen eine Menge Bastarde, welche den Formenreichtum dieses an und für sich artenreichen Pflanzengeschlechts um ein beträchtliches vermehren.

Zwei große Gruppen von einheimischen Weiden wird jeder Naturfreund, auch wenn er keine tieferen botanischen Kenntnisse besitzt, ohne weiteres unterscheiden. Die eine Gruppe sendet ihre Kätzchen schon im ersten Frühjahr, im März und Anfang April aus den Zweigen hervor, wenn diese noch kein Laub besitzen. Die Vertreter der anderen Grnppe dagegen entwickeln ihre Blätter und Blüten zu gleicher Zeit.

Von den Weiden mit vorlaufenden Kätzchen ist die Salweide eine der bekanntesten. Sie ist es, die im zeitigsten Frühjahr die ersten und allerschönsten Kätzchen hat.

Bei den alten Römern heißt salix die Weide, und die Franzosen nennen danach den Baum saule, die Engländer sallow und auch im Althochdeutschen findet sich der Name salha. Die Salweide hat diese alte Bezeichnung bewahrt. Sie heißt aber auch Palmweide, weil in katholischen Ländern am Palmsonntage die Kirchenbesucher die blühenden Zweige zu tragen pflegen. Sie bilden da einen Ersatz für die Palmen, die nun einmal in Deutschland nicht so leicht zu beschaffen sind.

Die Salweide ist vielleicht die verbreitetste, zum mindesten aber die auffälligste und darum bekannteste aller Weiden. Keine andere hat so große, herrlich duftende Kätzchen wie sie, und da diese zumal so früh im Jahre erscheinen, so prägt sich der blühende Baum jedem ins Gedächtuis ein, der ihn einmal in voller Entfaltung feiner Kätzchen gesehen hat. Zu dieser Zeit aber ist die Salweide wirklich schön, sie besitzt dekorative Pracht, die auf jeden wirkt, mag er Naturfreund sein oder nicht. Bei einer Eiche, Rotbuche, Ulme und anderen Waldbäumen muß man sich in die ganze Eigenart vertiefen, um eine volle ästhetische Wirkung zu empfangen, und sie sind nicht einmal das, was wir im gewöhnlichen Leben schön nennen, sie sind nicht ebenmäßig, besitzen keinen besonderen Zierrat oder Farbenschmuck. Die Salweide kann sich nun im übrigen nicht im entferntesten mit diesen schlichten und doch in ihrer Eigenart so gewaltigen Bäumen messen, aber zu ihrer Blütezeit ist sie von einer lieblichen Schönheit. Schon wenn zu Beginn des März die Kätzchen zwar noch nicht erschlossen sind, aber gleich großen blendendweißen Schneeflocken die etwas rötlich oder gelblich gefärbten schlanken Zweige bedecken, geht von den Bäumen ein intimer Reiz aus. Einige Wochen später, dann plustern sich die Kätzchen auseinander, sie erreichen fast Eigröße, und nun treten die gelben Staubfäden oder Narben deutlich hervor. Nun ist der Baum mit dem großen, intensiv gelben Flitterwerk behangen, das um so mehr auffällt, als die Blätter noch in den Knospen schlafen. Das Laub vermißt man nicht, da die Zweige nicht jene düstere dunkle Farbe und kahle Starrheit besitzen, wie bei anderen Bäumen, sondern wegen ihres lebhaften Kolorits und ihrer eleganten schlanken Biegsamkeit die angemessenen Träger dieser luftigen zierlichen Blütengebilde sind.

Die Blütezeit währt bei der Salweide nicht so lange wie bei der Espe, die darin etwas früher beginnt und bedeutend später aufhört. Die Weide kann sich mit weniger Zeit behelfen, da ihr nicht nur der Wind, sondern auch die Insekten bei der Befruchtung die erforderlichen Dienste leisten. Ohne Zweifel stellen die Weiden, und besonders die Salweiden, den Übergang her zwischen windblütigen und insektenblütigen Pflanzen. Das frühe Blühen im März—April bei Abwesenheit störenden Laubes, die lose Kätzchenform deutet darauf hin, daß der Baum zunächst darauf angewiesen war, durch den Wind den Blütenstaub auf weite Entfernungen hin davontragen zu lassen. Aber die Kätzchen erwarben sich die verlockenden Eigenschaften des Wohlgeruchs und der Blütenpracht, und die ehemals vorhandenen Blütenblätter wandelten sich in kleine Honigdrüsen um. Diesem Aufgebot von Lockmitteln konnten die Insekten nicht widerstehen, und nun sind es besonders die Bienen, die in der blumenarmen Frühzeit des Jahres von der Salweide ihren Honig beziehen.

Wie die Pappeln sind auch die Weiden sogenannte zweihäusige Pflanzen. Die Kätzchen enthalten nur Blüten eines Geschlechts, und auf einem Baumindividuum entfalten sich immer nur männliche oder nur weibliche Kätzchen : die Geschlechter sind also auf zwei verschiedene Individuen verteilt. Die Blüten selbst sind sehr einfach, sie bestehen bei der Salweide nur aus zwei Staubgefäßen, beziehentlich einem Fruchtknoten, und kleinen Honigdrüsen. Das weißfilzige aussehen erhalten die Kätzchen dadurch, daß jede Blüte von einem zottig behaarten Deckblättchen umgeben ist. Diese einzelnen Deckblättchen stehen vor Aufbruch der Blüte so dicht übereinander und sind so prall um die Kätzchenspindel gereiht, daß man nur ihre weißen filzigen Haare als eine dichte seidige Masse zu Gesicht bekommt. Später verlängert sich die Spindel, die Deckschuppen rücken weiter auseinander, die Staubfäden oder Fruchtknoten werden sichtbar und treten schließlich weit hervor. Nun erst blüht der Baum, nun erst lockt er durch seinen Wohlgeruch und seine Schönheit die Bienen herbei.

Frühzeitig schon, gegen Mitte April, beginnt das Laub der Salweide sich allmählich aus den Knospen herauszuwickeln, und gegen das Ende des Monats steht der Baum meist im vollen hellgrünen Blätterschmuck. Es sind ziemlich große und breite Blätter. Die anderen Baumweiden und auch mehrere strauchige Vertreter dieser Pflanzengattung besitzen jene langen, schmalen, lanzettlichen Blätter, wie sie eigentlich als charakteristische Weidenblätter gelten. Aber die Salweide gleicht in ihrer Belaubung mehr den meisten buschartig wachsenden Verwandten. Ihr Blatt ist elliptisch bis oval, es hat eine etwas rauhe Oberfläche und einen welligen, leicht gekerbten Rand. Oben läuft es in eine Kurze Spitze aus. Obwohl die Belaubung der Salweide keinen besonderen Reiz besitzt, so ist sie doch wegen der Größe der Blätter immerhin nicht unscheinbar zu nennen. Im Sommer hat das Laub einen ziemlich stumpfen, dunklen Ton, und vor allem fehlt der Salweide wie ihren Verwandten eine eigentliche Herbstfärbung. Ende Oktober werden die Blätter höchstens etwas dürr, meist aber fallen sie, ohne sich zu verändern, nach und nach herab. Früher als andere Bäume ist die Salweide blätterleer und kahl.

Im entlaubten Zustande fällt die Salweide, besonders wenn sie noch jung ist, durch ihre langen, biegsamen, rutenartigen Zweige auf. Sie hat eine große Neigung, buschartig zu wachsen, und manche Salweide bleibt zeitlebens ein großer, lockerer, mit seinen langen Zweigen unregelmäßig ausgreifender Busch. Diese Gestalt hängt mit der Art ihres Wachstums zusammen. Wie alle Weiden ist der Baum außerordentlich raschwüchsig. Die Zweige schließen ihren Trieb nicht wie die Buchen, Eichen, Ebereschen und noch andere Bäume spätestens zu Johanni ab, sondern sie sind den ganzen Sommer hindurch in eifrigster Vegetation. Dadurch entstehen jene schlanken, langen Zweige, die, eben wegen ihrer Länge, sich zur Seite neigen. Es bildet sich daher nicht ein fester, nach oben strebender zentraler Ast, der sowohl den Stamm des Baumes als auch seinen Gipfel bilden könnte. Erst nach und nach gewinnt einer der Seitenzweige der Salweide ein Uebergewicht über die anderen, häufig genng entsteht ein schiefer, selten ein sehr hoher Baum. Die Salweide, wie man sie gewöhnlich antrifft, ist ein strauchartig verzweigter Baum oder ein schwaches, vier bis sechs Meter hohes Bäumchen. Exemplare von sieben bis neun Meter Höhe werden bereits seltener, und solche von zehn bis fünfzehn Meter nur ausnahmsweise gefunden. Die größeren Individuen besitzen eine weit regelmäßigere Baumform da bei ihnen die Länge der Zweige zur Größe des Stammes und der Hauptäste in einem weit günstigeren Verhältnis steht. Überhaupt bilden stärkere Bäume nie mehr so lange schlanke Zweige, da sich bei ihnen die vegetative Kraft auf ein Heer von Ästen verteilen muß. Indes tritt dieses Gleichmaß der wachsenden Teile bei der Salweide eben nur selten und wohl nie in dem Maße ein, wie etwa bei der Bruchweide oder gar der Silberweide, von der man wahre Riesenexemplare überall antreffen kann.

Wie die Mehrzahl ihrer Verwandten liebt die Salweide einen feuchten Standort. Darum findet man sie im Walde häufig an Bächen, ohne daß sie doch so sehr an einen wasserreichen Standort gebunden wäre wie die Erle oder einige andere Weiden. Auch ist sie keineswegs nur ein Waldbaum, in ganz dichtem Bestände fühlt sie sich nicht wohl, und das Lichtbedürfnis, das bei ihren Gattungsgenossinnen so ausgesprochen ist, macht sich auch bei ihr geltend. Darum findet man die Salweide häufig in lockerem Ufergebüsch oder bisweilen auch vereinzelt an einem Graben oder schattigen Abhange. Im Walde aber sucht sie sich meist Stellen aus, die augenblicklich noch nicht von hohen Bäumen beschattet werden. Sie gleicht darin der Birke: überall, wo gerade ein Plätzchen frei ist, taucht sie auf, um sofort zu verschwinden, wenn andere Bäume erstarken und sie überschatten. Diese Eigenschaften, die die Birke so geeignet zum Lückenausfüllen machen, kommen auch der Salweide zugute. Auch diese produziert eine reiche Menge von Samen, der, mit wolligem Flaum umgeben, vom Winde nach allen Himmelsrichtungen weggetragen wird. Er gelangt überall hin, und wo er an ein geeignetes Plätzchen gerät, da geht er auf. So findet man Sämlinge der Salweide fast ebenso häufig wie solche der Birke oder der Eiche. Aber während die Eiche im Wachstum nicht von der Stelle kommt, schießt die Salweide ebenso schnell empor wie die Birke, nur ist dieser die Weide darin überlegen, daß sie schon nach drei, vier Jahren Samen trägt, und also, selbst wenn sie auch schon nach kurzer Zeit verdrängt wird, doch nicht umsonst gelebt hat. So schnell läßt sie sich allerdings gewöhnlich nicht verdrängen. Ist der Standort nur geeignet, den Samen keimen zu lassen, so entwickelt sich die Salweide so rasch, daß sie leicht einen Vorsprung über alle Nachbarn gewinnt. So hält sie sich wohl mehrere Jahrzehnte. Später jedoch erlahmt ihre Kraft. Wenn die Nachbarbäume mehr erstarken, sich gegenseitig mit den Astarmen berühren und nun, weil an den Seiten kein Platz mehr frei ist, gewaltig in die Höhe streben, da freilich muß die Weide unterliegen; sie beginnt zu kränkeln und zu verdorren. Gegen Witterungseinflüsse ist die Salweide sehr unempfindlich. Dieser Eigenschaft im Verein mit der Leichtigkeit der Vermehrung hat sie es zu danken, daß sie ziemlich weit verbreitet ist. In ganz Europa ist sie heimisch, und auch im nördlichen Asien hat sie einen weiten Wohnungsbezirk inne. Dabei ist sie überall ganz auf ihre eigene Kraft gestellt, denn vom Menschen wird sie kaum jemals angepflanzt oder gepflegt, wenn man von den wenigen Liebhabern absieht, die ihr in ihrem Garten oder Park einen Platz anweisen. Für die Waldwirtschaft hat die Salweide keine Bedentung. Ihr Holz ist weich und wenig dauerhaft. Als Brennmaterial und zum Bauen wird es nur ausnahmsweise benutzt. Immerhin findet es zu mancherlei Geräten Verwendung, ohne gerade unentbehrlich zu sein. häufig wird es zur Anfertigung von Stielen und Leiterscheiten benutzt und in dünnen Streifen zu Schachteln, Sieben und Körben verarbeitet. Die Rinde wird in Rußland zum Gerben von feinem Leder verwendet. Unter ihr befindet sich wie bei allen Weiden ein fehr süßer Saft, aus dem ein in der Medizin angewandter Stoff, das Salicin, gewonnen wird. auf dem Lande naschen die Kinder sehr gern von diesem süßen Saft, wie denn auch bei ihnen die Weide zur Herstellung von Pfeifen und anderem Spielwerk sehr beliebt ist. Überhaupt spielt die Weide im Glauben und in den Gebräuchen des Landvolks eine große Rolle. Das hindert natürlich nicht, daß diese Bäume ebenso vernichtet werden, wie der Wald allenthalben dezimiert wird. Leider gehört die Salweide nicht zu den Weiden, deren Zweige zur Korbflechterei benutzt werden können. In der Erzeugung äußerst langer, schlanker und biegsamer Ruten sind ihr die Bandweide, die Silberweide, die Purpur- und Reifweide bedeutend überlegen. Aber die Salweide sollte doch in Ziergärten und öffentlichen Anlagen häufiger angepflanzt werden. In der blütenarmen Zeit um Ende März und zu Anfang des April entfaltet sie mehr Pracht als irgendein anderer deutscher Baum.

Viel düsterer und unscheinbarer als die Salweide, aber doch in ihren Formen jener recht ähnlich ist die Werftweide. Sie bleibt immer ein Strauch, und sie ist meist sogar ein ziemlich niederer Strauch. Die Blätter sind auch bei ihr breit, und sie haben fast immer etwas Unfreundliches. Auch die Kätzcheu sind denen der Salweide sehr ähnlich, aber sie sind weit kleiner. Die Zweige sind bedeutend kürzer als bei ihrer Verwandten, sie sind an und für sich kurz und besitzen kaum das Schlanke, Biegsame, das sonst den Weidenruten eigentümlich ist. Vor allem aber sind die Zweige mit einem dicken, kurzen, schwarzgranen Flaum besetzt, der sie sehr düster und griesgrämig erscheinen läßt. Etwas ausgesprochen Unfreundliches liegt über diesem Strauch, nicht nur im Verhältnis zu den Weiden, diesen lichten, leichten, anmutigen Gehölzen, sondern er hat ganz allgemein auch im Vergleich mit anderen Sträuchern etwas Finsteres und Verdroffenes. Es ist, als laste ein schweres Schicksal auf ihm, und in der Tat ist sein Dasein freudloser als das der anderen Weiden.

Die Werftweide drückt sich gewissermaßen in allen Ecken herum, und nirgends ist sie gern gesehen. Auf den Wiesen wird sie als lästiges Unkraut betrachtet; ist sie noch jung, so geht die Sense über sie hin, ist ihr Stamm erstarkt, so verwünscht man sie, kann ihr aber nicht so leicht beikommen, weil Spaten oder Axt auf der Wiese selten vorhanden sind. Sie legt sich außerordentlich breit, ohne sehr hoch zu werden, gerade als ob sie es darauf absähe, besonders viel Wiesenraum in Anspruch zu nehmen und sich nur um so verhaßter zu machen. An feuchten Orten siedelt sie sich allenthalben an, aber hier wird ihr das Leben von Erlen, anderen Weiden und vom Faulbaum schwer genug gemacht. Auf Torfboden allenfalls hat sie Ruhe, solches Terrain ist nicht sehr begehrt von Baum und Strauch. Hier auf dem schwarzen Boden mit der allezeit herbstlich dreinschauenden Vegetation von Sauergräsern, Binsen und Heidegewächsen ist sie am rechten Platze.

Die Werftweide ist ein sehr zäher Strauch, der noch überall in reicher Individuenzahl vorhanden ist. Auch er hat dieselbe weite Verbreitung wie die Salweide. Im Frühjahr, wenn die Kätzchen an den dunklen, blattlosen Zweigen hängen, bekommt auch die Werftweide einen Schimmer von Lieblichkeit, sonst ist sie eher häßlich zu nennen. Im Winter lagert sie mit ihren grauen, nach auswärts gebogenen Zweigen verdrossen auf dem bleichen Gras der Wiesen und der Uferränder.

Von ganz anderer Art ist die Purpurweide. Auch ihre Kätzchen erscheinen vor den Blättern, und sie wächst strauchartig. Aber welche feine zierliche Belaubung besitzt sie doch im Gegensatz zu den beiden vorigen. Die Blätter sind ganz schmal und lang, und sie haben einen sehr schönen bläulichen Ton und sind an der Unterseite direkt hellblaugrau. Dabei sitzen sie so straff und doch elegant an den langen Zweigen. Diese selbst haben meist eine glänzend rote Farbe. Sie sind von sehr großer Geschmeidigkeit, ist doch die Purpurweide eine von den Weiden, deren Ruten mit Vorliebe zur Flechterei benutzt werden.

Es ist alles Geschmeidigkeit, Leichtigkeit und Eleganz an dieser Weide. Die Blätter sitzen nicht dicht nebeneinander, sondern sie sind durch große Zwischenräume voneinander getrennt. Das nimmt dem Strauche alle Schwere, er ist so leicht, so licht mit seinem zierlichen Laub und seinen dünnen, langen, schwankenden Zweigen. Kein Mensch, kein Tier könnte sich unter ihm verbergen oder Schutz vor Regen suchen, er ist für den Sonnenschein und für den Wind geboren. Und an den Seerändern Norddeutschlands mit ihrem breiten sandigen Ufersaum, der zeitweise von Wellen überspült wird, und darum nie von Gras bedeckt ist, hier in diesem feuchten, losen, freien Sande am Wasser kommt er am besten zur Geltung. Hier drängt sich nicht Pflanze an Pflanze, hier hat jede Purpurweide ihren eigenen freien Stand, jeder Busch ist vom anderen weit entfernt. Aber die Purpurweide kommt auch sonst überall an Ufern vor, sie ist weit über Europa und Vorderasien hin verbreitet.

Die Kätzchen der Purpurweide sind nicht groß. An den so außerordentlich dünnen Zweigen kommen sie jedoch immerhin gut zur Geltung. Besonders die männlichen fallen sehr auf, da sie eine ziegelrote Farbe besitzen, die später in ein dunkles Schwarz übergeht. An den männlichen Kätzchen ist die Weide auch daran leicht zu erkennen, daß die Staubfäden mit einander verwachsen sind. Die Purpurweide pflanzt sich außerordentlich leicht durch Stecklinge fort, das hat sie allerdings mit vielen Weiden gemein, aber gerade die Salweide und die Werftweide wachsen nicht gut aus Schnittlingen.

Man sieht die Purpurweide oft als kleinen meterhohen Strauch, sie kann jedoch auch größere Dimensionen annehmen und ein riesiger Busch werden. Aber das Wort Busch paßt kaum für sie. Selbst bei einer Höhe von drei, vier Metern und einer ebensolchen Breite ist die Purpurweide doch eine so lichte und leichtgebaute Gehölzart, daß man bequem durch sie hindurch sehen kann.

Eine besondere Eigentümlichkeit sei noch von der Purpurweide erwähnt. Ihre Blätter schmecken außerordentlich bitter. Auch daran ist sie im Notfalle zu erkennen, wenn man sie vorher noch nicht kannte. Wem sie aber einmal gezeigt worden ist, der wird sie so leicht nicht mit anderen Weiden verwechseln. Dazu ist das Kolorit und die Form ihrer Belaubung zu auffällig. Die Purpurweide gehört zu unseren schönsten Weiden, sie kann sich getrost in jedem Park neben ausländischen Ziergehölzen sehen lassen. Leider aber sieht man sie hier nicht gerade häufig.

Manche Ähnlichkeit mit ihr besitzt die Korb- oder Bandweide. Wie schon ihr Name sagt, ist das die eigentliche Art, deren Ruten zur Korbflechterei Verwendung finden. Ihr ganzer Bau ladet förmlich dazu ein, sie zu diesem Zwecke zu benutzen.

Die Korbweide ist ein hoher breiter Busch. Von einem recht dicken Stamm gehen nahe am Boden eine große Zahl von aufrecht emporstrebenden äußerst langen Ruten aus. Einen Busch von senkrecht gestellten Ruten stellt sie dar. Sie hat das Schlanke, Biegsame, Lichte, Leichte der Purpurweide. Aber an Zierlichkeit kann sie sich doch nicht mit dieser messen. Sie ist in allem etwas derber und robuster. Das gilt allerdings nur im Vergleich zur Purpurweide, denn auch die Korbweide ist unter den Weiden, geschweige denn unter unseren sonstigen Gehölzarten, eine der graziösesten. Ihre Zweige sind sehr lang und geschmeidig, auch haben sie eine helle gelblich oder olivengrau glänzende Färbung. Ihre Blätter sind länglich lanzettförmig und laufen in eine lange energische Spitze aus. Sie sind oben dunkelgrün und haben häufig einen spiegelnden Glanz. Die Unterseite ist mit einem leuchtenden Seidenhaar besetzt. Der Rand der schmalen Blätter ist leicht umgebogen. Der Seidenglanz kommt besonders dann zur Geltung, wenn der Wind die Blätter bewegt. Während bei der Purpurweide aber die Belaubung so spärlich ist, daß das Gezweig ganz deutlich hervortritt, ist bei der Korbweide das Blattwerk energischer, es macht sich in seiner Masse immerhin bemerkbar, wenn man schon die einzelnen gerade aufsteigenden Ruten auch bei ihr erkennen kann. Mit der Grazie mischt sich bei ihr aber doch eine gewisse Straffheit, die sich in den langen geraden Trieben und in den langgespitzten, zu den Zweigen strikt senkrecht gestellten Blättern kundgibt.

Kurzum, bei vieler Ähnlichkeit im Bau mit der Purpurweide ist doch die Eigenart der Korbweide ausgeprägt genug, um ein festumrissenes individnelles Charakterbild zu ergeben.

Die Korbweide wird zur Flechterei schlechthin verwendet. Aber zu den zierlicheren Körben und Geflechten zieht man ihr die Purpurweide doch vor. Wie in allem, so ist die erstere auch in ihren Flechtruten robuster. Sie ist es auch in ihrem energischen Wachstum und in der Form und Größe ihrer Kätzchen. Diese Kätzchen zeichnen sich nicht gerade durch besondere Schönheit aus, aber sie sind doch nicht unscheinbar. Sie treten ebenfalls im Vorfrühling, noch vor Ausbruch des Laubes hervor. Schon dadurch geben sie dem Busch einen freundlichen Schmuck.

Gleich der Purpurweide liebt die Korbweide die Nähe des Wassers. An den Ufern von Flüssen,. Seen und Teichen ist sie fast überall anzutreffen. Sie gehört zu den Weiden, die noch allenthalben verbreitet sind, und deren Aussterben nicht im geringsten zu befürchten steht. Selbst wenn sie nicht so häufig kultiviert würde, wäre sie doch ein allgemein verbreiteter Strauch. Und sie ist nicht nur in Deutschland einheimisch, sie ist in ganz Europa und im nördlichen Asien zuhause.

Alle Weiden, über die wir bisher gesprochen haben, besitzen einen mehr oder minder strauchartigen Wuchs. Überhaupt sind fast alle Arten dieser Pflanzengattung, bei denen die Kätzchen vor den Blättern erscheinen, Sträucher. nur die Reifweide ist es ganz und gar nicht. Sie strebt in die Höhe, sie strebt aufwärts mit Ungestüm wie eine Pappel. Und sie wächst ganz unglaublich schnell, sie wetteifert darin mit den amerikanischen Pappeln. Es steckt etwas unaufhaltsam Emporstrebendes in ihr, in ein paar Jahren ist sie ein hoher Baum.

Die Reifweide ist ein aparter schöner Baum. Der Hauptreiz liegt in den dunkelroten Zweigen, die mit einem bläulichen Reif, ähnlich wie die Pflaumen, angelaufen sind. Danach heißt sie eben Reifweide oder auch Schimmelweide. Der Reif erscheint manchmal recht weiß, als hätten die Blätter einen Kalkanstrich, meistens ist er aber sehr schön hellblau, er gibt den Zweigen ein sehr ungewöhnliches lebhaftes Kolorit. Faßt man einen solchen Zweig der Reifweide an, so wischt man den blauen Schimmel sehr leicht weg, und dann kommt das Dunkelrot zum Vorschein. Daran kann man den Baum gut erkennen und von anderen Weiden unterscheiden.

Ein anderer Schmuck der Reifweide liegt in ihren Kätzchen. Diese sind recht groß, und sie erscheinen ganz früh im März, lange ehe die Blätter aus den Knospen hervorbrechen. Dann hängen sie in großer Anzahl an den langen, straff aufwärts gerichteten blauen Ruten des Baumes. Die Blätter haben die eigentliche Weidenblattform, sie sind länglich-lanzettlich, leicht gesägt und gehen in eine lange Spitze aus. Sie sind hellgrün, ohne besonders aufzufallen, passen aber in ihrer Schmalheit und Leichtigkeit zu dem schlank emporstrebenden Wuchse der Zweige.

Die Reifweide ist in ganz Europa einheimisch. In Deutschland ist sie nicht allzusehr verbreitet. Sie kommt namentlich am Ostseestrande, in den Rheinwäldern des Elsaß und Badens und im Bayerischen Gebirge vor. Im übrigen ist sie sogar sehr selten, allerdings ist sie neuerdings häufig angepflanzt worden. Sie wächst selbst auf Sandboden und wird deshalb namentlich am Seestrande zur Befestigung des Bodens oder auch auf Eisenbahndämmen zu demselben Zwecke verwandt. Sie hat die Fähigkeit, wie das allerdings bei fast allen Weiden der Fall ist, ihre Wurzeln sehr tief in die Erde zu senden, so tief, bis sie auf Wasser stoßen oder wenigstens eine frische Bodenschicht antreffen. So sieht man gerade diese Reifweide mitunter auf ganz lockerem Sandlande, wo kaum eine Kiefer gedeihen würde. Man ist höchst erstannt, hier eine Weide, ein so durstiges Kind feuchten Bodens zu finden, und sicher würde die Reifweide hier nicht gedeihen können, wenn ihre Wurzeln nicht in der Tiefe des Erdreichs Feuchtigkeit aufnehmen könnten.

Die Reifweide wächst nicht nur schnell zu einem Baum empor, sie wird sogar ein recht stattlicher Baum, bis zu 20 Meter Höhe kann sie es bringen. Sie ist nicht sehr breit gebaut, da ihre Äste und Zweige sich wenig vom Stamme aus wegneigen, vielmehr in dem unaufhaltsamen Streben nach oben, sich dicht an den Stamm anlegen. So bekommt die Reifweide meist eine sehr schmale Fignr, die in manchen Fällen sogar an die der Spitzpappel und der Zypresse erinnert. Auch im Winter nimmt sich der Baum mit seinen blauen Ästen und Zweigen sehr gut aus, er hebt sich durch sein Kolorit vorteilhaft von den düsteren Winterbäumen ab, ja er fällt durch das Ungewöhnliche der Färbung fast noch mehr auf als Buche, Espe Birke oder Goldweide.

Auch die letztere, die Goldweide, gehört zu den schöneren Arten der formenreichen Gattung. Sie ist allerdings nur eine Abart der Silberweide, und von dieser müssen wir zunächst reden. Mit ihr wenden wir uns zu den in viel weniger Arten vertretenen Weiden, deren Kätzchen zu gleicher Zeit mit den Blättern erscheinen.

Die Silberweide hat schmale lange Kätzchen, die in dem jungen weichhaarigen Laube infolge ihrer großen Anzahl doch leicht zu bemerken sind. Die Blätter haben eine lanzettliche zugespitzte Form, der Rand ist nur ganz schwach gezähnt. Sie besitzen infolge einer helleren Behaarung eine wenig ausdrucksvolle grüne, mehr graue Farbe. Dagegen sind die Unterseiten mit einem dichten weißglänzenden Seidenhaar bedeckt. Die Blätter sind es, die dem Baum den Namen Silberweide verschafft haben.

Gleich der Reifweide hat die Silberweide immer die Tendenz, zu einem Baume heranzuwachsen. Auch sie wächst ziemlich schnell, aber ihr Wachstum geht doch mehr in die Breite. Nicht als ob sie der Reifweide an Größe nachstünde, im Gegenteil, sie kann ein mächtiger Riese von 25 Metern werden. Aber ihr Stamm hat ein starkes Dickenwachstum und ihre Zweige laden breit aus wie die der Eiche und Linde. Eine alte Silberweide ist ein höchst malerischer Baum. Besonders am Wasser ist sie von großartiger Wirkung. Verschiedene Stimmungen gehen von ihr aus. Ihr breitschultriges Wesen mit dem umfangreichen Stamm und den mächtigen Ästen atmet die Ehrwürdigkeit alter Eichen. Aber in ihrem zierlichen flirrenden Laub spiegelt sich das leichte glitzernde Wellenspiel des Wassers ab. Dabei hat jedoch das silberglänzende Blattwerk auch etwas Welkes, Lebloses, Herbstliches wie alles Laub, das nicht grün ist. So ziehen durch diese dünnen Blätter, die im Winde von Grün zu Silber changieren, leise Töne der Melaucholie. Die Freude und der Ernst des Wassers, seine leichte glänzende Oberfläche und seine dunkle Tiefe finden in der Silberweide ein getreues Abbild.

Der Baum wächst auch auf Sandboden wie die Reifweide, und er verdankt diese Eigenschaft derselben Fähigkeit, seine Wurzeln in die Tiefe zu senden. An Gemeinde- und Feldwegen der Mark, die wegen ihres Sandes kaum zu passieren sind, findet man doch häufig alte Riesenstämme von Silberweiden. zu dem armen Gelände mit seinen armseligen Roggenfeldern, seinen mageren Kartoffeläckern und öden Sandsteppen paßt die bleiche Färbung des Baumes nicht schlecht. An solchen Stellen macht er überhaupt mehr einen grauen, griesgrämigen Eindruck, er hat hier nicht das leuchtende Silber der Artgenossen, die am Wasser stehen. Silberweiden werden auch häufig in Dörfern und in deren Nähe angepflanzt, des Schmuckes wegen. Aber der Baum liefert auch Flechtmaterial, und sein Holz wird zu allerhand landwirtschaftlichen Werkzeugen und Geräten, namentlich zu Stielen verwendet. Dieser Baum ist es auch, den man oft als Kopfweide in der Nähe von Ortschaften findet. Mit dem dicken Stamm, dessen oberer Teil, der Kopf, mächtig aufgeschwollen ist, und dem verhältnismäßig leichten Geäst, haben solche Kopfweiden etwas sehr Ernstes und Trübseliges.

Als Abart der Silberweide ist bereits die Gold- oder Dotterweide genannt worden. Sie hat in der Regel nicht die grauen, unterseits silberglänzenden Blätter, oder wenigstens tritt dieses Kolorit an ihnen weniger hervor. An der Goldweide ist alles viel mehr Frische und Lebhaftigkeit, ja sie macht den munteren, leichtlebigen Eindruck wie die meisten anderen Weiden. Sie besitzt Äste von einem leuchtenden Gelb bis Orangerot. Das gibt ihr etwas außerordentlich Freundliches. Selbst im Winter leuchtet sie mit ihren hellen Ästen frohsinnig aus der düsteren oder öden Landschaft hervor. Ihre Lebensgewohnheiten gleichen im übrigen der Hauptart, nur scheint sie auf sandigem Boden weniger zu gedeihen. Auch sie wird ein hoher, stattlicher Baum.

Der eigentliche Typus der Baumweiden ist die Knack- oder Bruchweide. Sie hat eigentlich alle die Eigenschaften, die man etwa im allgemeinen den Weiden zuschreibt. Andere haben indes alle noch etwas besonderes, das sie auszeichnet und worin sie selbständig sind. Man möchte sagen, die Knackweide hat nichts Individuelles; sie hat alles, was andere Weiden auch haben, und sie hat nichts, was diese nicht auch hätten. Nur eine Eigenschaft, an der man sie leicht erkennen kann und nach der sie den Namen führt, besitzt sie doch im Gegensatz zu anderen Arten. Das ist freilich nichts Erhebliches, und man kann es ihr äußerlich nicht ansehen. Ihre Zweige knacken nämlich sehr leicht an der Basis ab. Während man es bei anderen Weiden recht schwer hat, einen Zweig von einer Rute abzureißen, braucht man bei der Knackweide nur ein wenig mit dem Finger gegen den Zweig zu drücken, um diesen unter hörbarem Knacken abbrechen zu lassen.

Die Knackweide hat lange, lanzettliche, lebhaft grüne Blätter mit langer Spitze. Ihre Kätzchen, die erst nach Ausbruch des Laubes erscheinen, gleichen denen der Silberweide. Die Knackweide blüht ziemlich spät im Mai, viel später als alle anderen Weiden, mit Ausnahme der Lorbeerweide, die ihr äußerlich recht ähnlich ist, aber meist strauchartig wächst. Diese blüht mitunter selbst erst im Juni. Aber die Knackweide geht ihr darin auch nicht viel voran. In ihrem Wuchs gleicht sie der Silberweide; sie wird ein schöner breiter Baum mit einem dicken Stamm und erreicht eine Höhe von zwölf Metern. Sie wächst an Flußufern und an Wiesenrändern, wird aber auch häufig in der Nähe von Ortschaften angepflanzt. Sie ist eine der verbreiteren Weiden und kommt ebenso häufig vor wie Silber- und Salweide. In Europa und einem großen Teil Asiens ist sie heimisch. Ohne hervorragend schön zu sein oder besonders dekorative Elemente zu besitzen, vertritt sie doch das Leichte, Lebhafte, Freundliche des Weidengeschlechts aufs beste.

Im Anschluß an die Silberweide und die Knackweide mag auch eine diesen beiden verwandtschaftlich nahestehende ausländische Weide erwähnt werden, die Trauerweide. Sie heißt botanisch Salix babylonica. Linné hat ihr diesen Namen gegeben, er hielt sie nämlich für den Baum, an dem nach dem 137. Psalm der Bibel die Juden während der babylonischen Gefangenschaft ihre Lauten aufhängten, als sie an den Wassern des Euphrat saßen und weinten. Allein jene Weide war eine Pappel, die sogenannte Euphrat-Pappel.

Die Trauerweide selbst kommt weder am Euphrat noch überhaupt in Vorderasien vor, sie stammt ursprünglich aus China und Japan, und wurde von dort schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Europa gebracht. Es wurde aber nur der weibliche Baum durch Stecklinge verbreitet, und so sind alle Bäume der Trauerweide, die in Europa angepflanzt sind, weibliche Exemplare. Die Kätzchen erscheinen bei ihr mit dem Laub, sie gleicht überhaupt der Knackweide äußerlich am meisten, nur sind ihre Blätter viel schmaler. Der Hauptunterschied besteht aber darin, daß die jüngeren Aste und die Zweige bei der Trauerweide in elegantem Bogen überhängen. Durch diese scheinbare Erschlaffung der Zweige, durch dieses müde Herabneigen zur Erde wird die Weide zum Symbol der Trauer. Darum wird sie auf Friedhöfen häufig angepflanzt. Es gibt viele andere Bäume, die infolge ihrer herabhängenden Zweige als Trauerbäume kultiviert werden. Sie sind alle viel düsterer, das Bild der Trauer wirkt bei ihnen viel niederschmetternder. Bei der Trauerweide ist es ob seiner Grazie freundlicher und versöhnlicher.

Neuerdings wird eine andere japanische Weide als Hängeweide bei uns angepflanzt, die Salix elegantissima. Sie ist härter als die echte Trauerweide, und sie wächst schneller zum Baume aus. Ihre Zweige hängen senkrecht zur Erde herab. So macht sie einen etwas anderen, aber sicher einen ebenso schönen Eindruck wie die babylonische Trauerweide. Beide Bäume werden ziemlich hoch und breit, sie wirken namentlich durch die umfangreiche, bis zur Erde herabhängende Krone sehr malerisch.

Zum Schluß seien nur noch die kleinen niedrigen und kriechenden Weiden erwähnt, die namentlich auf unseren Gebirgen, zum Teil aber auch im hohen Norden wachsen. auch auf moorigen Wiesen lebt bei uns eine kleine Weide, die Kriechweide, deren Äste sich auf dem Boden lagern, um nur an ihren Enden kaum fußhoch in die Höhe zu streben. Sie hat kleine lanzettliche Blätter und ihre Kätzchen erscheinen vor dem Ausbruch des Laubes. Solche kleine Weiden gibt es in verschiedenen Arten auf unseren höheren Gebirgen und in den Polarländern. Hier wachsen sie teils in Mooren und an anderen feuchten Stellen, zum Teil überziehen sie das Gestein, ja, die Krautweide, ein ganz zwergiger Strauch, kriecht sogar mit ihren Stämmchen unter dem Moos und in den Felsenritzen des Hochgebirges dahin. An der Schneegrenze, wo fast keine Holzpflanze mehr zu leben vermag, stellen die Weiden noch ihren Mann. Gewiß haben sie hier ihre stolze Höhe, ihr freudiges Aufstreben ablegen müssen, sie sind zu kleinen unscheinbaren Pflanzen geworden, kaum zu unterscheiden von den niederen Kräutern des Hochgebirges und des Polarlandes. Aber sie schrecken doch vor der grimmigsten Kälte nicht zurück. Sie besitzen eine Zähigkeit, die man dem leicht gebauten, graziösen Weidengeschlecht nicht zutrauen möchte. Und doch ist es eine seiner vielen ansprechenden Eigenschaften, daß es sich leicht in vielerlei Lebensgewohnheiten zu schicken weiß.


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