Franz Grillparzer
Sappho
Franz Grillparzer

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Sechster Auftritt

Eine Pause. – Dann erscheint Eucharis auf den Stufen.

Eucharis.
Rhamnes! – (Sie steigt herab.) Mir war als hört' ich seine Stimme!
Nein, es ist niemand hier! Ich täuschte mich.
Verwirrend scheint ein böser Geist zu walten
Seit Sapphos Rückkehr über ihrem Haus.
Es fliehen ängstlich scheu sich die Bewohner,
Verdacht und Kummer liegt auf jeder Stirn!
Melitten sucht' ich und fand leer ihr Lager,
Einsam irrt die Gebietrin durch die Nacht,
Hier Rhamnes' Stimme und er selber nicht.
O daß erst Morgen wäre! – Horch.

Rhamnes (von weitem).
Zu Hilfe!

Eucharis.
Man ruft!

Rhamnes (näher).
Herbei!

Eucharis.
Ha Rhamnes!

Rhamnes (nahe).
Sklaven Sapphos!

Eucharis.
Er ist ganz atemlos! Was ist denn Rhamnes?

Siebenter Auftritt

Rhamnes eilig. Eucharis.

Rhamnes.
Auf, auf vom weichen Lager! Hierher Freunde!
Den Flücht'gen nach. Zu Hilfe!

Eucharis.
Sage doch –

Rhamnes.
O frage nicht! Ruf Sapphon und die Diener!

Eucharis.
Warum?

Rhamnes.
Zu Worten ist nicht Zeit! Geh nur!
Das ganze Haus erwache, eile, rette!

Eucharis.
Was mag das sein?
        (Die Stufen hinauf.)

Rhamnes.
Ich kann nicht mehr! – Verräter
Frohlocket nicht! des Meeres fromme Götter
Sie rächen gern so abscheuwürd'ge Tat.
        (Es kommen nach und nach mehrere Diener.)
Eilt schnell hinab ins Tal, weckt die Bewohner,
Gebt laut der Not, des Hilfeflehens Zeichen,
O fragt nicht, fort! Und laßt den Notruf tönen!

(Diener ab.)

Achter Auftritt

Sappho. Vorige.

Sappho.
Welch Schreckenslaut tönt durch die stille Nacht
Und greift dem Schlafverscheucher Kummer in sein Amt?
Wer hat hier noch zu klagen außer mir?

Rhamnes.
Ich, o Gebieterin!

Sappho.
Du, Rhamnes, hier?
Und wo ist sie?

Rhamnes.
Melitta?

Sappho.
Ja doch!

Rhamnes.
Fort!

Sappho.
Sie fort und du doch hier!

Rhamnes.
Entflohen mit –

Sappho.
Halt ein!

Rhamnes.
Entflohn mit Phaon!

Sappho.
Nein!

Rhamnes.
Es ist so!
Er überwältigte mein schwaches Alter
Und in demselben Kahn, der mir bereitet,
Führt er nun seine Beute durch die Wogen!

Sappho.
Du lügst!

Rhamnes.
O daß ich löge – diesmal löge!

Sappho.
Und wo blieb euer Donner ew'ge Götter!
Habt ihr denn Qualen nur für Sapphos Herz?
Ist taub das Ohr und lahm der Arm der Rache!
Hernieder euren rächerischen Strahl,
Hernieder auf den Scheitel der Verräter,
Zermalmt sie, Götter, wie ihr mich zermalmt! –
Umsonst! kein Blitz durchzuckt die stille Luft,
Die Winde säuseln buhlerisch im Laube
Und auf den breiten Armen trägt die See
Den Kahn der Liebe schaukelnd vom Gestade!
Da ist nicht Hilfe! Sappho, hilf dir selbst!

(Die Bühne hat sich nach und nach mit Fackeln tragenden Sklaven und Landleuten angefüllt.)

Ha diese hier! Habt Dank, ihr Treuen, Dank!
Gebt, Menschen! was die Götter mir verweigern!
Auf meine Freunde, rächet eure Sappho!
Wenn ich euch jemals wert, jetzt zeigt es, jetzt!
        (Unter ihnen herumgehend.)
Du Myron schwurst mir oft und du Terpander, –
Gedenkst du Lydias noch des Liedes, – Pheres –
Und du Xenarchos – alle meine Freunde!
Hinunter zum Gestad'! Bemannet Schiffe
Und folget windschnell der Verräter Spur!
Denkt, daß ich eurer hier in Qualen harre
Und jeder Augenblick bis ihr zurückkehrt
Mir hundert Dolche in den Busen bohrt!
Wer mir sie bringt, wer mir die Wonne schafft
Daß ich die Augen bohren kann in seine,
Ihn fragen kann: Was hab ich dir getan,
        (In Tränen ausbrechend.)
Daß du mich tötest? – Nein, nur Wut und Rache!
Wer mir sie bringt, er nehme all mein Gold,
Mein Leben – fort! Auf Windesfittich fort!

Ein Landmann.
Mit ihm nur kehren wir zurück.

Sappho.
Ich dank euch,
        (Zu den Abgebenden.)
Mein Leben ist gelegt in eure Hand!
Laßt meine Wünsche euren Fuß beflügeln
Und meine Rache stärken euren Arm –
Nur schnell, nur schnell! Bei allen Göttern schnell!

(Diener und Landleute ab.)

Sappho (die Hände über die Brust gelegt).
Sie gehn! Nun ist mir wohl! – Nun will ich ruhn!

Eucharis.
Du zitterst!

Rhamnes.
Weh du wankst! – o Sappho!

Eucharis (die Wankende in ihre Arme fassend).
Götter!

Sappho (in Eucharis' Armen).
O laß mich sinken! Warum hältst du mich?

Der Vorhang fällt.


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