Franz Grillparzer
Sappho
Franz Grillparzer

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Sechster Auftritt

Phaon. Vorige.

Phaon.
Wer ruft hier? – du Melitta, fort den Dolch!

(Pause.)

Phaon.
Was war hier? Sappho, du?

Sappho.
Frag diese hier!

Phaon.
Melitta, hättest du? –

Melitta.
Die Schuld ist mein,
Ich sprach, wie es der Sklavin nicht geziemt!

Sappho.
Du sollst mit falscher Schuld dich nicht beladen,
Zu drückend liegt die wahre schon auf dir.
Weh mir, bedürft' ich jemals deiner Großmut!
        (Mit starkem Ton.)
Die Rose von der Brust hab ich begehrt
Und sie verschmähte zu gehorchen! –

Phaon.
Tat sie's?
Bei allen Göttern sie hat recht getan,
Und niemand soll der Blume sie berauben!
Ich selber gab sie ihr, als Angedenken
An eine schöne Stunde, als ein Zeichen,
Daß nicht in jeder Brust das Mitgefühl
Für unverdientes Unglück ist erloschen,
Als einen Tropfen Honig in den Becher
Den fremder Übermut ihr an die Lippen preßt,
Als Bürgen meiner innern Überzeugung,
Daß stiller Sinn des Weibes schönster Schmuck,
Und daß der Unschuld heitrer Blumenkranz
Mehr wert ist als des Ruhmes Lorbeerkronen. –
Sie weint! – O weine nicht Melittion!
Hast diese Tränen du auch mitbezahlt,
Als du sie von dem Sklavenmäkler kauftest?
Der Leib ist dein, komm her und töte sie,
Doch keine Träne sollst du ihr erpressen!
Schaust du mich mit den milden Augen an
Um Mitleid flehend für die Mitleidlose?
Du kennst sie nicht, du kennst die Stolze nicht!
Schau hin, blinkt nicht ein Dolch in ihrer Hand
Und noch zwei andre liegen tiefversteckt
Dort unter den gesenkten Augenlidern?
        (Den Dolch aufraffend, der Sapphon entglitten ist.)
Mir diesen Stahl! Ich will ihn tragen
Hier auf der warmen, der betrognen Brust,
Und wenn mir je ein Bild verfloßner Tage
In süßer Wehmut vor die Seele tritt,
Soll schnell ein Blick auf diesen Stahl mich heilen!

Sappho (ihn starr anblickend).
Phaon!

Phaon.
O höre nicht den süßen Ton,
Er lockt dich schmeichelnd nur zu ihrem Dolch!
Auch mir ist er erklungen! Lange schon
Eh' ich sie sah, warf sie der Lieder Schlingen
Von ferne leis verwirrend um mich her,
An goldnen Fäden zog sie mich an sich
Und mocht' ich ringen, enger stets und enger
Umschlangen mich die leisen Zauberkreise.
Als ich sie sah, da faßte wilder Taumel
Den aufgeregten Sinn und willenlos
Stürzt' ich gebunden zu der Stolzen Füßen.
Dein Anblick erst gab mich mir selber wieder,
Erbebend sah ich mich in Circes Hause
Und fühlte meinen Nacken schon gekrümmt!
Doch war ich nicht gelöst, sie selber mußte,
Sie selber ihren eignen Zauber brechen!

Sappho (noch immer starr nach ihm blickend).
Phaon!

Phaon.
O hör sie nicht! Blick nicht nach ihr,
Ihr Auge tötet so wie ihre Hand.

Melitta.
Sie weint!

Phaon.
Fort, weinend spinnt sie neuen Zauber!

Melitta.
Soll ich die Teure leidend vor mir sehn?

Phaon.
Auch mich ergreift sie, darum eilig fort!
Eh' sie noch ihre Schlingen um dich wirft.
        (Er führt sie fort.)

Melitta.
Ich kann nicht! – Sappho!

Sappho (mit aufgelöster Stimme).
Melitta, rufst du mir?

Melitta (umkehrend und ihre Knie umfassend).
Ich bin es, Sappho! Hier die Rose nimm!
Nimm sie! Mein Leben nimm! Wo ist dein Dolch?

Phaon (herzueilend, die Rose die beide halten wegreißend und Melitten aufhebend).
Dein ist sie, dein, kein Gott soll dir sie rauben!
        (Melitten fortziehend.)
Komm! Schnell aus ihrer Nähe! Fort!
        (Führt sie ab.)

Sappho (mit ausgestreckten Armen, verhallend).
Phaon!

Der Vorhang fällt.


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