Franz Grillparzer
Sappho
Franz Grillparzer

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Sechster Auftritt

Sappho. Phaon.

Sappho (nach einer Pause).
Phaon!

Phaon.
Sappho!

Sappho.
Du standst so früh
Von unserm Mahle auf. Du wardst vermißt!

Phaon.
Den Becher lieb ich nicht, noch laute Freuden!

Sappho.
Nicht laute. Das scheint fast ein Vorwurf.

Phaon.
Wie?

Sappho.
Ich habe wohl gefehlt, daß ich die Feier
Der Ankunft laut und rauschend angestellt! –

Phaon.
So war es nicht gemeint!

Sappho.
Das volle Herz
Es sucht oft lauter Freude vollen Jubel,
Um in der allgemeinen Lust Gewühl
Recht unbemerkt, recht stille sich zu freun.

Phaon.
Ja, so!

Sappho.
Auch mußt' ich unsern guten Nachbarn
Für ihre Liebe wohl mich dankbar zeigen,
Das freut sich nur bei Wein! Du weißt es wohl!
In Zukunft stört kein lästig Fest uns wieder
Die Stille, die du mehr nicht liebst, als ich!

Phaon.
Ich danke dir.

Sappho.
Du gehst?

Phaon.
Willst du? Ich bleibe!

Sappho.
Zu gehn oder zu bleiben bist du Herr!

Phaon.
Du zürnest!

Sappho (bewegt).
Phaon!

Phaon.
Willst du etwas?

Sappho.
Nichts. –
Doch eins! (Mit Überwindung.) Ich sah dich mit Melitten scherzen –

Phaon.
Melitta? Wer? Ei ja ganz recht! Nur weiter!

Sappho.
Es ist ein liebes Kind!

Phaon.
So scheint's, o ja!

Sappho.
Die Liebste mir von meinen Dienerinnen,
Von meinen Kindern möcht ich sagen, denn
Ich habe stets als Kinder sie geliebt.
Wenn ich die Sklavenbande nicht zerreiße,
So ist es nur, da die Natur uns süßre
Versagt, um jene Eltern-, Heimatlosen
Nicht vor der Zeit dem Aug' der Lehrerin,
Der Mutter zarter Sorgfalt zu entziehn.
So war ich's stets gewohnt, und in dem Kreise
Von Mytilenes besten Bürgerinnen
Ist manche die in freudiger Erinnrung
Sich Sapphos Werk aus frühern Tagen nennt.

Phaon.
Recht schön, recht schön!

Sappho.
Von all den Mädchen
Die je ein spielend Glück mir zugeführt,
War keine teurer mir als sie, Melitta,
Das liebe Mädchen mit dem stillen Sinn.
Obschon nicht hohen Geists, von mäß'gen Gaben
Und unbehilflich für der Künste Übung,
War sie mir doch vor andern lieb und wert
Durch anspruchsloses, fromm-bescheidnes Wesen,
Durch jene liebevolle Innigkeit,
Die langsam, gleich dem stillen Gartenwürmchen,
Das Haus ist und Bewohnerin zugleich,
Stets fertig bei dem leisesten Geräusche
Erschreckt sich in sich selbst zurückzuziehn,
Und um sich fühlend mit den weichen Fäden
Nur zaudernd waget Fremdes zu berühren,
Doch fest sich saugt, wenn es einmal ergriffen,
Und sterbend das Ergriffne nur verläßt.

Phaon.
Recht schön, fürwahr, recht schön!

Sappho.
Ich wünschte nicht,
Verzeih mein teurer Freund! ich wünschte nicht,
Daß je ein unbedachtsam flücht'ger Scherz
In dieses Mädchens Busen Wünsche weckte
Die unerfüllt mit bitterm Stachel martern,
Ersparen möcht ich gern ihr die Erfahrung,
Wie ungestillte Sehnsucht sich verzehret,
Und wie verschmähte Liebe nagend quält.
Mein Freund! –

Phaon.
Wie sagtest du?

Sappho.
Du hörst mich nicht!

Phaon.
Ich höre: Liebe quält!

Sappho.
Wohl quält sie!
Mein Freund, du bist jetzt nicht gestimmt, wir wollen
Ein andermal noch diesen Punkt besprechen!

Phaon.
Ganz recht, ein andermal!

Sappho.
Für jetzt, leb wohl!
Ich pflege diese Stunde sonst den Musen
In jener stillen Grotte dort zu weihn.
Hoff ich gleich nicht die Musen heut zu finden,
So ist doch mind'stens Stille mir gewiß
Und ich bedarf sie. Leb indessen wohl!

Phaon.
So gehst du also?

Sappho.
Wünschest du –

Phaon.
Leb wohl!

Sappho (sich rasch umwendend).
Leb wohl! (Ab in die Höhle.)

Siebenter Auftritt

Phaon (allein, nachdem er eine Weile starr vor sich hingesehen).
Und hast du wirklich? – (Sich umsehend.) Sie ist fort! –
Ich bin verwirrt, mein Kopf ist wüst und schwer!
        (Auf die Rasenbank blickend.)
Hier saß sie, hier, das heiter blühnde Kind, (Setzt sich.)
Hierher will ich mein Haupt zur Ruhe legen!
        (Legt ermattet den Kopf in die Hand.)

Der Vorhang fällt.


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