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Freie Gegend wie im vorigen Aufzuge.
Phaon (kommt).
      Wohl mir, hier ist es still. Des Gastmahls Jubel,
      Der Zimbelspieler Lärm, der Flöten Töne,
      Der losgelaßnen Freude lautes Regen,
      Es tönt nicht bis hier unter diese Bäume,
      Die leise flüsternd, wie besorgt zu stören,
      Zu einsamer Betrachtung freundlich laden.
Wie hat sich alles denn in mir verändert,
      Seit ich der Eltern stilles Haus verließ
      Und meine Renner gen Olympia lenkte?
      Sonst konnt' ich wohl in heiterer Besinnung
      Verworrener Empfindung leise Fäden
      Mit scharfem Aug' verfolgen und entwirren
      Bis klar es als Erkennen vor mir lag.
      Doch jetzt, wie eine schwüle Sommernacht
      Liegt brütend, süß und peinigend zugleich
      Ein schwerer Nebel über meinen Sinnen,
      Den der Gedanken fernes Wetterleuchten,
      Jetzt hier, jetzt dort, und jetzt schon nicht mehr da,
      In quälender Verwirrung rasch durchzuckt.
      Ein Schleier deckt mir die Vergangenheit,
      Kaum kann ich heut des Gestern mich erinnern,
      Kaum in der jetzigen Stund' der erst geschiednen.
      Ich frage mich: warst du's denn wirklich selber,
      Der in Olympia stand an ihrer Seite,
      An ihrer Seite in des Siegs Triumph?
      War es dein Name, den des Volkes Jubel
      Vermischt mit ihrem in die Lüfte rief?
      Ja sagt mir alles und doch glaub ich's kaum.
      Was für ein ärmlich Wesen ist der Mensch,
      Wenn, was als Hoffnung seine Sinne weckte,
      Ihm als Erfüllung sie in Schlaf versenkt.
      Als ich sie noch nicht sah und kannte, nur
      Die Phantasie ihr schlechtgetroffnes Bild
      In graue Nebel noch verfließend malte,
      Da schien mir's leicht für einen Blick von ihr,
      Ein güt'ges Wort, das Leben hinzuwerfen;
      Und jetzt da sie nun mein ist, mir gehört,
      Da meiner Wünsche winterliche Raupen
      Als goldne Schmetterlinge mich umspielen,
      Jetzt frag ich noch und steh und sinn und zaudre!
Weh ich vergesse hier mich selber noch
      Und sie und Eltern und –
                      O meine Eltern!
      Muß ich erst jetzt, jetzt eurer mich erinnern!
      Konnt' ich so lang euch ohne Botschaft lassen?
      Vielleicht beweint ihr meinen Tod, vielleicht
      Gab des Gerüchtes Mund euch schon die Kunde,
      Daß euer Sohn, den ihr zu lieben nicht,
      Den ihr zum Kampfe nach Olympia sandtet,
      In Sapphos Arm –
                      Wer wagt es sie zu schmähn!
      Der Frauen Zier, die Krone des Geschlechts!
      Mag auch des Neides Geifer sie bespritzen,
      Ich steh für sie, sei's gegen eine Welt!
      Und selbst mein Vater, sieht er sie nur erst,
      Gern legt er ab das alte Vorurteil,
      Das frecher Zitherspielerinnen Anblick
      Mit frommer Scheu ihm in die Brust geprägt.
              (In Gedanken versinkend.)
      Wer naht? – der laute Haufen dringt hierher.
      Wie widerlich! – Schnell fort! – Wohin? – Ah hier!
              (Geht in die Grotte.)