Ferdinand Gregorovius
Athenaïs
Ferdinand Gregorovius

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Cyprianus und Justina.

Dichtung der Kaiserin Eudokia.

Zweiter Gesang:

Das Bekenntniß des Cyprianus.

                      Bekenner Christi, die ihr treu und warm
Im Herzen hegt den vielgepriesenen Heiland,
Seht meiner Tränen frischen Strom, und dann
Vernehmt, aus welchem Quell mein Kummer stammt.
Und Ihr, die noch der finstre Wahn umstrickt
Der Götzenbilder, merkt auf das, was ich
Von ihrem Lug und Trug erzählen werde.
Denn nimmer hat ein Mensch gelebt, der so
Wie ich den falschen Göttern war ergeben,
Und der Dämonen Art so gründlich kannte.

Ja, Cyprianus bin ich, den als Kind
Die Eltern dem Apollo dargebracht.
Es war des zarten Säuglings Wiegenlied
Gelärm der Orgien, wenn man das Fest
Des grausen Drachen feiert'. Siebenjährig
Ward ich geweiht dem Sonnengotte Mithras.Μιθραίω Φαέθοντι πάλιν μετέπειτα τελέσθην – der Text der Confession hat: τοι̃ς του̃ Μίθρου προση̃λθον μυστηρίοις.
Ich wohnt' in der erhabnen Stadt Athen,
Und ward ihr Bürger auch. Denn so gefiel's
Den Eltern. Als ich zehn der Jahre zählte,
Hab' ich Demeters Fackeln angezündet,
Und mich versenkt in Koras Trauerklage.
Ich hegt' der Pallas Schlange auf der Burg
Als Tempelknabe.

                              Dann zum Waldgebirg
Olympos stieg ich auf, wo Toren sich
Den lichten Wohnsitz sel'ger Götter denken.
Die Horen sah ich und den Schwarm der Winde,
Der Tage Chor, die phantasiebeflügelt
Mit Gankelbildern durch das Leben ziehn.
Ich sah Gewühl von Geistern kampfentbrannt,
Und Hinterhalte voller List; von Spott
Und Lachen berstend die, und jene ganz
Von Schreck erstarrt. Die Reihen sah ich all
Der Göttinnen und Götter. Denn wol vierzig
Und noch mehr Tage hab' ich dort verweilt.
Es war mein Mal, wenn Helios niedersank,
Der dichtbelaubten Wipfel Frucht. Wie
Als wären sie aus hoher Königsburg
Entsandt, durchziehn die Luft die Geisterboten,
Um dann zur Welt hinabzusteigen, wo
Die Menschheit sie mit tausend Uebeln plagen.

Ich zählte fünfzehn Jahr' und kannte schon
Die Wirkenskraft der Götter und der Geister,
Denn mich belehrten sieben Oberpriester.
Der Eltern Wille war's, daß ich gewönne
Von allem Wissenschaft, was ist auf Erden,
Im Reich der Lüfte und im tiefen Meer.
Ich hab' durchforscht, was in der Menschenbrust
Verderben brütet, was im Kraute gährt,
Im Saft der Blume, was um müde Leiber
Als Siechtum schleicht, und was die bunte Schlange,
Der Fürst der Welt, voll arger List erschafft,
Um Gottes ew'gen Ratschluß zu bestreiten.

Ins schöne Land von Argos zog ich hin,
Das rossenährende. Das Fest der Eos,
Der weißgewand'gen Gattin des Tithonos,
Beging man grad, und dort ward ich ihr Priester.Hier weicht die Dichterin auffallend vom Text der Confession Cyprian's ab, welche vom berühmten Dienst der Hera in Argos redet: η̃λθον καὶ εν ’Άργει εν τη̃ τη̃ς ‛Ήρας τελετη̃. Dagegen läßt Eudokia den Zauberer sagen:

’Ένθεν ες ιππόβοτον θαλερὸν γενόμην κατὰ ’Άργος,
’Η̃ν δὲ Τιθωνιάδος εροτὴ λευχείμονος ’Ηου̃ς.

Ich lernte kennen, was geschwisterlich
Die Luft und dieses Poles Rund durchzieht,
Was Wasser macht der Ackerflur verwandt,
Und was den Himmel trübt als Regenschauer.

Nach Elis kam ich, und ich sah in Sparta
Das ungefüge Götterbild von Holz
Der Tauropolos Artemis.Die Confession hat statt Elis εν τη̃ ’Ιλιάδι, und der Zusammenhang lehrt, daß die Variante der Kaiserin Eudokia die bessere ist. Und so
Lernt' ich verstehn die mannigfache
Natur der Stoffe, der Metalle Art
Und Steine, die geheime Schrift der Welt,
Des Kosmos Mythen all und Charaktere.Ψήφους τε, γραφίδας τε, χαρακτη̃ρας δὲ τε κόσμου, Γραιώδεις μύθους τε. Alles dies fehlt in der Confession.

Doch als ich drauf ins Land der Phrygen kam,
Da ward zu eigen mir des Sehers Kunst,
Der aus der Leber und dem Eingeweide
Die Vorbedeutung schaut. Dann haben Scythen
Aeolischer Stimmen Sprache mich gelehrt,
Wenn Vögel hoch die luft'gen Kreise ziehn,
Und, den sie sehn, mit Schicksalslauten grüßen.
Der Bretter Summen und der Steine Klang
Verstand ich, und was jene reden, die
In Gräbern längst verstorben ruhn. Das Schrilln
Von Thür und Angel, selbst der Fiber Zittern
Im bangen Leib, des Blutes Hämmern, wenn's
Mit Brand die Glieder schwärzt; die Rätsel lernt' ich
Der Menschensprache, und der Worte Zahl,
Der Körper schweres Müh'n, den Grund, worauf
Natur sich stellt: die Eide, ob sie treu
Geschworen oder falsch; Entschlüsse, die
In ihres Wunsches Gegenteil sich kehren:
Was vielgeformt die Phantasie geboren,
Und was erfinderische Kunst erdacht,
Nichts konnte meinem Forscherblick entgehn.

Und zwanzig Jahre war ich alt, als ich
Ins Land der dunkeln Männer kam, Aegyptus.
Nach Memphis zog ich, wo ich Dinge lernte
Weit über alles Maß des Irdischen.
Die Erdenkräfte, wie sie sich verbinden,
Der unnahbaren Geister Sinn und Namen,
Und welch' Gestirn sie anzieht, welch' Gesetz,
Und was ihr Thun; wie sie das Dunkel fliehn,
Und dennoch in den Finsternissen wohnen;
Mit welchen Mächten sie im Streit; wie viel
Der Fürsten sind im düstern Land des Styx,
Halbgötter auch; wie sie an Leib und Seele
Landthieren ähneln oder Wasserwesen,
Was sie betreiben, was besorgen müssen.
Den raschen Lauf, die Wissenskraft, Gedächtniß,
Die Kunst der Täuschung, Furcht, Vergessenheit,
Des Schwarms Gebahren merkt' ich, und noch mehr:
Der Erde Beben, Sintflut, ihr Entstehn,
Das dumpfe Brausen und den Donnerhall
Des Festlands und des Meers. Sie äffen nach
Die Formen ew'ger Weisheit, die nie stirbt.

Dort sah ich schreckenvolle Riesenleiber
Von dem Gewicht der grausen Nacht bedrückt,
Phantome, die auf ihren Schultern schienen
Den Weltenball zu tragen, Männern gleich,
Die stöhnen unter ihrer Last. Dämonen
Erblickt' ich, rasende, gesellt einander,
Gewundner Schlangen Knäul. Ein bittrer Wind
Trug Unheil fort, zu schäd'gen Menschenkinder.
Von hier ziehn Myriaden Geister aus,
Den Stoff der Welt mit Uebeln zu vergiften.

Drauf kam ich zu dem Ort, wo Geister sich
Verwandeln’Έφθασα καὶ χώρην, όθ' αμείβοντ' αντιπάλαμοι. Wie es scheint, die Region der Metamorphosen. Die Konfession sagt: η̃λθον εν χώρω, όπου αι ιδέαι τω̃ν μεταμορφώσεων τοι̃ς δαίμοσι γίνονται. Es erscheinen die allegorischen Bilder der menschlichen Laster, deren Beschreibung ich nicht ihrer ganzen Länge nach wiedergegeben habe.; denn die Schlange baute ihn,
Der Erde Laster sichtbar auszuprägen.
Geschäft'ge Schemen mühn sich ab, den Mengen,
Die ihnen ähnlich sind, im Bild zu zeigen
Verworfenheit. Ich sah den Schuldbewußten,
Wie jählings er den Guten überfiel,
Den Dummen, wie dem Klugen, den Verruchten,
Wie dem Gerechten er den Weg vertrat.
Gesetzlos ist hier alles, ohne Richter.

Die Lüge sah ich dort, die vielgewandte,
Die Wollust, schmachbedeckt und dreigestaltig;
Den jähen Zorn – auf Flügeln stürmt' er hin,
Voll Hast und thierisch – Arglist, die so süß
Mit Worten schmeichelt; Haß erbarmungslos,
Ohn' Herz und Eingeweide; Eifersucht
Und Neid, mit einer Zunge sichelartig;
Die Rachlust, ganz von hohler Wut verzehrt –
Aus vielen Augen schießt sie Flammenpfeile,
Nach Sättigung schmachtend, die ihr niemals wird;
Die Völlerei mit Mäulern vorn und rückwärts –
Sie schlingen Kiesel ein und harte Erde –
Die räuberische Habsucht, lang und dürr –
Ob ihren Augen hangen matt und schlaff
Die Lider – dann den filzigen Krämergeist,
Der ruhelos erhofften Reichtums Trugbild
Als Last auf seinem müden Rücken schleppt’Εμπορίην δέ θ'ὸμως κατίδον χθαμαλὴν, ταχύρεμβον, ’Όλβου δ'ελπίδα πα̃σαν επωμάδιον φέρε φόρτον. Es ist das ει̃δος εμπορίας im Text der Confession.;
Den Leichtsinn fröhlichen Gemüts, doch fett
Von Leib, und innen fehlt die Knochenbildung;
Die Götzendienerei, mit Flügeln dicht
Und breit, als könnte sie die Welt beschattenΕιδώλων δ'ενόησα λατρείην υψιπότητον – Ει̃δοσ ειδολολατρείας in der Confession.;
Die Heuchelei, von innerm Siechtum krank,
Und stückweis raffen Wind' ihr fort die Glieder;
Die höllische Verläumdung, lang von Zunge;
Die Dummheit ganz gelähmt; das träge Haupt
Von Schlafsucht schwer, und alles schwatzt sie aus.

Wie leer ist Ruhm, wenn Tugend nur ein Schein,
Wie nichtig jenes Wortgepräng', mit welchem
Die Griechenweisheit Menschen hintergeht;
Den Wahn umarmen sie, und fliehn die Wahrheit.
Doch unermeßlich ist der Stoff, von dem
Ich endlos reden könnte; es genügt
In Wenigem die Summe meiner Frevel
Euch kund zu thun. Nur dieses sag' ich noch:

Ich war ein Mann von dreißig Jahren nun,
Als ich vom Land der dunkeln Männer schied,
Und meine Schritte lenkt' zu der uralten
Chaldäerstadt.Χαλδαίων δ'ικόμην γε παλαιγενέων πόλιν ανδρω̃ν. – In der Confession nur: πρὸς τοὺς Χαλδαίους. Ergründen wollt' ich hier
Des Himmels Lauf und seine feste Ordnung.
Da lernt' ich die Natur der Sterne kennen,
Die scheinbar feindlich sich entgegenstehe
Und ihre Sympathie, das Haus von jedemΑυτοὶ συγγενίας καὶ δώματα δει̃ξαν εκάστου.,
Die Nahrung und den Trank der Genien,
Und wie aus Liebe die Intelligenzen
Im Licht sich gatten, lehrten Weise mich.
Vergleichbar sind der irdischen Natur
Auch jene Wesen, denn auch sie gehorchen
Geboten eines Führers, sorgen auch,
Wie seinen Willen reifend sie vollziehn.
Nur Duft von Opfern dient zu ihrer Labe,
Doch andre trotzen und verschmähen dies,
Um froh im weiten Raum des Lichts zu schweifen.

Ich mußte staunen, daß auch diese Geister
Um irdisch Gut sich müh'n, denn ich erkannte
Gesetze und Verträge, die sie binden,
Und liebevolles Sehnen nach Vereinung,
Wenn's ihr Gebieter will. Haucht er sie an
Mit Odem aus der Luft, so werden sie
Höchst kundig und gewitzt: mit Atemzügen
Vom Fruchtgefild der Erde, sehr beredt:
Mit Hauch der Unterwelt, dann werden sie
Geschickt zur List; und so durchbricht der Böse
Die Satzungen der Welt, die Creatur
Verführend, ihres Gottes zu vergessen.

Ich sah den Dämon selbst von Angesicht,
Nachdem ich ihn mit Opfern mir gewonnen;
Ich sprach zu ihm, und er erwidert' mir
Mit Schmeichelworten. Meine Jugendschöne
Und mein Geschick zu seinen Werken rühmend,
Verhieß er mir die Herrschaft dieser Welt,
Und gab mir Macht, den Geistern zu gebieten.
Er grüßte mich mit meinem Namen, als
Ich schied, und staunend sah'n es seine Großen.
Sein Antlitz gleicht der Blume reinen GoldesΜορφὴν δὲ χρυσω̃ ινδάλλετο ανθεμόεντι. – In der Konfession: η̃ν δὲ τὸ ει̃δος αυτου̃ ως άνθος χρυσίου.;
Er trägt ein Diadem von Funkelsteinen,
Und flammendes Gewand. Die Erde bebt,
Wenn er sich rührt. In dichten Reihn umstehn
Speerträger seinen Tron, den Blick gesenkt.
So dünkt er sich ein Gott, so äfft er nach
Des Ew'gen Werke, den er frech bestreitet.
Doch machtlos schafft er nicht'ge Schemen nur,
Denn der Dämonen Wesenheit ist Schein.
Sich sichtbar machen, das ist ihr Bemüh'n,
Und körperliche Thaten zu verrichten.
Zu eines Leibes Trugbild hilft den Geistern
Nur Rauch von Opfern, den sie an sich ziehn.
Sie hüllen sich darein, wie in ein Kleid
Von feinem Linnen oder Wolle. So
Aus Luft geformt erschafft der Dämon
Nur täuschende Gebilde und Phantome.
Er gießet Regen aus, der nimmer naß macht,
Entzündet Feuer, kalt wie Winterschnee,
Läßt Fische sehn, die nicht genießbar sind,
Schafft glänzend Gold, das jeden macht zum Bettler;
Und Göttertempel, Meergestad' und Städte,
Und Wälder läßt er sehn, das Vaterhaus
Der süßen Heimat, duft'ge Brautgemächer –
Schlaftrunkne Wandrer sehn das wol bei Nacht.
So wirkt der Dämon, und so lehrt er's jene,
Die Menschen zwar, doch ihm ergeben sind.

Doch mich, der seines Truges Zeuge war,
Und der mit innerstem Erbeben schon
Zum wahren Gott des Himmels sich gewendet,
Was hält mich noch der finstre Abgrund fest?

Ich zog vom Land der Perser fort, und kam
Nach Antiochia, der großen Stadt
Der Syrer; hier verübt' ich Wunders viel
Von Zauberei und höllischer Magie.Θαύματα πολλὰ τελω̃ν τέχνης μαγικη̃ς υπὸ δεινη̃ς – In der Confession: καὶ θαυματουργω̃ν ήμην ως ει̃ς τω̃ν αρχαίων εδίδουν τη̃ς γοντείας. καὶ ονομαστὸς ήμην μάγος φιλόσοφος, πολλὴν τω̃ν αοράτων έχων κατάληψιν.
Ein Jüngling sucht' mich aus, Aglaïdas,
Von Lieb' entbrannt, und mit ihm viel Gefährten.
Eine Mädchen war's, Justina ist ihr Name,
Für das er glüht', und meine Knie umschlingend
Beschwor er mich, in seine Arme sie
Durch Zauberkunst zu ziehn. Und da zuerst
Ward mir des Dämons Ohnmacht offenbar.
Denn so viel Geisterscharen er beherrscht,
So viel entsandt' er wider jene Jungfrau,
Und alle kehrten sie beschämt zurück.
Auch mich, Aglaïdas Befördrer, machte
Justinas fromme Glaubenskraft zu Schanden;
Sie zeigte mir, wie eitel meine Kunst.
Manch' schlummerlose Nacht durchwacht' ich da,
Und quälte mich mit Zaubereien ab.
Zehn Wochen lang bestürmt' der Fürst der Geister
Das Herz der Jungfrau. Eros hatte, ach!
Nicht den Aglaïdas allein verwundet,
Auch mich ergriff der Liebe Raserei.
Ein Wunder war's, wie das Gebet Justinas
Der ganzen Hölle Wut besiegen konnte.
Denn Belial, so viel er sann und that,
Vermochte nimmer jenen Brand zu löschen,
Der unsre Brust verzehrte.Ουδὲ γὰρ ημέτερον Βελίαρ πόθον ει̃χε χαράξαι. Wenn, so sprach ich,
Du solcher großen Macht dich kannst berühmen,
Wolan, so still' in uns die Sehnsuchtsflamme,
Damit wir solche Qual nicht fruchtlos leiden.
Jetzt gab dem Unzuchtsteufel er BefehleΤὸν τη̃ς πορνείας δαίμονα sagt die Confession; Eudokia aber läßt diesen Teufel in Gestalt eines Adlers auftreten: έφη αετω̃ μέδεοντι μαχλοσύνης –,
Doch fruchtlos blieb sein höllisches Bemühn,
Und heftig schmäht' ich den verlognen Dämon.
Er schwieg, der eignen Schwäche sich bewußt.

Hierauf Aglaïdas zu tänschen, sandte
Dem Jüngling er ein holdes Frauenbild,
Doch gleich erklärte sich der Trug; es glich
In nichts Justinas himmlischer Gebärde.
Ich flucht' dem Dämon, als ich das ersah.
Und jetzo rief er einen Geist, und schuf
Ihm solche Bildung an, daß er an Schönheit
Der zücht'gen Jungfrau glich. Als nun das Bild
Zum Liebekranken trat, rief der entzückt
Justinas Namen aus, und allsogleich
Zerrann in Nichts die luftige Erscheinung,
Und leblos stürzt' Aglaïdas zu Boden.

Obschon ich jetzt des Dämons Trug erkannte,
Versucht' ich weiter meine dunkle Kunst;
Bald legt' ich eines Weibes Bildung an,
Bald ward ich Vogel. Doch sobald ich mich
Aufs Haus des Mädchens schwang, zerfiel der Zauber,
Und wieder war ein Mensch ich, Cyprianus.
Ich machte auch Aglaïdas zum Sperling’Αγλαΐδην τεύξας πετεεινὸν έγωγε – Im Text der Confession: ’Εποίησα ποτὲ στρουθίον τὸν ’Αγλαΐδαν – Es ist der Sperling, wie es die alte merkwürdige lateinische Uebersetzung mit passer wiedergibt.;
Er flog und setzte sich aufs höchste Dach
Des Hauses nieder. Jene sah ihn dort,
Und nur von ihrem Blicke würd' er da
Im jähen Sturz den Tod gefunden haben,
Wenn sich Justina seiner nicht erbarmte.
Die stille Heimkehr in sein eignes Haus
Gebot sie ihm, und sich vor Gott zu fürchten.
Nicht Not und Krankheit beugten ihren Mut,
Sie wehrte mit dem Kreuzesbild allein
Des list'gen Feinds Geschosse siegreich ab.

Jetzt trafen wir die Eltern selbst mit Plagen,
Die Heerden würgend, ihr gesammtes Gut.
Sie tröstet' jene, drob sich nicht zu härmen,
Vielmehr mit Wenigem begnügt zu sein,
Bis Gottes Segen dies vermehren würde.
Indeß erbangend um Justinas Schicksal
Verlangten ihre Freunde, daß dem Jüngling
Zu echtem Ehebund die Hand sie reiche.
Die Eltern schwankten, bis die Jungfrau ihnen
Durch Christi Glauben neue Stärke gab.

Nun schlug mit Pest das ganze Volk der Dämon,
Und ein Orakel that er kund, es werde
Die Seuche nimmer enden, bis Justina
Im Brautgemach Aglaïdas umarmt;
Dies sei Gebot. Doch beides stillte bald,
Der Bürger Aufruhr und die Wut der Pest,
Die Fromme, die um Christi Beistand flehte.
Da pries das Volk den Heiland, mich verwünschend
Als den Verwüster seiner Stadt; mit Haß
Beladen mied ich Bürger und Verwandte.

Und jetzt, wenn spät auch, von der Macht durchdrungen
Des Kreuzes, das so Großes wirken konnte,
Faßt' ich ein Herz mir, und ich sprach zum Dämon:
Verrucht' Geschöpf, der Bosheit tiefster Abgrund,
Verderbenbringer, was belogst du mich,
Da deine Nichtigkeit du kennst? Wenn schon
Ein Schatten nur von Gottes heil'ger Allmacht
Dich ganz zerbrach, was wirst du thun erst, wenn
Er selber kommt? Wenn schon der Name Christi
Dich zittern macht, was wird mit dir geschehn,
Wenn Er erscheint, zu strafen deine Frevel?
Dich schlug in jähe Flucht ein Zeichen schon,
Und jener starken Hand, wie darfst du ihr
Den zu entreißen hoffen, den sie schützt?
Ich weiß es jetzt, was deine Lügen wert:
Mein Herz verdarbst du, meine Hoffnung auch;
Gedankenvolle Sorge schwärmt in mir.
Dein Trug zerstörte meines Lebens Grund,
Und brach die Pfeiler der Natur entzwei.
Ich gab dir gottlos meine Seele hin.
Nicht brachte mir Gewinn die Wissenschaft,
Noch jene Weisheit, der in alten Büchern
Ich nachgeforscht.Diese ganz faustische Stelle lautet bei Eudokia: Μαψιδίως σοφίην δὲ μάθον, προτέρων δὲ τε βύβλους – Im Text der Confession: εματαιώθην επὶ γράμμασι, τη̃ παιδεία μου επιβλαβω̃ς εχρησάμην υπακούσας σου. Mein väterliches Erbe
Vergeudet' ich an dich und deine Lüge.
O hätten meinen Reichtum Darbende
Und Arme aufgezehrt, dann würde mir
Vielleicht ein Tropfen noch der Gnade fließen.
Weh mir, und meiner Pein, die rettungslos!
Gestorben war ich, und ich glaubt' zu leben;
Mit meinem Golde grub ich mir das Grab.
Ich sah den Abgrund nicht, nein gab mir selbst
Den Tod. Doch jetzo geh' ich, anzurufen
Die frommen Diener Gottes, ob ich noch
Erbarmen finden möge. Auch der teuern
Justina Knie' will ich umfahn und flehn,
Daß meine Seele sie in Obhut nehme.

Da stürzt' er sich in wildem Grimm auf mich,
Mit aller Macht mich an der Kehle fassend.
Jetzt schwebte meinem Geist das Kreuzbild vor,
Mit dem Justina ihren Sieg errungen;
Ich fleht' zu Gott, bekreuzend meinen Leib,
Und wie ein Pfeil schoß fort der grause Dämon;
Dann wandt' er sich im Fliehn und sandte mir
Noch seiner Drohungen Geschosse nach.

Nicht wird, so schrie er, Christus, den du riefst,
Aus meiner Hand dich retten, wenn er auch
Dir jetzt zu helfen scheint; er täuscht dich nur
Voll List, um desto ärger dich zu strafen.
Und hat er dich verlassen, dann wirst du
Erfahren, wie ich den behandle, der
Mißachtet meine Macht. Die mir gedient
Nimmt Christus nimmer auf, und so verlierst du
Erst meine Gunst und dann auch seine Gnade.

Entsetzen faßte mich, als ich dies Wort
Des grimmen Feinds vernahm. Da, teure Männer,
Die Ihr mein Elend kennt, erzählt' ich Euch
Von meines Lebens Qual, auf daß Ihr sie
Erwägend mitleidsvoll mir sagtet, ob
Ich jemals Christus mir versöhnen könne,
Und Er, wenn mein Bekenntniß er gehört,
Mir helf', die nächt'gen Wege zu verlassen,
Die ich bisher gegangen bin. – Still schwieg
Das Volk, dann nach geraumer Zeit erhob
Sich Einer, der mit lauter Stimme sprach:
.   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .

Hier endet die griechische Handschrift, in welcher dieses Gedicht Eudokias aufbewahrt ist. Der Schlug des Gesanges fehlt, aber er kann aus der »Confession des Cyprianus« ergänzt werden. Weil nun die letzten Blätter derselben auch Dinge enthalten, welche die Dichterin schon im ersten Gesange behandelt hatte, so ist sie in die Gefahr gekommen, sich selbst zu wiederholen.

Der Schluß der Confession schildert mit den lebhaftesten Farben die Verzweiflung des Magiers an sich selbst, und noch einmal läßt ihn der Dichter dieses wunderbaren Dramas ein summarisches Bekenntniß seiner Frevel ablegen, um in der Person des Cyprianus die Nichtswürdigkeit der Zauberei und des Götzendienstes darzustellen.

Der Reumütige bekennt, daß er Jünglinge ermordet, Männer dem Pluto vergraben, zu Ehren der Hekate Fremdlinge erwürgt, das Blut von Jungfrauen der Athene dargebracht, und dem Saturn und Mars Greise geopfert habe. Durch diese Spenden habe er sich viele böse Geister verpflichtet, und so den Zugang zum Satan selbst gefunden. Er habe ihm das Blut aller Thiere in einer goldenen Schale dargebracht; mit diesem habe dann der Teufel seine Krone und seine Geister besprengt, und ihm selbst die Macht verliehen, über jede vernunftlose und vernunftbegabte Seele zu gebieten.

Cyprianus fährt fort, sich der schrecklichsten Verbrechen, auch wider Christus und seine heilige Kirche, anzuklagen. Er verzweifelt an der Rettung seiner Seele, worauf Eusebius sich erhebt und ihn mit der unerschöpflichen Barmherzigkeit Gottes tröstet. Er verweist ihn auf das Beispiel des Paulus, der zuerst, wenn auch nicht ein Zauberer, so doch ein wütender Verfolger der Gläubigen gewesen, dann aber ein glühender Christ geworden sei. Die Rede des alten Christenpriesters ist wahrhaft großartig und vom höchsten Stil.

Nun wirft sich Cyprianus in die Arme dieses milden Greises, den er seinen Vater und Rettungsengel nennt. Eusebius und sein Sohn, einst der Mitschüler des Magiers in der Schule der Wissenschaften, führen ihn in ihr Haus, wo sie ihm ein bescheidenes Mal vorsetzen. Am folgenden Tage gehen sie mit ihm in die Kirche. Dem zerknirschten Cyprianus erscheinen hier die frommen Priester und die das Halleluja singenden Gläubigen wie Chöre von himmlischen Engeln. Mit Verwunderung sehen die Christen unter sich den großen Magier. Am nächsten Tage verbrennt er seine Zauberbücher (τὰς βίβλους του̃ διαβόλου).

Am Schluß erzählt Cyprianus Folgendes: »Als die heilige Justina dies vernommen hatte, schnitt sie ihre Haare ab; sie verkaufte ihren Brautschatz, und schenkte dessen Erlös den Armen. Meine Reue aber achtete sie für ein zwiefaches Heil. Denn auch Aglaïdas hatte den Teufel, von dem er ins Verderben gestürzt worden war, von sich gestoßen und den Flammen übergeben.Diese dunkle Stelle lautet im griechischen Text: καὶ γὰρ ο ’Αγλαΐδας αποταξάμενος τὸν Διάβολον ενέπρησεν, ὸτι τὸ ξίφος του̃ ολέθρου εαυτω̃ περιέπηρεν. Der alte lateinische Uebersetzer gibt das so wieder: Nam et Aglaidas qui ipse sibi gladium mortis circumintulerat, diabolum ab eo discedens incendit. Das Schwert des Verderbens ist aber hier im bildlichen Sinne zu nehmen, und auf den Diabolos zu beziehen. Statt εαυτω̃ ist αυτω̃ zu lesen. Das ενέπρησεν ist ganz rätselhaft. Ich erinnere mich an die bösen Geister in Tausend und einer Nacht, die bisweilen zu einem Häuflein Asche verbrennen. Doch dies konnte dem unzerstörlichen Princip des Bösen, dem Teufel selbst, nicht widerfahren. vielleicht hat Aglaïdas den Teufel auf magische Weise in effigie verbrannt. Valentin Schmidt hat in seinem kritischen Werk über die Schauspiele Calderons den Wunsch ausgesprochen, daß die Confessio Cypriani einmal in deutscher Uebersetzung herausgegeben werde. Ich wiederhole diesen Wunsch; aber der Uebersetzer müßte ein zweiter Nostradamus sein, um durch einen gelehrten Kommentar uns in die Geheimlehre der Magie jener Zeit einzuführen, und die dunklen Stellen jener Schrift zu erklären. So verlieh uns Christus durch Justina eine doppelte Rettung. Nachdem nun auch ich mein Hab und Gut verteilt hatte, blieb ich beim Vater Eusebius, welcher Presbyter der Kirche war. Ich empfing die christliche Taufe. Ich wagte jetzt öffentlich zu predigen, und ich habe durch meine Ermahnungen viele Menschen zu Gott bekehrt.«


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