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Fünftes Kapitel

Was denkst du von diesem Gesellen? fragte Harry, als Mstr. Blackman die beiden Männer verlassen hatte.

Er ist ein ehrlicher Mann, erwiderte der alte Detektiv, und es wird dich ein wenig überraschen, wenn ich hinzufüge, daß ich ihn von Anfang an so beurteilt habe.

Nein, es überrascht mich nicht – er ist ein ungeschliffener Diamant.

Das ist er in der Tat, sonst aber ist er ehrlich.

Was denkst du, daß diese Mitternachtsarbeit zu bedeuten haben kann?

Darüber nachzudenken, verzichte ich.

Wirst du jetzt in die Mine hinabsteigen?

Ich denke nicht. Laß uns einmal nach den »Vier Königen« hinübergehen und uns die Mine anschauen. Das wird dann die Zeit des Nachmittags ausfüllen. Der Weg hin und zurück wird ungefähr vier Meilen ausmachen.

Dieser Plan wurde dann auch ausgeführt. »Vier Könige« schien ein ganz guter Platz zu sein. Einige hundert Arbeiter wurden hier beschäftigt und eine große Stampfmühle war stets in Bewegung; die Mine wurde gut bearbeitet.

Die beiden Detektive machten kein Geheimnis daraus, weshalb sie hier erschienen waren. Im Bureau anfragend, ob sie die Mine besehen dürften, wurde ihnen von Mstr. Tom Fracy, dem Verwalter, nicht nur die Erlaubnis freundlich dazu erteilt, sondern er selbst begleitete sie auch durch die Mühle und gab ihnen dann noch einen Führer, der sie durch den Tunnel und die Mine führen sollte. Es gab hier keine Schachte, sondern Tunnels, die direkt in die Hügelseite hineinliefen, wo sie die Goldader der Little Pekin-Mine berührten.

Mstr. Fracy hatte die Detektive weder nach ihrem Geschäft gefragt noch sonst irgend eine andere Frage an sie gerichtet. Des alten Detektivs Erklärung, daß sie die Gäste Mstr. Blackmans in Little Pekin seien, genügte ihm vollständig.

Besuchen Sie mich wieder, Gentlemen, wenn Sie wieder in diese Gegend kommen sollten, sagte der Mann, als er sich von den Detektiven verabschiedete. Wir werden uns freuen, irgend einem Gentleman zu zeigen, was wir hier leisten, setzte er hinzu.

Ist es nicht auffallend, daß der Mann auch nicht ein Wort von Charley Wangman erwähnte? fragte Harry seinen Kollegen, nachdem sie die Mine verlassen und nach Little Pekin zurückkehrten.

Es sieht allerdings verdächtig aus, erwiderte der Alte, und doch war das gerade die Ursache, weshalb ich dorthin ging. Er hat ja nicht einmal die Mine Little Pekin erwähnt und doch muß er gewußt haben, wer wir sind, setzte er hinzu.

Als die Detektive nach Little Pekin zurückgekehrt waren, begaben sie sich nach dem Bureau und fragten nach Ah Hoeo.

Einer von den Buchhaltern erklärte einfach, daß Mstr. Hoeo oben im zweiten Stocke sei und Befehl gegeben habe, ihn nicht zu stören. Wenn Sie aber irgend einen Wunsch haben, Gentlemen, dürfen Sie es nur sagen. Mstr. Hoeo wird Sie ganz gewiß morgen empfangen, setzte er dann höflich hinzu.

Wie Ah Hoeo selbst und seine übrigen Gehilfen im Bureau, sprach auch dieser Buchhalter ein gutes Englisch.

Daß Little Pekin überhaupt einige intelligente Chinesen aufzuweisen hatte, konnten die Skotts nicht bestreiten.

Wie ihnen das Mittagessen nach der Hütte gebracht worden war, so wurde ihnen nun auch das Abendessen serviert.

.

Noch ehe die beiden Männer damit fertig waren, kam der junge Chinese wieder zurück, brachte ein paar Flaschen Champagner und eine Kiste Zigarren, die er mit Komplimenten von Mstr. Hoeo ihnen überreichte.

Die Detektive hatten den Champagner unberührt gelassen, aber Harry rauchte ein paar von den Zigarren. Die erste fand er außerordentlich fein, als er aber die zweite bis zur Hälfte aufgeraucht hatte, warf er sie weg, da dieselbe, wie er sagte, ihm Kopfschmerzen verursachte.

Der alte Detektiv rauchte jedoch seine eigenen Zigarren und rührte keine von denen in der Kiste an.

Etwa gegen neun Uhr abends erschien Ben Thomas. Harry klagte noch immer über Kopfschmerzen und es schien, als ob er betäubt wäre und unter einem schweren Gehirndrucke litte.

Well, was haben Sie heute ausgemacht? fragte der Schmelzer, indem er sich nachlässig in einen Sessel warf.

Nichts haben wir getan und ich kann auch nicht sehen, in welcher Weise wir irgend etwas tun können, erwiderte der alte Detektiv.

Es sollte aber doch etwas getan werden. Sie wissen doch, was ich Ihnen gesagt habe.

Wenn Sie uns nur irgend einen Anhaltspunkt geben könnten, meinte der alte Skott.

Ich wünschte, ich könnte es. Das einzige, was ich Ihnen sagen kann, ist, hüten Sie sich vor Joe Blackman und verlieren Sie ihn nicht aus den Augen. Wenn irgend ein Verdacht gerechtfertigt ist, dann glaube ich, daß er die Triebfeder des Ganzen ist, Sie mögen es glauben oder nicht.

Er scheint ein rauher Mensch zu sein.

Ein richtiger Tatar. Manchmal will es mir so scheinen, als ob ich ihn nicht eine Stunde länger ertragen könnte.

Wie gefällt Ihnen denn Ihr chinesischer Vorgesetzter?

Ich habe noch niemals irgend etwas Unangenehmes mit ihm gehabt. Sie können aber auch vielleicht denken, daß ich ihn noch nicht genau kenne. Natürlich kann ein Weißer niemals einem Chinesen trauen.

Der alte Detektiv versuchte aus Ben Thomas herauszubringen, was er nur immer vermochte. Es war dies aber äußerst wenig, obgleich er die an ihn gerichteten Fragen mit großer Freimütigkeit beantwortete. Er erzählte eben nichts und wiederholte beständig, er habe schon alles gesagt, was er zu sagen gehabt hätte.

Endlich erhob er sich und lud die Detektive ein, ihn in seiner Wohnung im zweiten Stocke des Schmelzhauses zu besuchen, wo er ihnen eine schöne Auswahl des feinsten Goldstaubes zeigen könne.

Ich kann nicht gehen und beabsichtige, hier in der Hütte zu bleiben, sagte der alte Detektiv.

Dann werde ich gehen, mein Kopfweh hat sich ziemlich verloren, obgleich ich fühle, daß ich nervös bin, die Ursache davon aber nicht zu entdecken vermag. Die frische Luft wird mir jedenfalls gut tun.

Der alte Detektiv erhob keine Widerrede, da Harry seit einigen Tagen sich nicht recht wohl gefühlt hatte.

Bleibe aber nicht zu lange aus; tust du es doch, dann komme ich hinter dir her, sagte er.

Die beiden jungen Männer entfernten sich – aber schon nach Verlauf einer Stunde kehrte Harry wieder zurück.

Er ist ein ganz netter Bursche und ich glaube auch nicht, daß irgend etwas mit ihm nicht in Ordnung ist. Er hat einige sehr feine Goldproben in seinem Zimmer, sagte Harry zu seinem Kollegen.

Ich glaube, daß du recht hast – wie fühlst du dich aber jetzt?

Ganz gut, nur daß ich erbärmlich schläfrig bin; mein Kopfweh ist gänzlich vorüber.

Dann leg dich hin und schlafe ein wenig, ich werde Wache halten.

Harry warf sich auf das Bett und war dann im nächsten Augenblick auch schon fest eingeschlafen.

Der alte Detektiv zündete sich eine von seinen eigenen Zigarren an, setzte sich auf einen Stuhl und begann eine Zeitung zu lesen.

Es war seine Absicht, Harry um Mitternacht zu wecken, wenn Mstr. Blackman, wie er versprochen, um diese Zeit erscheinen sollte. Verschiedene Male schaute er hinüber nach dem Schlafenden, dessen Atemzüge natürlich genug zu sein schienen.

Es wurde zwölf Uhr, aber noch war Mstr. Blackman nicht erschienen. So verließ der alte Detektiv denn die Wohnung und wanderte zwischen den Hütten der chinesischen Minenarbeiter umher, deren unharmonische Musik auf den sogenannten »Banjos« er den ganzen Abend vernommen hatte. Jetzt war jedoch alles still, nur in einer der Hütten spielte noch eine Gruppe Chinesen »Fantan«, während alle andern dunkel waren. Entweder hatte Blackman seine Meinung geändert oder es war etwas eingetreten, was ihn am Kommen verhinderte.

Der alte Detektiv wandte sich nun wieder der Hütte zu und ließ sich außerhalb derselben auf der Bank nieder, um die herrliche Luft einzuatmen, welche nur der zu schätzen weiß, der sie selbst genossen. Dann zündete er sich eine zweite Zigarre an und als er dieselbe zur Hälfte aufgeraucht hatte, vernahm er Fußtritte zwischen den Bäumen.

Sind Sie es, Mstr. Blackman? fragte der alte Detektiv mit gedämpfter Stimme.

Ja, war die Antwort und der Erwartete trat zwischen den Bäumen hervor. Ich bin besorgt, daß Sie meinen Worten zu wenig Glauben schenken, Mstr. Skott, sagte er in vorwurfsvollem Tone. Vielleicht ist es besser, wenn wir die ganze Geschichte fallen lassen, fügte er hinzu.

Aber mein lieber Mann, ich habe nicht die leiseste Idee von dem, was Sie sprechen. Ich habe hier gesessen und nur auf Sie gewartet, erwiderte der alte Detektiv.

Mag sein, aber wo ist Ihr Kollege?

Der liegt in der Hütte und schläft, ich werde ihn jetzt rufen.

Er ist aber nicht dort, Sie mögen sagen, was Sie wollen. Er ist mit Ben Thomas gegangen und ich habe Sie doch vor diesem Manne gewarnt!

Der alte Detektiv sprang auf und eilte in die Hütte.

Leider hatte er in diesem Falle die gewöhnliche Vorsicht außer acht gelassen, denn das Bett Harrys war in der Tat leer und sein junger Kollege verschwunden. Das offene Fenster zeigte auch den Weg, den er möglicherweise eingeschlagen haben konnte.

Well, mag er weggegangen sein oder nicht. Der Bursche ist ja imstande, über sich selbst zu wachen, dachte er, während Blackman in die Hütte trat.

Wo haben Sie diesen Champagner her? fragte dieser überrascht, als er eine der Flaschen, die auf dem Tisch standen, ergriff.

Ah Hoeo hat ihn gesandt.

Und diese Zigarren?

Sie kamen mit dem Wein.

Hoffentlich haben Sie keins von beidem angerührt.

Mein Kollege rauchte zwei von den Zigarren, aber weshalb sollten wir nichts davon anrühren?

Warum? Ei, Mann, ich will niemand beschuldigen, aber ich glaube, daß Ah Hoeo fähig wäre, euch beide zu vergiften. Er ist ein außerordentlich kluger Chemiker und kennt dies Geschäft aus dem Grunde; Thomas ist darin ebenso klug, und diese beiden sind sehr vertraut miteinander.

Sie glauben also, daß diese Zigarren Giftstoffe enthalten?

Es ist nur mein Gedanke – Grund dafür habe ich nicht. Dennoch würde es mich nicht überraschen, wenn dies Spiel darauf angelegt wäre, euch beide aus dem Wege zu schaffen.

Der alte Detektiv ballte seine Hände zu Fäusten.

Wenn diese Menschen mit Harry ein falsches Spiel gespielt haben, dann mögen sie sich vorsehen, sagte er. Dennoch glaube ich nicht, daß irgend etwas dieser Art geschehen ist. Harry war schon frühe am Abend bei Thomas, vielleicht hat er Ursache gehabt, noch einmal dorthin zu gehen.

Blackman schaute verwundert darein.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie besorgt ich bin, daß dies geschehen ist. Ich wollte Sie beide holen, dieser Zwischenfall kann aber alles vereiteln; ich will aber dennoch ans Werk gehen.

Well, ich bin bereit. Lassen Sie uns aber erst einmal nach Thomas' Wohnung gehen und nachsehen, ob Harry dort ist.

Es wird das beste sein. Aber eins ist sicher, ob wir Ihren Kollegen dort finden oder nicht. Sobald Thomas uns um diese Stunde der Nacht beisammen sieht, wird er besonders auf der Hut sein. Doch kommen Sie, erwiderte Blackman.

Der alte Detektiv, der nun das Gefühl hatte, als habe er einen großen Irrtum oder Mißgriff begangen, folgte seinem Führer durch die einzige Straße in Little Pekin.

Die Hütten waren nun alle geschlossen, ein Licht war in ihnen nicht mehr zu erblicken außer bei der Mine, wo ein paar Männer die Wache hielten.

Schon nach wenigen Minuten hatten sie das Schmelzhaus erreicht, aber nur, um sich zu überzeugen, daß die Tür zu demselben verschlossen war.

Hier ist er also nicht, sagte Blackman.

Welchen Weg gingen die beiden, als Sie dieselben beieinander erblickten? fragte der alte Detektiv.

Nach dem Schmelzhause zu.

Wurden Sie von ihnen gesehen?

Nein, ich befand mich zwischen den Bäumen.

Wie? War es kurz, ehe Sie unsere Hütte erreichten?

Ja, nur ein paar Minuten vorher, ehe Sie mit mir sprachen.

Der alte Detektiv antwortete nicht, aber er begann nun für Harry zu fürchten.

Sonderbar, sagte er zu sich selbst, Harry muß aufgestanden und aus dem Fenster geklettert sein, während ich draußen auf der Bank saß. Was kann das aber zu bedeuten haben?

Seine Sorge um seinen jungen Kollegen wurde nun wirklich eine ängstliche; aber ehe er noch Zeit gewinnen konnte, darüber nachzudenken, was nun zuerst zu geschehen hatte, packte Blackman schnell seinen Arm und zog ihn hinter das Schmelzhaus.

Pst! flüsterte er, wagen Sie nicht zu atmen und geben Sie keinen Laut von sich. Dort kommt er.

Hinter dem Gebäude stand ein dichtes Buschwerk, das die beiden Lauscher völlig verdeckte.

Blackman wies nach der Seitentür des Hauptbureaus und der alte Detektiv sah, daß Ah Hoeo das Gebäude durch dieselbe verlassen hatte.

Während der chinesische Verwalter für gewöhnlich wie ein anderer Geschäftsmann gekleidet war, trug er jetzt die vollständige Kleidung eines Chinesen und wenn das Licht vor der Mine nicht in sein Gesicht gefallen wäre, würde der Detektiv ihn schwerlich erkannt haben.

Wie er aber jetzt ganz deutlich sehen konnte, war es Ah Hoeo und niemand anders.

Ist er der Mann, auf den Sie Jagd machen wollen? fragte er seinen Begleiter.

Allerdings, und wenn es Ihnen Vergnügen macht, ihm zu folgen, werden Sie außerordentlich überrascht sein, ich habe es zweimal getan, erwiderte Mstr. Blackman.

Natürlich, nachspüren ist mein Geschäft, lassen Sie uns ihm sogleich folgen.

Warten Sie, geben wir ihm eine Minute Zeit, es würde sich als für uns nachteilig erweisen, wenn er uns entdeckte.

Little Pekin den Rücken zukehrend, eilte Ah Hoeo schnellen Schrittes den Weg hinab, der nach den »Vier Königen« führte.


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