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Viertes Kapitel

Mstr. Blackman war ein großer, schlanker Mann, ein Engländer, dessen ganze Erscheinung und sicheres Auftreten einen gewissen Respekt einflößte.

Wir erlauben keinem Fremden, unser Schmelzhaus zu betreten, polterte er heraus.

O, dann bitten wir um Entschuldigung, sagte der alte Detektiv höflich.

Das ist gar nicht nötig, unterbrach ihn Thomas. Ich habe diese Herren eingeladen, setzte er hinzu, indem er sich Mstr. Blackman zuwandte.

Well, das sollten Sie nicht tun.

Ich werde es aber so oft tun, als es mir gefällt. Wenn Ihnen das nicht ansteht, dann suchen Sie sich einen andern Schmelzer.

Der Ton, in welchem Ben Thomas diese Worte zum Ausdruck brachte, klang ziemlich trotzig.

Der alte Detektiv, der einen Sturm voraussah, beeilte sich, zwischen den Männern zu vermitteln.

Mstr. Thomas ist durchaus nicht dafür verantwortlich. Wir haben Erlaubnis von Mstr. Hoeo, überall hinzugehen und uns aufzuhalten, wo es uns gefällt. Nachher werde ich auch Sie bitten, Mstr. Blackman – das ist ja wohl Ihr Name – uns die Mine zu zeigen, sagte der alte Detektiv.

Sie können um die Erlaubnis bitten, werden aber von mir abgewiesen werden und daher können Sie auch die Mine nicht sehen, war die schnarrende Antwort.

Well, wir werden es ja erfahren.

Jawohl, das werden wir – wer sind Sie denn eigentlich?

Unser Name ist Skott.

Ah! Sie sind Detektive!

Jawohl.

Sie wurden wohl von dem alten halbverrückten Chinesen in San Francisco hierher gesandt?

Stimmt genau.

Wie kamen Sie nach Little Pekin?

Wir sind auf Maultieren hierher geritten, da wir über ein Automobil nicht verfügen konnten.

Es wäre besser, Sie nähmen Ihre Maultiere und machten sich eiligst wieder davon, wenn Sie nicht so glücklich sein wollen, auf Zaunpfählen hinausreiten zu müssen.

Die Sache schien für die Detektive heiß werden zu wollen, deshalb gab der alte Skott auf die anzüglichen und groben Redensarten des Mannes auch keine Antwort weiter.

Er erwartete noch weitere Grobheiten von seiten Mstr. Blackmans, aber zu seiner nicht geringen Überraschung drehte sich dieser kurz um und verließ das Haus, die Tür hinter sich zuschlagend.

Nun, meine Herrn, jetzt sehen Sie, was Ihnen bevorsteht; Mstr. Blackman ist Ihnen nicht gewogen, sagte Ben Thomas eifrig.

Weshalb lief er in solcher Eile davon? fragte der alte Detektiv.

Weil Ah Hoeo der eigentliche Direktor des Ganzen ist. Er hat sich wohl schnell daran erinnert und gefühlt, daß er zu weit gegangen ist.

Es wird wohl das beste sein, wenn wir uns von hier fortbegeben – denken Sie nicht auch so, Mstr. Thomas? fragte Harry.

Wenn Sie meinem Rate folgen wollen, dann bleiben Sie, wo Sie sind, und lassen Sie ihn den ersten Schritt tun.

Natürlich wollen wir Ihrem Rate folgen; aber sagen Sie mir, ob Sie irgend eine Spur davon haben, wie der Goldkönig verschwunden ist.

Ich weiß nichts Bestimmtes. Aber warten Sie die Zeit ab, da wir ohne Furcht und Störung beisammen sein können, dann will ich Ihnen alles erzählen, was ich davon weiß. Viel ist es ja überhaupt nicht.

Die Arbeit des Ausbeutens dieser Mine bezahlt sich, nicht wahr?

O ja, sie ist eine der reichsten Goldminen Kaliforniens und wenn die Arbeit nur richtig betrieben würde, könnte die Ausbeute ungemein groß sein.

Wieso richtig betrieben?

Well, es wird nur ein Schacht bearbeitet, während es deren mit leichter Mühe drei bis vier sein könnten.

Ist die »Vier Könige-Mine« auch eine gute?

Eine ausgezeichnete. Sie ist eine Fortsetzung unserer Goldader und liegt am Fuße des Berges.

Jetzt wurde das Gespräch durch den Eintritt eines jungen Chinesen unterbrochen.

Gentlemen, Ihre Zimmer sind in Ordnung, sagte er in ebenso gutem Englisch, wie Ah Hoeo es sprach.

Ich sehe Sie später, sagte Harry zu Thomas, als er sich anschickte, seinem Kollegen zu folgen, der das Haus schon verlassen hatte.

Halt, noch einen Augenblick! Ich will Ihnen nur das Rezept für den Stoff aufschreiben, von dem Sie mir sagten, sagte Thomas, während er nach einem Streifen Papier griff und hastig einige Worte darauf schrieb.

Was er geschrieben hatte, war folgendes:

Sie müssen sehr vorsichtig über Ihre eigene Person wachen. Meine Zimmer befinden sich im zweiten Stocke dieses Hauses. Sollte Ihnen irgend etwas zustoßen, rufen Sie mich zu Hilfe.

Harry steckte das Papier in die Tasche und folgte dem Chinesen nach einer der Hütten. Es war die letzte in der Gruppe nach Westen zu. Sie stand allein in der Mitte einer Gruppe Bäume und konnte wegen des sie umgebenden hohen Gebüsches von der Mine aus kaum gesehen werden.

Diese Wohnung wird uns völlig genügen, sagte der alte Detektiv, als er das Innere der Hütte betreten hatte.

Die Ausstattung derselben war im chinesischen Stile gehalten und nicht nur hübsch, sondern sogar elegant zu nennen.

Wessen Haus ist dies? fragte der alte Detektiv den jungen Chinesen.

Es ist die Wohnung des Eigentümers der Mine.

Mstr. Wangmans?

Ja.

Weshalb hat man uns hier hineingewiesen?

Ich weiß es nicht. Mstr. Hoeo hat's befohlen und in einer halben Stunde werde ich Ihnen auch das Essen bringen.

Damit machte der junge Chinese den beiden Männern eine leichte Verbeugung und wollte das Haus verlassen.

Wollen Sie Mstr. Hoeo fragen, um welche Zeit ich wieder bei ihm vorsprechen kann? sagte der alte Skott zu dem jungen Manne.

Jawohl, war die Antwort – und dann war der junge Mensch verschwunden.

Dies ist ein recht schöner Platz hier, sagte Harry, als sie beide allein waren. Aber was denkst du überhaupt von der ganzen Geschichte? setzte er hinzu.

Ich möchte fast das glauben, was Ben Thomas uns gesagt hat.

Und ich denke das gleiche. Wirst du darauf verzichten, die Mine zu besehen?

O nein, das würde ja für Feigheit ausgelegt werden.

In welcher Weise können wir es überhaupt möglich machen, uns in dieser Sache Tatsachen oder sonstige Beweise zu verschaffen?

Das ist schwer zu sagen, Harry, wir müssen geduldig abwarten, das ist alles.

Das Essen wurde zur bestimmten Zeit gebracht. Es war ein ausgezeichnetes Mahl und die Detektive waren sich nun selbst überlassen. Später wurde das Tafelgeschirr wieder abgeräumt und bei dieser Gelegenheit den beiden Männern der Bescheid gebracht, daß Mstr. Hoeo zu beschäftigt sei, um sie heute noch einmal sehen und sprechen zu können. Sie möchten es sich aber so bequem machen, als ob sie zu Hause wären und alles in der Goldmine in Augenschein nehmen, was sie nur zu sehen wünschten.

Sobald sich der Chinese dann entfernt hatte, machte der alte Detektiv sich bereit, an die Arbeit zu gehen.

Merk' auf, Harry, sagte er, sich an seinen Kollegen wendend, wenn wir uns wirklich in Charley Wangmans Wohnung befinden, sollten wir auch die Gelegenheit benützen und dieselbe gründlich durchsuchen. Kannst du dir denken, was ich vermute?

Nein, ich bin kein Gedankenleser, erwiderte Harry.

Ich glaube, daß man uns aus irgend einem Grunde hierher gewiesen hat.

Das mag sein, aber aus welchem?

Wenn Charley Wangman hier gefangen gehalten wird, so mag es aus dem Grunde geschehen, daß seine Feinde ihn dadurch zwingen wollen, die Papiere aufzugeben, welche scheinbar verloren gegangen sind.

Und da bist du der Meinung, dieselben könnten hier irgendwo in seiner Wohnung von ihm selbst versteckt worden sein?

Nun, wäre das nicht möglich?

Allerdings.

Nun, so will ich gleich an die Arbeit gehen, es wäre ja möglich, daß ich sie fände. Du stellst dich außerhalb des Hauses als Wache auf und solltest du irgend jemand entdecken, der sich der Hütte nähert, dann läßt du es mich sofort wissen.

Jawohl, ich gehe sogleich hinaus.

Harry hielt nun draußen beinahe eine halbe Stunde Wache, während der alte Skott die Hütte gründlich durchsuchte, ohne jedoch das geringste von dem, wonach er suchte, zu entdecken.

Er war noch immer an der Arbeit, als Harry plötzlich und schnell herein kam.

Blackman kommt, sagte er schnell.

So, ich bin fertig für ihn, erwiderte der Alte.

Hast du irgend etwas entdeckt?

Nicht das geringste.

Harry sprang wieder hinaus und machte sich bereit, Mstr. Blackman zu begrüßen.

Wie geht es Ihnen, mein junger Freund? sagte Mstr. Blackman. Ich komme, um nachzusehen, ob Sie auch mit allem, was nötig ist, versorgt sind?

Wir sind mit allem reichlich versehen, Mstr. Blackman, erwiderte Harry freundlich.

Wo ist Mstr. Skott?

In der Hütte.

Ich möchte ihn gerne ein paar Minuten sehen und sprechen.

Der Mann hatte sich völlig verändert – da war auch nicht der geringste Schein von seiner früheren Grobheit in seinem Wesen zu merken, worüber Harry sich nicht wenig verwunderte.

So rief er denn den Detektiv heraus, der auch schon im nächsten Augenblick außerhalb der Hütte erschien.

Wenn Sie jetzt die Mine besehen wollen, dann steht dem nichts im Wege, sagte Mstr. Blackman zu dem älteren Detektiv.

Well, ich habe mich eines anderen besonnen und gebe nichts darum, dieselbe zu sehen, erwiderte der alte Skott.

Wie es Ihnen beliebt, erwiderte Blackman, indem er auf einer Bank vor dem Hause Platz nahm.

Sagen Sie mir, sagte er dann, was Sie eigentlich hier zu tun beabsichtigen?

Ich setze voraus, daß Sie es wissen, Mstr. Blackman, antwortete der alte Skott.

Allerdings, ich kann es mir denken. Der alte Fang Wang hat Ihnen gesagt, daß sein Sohn verschwunden ist?

Das stimmt.

Und Ah Hoeo hat Ihnen mitgeteilt, daß er eine Reise nach Europa unternommen hat?

Jawohl.

Und was glauben Sie von der Sache?

Ich bin nicht der Mann, der sich an Mutmaßungen hält, sondern ich bin hier, die Wahrheit zu erforschen, Mstr. Blackman.

Man sagt, Fang Wang sei verrückt.

Wer sagt das?

Well, zunächst sein eigener Sohn.

Und dann Ah Hoeo, nicht wahr?

Ja.

Und Sie?

Geben Sie acht, Mstr. Skott, ich sprach heute in scharfer, harter Weise mit Ihnen.

Ja, das taten Sie.

Nun wohl, aber jetzt bitte ich um Entschuldigung.

Schon gut, darüber brauchen Sie jetzt kein Wort weiter zu verlieren.

Blackman scharrte einige Minuten lang mit dem Fuß auf der Erde, er schien zu überlegen. Die Detektive überließen ihn seinen eigenen Gedanken und waren gespannt auf das, was nun folgen würde. Endlich stieß er dann heraus:

Well, ich bin nur ein rauher Geselle, aber dabei doch ein aufrichtiger Kerl. Sie mögen anders darüber denken. Wenn Sie mir aber zuschwören, daß Sie weder von Kapitän Narraway noch von seinen Leuten angestellt sind, in dieser Sache zu arbeiten, dann bin ich bereit, zu sprechen.

Ich kenne Kapitän Narraway gar nicht und schwöre Ihnen, daß ich auch nicht von seinen Leuten angestellt bin. Wir haben Fang Wang versprochen, unser möglichstes zu tun, um seinen Sohn wiederzufinden. Das ist die ganze Geschichte.

Ich glaube Ihnen und nun lassen Sie mich Ihnen sagen, daß ich für vieles hier verantwortlich bin, Tag und Nacht hart zu arbeiten habe, deshalb aber auch recht oft nervös und aufgeregt bin. Charley Wangman habe ich viel zu danken, denn er und ich haben zusammen gearbeitet, um diese Mine zu entdecken und zu dem zu machen, was sie jetzt ist. Er hat mich für meine Arbeit gut bezahlt und er ist der liberalste Mann, dem ich je begegnet bin, Mstr. Skott. Außerdem hat er mir einen Anteil an der Mine bewilligt und mir hunderttausend Dollar ausgezahlt, welche ich in der Bank von San Francisco niedergelegt habe. Sie mögen vielleicht denken, es sei sonderbar, so hoch und respektabel von einem Chinesen zu sprechen, aber für Charley hätte ich jeden Augenblick mein Leben lassen können.

Ich sehe nichts Anstößiges in dem, was Sie eben gesagt haben, sondern bezeige Ihnen meine Achtung, Mstr. Blackman; aber aus der Art und Weise, wie Sie es sagten, muß ich den Schluß ziehen, daß Sie glauben, Mstr. Wangman sei tot.

Das ist's, was ich glaube; ich vermute, daß er von Kapitän Narraways Leuten ermordet wurde und Ah Hoeo die Veranlassung dazu gegeben hat.

Ist Ah Hoeo auch an der Mine interessiert?

Nein. Charley hat ihn aus dem Grunde hier angestellt, weil er ihn gerne hatte. Es war eine harte Arbeit für mich, mit den Chinesen fertig zu werden, da ich oft recht hitzig werden kann. So wurde Ah Hoeo denn als Vermittler zwischen mir und den Minenarbeitern angestellt. Außerdem hat er mit Charley auch noch andere Geschäfte in Chinatown in San Francisco, welcherart die aber sind, kann ich nicht sagen.

Welcherart waren die Umstände, unter denen Charley verschwand?

Er legte sich am Abend hier zu Bette und war am nächsten Morgen verschwunden. Wir konnten ihn einfach nicht finden. Hoeo sagte, er habe eine Reise nach Europa angetreten. Ich glaubte ihm auch zuerst und unterließ jede Nachforschung. Dann aber erschien mir die Sache verdächtig; ich begab mich nach San Francisco, um den alten Fang Wang zu sehen, aber dieser gebärdete sich wie ein Wahnsinniger, indem er mich beschuldigte, ich hätte seinen Sohn ermordet, und sogar mit einem Messer auf mich einstürmte, so daß ich laufen mußte, was ich nur konnte, um mein Leben zu retten. O, der alte Mann ist verrückt, aber er liebt seinen Sohn.

Weshalb konnte er aber Sie im Verdacht haben, seinen Sohn ermordet zu haben?

Ich vermute, daß Hoeo ihm derartiges eingeredet hat.

Und aus welchem Grunde bleiben Sie noch immer hier?

Weshalb sollte ich das nicht tun? Hoeo kann mich nicht entlassen, ich würde eine Entlassung von ihm auch gar nicht annehmen.

Wahrscheinlich würde es auch schwer halten, jemand zu finden, der Ihre Stelle ausfüllen könnte.

Es könnte wenigstens nicht schnell geschehen und dann kommt auch noch der Umstand hinzu, daß ich in der Tat großen Reichtum aus der Mine herausschaffe und für die Inhaber gewinne.

Was geschieht denn mit dem Gelde, das Sie der Mine entnehmen?

Ah Hoeo ist der einzige Verwalter über dasselbe, was er damit aber tut, weiß ich nicht zu sagen.

Sie glauben also, daß die Vertreter Kapitän Narraways die Mine haben wollen?

Natürlich wollen sie das. Wie ich die Sache verstehe, behaupten sie, Charley habe kein Recht an dieselbe, und sie haben auch schon diesbezügliche Schriftstücke vom Gericht verfassen lassen und sie an Fang Wang geschickt.

Das ist allerdings die Wahrheit.

Sie können das aber nicht beweisen, denn Charley ist in San Francisco geboren, besitzt seine Bürgerpapiere und hat das Land direkt von der Regierung gekauft und auch bezahlt und dasselbe steht nicht unter dem Minengesetz, sondern unter dem Landgesetz. Es ist also sein Eigentum.

Dies alles ist in der Tat sehr interessant, Mstr. Blackman – und Sie haben keinen Irrtum begangen, daß Sie sich an uns gewandt haben.

Wissen Sie, was ich zuerst von Ihnen gedacht habe?

Nein.

Daß Sie von Narraways Leuten hierher gesandt wären, um dafür Beweise aufzusuchen, Charley sei tot und stehe nicht mehr im Wege.

Das ist sehr weit von der Wahrheit entfernt.

Ja, ich glaube Ihnen jetzt.

Und wie ist's mit Ben Thomas?

Schenken Sie ihm kein Vertrauen. Und nun Mstr. Skott, habe ich Ihnen gesagt, was ich zu sagen hatte – aber wollen Sie nun auch etwas für mich tun?

Gewiß.

Dann seien Sie um Mitternacht bereit, wir wollen zusammen etwas Detektivarbeit verrichten. Es scheint vielleicht nichts dabei herauszukommen, aber eine Ahnung sagt mir, daß wohl das Gegenteil der Fall sein werde.

Gut, ich werde mich bereit halten.

Gut, bis dahin also auf Wiedersehen!

Mit diesen Worten brach Mr. Blackman schnell ab und erhob sich, um wegzugehen.


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