Paul Grabein
Der Ruf des Lebens
Paul Grabein

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Da stand nun Günter Marr vor Hilde, nach dem ersten stürmischen Gruß ihrer Liebe, die sich fortab frei bekennen durfte vor den Menschen. Stand und hielt ihre beiden Hände und sah ihr tief hinein in die glückverklärten, leuchtenden Augen. Und sprach jetzt:

»So bist du denn mein, Hilde! Heilig ist mir zumut in dieser Stunde, die dich mir gibt. Was ich vermag, um dich durchs Leben zu führen, stark und sicher, das soll geschehen! Aber dennoch – unser Weg wird nicht immer glatt sein. Ich möchte es dir nicht verheimlichen. Noch liegt viel Kampf vor mir. Ich habe mir Ziele gesteckt, und ich kann sie nicht aufgeben, Hilde, auch jetzt nicht. Da heißt es nun kämpfen, bis ich durch bin! Eine Kampfgefährtin muß also die Frau sein, die an meiner Seite steht; muß mit mir gehen alle Wege, auf Wohl und Wehe, ohne Fragen und Zagen – fest und unbeirrt. Jahre noch wird es dauern, und ein Wanderleben wird es werden; unstet oft und flüchtig, fern der Heimat. Du wirst nun von der Welt draußen vielleicht mehr zu kosten bekommen, als dir lieb ist, so daß du dich manchmal wohl gar sehnen wirst nach der Stille und traulichen Enge deines Hauses hier. Und Kampf wird es auch sonst geben. Ich bin eine harte Natur, ich weiß es wohl, und auch du hast deinen Willen, Hilde, und sollst ihn haben. Kampf wird da sein auch zwischen uns selber, Sturm und Sonnenschein im Wechsel der Tage, wie es so geht. Das alles sollst du wissen in dieser Stunde, damit du dir voll bewußt bist, was dich erwartet an meiner Seite.«

Ruhig hatte sie ihn angehört bis zum letzten Wort, und jetzt traf ihn ihr Blick, fest und klar, wie sie ihn angeschaut hatte beim erstenmal, und trotz all seiner Worte stand in ihren Augen noch immer das gleiche helle, zuversichtliche Leuchten. So erwiderte sie ihm nun:

»Ich scheue mich nicht vor diesem Kampf, Liebster. Nur eine Sorge kenne ich in dieser Stunde: Komm mir wieder, heil und wohlbehalten von drüben! Das wird schwer sein, bitter schwer, dich – kaum daß ich dich gefunden – wieder herzugeben und dort draußen zu wissen. Aber ich hab' ein Vertrauen, so fest und stark: Du kehrst mir wohlbehalten wieder. Und wenn dann die Zeit kommt, will ich auf mich nehmen, freudig gern, was mir das Schicksal bringen wird an deiner Seite. Wohin es mich führen wird, ich folge dir, ohne Zaudern und Zagen. Wie sollte es mich auch schrecken? Wo du bist, da ist meine Heimat! Und ist uns auch Kampf beschieden, viel Kampf – lehrtest du selber es mich nicht, damals in der Stunde, die uns zueinander führte? Kämpfen, aufrecht stehen und trotz Schmerz und Wunden das Leben lieben – das ist die Losung für alles, was stark ist. Kämpfen ist höchster Zweck, höchster Reiz des Lebens. Wie sollte ich nun fürchten, was ich ersehnte so lange? Nein, Günter, ob Sonnenschein, ob Sturm, ein Leben wird es doch sein mitten drin im Strome, dies Leben an deiner Seite und darum – mein Glück.«

»Das war die Antwort, die ich erwartete!« Freudigen Herzens zog Marr sie an sich. »So spricht die Kraft, die allein ein Recht hat auf das Leben. Sein Kampfruf lockt und verheißt dem Starken Sieg – wagen wir es denn zusammen, Hilde!«

 


 


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