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X.
Brautstand und Ehe.

1) Braut und Bräutigam.

Wenn der Mann den Bruch seines geschulten Geistes mit der Natur begriffen hat, wenn er fühlt, daß dieser Bruch nicht nur im Allgemeinen durch Kunst und Naturwissenschaften, sondern alle Augenblicke durch sein Herz mit allen Sinnen versöhnt werden muß, weil dies Herz von natürlichen Sympathien geschwellt, auch den Mysterien der Uebernatur getraut ist: dann hat er das Räthsel gelöst, welches uns die Natur im Weibe so reizend aufgegeben, so tief verborgen und doch so leicht faßlich auf die Oberfläche gebracht hat. Wir dürfen nur unsere Sinne aufthun, nur heile Menschen sein: um zu wissen, was die Natur im Weibe will, und was sie in jedem Adams-Sohn durch die ewig junge Eva bewirkt.

Durch die Entzweiung von Natur und Geist, welche mit den Cultur-Prozessen verknüpft ist, soll die Natur nicht gelähmt, nicht absorbirt, sondern der in ihr verschlossene Reichthum am Gegensatze des Geistes geweckt und herausgespiegelt werden; und mit den geistigen Fakultäten soll dasselbe Wunder der Entwickelung und einer concreten Gegensätzlichkeit vor sich gehen, so daß ähnlich wie in der Musik: die Harmonie durch Dissonanzen geläutert und in immer tiefere Mysterien versenkt wird.

Eben die Einseitigkeiten des Geistes müssen ihn erstarken, müssen die Perspective in die Seele hineingraben; und wiederum ist es nur diese Seele, welche den spröden, in Formen und Complicationen erstarrten Verstand elastisch und flüssig machen, welche Natur in den Geist pflanzen kann. Dies Wunder wirkt die Ehe; aber nur dann, wenn des Mannes Herz durch Liebe und Leidenschaft dem weiblichen Herzen getraut, wenn sein Geist durch die weibliche Seele und diese durch den männlichen Verstand befruchtet wird. Der Mann fühlt sich durch Schulen und Methoden, durch den Conflict der Pflichten und Ideen, durch einseitige und excentrische Kraft-Anstrengungen, durch einen zu scharf accentuirten Rhythmus zerstückelt, um Divination und Lebensunmittelbarkeit gebracht; das Weib allein giebt ihn der Melodie und Harmonie des Lebens zurück. Denn die Wissenschaft, welche den Riß zwischen Natur und Geist verschuldet, heilt ihn so wenig wie die Kunst. Integrität des Lebens hat und giebt nur die Natur; und die schönste Incarnation dieser Natur mit all' ihren Zauberreizen, mit ihrer Magie, ist das Weib! Das Menschengeschlecht wird auch durch wilde Barbaren fortgepflanzt; die cultivirte Ehe aber ist eine Vermählung des Geistes mit der Natur, der inspirirten weiblichen Sinnlichkeit mit der männlichen Vernunft. Diesem lebenslänglichen Bunde, diesem Cultus der Natur von Seiten des Mannes, und dieser Heiligung des vernunft-entwickelten Geistes von Seiten des Weibes gehen die Mysterien der bräutlichen Liebe und Leidenschaft vorauf!

Die Liebe vor der Ehe ist die Buhlschaft zwischen Natur und Geist, zwischen der weiblichen Seele und dem männlichen Weltverstande; und doch ist sie bei beiden Geschlechtern die allmächtige Reaction der Natur gegen die Einseitigkeit der Schule, der Sitte und Convenienz, gegen die Unnatur und Tyrannei aller Cultur. Wenn Mann und Weib ihre natürlichen Sympathien und Liebenswürdigkeiten, wenn sie die Inspiration, das Genie und die Glückseligkeit des Herzens nicht in ihrer Liebe wiederfinden: dann gebricht ihnen jede ursprüngliche Natur. Ist der Liebesverkehr der richtige, so sehen wir durch ihn ein Absolutes unmittelbar im Menschenleben verwirklicht. Die Schönheit schmilzt der Wahrheit die scharfen Spitzen und Stacheln fort; das erstarrte Gesetz entwickelt sich zur Freiheit, und die närrische Sinnen-Willkür des Weibes gehorsamt einem übersinnlichen Gesetz; ihre Divination krystallisirt sich zu Begriffen; und die demantharten Kategorien der Männer lösen sich in Seele und Gemüth. Die Frauen geben unserm contrapunktischen Geiste die Melodie, unserm zersetzten Wesen die Harmonie und den Mutterwitz zurück. Der Liebende lernt sein Leben in Augenblicken zu concentriren, er gewinnt Gegenwart, weil ihm Ideal und Wirklichkeit, Zeit und Ewigkeit, Subject und Object in einander fließen. Wer in der Liebe unbestimmten Sehnsüchten und Idealen hingegeben ist, liebt nicht reell und gesund, ist ein heilloser Phantast. Im Weibe allein wird die Schule und die Cultur eine Lebensunmittelbarkeit. Was der Mann mit allen Kräften des Geistes arbeiten muß, das eignet sich das Weib im Verkehr mit dem Manne spielend an. Logik, Grammatik und Methode, Künste und Wissenschaften werden im liebenden Weibe eine vergeistigte Natur und Totalität, die dem Manne wieder die Lebens-Integrität, seiner Seele die himmlische Perspective und die adamitische Lebensfühlung zurückgewährt.

Alle Phantasmagorien und alle schönsten Realitäten, die zwischen Seele und Verstand, zwischen vergeistigter Sinnlichkeit und versinnlichtem Geiste zwischen Himmel und Erde weben: die wachsen in der Liebe dem Manne so lange über den Kopf, bis er ihn verliert, während sich das Weib als Priesterin aller Natur-Mysterien in ihrem angestammten Elemente fühlt, und den Herrn der Schöpfung kopfüber unter die Lebenswellen taucht. In dieser Liebe allein kann ein junger Schulmeister die lebendig antiken Studien machen; denn in der Liebe und Leidenschaft wiederholen sich immer und ewig die Grazien-Tänze, die Hylas-Geschichten, die Dionysos-Feste, der Bacchus-Zug um die ganze Welt; die ganze heidnische Mythologie; die ewig alten und ewig jungen Mysterien, welche überall und nirgend, welche Allen und Keinem geschehen.

Keinem so handgreiflich, daß der Mythos Wirklichkeit wird, und gleichwohl allen symbolisch und reell genug, um sie daran zu gemahnen: daß die Natur eine ältere und gewaltigere Macht ist, als die Cultur irgend eines Volkes und einer Zeit.

Die Mutter Goethe's schreibt an die Herzogin von Weimar Folgendes: »Theuerste Fürstin! könnte Doctor Wolf den Tochtermann sehen, dem die Verfasserin der ›Sternheim‹ ihre zweite Tochter aufhängen will, so würde er nach seiner sonst löblichen Gewohnheit mit den Zähnen knirschen und ganz gottlos fluchen. Gestern stellte sie mir das Ungeheuer vor. – Großer Gott!!! wenn mich Der zur Königin der Erden, Amerika mit eingeschlossen, machen wollte, so – ja so – gäbe ich ihm einen Korb. Er sieht aus – wie der Teufel in der siebenten Bitte in Luther's kleinem Katechismus; – – ist so dumm, wie ein Heupferd, und zu allem seinem Unglück Hofrath obenein. Wenn ich von all dem Zeuge was begreife, will ich zur Auster werden. Eine Frau, wie die › la Roche‹, von einem gewiß nicht gemeinen Verstande, von ziemlichen Glücksgütern, von Ansehen und Rang, die es recht darauf anlegt, ihre Tochter unglücklich zu machen – und doch ›Sternheime‹ und ›Frauenzimmerbriefe‹ schreibt; – mit einem Wort: mein Kopf ist wie in einer Mühle. Verzeihen Ihre Durchlaucht, daß ich Ihnen so was vorerzähle; ich habe aber das Abenteuer vor Augen – und die Thränen der guten Luise kann ich nicht ausstehen.« –

Die geistreichen Frauen haben selten körnigten und effectiven Verstand; und die wirklichen genialischen Evastöchter wollen ihren Verstand nicht gebrauchen. Eben sie gerathen, wie durch eine Ironie des Schicksals, oft an die miserabelsten Mannsbilder und heirathen dann Knall und Fall, wie wenn sie sich vor ihrer eigenen Besinnung ängstigten, das garstigste, nichtigste Exemplar; und aus was für Motiven? Soll man sagen, in einem Anfalle von Wahnwitz, Melancholie und Desperation; oder aus Ungeduld und Marotte; oder aus einem ihnen selbst nicht erklärlichen Gelüste und Eigensinn, aus einem dunklen Antriebe, der dem Psychologen den momentanen Sieg der elementaren Kräfte im Weibe über Vernunft und Bildung indicirt? Speziell läßt sich kein Paroxysmus erklären, aber Andeutungen darf man versuchen. Das Weib fühlt sich durch einen schönen, sanft gearteten, harmonisch gebildeten und so gestimmten Mann nicht so ergänzt, als durch eine gewaltige Charakter-Energie. Eben das außerordentliche Weib verläugnet nie die Grundzüge und Sympathien der weiblichen Natur; – und diese passive, bildsame, weiche Natur will von einem gewaltigen Manne, von einem kühnen Bildner geformt sein. Ein barbarischer Held ist ihr unendlich lieber, als ein edelmüthiger, friedliebender Schwächling mit gebildeten Façons. – Schon die Märchen bekunden tiefsinnig, daß die Prinzessinnen ursprünglich an Ungeheuer gerathen; daß für die Prinzen dies bestiale Incognito von ihren fabelhaften Beschützern ausgewählt wird. – Die Prinzessin liebt ihr Ungeheuer, es liegt in ihrem Schooße und wird dadurch erlöst. Da nun die Prinzen nicht mehr als verzauberte Bären, Adler oder Fische umherfreien, auch die ungeschlachten Riesen nicht mehr Mode sind, und nur gewöhnliche Weiber durch bildschöne Männer mit sinnlichen Gemeinheiten und gebildeten Umgangsformen verführt werden, so scheint den genialen Frauen nichts übrig zu bleiben, als sich in ein Ungeheuer von Häßlichkeit oder von Ungeschlachtheit, oder von unergründlicher Nichtigkeit und dämonischer Blasirtheit zu verlieben. Die männliche Geistes-Nullität scheint auf viele Frauen mysteriös zu wirken, sie tiefsinnig zu machen; etwa wie Häßlichkeit an das Erhabene gemahnen, interessant werden und die blasirte Sinnlichkeit reizen kann.

Man ergründet Weiber so wenig, als man Meeresströmungen und Luftströmungen bis zum Ursprunge verfolgt. Manche Frauen müssen wollen, was der Ocean der Menschen-Geschichte, was Himmel und Erde wollen, von denen ihnen der Weg vorgezeichnet ist. – Sie wissen, daß sie sich im Elementaren verlieren und ersäufen, daß sie sich in's Chaos zurückübersetzen, daß ihr Süßwasser den bittersalzigen Ocean nicht versüßen, daß es die Meer-Ungeheuer nicht zähmen wird; aber das Gesetz der Natur, als dessen Träger der Genius, und vor allen Dingen das genialische Weib anzusehen ist: wirkt gewaltiger, als das Bedürfniß des Herzens; und dieses Herz ist im Genie-Menschen, im Genie-Weibe mit einem unbegreiflich kosmischen, ja mit einem übernatürlichen, heiligen Geiste getraut, welcher es im Interesse des Menschen-Geschlechts regiert. Wenn sich die genialen Frauen den Propheten und Helden vermählten, so könnte ein Geschlecht von Halbgöttern entstehen, die das Menschen-Geschlecht verwirrten, indem sie dieses sich selbst nachbildeten und über die Jahrtausende hinwegschleuderten, welche den Massen von der Natur und Gottheit auf ihrem Entwickelungswege vorgeschrieben sind. – Menschen wollen durch Menschen, durch den Schöpfer Himmels und der Erden, aber nicht durch himmlische Bastarde, durch Halbgötter weiter gebracht, und der Himmel will nicht durch Titanen bestürmt sein.

So viel ist gewiß: die wenigsten von uns Mannsleuten können herausbringen, wo ihnen denn eigentlich die Liebenswürdigkeit sitzt; und wenn gleichwohl die garstigsten und lüderlichsten Mannsbilder so hingebend geliebt und gepflegt werden, wie die besten und schönsten: so muß uns in dieser Thatsache, in der Ekellosigkeit der Frauen, eine Naturökonomie, eine himmlische Güte auf's Gewissen fallen. Oder wie sollte es denn werden, wenn die Frauen mehr guten Geschmack in der Liebe bewährten, als wir wirklich von ihnen in Anwendung gebracht sehen? Die Liebe des Mannes hat einen sinnlichen Untergrund, die Leidenschaft des Weibes aber gewinnt eine geistige und sittliche Potenz, in welcher sie noch von ihrer natürlichen Keuschheit unterstützt wird. Das Weib ist selten, das Mädchen fast nie so verliebt oder verbuhlt wie der junge Mann. Uns reizt am Weibe zunächst die körperliche Schönheit, ja die Ueppigkeit der Gestalt; das Weib will sich dem Charakter des Mannes, sie will ihre Schwäche und natürliche Zerfahrenheit seiner Kraft vermählen: sie liebt den männlichen Sinn und Geist.

Die unentweihte Natur des cultivirten Menschen ist keusch und schämig. Nichts wird rascher im kleinsten Kinde wach gerufen, als die Scham. – Ein Mädchen von drei Jahren weint und wehrt sich gegen einen profanen Scherz, der seinen angelernten Schicklichkeitsbegriffen Gewalt anthun will.

Das Weib, als die Trägerin der Natur, ist keuscher als der Mann, den die Sinnlichkeit durch den kräftigen Gegensatz des Geistes geweckt und lüstern gemacht.

Die sinnlichen Genüsse des Weibes sind nie von dem Geiste lospräparirt, sie opfert nur dem Manne ihre Unschuld, welchen sie liebt; und sie liebt mit dem Geiste, weil sie mit demselben ihre elementare Sinnlichkeit ergänzt. – Während der Mann nicht selten, wenn er liebt, den Geist so in Sinnlichkeit ersäuft, daß er zu verdummen und melancholisch zu werden pflegt, fühlt und weiß sich das Weib durch Liebe zu einer geistigen Potenz erhoben, durch welche sie dem leidenschaftlich erregten, unfrei und schwach gewordenen Manne entschieden überlegen bleibt. Jedes Weib ist dem Verliebten eine Delila, die dem Simson die Locken abschneidet und ihn der Riesenkraft beraubt. Das Gefühl der Ueberlegenheit über den durch Liebe verdummten und entmannten Adam giebt dem Weibe alle Eva-Listen und allen Liebeszauber einer Circe an die Hand. Sie macht noch heute aus ihren Liebhabern eine Menagerie. Jeder Mann, der phantasie- und gemüthreiche Mann am meisten, wird unklar, verpuppt, elementar und verwüstet, wenn er leidenschaftlich liebt. Der verliebte Knecht und Handwerker wird ein confuses, zänkisches, zu Excessen disponirtes, rath- und formloses Naturproduct oder ein Tölpel; und der einfältigsten Bauerndirne wachsen in der Liebe Grazie, Feinheit und Witz, weil diese Liebe ihrer keuschen und elementaren Sinnlichkeit noch den Factor des Geistes zuführt.

Nicht nur die Spanierinnen, sondern alle Weiber gewinnen einen Genius in der Leidenschaft; und die ihn nicht bekommen, sind sinnliche oder solche Weiber, bei denen die elementare Natur bereits vor der Liebe durch eine wissenschaftliche und halb männliche Bildung mit Geist gesättigt worden ist. – Die Wunder und Zaubereien der Liebe zeigen sich nur bei einem Weibe, das im natürlichen Instinct verpuppt war. – Die Liebe ist es dann, welche den Schmetterling aus der Puppe befreit.

Weil für die geistige Entwickelung der nordischen Frauen mehr wie für die Frauen des Südens gethan wird, darum sind die Mysterien der Liebe und Leidenschaft im Süden zu Hause, und ein begabtes Bauermädchen kann aus denselben Gründen in der Liebe ein Genie entwickeln, welches der städtischen Gouvernante und Lehrerin leider zu oft versagt scheint.

Während aber im Süden mit der Ehe auch die Wunder und Glückseligkeiten der Liebe verblühen, so knospen sie im Norden nicht selten aus der Gattenliebe hervor. Die nordische Frau wird selbst in dem Falle, daß sie verbildet war, durch Mutterschaft wieder natürlich, weiblich und allmächtig gemacht; und eine Gouvernante, ein Blaustrumpf mit einem Kinde an der Brust, ist wieder Eva und Weib, wie Alle ihres Geschlechts; – und wenn sie von Natur ein richtiges Frauenzimmer ist, bleibt sie freilich auch ohne Mutterschaft und trotz der dilettantischen Gelehrsamkeit weiblich liebenswürdig und gescheut.

* * *

2) Ehe.

»Mann und Frau liegen so lange auf einem Kissen, bis sie kriegen ein Gewissen.«

»Meine Meinung war stets: ein wackerer Mann, der eine hübsche Nachkommenschaft auferzieht, leiste der Gesellschaft größere Dienste, als einer, der ledig bleibt und bloß von der Bevölkerung schwatzt.«

( Oliver Goldsmith.)

Am Weibe thut die Ehe ihre ganze Heiligkeit und Herrlichkeit kund, bethätigt sie sich als tägliches Wunder, als leibhaftiges Sacrament.

In der Ehe geschieht es, daß die junge Frau, die noch kurz zuvor ein unfleißiges, unachtsames oder leichtfertiges oder träumerisches Mädchen war, ohne Verstand für den Ernst und die Forderungen des Lebens, daß sie zur besonnenen und fleißigen Hausfrau, zur sorglichen Gattin, daß sie zu einer Mutter heranreift!

Dieselbe Jungfrau, die weder das Geschick noch den guten Willen hat, ihren kleinen Geschwistern behülflich und dienstlich zu sein, die sich auf kein kindliches Bedürfniß, überhaupt auf keine menschliche Noth und Sorge verstand, sondern sich selbst als die Person erachtete, für welche die Welt eben nur die Umgebung und Einfassung zu bilden habe, dieselbe erräth als Mutter mit divinatorischem Verstande und wie im magnetischen Rapport jedes gestammelte und stumme Begehr ihrer kleinen Kinder und wehrt mit himmlischem Ferngefühl, einer Gottheit gleich, auch die zukünftige, die leicht mögliche Gefahr von der Ihrigen Haupt.

Dieser Ehestand hat das ganz alltägliche, das sehr mittelmäßige oder nichtsnutzige, das viel getadelte und vielleicht bescholtene Mädchen binnen Jahr und Tag zu einer musterwürdigen, Respect fordernden Frau umgewandelt. Diese Mutterschaft hat dem jungen Weibe Augen und Ohren, alle äußeren und inneren Sinne geschärft, hat ihr sogar die ungeschickten Hände in geschickte, in kunstfertige Hände und Finger verwandelt, die Alles nähen, stricken, flicken, reinigen und anfertigen, die Alles lösen und knüpfen, was irgend zum häuslichen und kindlichen Bedürfniß gehört.

Diese tausendkünstlerischen Mutterhände, die sonst müßig im Schooße lagen, oder zu ungeschickt waren, der lieben Mutter in den Hausgeschäften beizustehen, dieselben lösen jetzt mit unbegreiflicher Geduld und Virtuosität das verknüpfte Strumpfbändchen eines hastigen Kindes und helfen weiterhin den Bedürfnissen und Nothständen von sechs kleinen Menschenkindern ab und pflegen sie trotz aller Ungeberdigkeit bei Tag und bei Nacht.

Das soll man auch eine Incarnation des Weltheiligthums nennen, wenn die Vorstellung und das Gefühl der Mutterschaft, wenn die Ehe das ganze Weib an Sinn und Geist, an Willen und Thatkraft so verwandelt, daß in Stelle eines bloß sinnlichen, koketten, flachen, unwissenden und leichtsinnigen Geschöpfes, mit einem Male wie durch Zauber, ein wissender und gewissenhafter, ein tugendgeübter, ja, ein heiliger Mensch und Genius in gesegneter Wirksamkeit dasteht, und zwar ein solcher, der im rechten Maaß activ und passiv, scharfsichtig und übersehend zu sein versteht, der nimmer die Hände in den Schooß legt und müßig speculirt oder lamentirt, sondern rührig, anstellig und wohlgemuth auf allen Enden angreift, bis die kleine Welt rund umher geschaffen ist, in welcher dem Gatten und den Kindern wohl und sicher, heimlich und heilig zu Muthe ist; ein Familien-Heiligthum, aus welchem Staat und Kirche wie Künste und Sitten ihre solide Lebenskraft beziehen. Und ungeachtet dieser Wunder-Tugenden der Gattin und Mutter haben wir doch von ihr gleichsam zwei Ausgaben: eine für Alltag und eine Prachtausgabe für die Feiertage poetischer Stimmung und Phantasie!

Wir besitzen von unserer Gattin ein Bild, das wir in der Sakristei des Herzens verschließen und nur beschauen, wenn wir von dem Original getrennt leben, indem wir auf Reisen von dem Körper, oder auch durch vorübergehendes Zerwürfniß und Mißverständniß, von der Seele unserer Lebenshälfte entfernt sind.

Es ist das Bild von dem Weibe unserer Liebe und Leidenschaft, das Bild der Braut und der jungen Gattin aus den Flitterwochen oder Flitterjahren; ein silber- und goldgeschmücktes Madonnenbild im Altar einer katholischen Kirche, das nur an Festtagen gezeigt wird.

Vor diesem allerheiligsten Bilde hängt für Alltag noch ein zweites Madonnenbild, mit dem man aber familiär und halbprofan verkehrt, vor dem man mehr mechanisch und handwerksmäßig, als in verzückten Andachtsschauern betet.

Und wenn's nur eben bei dieser poesielosen Andacht bliebe, es wäre doch immer ein gottesdienstlicher Mechanismus und heiliger Gebrauch, eine Vorbildlichkeit des Allerheiligsten, eine symbolisirende Andacht und Ehe. Aber man schmäht nicht selten diese Werktags-Heilige des Herzens, wenn sie unsere Launen und Wünsche nicht nach Wunsch erhört, wenn sie das häusliche Wetter nicht nach unserer Bequemlichkeit und Lebensökonomie machen kann.

Und wenn dieses Werktagsbild endlich alt und unscheinbar geworden ist, so werfen wir es in die heilige Polterkammer, oder hängen es in einen Winkel des Herzenstempels auf, sobald ein neues Bild bequemlicher und annehmlicher zu haben ist. Das Idealbild der Gattin aber verlöscht nur in gemeinen Seelen. Wer einen Augenblick heilige Liebe empfand, nimmt diese Empfindung und das Bild, mit welchem sie verbunden ist, in jene Welt!

Die Ehe ist der positive Anknüpfungspunkt, die heilige Gelegenheitsmacherin für alle exacte Sittlichkeit und Treue. Sie bewahrt das Gold der Tugend und bringt zugleich ihre Scheidemünze in Verkehr. Sie ist die Pflanzschule aller werktüchtigen und aller idealen Menschenbildung, aller staats- und weltbürgerlichen Qualificationen, der Heerd, die Heimath und die Wiege aller Gesittung und Civilisation.

Ohne Ehe hängt unsere Sittlichkeit in der Luft; im Familienleben allein gewinnt sie den festen Grund und Boden, den echt menschlichen Charakter, ein Gemüth, das sich in den Geschichten von Liebe und Treue dem Himmel entgegenbildet.

Die Familien sind die wachsenden Fleischwärzchen des Staats; ohne sie vermag er kein concreter, auf jedem Punkt erfüllter, mit Liebe und Poesie gesättigter Staat zu sein.

Ohne die Weihe und himmlische Genugthuung des Familienlebens ist der Staat nur ein abstracter, unheiliger Mechanismus, ein brutaler Zwang.

Ohne Ehe ist der Mensch überall und nirgend zu Hause, und in unheiliger, wilder Ehe ist er ein roher, kalter Tyrann in seinem eigenen Hause: ohne Ehe ist er trotz aller Civilisation und geschmückt mit allen Heldentugenden nur ein Barbar!

In außerordentlichen Aufregungen und Herausforderungen des Geschickes kann auch ein Halbwilder das Außerordentliche thun; aber das Rechte und Schöne schlecht und recht vollbringen, ohne Hast und Anlauf, in immer gleichmäßiger, zugfester Kraft und Selbstverläugnung, ohne Geräusch und Schaustellung, ohne sich damit etwas zu wissen: das ist das Kennzeichen wahrhaftigen Menschenthums, wie es nur in einer Ehe erfüllt wird, die auf einer gegenseitigen Heiligung der Person auf Liebe und Treue beruht.

Wer in der Ehe lebt, steht im Mittelpunkte des Lebens, im Herzen der wirklichen Welt. Da laufen alle Welt-Radien zusammen, da hält man alle Lebensfäden in der Hand, von einem Centrum tastet man sich zur Peripherie; umgekehrt verdichtet sich die Peripherie nicht so leicht zu einem Punkt, der ein Herz abgeben kann.

Wer also das Leben, die Welt, die Menschheit im Ernst und im Spaß verstehen will, der nehme ein Weib, der sei mit ihr eine Seele und ein Leib: so kommt ihm der Kindersegen, die Arbeit, die Religion, die rechte Haltung, der zufriedene Sinn, der Lebens-Verstand, die leibliche Wohlfahrt von selbst.

Auf der Peripherie wird das Leben nicht nach Gottes- und Menschenwillen absolvirt; mit den sublimsten Gedanken oder Gefühlen ist nichts gethan; wohl aber mit der »frischen, freien, fröhlichen, frommen That«, und die Ehe ist diese That; der volle natürliche Griff in die Fülle des Lebens, bei dem man seinen Mitmenschen und der Natur erst recht frei in's Angesicht schauen darf, eine That, bei der man sich in der heiligen Menschenmitte fühlt.

* * *

»Zuweilen des Abends, wenn ich von meiner Schreiberei aufblickte, und mir meine junge Frau gegenüber sitzen sah, dachte ich nach, wie sonderbar es wäre, daß wir so allein beisammen waren, wie wenn sich das von selbst versteht.

Es schien mir etwas Außerordentliches, daß ich nicht ausgehen mußte, um sie zu sehen; daß ich keine Gelegenheit hatte, mich ihretwegen zu quälen und zu ängstigen; daß ich nicht an sie schreiben mußte, und daß es nicht nöthig war Gelegenheiten auszusinnen, um mit ihr allein zu sein – Niemand hat sich drein zu mischen; die ganze Romantik unseres Verhältnisses war so zu sagen, › in's alte Eisen geworfen‹.

Es war mir etwas ganz Erstaunliches, vollkommen bestimmt zu wissen, daß sie ihre Locken wickelte, und noch viel Erstaunlicher war es mir, dies selbst mitanzusehen

( Kopperfield von Boz Dickens.)

Erst in den Zeiten, wo das Weltleben so complicirt, so schwierig und unbarmherzig wird, daß es die Individuen zu absorbiren droht, daß es dem einzelnen Menschen selten Bequemlichkeit oder gar Freude, Freiheit und Auszeichnung gewährt, da wird die Ehe das einzige Mittel, sich der Verzweiflung zu entziehen; weil Liebe, Treue und eigener Heerd die kleine Welt um das Individuum her schaffen, in die es sich aus dem Getümmel der großen Welt zurückziehen darf.

Je reicher und befriedigender sich das Außenleben für den Menschen gestaltet, je mehr ihm Künste, Wissenschaften und Reisen darbieten, je mehr Ehrenämter und Güter auf ihn gehäuft werden, je größer die Ideen-Masse ist, die seinen Geist occupiren, desto ärmer wird für ihn die Ehe sein. Eifrige Gelehrte, Künstler, Helden, Staats-Männer und Reformatoren sind selten so gute und glückliche Ehemänner, als beschränkte Gemüthsmenschen, als banquerutt gewordene, verkommene und von aller Welt verfolgte, oder vergessene Menschen. Der Mann, den seine Freunde, seine Künste und Wissenschaften verlassen haben, findet noch ein Asyl in seiner Familie, und eine Freundin an seiner Frau. Die reichen, glücklichen, renommirten und wohlconditionirten Leute haben lange nicht so viel Bedürfniß und Lust, eine Ehe einzugehen, als die armen, verlassenen Leute; und jeder Lump hat seine letzte Hoffnung auf eine Heirath gestellt. Die armen Bündel-Juden und die Leibeigenen begreifen die Süßigkeit der Ehe und ihre Mysterien tiefer, als sie von Göthe und Kant, von Hippel und Rousseau begriffen worden sind. Der garstige Klugkoser, der charakterlose Enthusiast und Naturprophet Rousseau schickte seine Kinder in's Findelhaus; und Göthe lebte in wilder Ehe, bis ihn Napoleon auf die Unschicklichkeit aufmerksam machte. – Kant nahm sich nicht die Zeit oder den Muth zu heirathen, seine Wissenschaft galt ihm mehr; und Hippel, der Lobredner der Ehe, blieb unbeweibt.

Mit der Frauenliebe scheint es manchen Männern in manchen Stücken ein kurioses Ding zu sein.

Die Ehefrauen, meinen die Hagestolzen, lieben ihre Männer, aber ohne eben das besonders zu respectiren, worin die Männer ihr Leben und Streben haben, was ihren ganzen Witz und Werth, ihren Stolz und ihre Freude ausmacht. Die Frau Professorin oder Schulmeisterin liebt ihren Schulmeister und respective ihren Herrn Doctor und Professor: aber sie chikanirt ihn um der Dintenflecke willen, die sie in den Taschentüchern oder im Bettzeug findet (falls der Gute im Bette zu schreiben pflegt); sie kramt ihm vielleicht seine kostbarsten Manuskripte und Studien um und um wie Makulatur, und wirft ihm auch wohl, wenn sie ohne Wirthschaftsgeld wirthschaften, oder ohne Haube existiren soll, vor, daß die Schreiberei und Gelehrsamkeit nicht sonderlich rentirt. –

Näher in Erwägung genommen, zeugen solche augenblicklichen Expectorationen durchaus nicht wider die Liebe: denn diese liebt ja nicht die Manuskripte, auch nicht ihres Schulmeisters Steckenpferde und Dintenkleckse, sondern den Mann. Endlich liebt das noble Weib ihren Poeten und Philosophen um so mehr, als er kein Glück mit der Wirklichkeit und dem Golderwerbe hat; denn in diesem Fall liebt er seine Familie desto mehr; und das ist's, was sie will. Die augenblickliche Unzufriedenheit und Ungeduld ändert dabei sicherlich nichts; und wenn das arme Weib kein Wort über ihre bekleckste Wäsche sagen soll, so riskirt sie zuletzt, daß der Professor ihr das Dintenfaß in's Bett gießt, oder es in Gedanken austrinkt. –

Man kann nicht Fische mit Vögeln vergleichen, da ihre Organisation für entgegengesetzte Elemente eingerichtet ist: und so ist es von vorne herein Absurdität, wenn man das Weib mit dem Maaßstabe des Mannes bemißt; denn beide Geschlechter gehören eben den entgegengesetzten Polen des Menschengeschlechts an. –

Die Fakultäten des Mannes, sein Abstractions-Vermögen, seine Ideologie, sein Weltbürger-Sinn, seine reflectirte Vernunft, mit der er die Gesetze des Weltganzen umfaßt und doch die verschiedenen Sphären und Entwickelungs-Phasen auseinander zu halten vermag, machen ihn eben ungeschickt, das Punctuelle, das Kleinste und Zufälligste in Sorge zu nehmen und zu verstehen. Sein schulgerechter, abstracter und normaler Verstand verderben ihm den natürlichen Instinct, der mit den Prozessen der Dinge verschmilzt. Das Weib aber besitzt desto vollkommener die elementaren Tugenden, durch welche es in den Stand gesetzt wird, die materiellen Aufgaben ihrer Ehe und Mutterschaft mit den sittlichen Forderungen zu versöhnen. Nicht nur ein Actenmann oder Gelehrter, sondern ein Praktikus ist oft schon rathlos, wenn ihm ein Band, ein Knopf abtrünnig oder ein Knopfloch excentrisch geworden ist; wenn ihm eine Kommoden-Schieblade Intriguen auf der Diagonale spielt, wenn er einen Reisekoffer mit Geistesgegenwart packen, wenn er ohne die Frau: Leibwäsche zusammenlegen, den Kindern bei Tische ihre Portionen zutheilen, oder vollends ein krankes Kind eine Stunde lang pflegen und behandeln soll. –

Wenn man dagegen die zehntausend Geschicklichkeiten, die hunderttausend Verläugnungen, Listen, Virtuositäten, Kunststücke und Menagen einer armen Mutter und Hausfrau, wenn man die Complicationen von namenlosen Aengsten, Nöthen und Aergernissen in einer bürgerlichen Ehe aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, wenn man weiß, welche labyrinthischen und acherontischen Praktiken, welche übermenschlichen Verläugnungen, Liebesopfer und Geduldsproben täglich und stündlich nöthig sind, um den Rattenkönig von Fatalitäten und Verhäkelungen einer Hauswirthschaft aufzuknüpfen, um in das Wirrsal einer Kinder-Wirthschaft, die wo möglich aus drei Generationen und Ehebündnissen herrührt, Ordnung, Christenthum und Sitte hineinzubringen; wenn man die Aufgaben einer Stiefmutter aus eigenen Anschauungen begreifen gelernt hat; dann wundert man sich über die Aehnlichkeit, welche der weibliche Sinn und Verstand noch mit dem männlichen, und die weibliche Praxis noch mit der unvernünftigen Art und Weise des Herrn der Schöpfung übrig behalten hat; dann erkennt man, daß die Heldenthümer und Märtyrien, daß die Tugend-Exercitien, welche eine Frau und Mutter im stündlichen Kampfe mit dem ganzen Heere der kleinsten und größten Erdenübel darbringen muß, eine Organisation und Kraft erfordern, welche der Mann kaum zu begreifen, geschweige selbst ins Feld zu stellen vermag.

* * *


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