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III.
Die elementare Natur der Frauen.

»Es giebt keine mystische Schöpfung, kein Bild, kein Symbol und keine poetische Erfindung zur Bezeichnung des Dunkeln, Verborgenen und Unbegreiflichen, ohne daß dazu die Repräsentanten aus dem weiblichen Geschlechte gewählt wären.

Da ist die Sphinx, die Chimäre und die Isis, deren Schleier kein Mensch je gelüftet hat. Ebenso die Pandora, die Persephone, die stets entweder im Himmel oder in der Hölle sein mußte, und die Hekate, welche bei Nacht das Eine, bei Tag das Andere war. Die Sibyllen waren Frauenzimmer, desgleichen die Gorgonen, die Harpyen, die Furien, die Parzen, die teutonischen Walkyrien, die Nornen und die Pythia: kurz alle Darstellungen von dunkeln, unergründlichen und bedeutsamen Ideen sind weiblich.«

Bulwer.

Frauen müssen so aufgefaßt werden wie die Natur, nämlich unmittelbar und ohne Kritik. Man erfreut sich ihrer, wie des hellen Himmels, bis er sich einzieht, wie der Blüthenzeit, bis die Blüthen fallen; – wie der eigenen Herzensfreude, bis die Schmerzen, die Sorgen und Gewissens-Beängstigungen kommen. – Weiber, Kinder, Instinct-Menschen und Leute aus dem Volke sind garstige und liebenswürdige Barbaren, personificirte Elementarkräfte; man muß mit ihnen zu verkehren wissen, wie mit Feuer, Wasser und Wind, mit Luft und Licht. Nach so viel krausen Wellen-Spielen fließen sie immer wieder in ein formloses Element zurück. Man muß, um ihrer froh zu werden, nicht Vernunft-Maaßstäbe an sie heranbringen; man darf ihnen nicht zumuthen, Mittel und Zweck gegeneinander abzuwägen, Ursache und Wirkung zusammen zu denken, ein festes Ziel scharf in's Auge zu fassen und die Augenblicke mit Rücksicht auf den letzten Zweck einzurichten. Man darf von ihnen keine Stetigkeit und Ruhe, keine Verstandes- und Charakter-Consequenzen, keine Accente oder Gravitationspunkte der Intelligenz, keine Willens-Energie, kein Selbstbewußtsein und keine Selbstverläugnung im Interesse von Ideen und solchen Weltgesetzen verlangen, die nicht mit Händen zu greifen oder mit fünf Sinnen zu fassen sind. – Man taxirt einen Fisch im Wasser oder einen Vogel in der Luft, und man muß Naturmenschen, man muß viele Frauen und junge Menschen wie ein Naturproduct auffassen, das von seinem Boden und Himmelsstrich untrennbar ist, durch die Umgebung seine Bedeutung und sein Verständniß erhält, wie der Baum. Man ruht in seinem Schatten und sieht dem Spiel der Lichtstrahlen in den Blättern zu und wie sie der Wind durchwühlt. Man pflückt die Früchte, wenn es ein Fruchtbaum ist, man trauert mit ihm, wenn ihn der Herbststurm zum blattlosen Gespenste macht und der Schnee in Thränen von seinen Zweigen schmilzt, aber man nimmt die Lenzesfreuden so oft von neuem auf, als der Baum wieder ausgrünt und blüht. –

Frauen und Kinder, Jünglinge und Natur-Menschen haben nicht nur alle vierundzwanzig Stunden, sondern in ein und derselben Stunde Ebbe und Fluth; und zeigen in jedem Monat, in jeder Woche und an demselben Tage, den Wechsel der Jahreszeiten auf. Jedes Weib und jeder Jüngling ist Egmonts Klärchen: »freudvoll und leidvoll« – »hangend und bangend« – auch »gedankenvoll« – aber ohne Ziel und Schluß. Lachen und Weinen, Zagniß und Wagniß, Melancholie und Munterkeit, Haß und Liebe, Eifer und Indolenz, Anstrengung und Trägheit, Selbstsucht und Aufopferung, Materialismus und Idealismus, Eiseskälte und sommerliche Phantasterei – Divination und Blödsinn, Förmlichkeit und Schwärmerei: Alles das und Unnennbares folgt sich, überstürzt sich, unterbricht sich bei dem Natur-Menschen, und wirrsalt oft so bunt durcheinander, daß er sich selbst nicht begreift, und sich entweder in Melancholie stürzt, oder durch Excesse Luft verschafft.

Die Forderungen des Vernunftgebildeten und civilisirten Menschen, des Rigoristen an die Natur-Menschen, des Alters an die Jugend, und des gereiften Mannes an die Frauen, erinnern mich an die Vorwürfe, welche die von Rübezahl geraubte Prinzeß den Gespielinnen macht, die ihr der Berggeist aus Blumen in's Leben gerufen hat – die Prinzeß findet sie so kalt, so seelenlos; und sie antworten ihr wunderschön: »bist Du die Sonne, die uns wärmt und jeden Morgen zu neuem Leben weckt; der Morgenthau, der auf unsern Blättern in Demantperlen funkelt, der linde Westwind, der in unsern Kelchen buhlt: daß wir Dich lieben sollen?« Nur Liebe, die Poesie und der reife Geist verstehen Natur-Menschen zu genießen, und außerdem verstehen sie sich glücklicherweise untereinander selbst. Zu vergessen ist aber bei dieser Apologie der Naturalisten freilich nicht: daß Poesie und Erziehung nach zwei entgegengesetzten Welt-Gegenden auseinandergehen; und daß Menschen niemals ganz so, wie Naturproducte behandelt werden dürfen. Man kann ein Weib nie ergründen: aber was man an Einer Weibliches und Wesentliches erfährt, das ist bei Allen dasselbe. Die Frauen haben eine elementare Gleichheit; sie gleichen sich wie Wellen- und Wolkenbildungen, wie ein Frühlings- oder Herbsttag dem andern, wie alle Blumen und Schmetterlinge einander ähnlich sehen; denn trotz der Farben- und Formenmannigfaltigkeit sind's doch zuletzt Blumen und Schmetterlinge, Gaukler der Lüfte, gaukelnde Gestalten, die der Naturhumor aus dem grünen Fleisch des Stengels, zwischen dem Blätterwust hervortrieb, und die in dem Augenblick verwelken, wo sie ganz und gar Duft und Blüthe geworden sind. Männer zeigen den Menschen als eine Selbstoffenbarung der Welt-Geschichte, als einen Extract der ganzen Natur. Sie sind so mathematisch und krystallinisch, wie das Steinreich; so muthig, wie Löwen und Stiere; so getreu wie Hunde, so brausend und gewaltig wie ein Wassersturz, so ruhig und regelmäßig, wie Ebbe und Fluth, und gleichwohl so triebkräftig wie die Jahreszeiten, so stürmisch und rhythmisch wie Meeres-Wellen sind. Die Frauen aber zeigen immer nur einen Faktor des Lebens; einen mikroskopischen, oder einen abstrakten und schematischen Verstand; Leichtfertigkeit oder Ceremoniell. Es beherrscht die Weiber eine himmelstürmende Leidenschaft oder eine minutiöse Förmlichkeit, dämonische Selbstsucht oder die Idee der Veropferung; und am häufigsten befinden sie sich in einem tumultuarischen Mischmasch von allen möglichen Extremen; in der beliebten romantischen Confusion, aber gleichwohl mit leise-listiger Selbst-Direction. Ohne Liebe und Haß, ohne Phantasterei, ohne Anlauf und Ueberschwänglichkeit groß und großmüthig zu sein, Natur und Geist in einem formgebildeten Verstande zu versöhnen: das versteht und vermag nur ein Mann! Männer spiegeln alle Reiche der Natur und beherrschen mit ihrem Geiste diese Natur; – aber die Frauen bilden nur ihr Metamorphosenspiel ab. Man kennt sie Alle, hat sie Alle geliebt, wenn man Eine geliebt und kennen gelernt hat. Es ist eine Verschiedenheit an ihnen, wie an Weinen und Musik; aber alle Weine schmecken nach Wein, und keine Melodie geht über den Sinn und das Gesetz der Musik, der Schönheit hinaus in die strenge Wahrheit, in die Gesetzmäßigkeit, die reine Mathematik, die Grammatik; und kein Weib kommt so ganz und gar zur reinen Vernunft, zu der Vernunft, die aus dem Kampfe von Natur und Menschen-Geist das absolute Gesetz zu extrahieren vermag, in welchem alle irdische Gegensätze ausgeglichen sind. Auch wenn sich das Weib veropfert, ist's keine Selbstverleugnung, kein nüchternes Opfer für die Wahrheit, für ein begriffenes Gesetz, sondern ein Opfer der Liebe für ein Wesen, aus dem sie sich selbst zurückempfängt, ein Gefühl von dem ihr Selbst genährt und beglaubigt wird: es gehe zum Tode oder zum Leben.

Ein edler Mann lebt und stirbt für eine Wahrheit, für ein Gesetz, das mit seinen Gefühlen und Leidenschaften, mit seinen Gewohnheiten nichts zu thun hat, sondern ihnen vielleicht widerspricht; er versöhnt sich mit seinem Feinde, er stirbt für diesen Feind, wenn derselbe Träger der Idee und des Rechtes ist, durch welches die Welt, die Nation, die Gesellschaft besteht; er bekennt den Irrthum seines ganzen Lebens mit Freudigkeit dem Widersacher, wenn dieser die Wahrheit gefunden hat, und legt sie in seine Hände um der Wahrheit willen, und besiegt ihretwegen seinen lebenslänglichen Groll. Der Mensch kann so Ungeheures möglicherweise vollbringen, wenn er ein Mann ist: aber das größte und beste Weib vergiebt keiner Todfeindin ganz; gönnt ihrer Nebenbuhlerin den Geliebten nur um des Geliebten willen; und schwelgt in der Vorstellung, daß sie sich veropfert hat. – Diese Lieblings-Tendenz haben die vielen Resignations-Romane der Literatur-Damen zur Schau gestellt. Aber Resignations-Fieber ist noch lange keine Gerechtigkeit. Jede Frau würde sich wohl lieber von feindlich gesinnten Männern, als von einer Jury von Weibern verurtheilen sehen! – Ein edler Mann entsetzt sich vor dem Gedanken parteiisch und ungerecht zu sein; seine Freunde haben es schlimmer mit ihm als seine Feinde. So edel kann ein Mann ohne Ekstase, ein Weib nur selten und nur mit Ekstase sein. – Schon die edlen Thiere zeigen Ruhe und Gleichmäßigkeit. Das gemeine Bauerpferd läßt den Kopf träge hängen, oder nimmt ihn im Uebermuth zwischen die Beine und schlägt hinten aus, wenn es zu gut gefüttert wird, während das Roß von edlem Blute, bei gleichmäßigem ruhigen Temperamente, mit Ambition und Feuer dem leisesten Schenkeldruck und Zungenschlage gehorcht.

In allen Reichen der Natur und Kunst charakterisirt sich das Edle und Schöne und die Periode der Reife: durch Ausgeglichenheit und Ebenmaaß, durch inneres und äußeres Gleichgewicht. In allen Sphären ist das Bunte, das Wechselnde, Moussirende, Schwankende und Ueberschwängliche: ein unreifes oder unedles Product und nirgend tritt dies Gesetz so deutlich und consequent als beim Menschen-Geschlecht hervor.

Das Kind wechselt die Laune in einer Stunde zehnmal, amüsirt und langweilt sich um nichts. Es spielt Stunden lang, und wirft plötzlich Alles fort; zerbricht und zerstört das, was ihm soeben Freude gemacht hat. – Die Frauen, über welche die Natur mehr Gewalt als über die Männer gewinnt, haben auch die Wetterwendigkeiten, die Metamorphosen, und Excentricitäten der elementaren Natur. – Sie sind ruhig, milde, liebend, hingebend, sorglich, sanft und duldsam; und dann wieder zeigen sie sich plötzlich und unmotivirt: heftig, zänkisch, starr, tyrannisch, ja sogar ohne Barmherzigkeit und Gefühl. Frauen unterziehen sich mit unbegreiflicher Geduld und Ausdauer den mühseligsten gewohnten Handarbeiten, und können ihre Gedanken gleichwohl nicht eine viertel Stunde lang auf eine ungewohnte Arbeit ohne Zwischen-Zerstreuungen koncentriren. – Sie lieben mit Ausdauer; und doch fliegen ihnen während dieser Leidenschaft Capricen und Grillen durch den Kopf, durch welche der Liebe Eintrag geschieht. Ein bekanntes Sprüchwort sagt in diesem Sinn zutreffend und witzig: »Trag ein Weib auf deinen Händen nach Rom; wenn du sie aber am Thore etwas unsanft niedergesetzt hast, so verstehst du keine Galanterie.« Frauen zeigen Hartnäckigkeit im Verfolgen eines Plans, bleiben aber gleichwohl nicht bei der Stange und springen mitten im eifrigsten Gespräch zu einem ganz disparaten Thema über, sie werfen eine Arbeit auf Jahr und Tag bei Seite, die ihnen bereits ein Jahr Mühe und Arbeit gemacht hat, und das sind nur Bagatell-Sachen. Selbst gebildete Frauen vertragen nicht immer ein andauernd gleichmäßiges Glück und fühlen einen unbegreiflichen Antrieb zu Teufeleien und Narrheiten, durch welche eine Abwechselung und Unterbrechung in die Lebensruhe kommt, die ihnen ohne Episoden, Katastrophen und Eventualitäten zu monoton und langweilig erscheint.

Dieselbe Frau, die ihren Mann drei Jahre und länger auf dem Bette gepflegt hat, vergißt ihn im ersten Vierteljahr nach seinem Tode und knüpft im vollen Trauerstaat Liebesverhältnisse an. Auch die Fälle, in denen eine Frau, welche zwanzig Jahre glücklich und ehrbar in der Ehe gelebt hat, ihren Mann und ein halb Dutzend Kinder verläßt, um mit einem Abenteurer durchzugehen, charakterisiren trotz ihrer Seltenheit das elementare, wetterwendische und abspringende Prinzip in der weiblichen Natur. An Dienstmädchen ist es eine bekannte Thatsache, daß ihnen Heiraths-Gedanken so plötzlich und stürmisch durch den Kopf fahren, wie Windstöße in die schlaff herabhängenden Segel eines Schiffes. Es muß dann geheirathet sein und sollt' es das Leben kosten! Es scheint dabei oft keine Liebe, keine Sinnlichkeit, keine äußerliche Nothwendigkeit oder Zukunftssorge im Spiele zu sein; es giebt da keinen verständigen Grund; es ist der Wechsel, die Fluth, die elementare Metamorphose, das unwiderstehliche Gesetz einer in ihren polarischen Gegensatz umschlagenden Natur! So ein armes persönliches Naturproduct sagt auf alle Vorstellungen weiter nichts als: »ja ich muß und ich muß einmal.« Auf dem Lande in Polen und Westpreußen sagen sie noch: »mich hat einmal der Teufel verblendet; es ist mein Unglück, aber ich muß!« Also vorwärts mit einem versoffenen Wittwer, einem bettelarmen Schuster, der sechs oder zehn Kinder, aber nicht zehn sichere Kunden für seine Pfuscher-Arbeit besitzt, der seine erste Frau zu Tode gepeinigt und gemißhandelt hat. Das nennt man Heiraths-Paroxysmus, Heiraths-Berserkerwuth. Diese Fluth und Wuth des Naturalismus zeigt sich auch bei den Männern im gemeinen Volke, aber mit dem Unterschiede, daß hier vernünftige Reactionen von Außen her durch Vorstellungen zu ermöglichen sind, und daß die Katastrophen nicht ganz so unmotivirt, so plötzlich und jäh hervorbrechen, so elementar!

In der Tollheit und Narrheit der Mannsleute ist mehr Methode, mehr Schematismus und Styl. Aber die Launen und Schrullen der Frauenzimmer sind nach keinem grammatischen Paradigma zu conjugiren. Es sind lauter irreguläre und rhapsodische Verba, reine Improvisationen der unerschöpflich gestaltenden und erfindungsreichen Natur. Man ist heute einer Wolken- und Wetter-Wissenschaft auf der Spur; ob es aber je eine Psychologie geben wird, welche den General-Nenner für die Bruchtheilchen der echten, unverfälschten Evas-Töchter finden, ihre Variationen auf ein Grundthema reduciren und ihre Unregelmäßigkeiten aus irgend einer Regel erklären wird: das scheint das große Fragezeichen in der Naturgeschichte des weiblichen Geschlechts zu sein.

Ein derber alter Herr pflegte zu sagen: »Wenn das Weibsvolk erst verrückt wird, dann sind sie über Leib und Leben, mit Haut und Haaren verrückt«, – und ich denke, der alte Herr hatte Recht. Denn bei einem Weibe stehen vorzugsweise alle Organe und Facultäten in Mitleidenschaft. Sobald der Damm gebrochen ist, den Sitte und Convenienz um den weiblichen Naturalismus aufgeführt haben, bezieht eben die elementare Zerfahrenheit und die Eitelkeit der Frauen aus ihrem lebhaften Geiste die lebhafte Narrheit. Ihr Witz sieht sich in Aberwitz zersetzt und die Kraft ihrer Leidenschaft und Phantasie wird zur Tollheit stimulirt.

Was jetzt gegen ihren Unsinn zeugt, das wissen sie zu deuten, indem sie mit unvergleichlicher Logik und Dialektik Sinn und Unsinn zusammenmantschen. Ich kannte schämige und honette Frauen; als sie aber von der Leidenschaft gepackt wurden, machten Züchtigkeit und Bildung die Kupplerin, setzten Phantasie und Aesthetik die Leidenschaft in Brand. Im Gemüthskranken wird die Einfalt zum Blödsinn, der Tiefsinn zur Melancholie, die Lebhaftigkeit zur Narrheit, der Muth zur Raserei gesteigert; und die Leidenschaft ist es, die in vielen Fällen aus einem Weibe eine Gemüthskranke macht.

Der Naturalismus der Weiber potenzirt sich, wenn er einmal die Schranken der Scham und Förmlichkeit durchbrochen hat, an dem Gegensatze der geistigen Bildung bis zur Dämonie. Ein empörtes Weib versteht des Teufels Lehrmeisterin zu sein.

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