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I.
Vergleichende Charakteristik der Frauen und Männer.

Es ist eine wahre und trefflich durchgeführte Auffassung von Riehl in seinem Buche von der Familie: daß der Gegensatz der beiden Geschlechter erst vollkommen mit der reifsten Cultur hervortreten kann; – daß nicht nur bei den wilden und halbbarbarischen Völkerschaften, sondern auch bei dem Landvolke der kultivirten Nationen das Weib (um der schweren Arbeit willen) viel männliche, der Mann eben so oft weibliche Elemente wahrnehmen läßt, weil er sich durch die Arbeitsleistungen des Weibes in der Autorität gekürzt, zu vielen Rücksichten und sehr oft zu einem leidenden Verhalten genöthigt sieht. Die Ueberfeinerung der Frauenbildung und die Uebertreibung in der Ausscheidung und Entwickelung des weiblichen Wesens führt dagegen sehr naturnothwendig zu einer Herrschaft der Frauen über die Männer, durch welche diesen eine Zwitter-Rolle zugeschoben wird. Man kann das in Frankreich ersehen, wo die Frauen um deswillen das Haus-Regiment in Händen haben, weil sie in den erwerbenden Klassen dem Handel und Wandel, wie der Landarbeit vorstehen. Der Muth und Antrieb zu dieser männlichen Thätigkeit hat sich aber freilich nicht blos aus den Verhältnissen und der Courtoisie der französischen Männer, sondern aus dem vorwiegend männlichen Verstande der Französin und einem weiblichen Element im französischen Manne ergeben, der kein Wort für den Begriff » Mann« in seiner Sprache besitzt. Bei den Orientalen genießt das Weib vollends nur eine Pflege und Rücksicht behufs der Conservation seiner Schönheit. – Sie wird so wohl gehalten, wie Jagdpferde und Hunde bei Fürsten und Herren, für eine Untreue mit dem Tode bestraft, in Indien sogar als Theil und Zubehör des Mannes betrachtet, also mit seiner Leiche verbrannt.

Die Frauen der Grönländer, der Tschuktschen, der Jakuten, der Samojeden und Eskimaux unterscheiden sich auch in der Kleidung nicht in's Auge fallend von den Männern. – Die weiten, faltigen, kurzen Hosen der Griechen sind ein wirklicher geschlossener Weiberrock; die Weiber der Türken und asiatischen Orientalen bekleiden sich mit Hosen und Kaftans, wie die Männer. Beide Geschlechter tragen gemeinschaftlich den Turban. Die alte Tracht der Polen und Ungarn zeigt bei Männern und Frauen sehr ähnliche Kleidungsstücke und theilt beiden Geschlechtern eine fast gleiche Kopfbedeckung zu. Gewiß ist dies: Je mehr sich durch zunehmende Cultur das specifisch männliche Wesen, die förmlich ausgebildete Vernunft und active Natur des Mannes, seine Charakter-Energie, sein scharf accentuirter Verstand, sein sittlicher Rhythmus und Rigorismus herausstellt, je mehr er sich vom Boden der Natur und Sinnlichkeit lospräparirt, je mehr aus der plastischen Naturgeschichte eine Literatur- und Staatsgeschichte, aus der Divination eine Schuldialektik wird, desto mehr tritt die Nothwendigkeit ein, daß die Frau diese widernatürliche Einseitigkeit des Mannes mit ihrer specifischen Eva-Natur, also mit Grazie, mit Passivität, mit Weichheit, mit dienender Hingebung, mit Liebe und Leidenschaft, mit divinatorischem und poetischem Instinkt ergänzt. Statt dessen erleben wir heute die Widernatürlichkeit, daß die Frau in diesen übertriebenen Cultur-Zeiten den Männern noch einen Wettkampf in der Literatur anbietet und sich emanzipiren will, wo sie allein noch den veredelten Naturalismus vertreten soll!

Die natürlichen Frauen bringen zwar den dialektisch gebildeten Mann nicht selten durch ihre Inconsequenz und ihr Ignoriren jeder Schlußfolge und Grundsätzlichkeit zur Verzweiflung, bei ruhigem Gemüth entdeckt aber der Mann in allen Maximen, und auch in den sogenannten Vernunftprincipien, so viel Unnatur und Einseitigkeit, daß er wohl begreift, wie eben die Inconsequenz der Frauen und ihr Widerwille gegen Grundsätze und sogenannte Vernunftgründe die Natur rehabilitiren muß, welche durch die abstracte Methode und den dialektischen Proceß des schulgelehrten Gemahls oft so schmählich corrumpirt werden darf. Frauen und Volk haben weniger förmliche Vernunft als die schulgebildeten Männer, aber unendlich mehr Divination, das heißt mehr vernünftigen Instinct. Sie produciren das Vernünftige selten in Worten und einzelnen Willensacten oder gar in Künsten und Wissenschaften, aber sie handeln sehr selten so natur- und religionswidrig, so wider Sitte, Geschichte und Herzens-Instinct als der Mann. Im Weibe, in seiner Mutterliebe, und im Volke ist die Oekonomie des natürlichen Lebens, des Universums eingefleischt. – Wenn sich nun aber das Volk und die Frauen durch Literatur, durch populäre Naturwissenschaften und allerlei andere Schulkünste den göttlichen Instinct beirren, so wird die Corruption der menschlichen Naturgeschichte vollständig sein.

Der Naturalismus der Frauen in den gebildeten Ständen ist eben » das ewig Weibliche«, das Element ihrer Liebenswürdigkeit. Der Mann hält die Natur selten gut aus; er wird in bloßer Natürlichkeit gar zu leicht unwissend, grob, tyrannisch, selbstsüchtig ausschweifend und brutal, wie man das an jedem wohlhabenden und unabhängig gestellten Bauern wahrnehmen kann; aber das Weib neigt von Natur weder zu sinnlichen Ausschweifungen, noch zu plumper Lebensart und Brutalität. Seine natürliche Verschlagenheit und Selbstliebe kleidet sich schon aus Eitelkeit in die gefälligsten Formen, und verwandelt sich in der Ehe zu einer Hingebung, einer Dienstbarkeit, wie sie der Mann schon um deswillen nicht haben kann, weil der Schwerpunkt seines Lebens außer dem Familienkreise, weil er im Staate, in der Gesellschaft, in der Menschheit liegt. Den Mann von Bildung kleidet aus diesen Gründen der Naturalismus nicht wohl; er ist für seinen strebsamen Geist, der die Herrschaft über die Natur erstreben soll, eine Unnatur; das Weib aber, in dessen Schooß die Menschenfrucht reift und an deren Brüsten sie genährt wird, bleibt die Trägerin der Natur und natürlichen Sitte und eignet sich den Geist, den sie bedarf, vom Manne an.

Der weibliche Genius zeigt sich den Naturprozessen wahlverwandt; – der Genius des Mannes ist der des Geistes, der eine ebenbürtige Reaction auf die sinnliche Natur im Menschen ausübt und aus ihr ein übernatürliches Gesetz, die begriffene Sitte und Wissenschaft, die förmliche Kunst und Religion hervorbilden darf. –

Der weibliche Genius ist dem männlichen so untergeordnet, wie die Naturprozesse der Kunst und Wissenschaft überlegen sind; aber ihm auch so untergeordnet, wie Herz und Divination der Vernunft-Anschauung und der Religion untergeordnet sind. – Die Frauen zeigen sich sittlicher und religiöser als die Männer, aber nur innerhalb eines gewissen Kreises und soweit das ideale Leben aus der Individualität und dem Herzen heraus ermöglicht werden kann. Die weibliche Tugend und Andacht, das Lieben und Glauben der Frauen, hat mehr Intensität und Witz, aber viel weniger förmliche Entwickelung, wenig Zusammenhang mit dem Gedanken-Schematismus und seltener so viel Freiheit des Bewußtseins, daß sie Recht und Unrecht, Schönheit und Heiligkeit auch in anderen Formen, Potenzen und Verbindungen anerkennen, als in denen, die ihnen selbst eingefleischt sind, das Genie der Frauen bleibt individuell, bleibt unendlich abhängiger von der körperlichen Organisation, der Erziehung, dem Klima und der Race, als der Genius des Mannes, aus dem sich der Genius der Nation, der Zeit und der Menschheit einen förmlichen Leib zuzubilden vermag. –

Heil aber dem männlichen Geschlecht, daß das Weib seine individuelle Natur so selten und schwer abzuthun vermag, denn so geschieht es, daß sie mit ganzer Seele dem Manne und zwar dem Menschen im Manne, und wiederum der individuellen Natur im Menschen anzuhängen vermag, und daß sie sich mit ihrer ganzen Lebenskraft auf diese Liebe concentrirt. Der geniale Mann wird der blos individuellen Gestalt des Lebens bald überdrüssig, und wenn auch seine abstracte Weltanschauung von der natürlichen Lebenskraft mit Fleisch und Bein umkleidet wird, so findet sich doch die Kraft des Herzens beim Manne von seinem vielseitigen und objektiven Geiste absorbirt.

Jedes echte Weib repräsentirt ihr Geschlecht in allen wesentlichen Geschicklichkeiten, Tugenden und Charakterzügen vollkommen; niemals aber kann ein Mann ein vollständiger Träger aller männlichen Grundtugenden und natürlichen Facultäten sein.

Eben daher kommt es, daß die Frauen einander ausschließen und verneinen, daß sie keine tiefe Freundschaft halten und daß die Männer in derselben verträglicher, getreuer und ehrlicher sind.

Ein Bauermädchen, eine Magd ist oft eine Eva; der Bauerjunge und Knecht ist immer ein Tölpel, ohne ideales Element und kein Repräsentant des Adam. – Eine Mutter ist wie die andere; die Königin-Mutter im wesentlichen wie die Bauer-, Bettler- und Zigeuner-Mutter; aber der Zigeunerhauptmann, oder der Bauer und der greise Bettler wird nicht natürlichermaßen, sondern nur unter besonderen Umständen einem Helden, Könige, Cavalier, Weltweisen und Gesetzgeber ähnlich sehen.

Das schlichteste Bürgermädchen hat unendlich mehr Anmuth, Liebreiz und Idealität, als der Handwerksbursche männliche Kraft und Würde oder adamitischen Genius besitzt. Aber hinterdrein erwirbt der in Verhältnissen gereifte Bürger und Meister nicht selten eine Potenz und Bildung, durch die er in der Regel sein Weib und die » Matrone« überholt. Das Weib steht und fällt sehr oft mit der Sinnlichkeit. Mit der körperlichen Blüthe verliert sich der himmlische Instinct, das ideale Element, während der Geist des Mannes seine Wurzeln im Weltverkehr hat und spät noch Früchte trägt. Das siebenzehnjährige Mädchen ist dem zwanzigjährigen Jünglinge an praktischem Verstande und Charakterbildung überlegen, aber der dreißig- oder vierzigjährige Mann bewährt sich thatkräftiger und vernünftiger als die Frau. Endlich findet die alte Matrone wiederum einen Verstand und eine Energie, durch die sie den greisen Gatten beherrscht.

Wenn ein Mann erkrankt, stellt er sich in der Regel gefährlicher und ungeberdiger an als die Frau. Alle Frauen hört man sagen: sie wünschen den Männern nur ein einziges Wochenbett oder auf eine Woche ein krankes Kind, wo möglich so eines, das gewiegt und welchem Tag und Nacht eine schlimmgewordene Brust gereicht werden muß. Marketenderinnen machen nicht nur gleich den Männern Campagne mit, sondern bewaschen, bekochen und besorgen auch noch ihre Männer und die halbe Compagnie.

Die Frauen haben ein zäheres Leben und mehr Reactions-Vermögen, weil bei ihnen Seele, Leib und Geist besser ein Ganzes ausmachen, als beim Manne, dessen Geist sich von der seelischen und körperlichen Basis zu einer freieren Potenz zu entbinden strebt. Die Frauen haben eine Hartnäckigkeit, eine Widerstandsfähigkeit, eine Ausdauer in verzweifelten Fällen mit den Juden, die Reproductionskraft mit den geköpften Weiden, den zerschnittenen Polypen, und eine Campagnen-Virtuosität im Disput und bei Schicksalsheimsuchungen mit den »Kosaken« gemein: hundertmal verjagt, sind sie immer wieder da, und zwar an den Orten, wo man sie nicht attakiren kann, und wenn dies möglich ist, stellen sie sich nicht.

Die Aerzte loben sich weibliche Patienten in verzweifelten Operationen, eben wegen ihrer größeren Reactions- und Reproduktionskraft. Naturwissenschaftliche Grobiane von sonst haben die Weibernatur mit der Katzennatur in Parallele gestellt. Wer galant sein will, braucht das Gleichniß nicht früher zu glauben, als bis er es in Erfahrung gebracht hat.

Die passive Natur des Weibes will geben, lieben, leisten, will pflegen, opfern, glücklich machen; der active Geist des Mannes will glücklich gemacht werden, will empfangen, gepflegt, geliebt sein. Der active, schaffende Mann liebt Ruhe und Friede; das zur Passivität, zum Leiden bestimmte Weib ist eben um deswillen: geschäftig, unruhig, leicht beweglich, unerträglich, zu Unfrieden, Intriguen und Zwischenträgereien geneigt; ist lauersam, sorglich verschmitzt, während der Mann sich gerne nach Kämpfen und Geschäften der Sorglosigkeit und dem Vertrauen hingiebt, vor allen Dingen aber Ruhe in seinen vier Pfählen haben will. Ein Frauenzimmer dagegen muß jeden Augenblick probiren, wie viel Macht sie über den Mann auszuüben vermag. Sie muß seine kleinen und großen Geheimnisse, seine Schwächen und leicht verletzbaren Stellen ausforschen, sie muß ihn im Garne und in der Macht haben, wenn ihr ganz wohl zu Muthe sein soll. Der Anreiz zu diesen Experimenten, Initiativen und Plänkeleien liegt in des Weibes untergeordneter Lebensstellung, in ihrer Schwäche, in der ihr zugewiesenen Passivität. Endlich setzt die Mutterschaft all diesen krankhaften Launen, Lebhaftigkeiten, Geschäftigkeiten und Unbefriedigungen ein Ziel. Das Weib fühlt, daß die Mutterschaft ein Weltstand ist; eine der Weltstellung des Mannes ebenbürtige Macht. Ueberreife Mädchen dürfen keine zu lebhafte Geschäftigkeit an den Tag legen, denn die Aerzte und Sachverständigen geben solcher Unruhe und Excentricität einen physiologischen Grund.

Weder Wortkargheit noch Tapferkeit machen das Wesen des Mannes, sondern die Vernunft, die leidenschaftslose Selbstverleugnung und Unparteilichkeit, welche das Weib selten andauernd, förmlichermaßen und begriffsweise besitzt. Schiller sagt schön: »Männer richten nach Gründen; des Weibes Urtheil ist seine Liebe. Wo es nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib. Lieben können die Weiber und hassen, aber gerecht sein ohne zu lieben, diese vernünftige Kunst schätzen und lernen sie nie.« Der Mann ist zu Ausschweifungen geneigt und leicht brutal, aber sein Geist übt Sittlichkeit: in der Begeisterung für planvolles Handeln, für Ordnung und Gesetz, in dem Haß gegen Particularismus, Willkür und Practiken, gegen jedes aphoristische Thun und Denken aus der Mitte heraus und auf gut Glück. Dem echten Manne widersteht jede Glücksritterschaft in Wissenschaft und Kunst, jede Willkür in Gesetzes-Handhabung und in allem Regimente. Er sucht nicht die Herrschaft seiner natürlichen Sympathien und Antipathien, welche den Kern des Weibes ausmachen, sondern Wahrheit, Recht und Gesetz. Das keusche und frugale Weib dagegen ist nicht mehr in ihrem esse, als wenn sie das Gesetz umgehen und einen Plan mit ihren Practiken durchkreuzen kann. Die gerade Theorie ist ein Mann, die zickzackige, Winkelzügen nachgehende, launenhaft abspringende, listige, gern abenteuernde, an der Einzel-Erscheinung haftende Praxis und Intriguenwirthschaft ist ein Weib. Ihre particulären Tugenden werden erst durch des Mannes überlegene Vernunft-Theorie zu einer Culturgeschichte erhöht. Die Frauen, wie alle Practikanten und Naturalisten, studiren die Ausnahmen und vindiciren ihnen das Gesetz. Der vernünftige Mann aber haßt und ignorirt die Ausnahmen, wird unpractisch, abstruse und rücksichtslos aus Liebe zum Gesetz. Das Weib ist liebenswürdig und graziös, weil sie charakterlos, gesetzlos, natürlich, dem Augenblick hingegeben ist; der Mann aber ist unleidlich, tyrannisch, schroff und pedantisch, weil er charakterfest, gesetzlich und sittlich accentuirt ist.

Charakteristisch für den vernünftigen Mannessinn und Geist ist, was Pasquale Paoli, der Held und Weise von Corsica, an seinen Freund Padovani in seinem letzten Briefe schreibt, den uns Gregorovius in seinem schönen Buche über Corsica mitgetheilt hat: »Ich habe genug gelebt, und falls es mir vergönnt wäre, mein Leben noch einmal zu beginnen, würde ich das Geschenk ausschlagen, wenn es nicht begleitet wäre von der vernünftigen Erkenntniß des vergangenen Lebens, um die Irrthümer und Thorheiten zu verbessern, die es begleitet haben.« Das Weib liebt Willkür, Metamorphosen, Zufälligkeiten, Reizmittel und jede Romantik, sie ist selten ganz wahr und fest. Weil der Mann Regel und Gesetz sucht, so haßt er nichts so sehr als Practiken, Lügen, Kippe und Wippe, Wetterwendigkeiten, Eventualitäten und Alles, was auf's Gerathewohl unternommen wird. Das Weib aber ist eine geborene Gelegenheitsmacherin, Defraudantin und Schmugglerin. Eben weil sie ihrer sinnlichen Natur so wenig vertrauen darf, treibt sie der Instinct zu Förmlichkeit und Ceremoniel, während der, seiner Vernunft-Ueberlegenheit sichere Mann im täglichen Lebens- und Augenblicks-Verkehr ungenirter, harmloser, humoristischer und freimüthiger ist als das Weib. Frauen verstehen und produciren selten Humor, es sei denn, daß sie den alten Jungfern und vielleicht den Blaustrümpfen angehören, zu denen sich der Humor wie die Säure zum Lackmus-Papier verhält, sein sanftes Blau wird in grelles Roth übersetzt.

Ob Jemand aus Ueberzeugung einen Drang zur Pietät, zum Gehorsam, zum Anschluß an eine Gemeinsamkeit, an eine Korporation und feste Lebensordnung empfindet, ob Jemand lieber dienen als herrschen, lieber Friede als Streit haben, lieber eine Gesellschaft incorporirt und an ihre Gesetze gebunden, als isolirt und auf eigene Willkür gestellt sein will, davon mag er abnehmen, ob in ihm der Naturalismus vorherrscht oder der vernünftige Geist. – Respect vor dem Gesetz, Respect vor einem überlegenen Geiste, Glaube an Wissenschaft und Kultur, freiwilliger, freudiger Gehorsam, eifrige Pflichterfüllung, Billigkeit, Versöhnlichkeit und Verträglichkeit bezeichnet den männlichen, cultivirten, edlen und gebildeten Geist. Das Weib ist immer unverträglicher und anspruchsvoller als der Mann, wenn man sich bei Kauf und Miethe bereits mit dem Manne geeinigt hat, geht der Handel und Trödel wieder von vorne los, so wie das Weib sich in's Geschäft mischen darf. Das Weib im Volke hat so wenig Sinn für Ruhe, Stille und Friedfertigkeit wie der Barbar, ihr Leben ist nach Außen und nicht nach Innen gekehrt. Das Weib gehorsamt dem Manne im Allgemeinen, sie giebt sich ihm in aufopfernder Liebe hin, und doch widerstrebt und widerspricht sie ihm fast in allen einzelnen Fällen, doch billigt sie selten das, was der Mann nach seinem eignen Kopf gethan hat. Nur der gründlich gebildeten Frau imponirt der Mann; die gewöhnliche Professorsfrau, die Frau des Künstlers und Dichters hält ihren berühmten Mann nur zu oft für ein curioses Genie, ihr eigenes Urtheil aber in jedem bestimmten Falle für gescheidter und effectiver, als das der ganzen gelehrten Zunft. Des Weibes Hingebung, Aufopferung und Zärtlichkeit ist ungleich mehr Trieb und Naturgesetz, als frei reflectirte Vernunft. Die Ausnahmen verdanken wir der Schulbildung und der erziehenden Kraft des Mannes in der Ehe. Daß diese Schulbildung aber gegenüber der Frauen-Natur sehr oft einen zu heterogenen, zu wenig vermittelten Gegensatz bildet, zeigt sich in den Einbußen und Corruptionen, welche mit einer consequent verfolgten Schulbildung bei den Frauen verknüpft sind; sie verlieren mit dem Naturalismus nicht selten Mutterwitz, Grazie, Liebenswürdigkeit, Divination, Lebhaftigkeit, Naivetät und alle die Eigenschaften, durch welche der Mannesgeist erfrischt und seinem Wesen die Integrität bewahrt bleibt.

Die Frauen sind Naturalisten, sie sind als solche der überlegenen Vernunftbildung des Mannes untergeordnet und müssen im Untergrunde Naturalisten bleiben, wenn die Schulbildung der Männer nicht von der Natur lospräparirt werden soll. Mit dem Naturalismus verschmilzt im Weibe die Religion viel lebenstiefer, als im Manne mit der Schulvernünftigkeit.

Den Frauen rühmt man nach, daß sie Geist und Seele, Seele und Körper, Sinn und Verstand, ideale und reale Natur und alle Gegensätze mehr in eins bilden, daß sie besser aus einem Guß gerathen wie die Männer. Zu dieser Thatsache dürften aber noch Randbemerkungen dienlich sein.

Wenn ein Weib liebt, so liebt sie allerdings mit gänzlicher Hingebung aus allen Kräften des Gemüths; während der Mann im Stande ist, mit einer Phryne im sinnlichen und mit einer Heloise in einem platonischen Liebesverkehr zu stehen. Das Weib giebt sich nur demjenigen Manne körperlich hin, welchem sie in wahrer Liebe zugethan ist, sie präparirt den Geist nicht von der Seele, die Seele nicht von der Sinnlichkeit los und concentrirt ihre Kräfte auf jeden beliebigen Punkt: das eben giebt ihr Grazie, Witz und Naivetät; während sich beim Manne ein Ueberschuß von Geist entbindet, der sich parallel der Seele, so zu sagen auf eigene Hand etablirt, und dann Styl und Methode producirt.

Dabei muß aber nicht vergessen werden, einmal: daß der Mann in seinem transzendentalen Geist ein Soutien besitzt, auf das er sich zurückwirft, wenn er mit seiner Sinnlichkeit in's Gedränge kommt, so daß er sich zu erheben vermag, wenn er gestrauchelt ist, daß er wieder in's Gefecht zurückkehrt, wenn er schon auf der Flucht begriffen war. Von solch einem Sammeln, Aufraffen und Orientiren ist beim Weibe so wenig die Rede, wie bei geschlagenen Türken und Tataren, wenn's eben glückt, so glückt es, aber auf der Retirade ist kein Haltens mehr. Ein Weib, welches sich einmal in der Hauptsache vergaß, ist wie ein Strumpf, der an der Spitze aufgegangen ist: er hält keine Masche mehr fest.

So viel ein Weib eben an Vernunft disponibel hat, so viel mag sie auch ihrem Verstande oder ihrer Seele einverleiben. Herz und Vernunft mögen bei ihr immerhin aus einem Stücke sein, aber doch nur, weil sie über ein Minimum von Vernunft ganz frei verfügt. Wo sich der Geist zur höchsten Potenz und Freiheit entwickelt hat, da kommt es nothwendig zu einem Bruche mit Sinnlichkeit und Natur, zu einem Dualismus, mit welchem die Kulturgeschichte in ihr letztes Stadium tritt.

Die Frau versteht bei gewissen Gelegenheiten kürzern Proceß, weil sie nicht so weit ausholt als der Mann. Sie ist geistesgegenwärtiger, gefaßter concentrirter, praktischer, witziger, weil sie einen engeren Horizont, einen kürzeren Bildungs- und Gährungsproceß durchzumachen hat; und dann wieder sind es diese dreisten und contenancirten Frauen, die keinen Proceß abschneiden, keinen Termin präcis einhalten und beim Abschiednehmen nicht zur Thür hinaus kommen können, die, den Träumenden gleich, keinem Dinge ein Ende zu machen verstehen, die wichtigsten und dringendsten Sachen nicht zu aplaniren und kein Geschäft abzuwickeln verstehen, welches über Küche, Keller, Speisekammer und Wäsche hinausgeht. Ueberall wuchert diesen Alltags-Weibern die elementare Vernunft über den Verstand; und wenn sie wieder mit Schule verschnitten wird, so tritt an die Stelle des divinatorischen Instincts, der Leidenschaften und Listen: ein Mechanismus und Schematismus, eine Unnatur und Prüderie, die noch viel unerträglicher sind, als die Metamorphosen der Natur.

Einer Frau widersteht es nicht, etwas, das planmäßig gemacht und geordnet werden soll, z. B. Meliorationen in einem Gute, den Ausbau eines Hauses, Garten-Anlagen u. dgl. aus der Mitte anzugreifen; aber der Mann haßt Improvisationen und Flickerei; – er arbeitet am liebsten nach einem Plan und System; er rasirt, wenn er kann, die vorgefundenen Substructionen, er untersucht den Grund und Boden auf dem er bauen soll: in diesem Bedürfniß documentirt sich eben seine Vernunft, seine nach einem Princip und System ringende Natur!

Das Weib greift das Nächste aus der Mitte heraus und präparirt es in der Isolirung von seinem Ganzen, zu ihrem aparten Gebrauch: das ist ihre Unvernunft; freilich auch ihr praktischer Verstand und Instinct, der in rein praktischen Sphären am kürzesten und gewissesten zum Ziele führt. – Wo es aber auf Methode, auf einen größeren Horizont und auf durchgreifende Consequenzen in complicirten Fällen ankommt, da artet der Praktiken-Verstand der Weiber in Confusion und Charakterlosigkeit aus. – Eine Frau hat endlich begriffen, daß etwas in's Werk gerichtet werden soll und wo das Ziel liegt, aber selbst dann wird sie noch nicht alle Kräfte an das Ziel setzen und auf dasselbe hindirigiren oder durchgreifende Mittel wählen; es sei denn, daß ihre Leidenschaft in's Spiel gekommen ist. Von den Frauen gilt, was Göthe von vielen Menschen ohne Rücksicht auf das Geschlecht behauptet: »sie hätten endlich begriffen, daß ein Thurm gebaut werden müsse: sie legten aber gleichwohl nicht mehr Fundament, wie für eine Hütte nothwendig ist. –«

Der schulgerecht gebildete Mann möchte am liebsten alle Mannigfaltigkeiten auf eine Einheit reduciren. Als Stylist packt namentlich der systematische Kopf in eine Periode so viel Gedanken, als hineingehen und nicht hineingehen. Praktiker und Frauen sind dagegen geborene Gelegenheitsmacher, und befördern Geldbriefe sogar lieber mit Jahrmarkts-Gelegenheit, als mit der ordinären Post; denn das Extraordinaire, Irreguläre, Improvisirte und Abenteuerliche hat für Sinnen-Menschen den größten Reiz; und da Frauenzimmer nie Gelegenheiten genug haben, so machen sie den Text des Briefes zur Nebensache und schreiben in die Postscripta die Hauptsachen hinein. – Das wichtigste verhandeln sie wie die Franzosen in der zufälligsten Form; das Zufällige aber wird zur Hauptsache gemacht.

Die versatile Praxis liebt Winkelzüge, und die genicksteife Theorie geht am liebsten gerade aus. –

Die ideologische und zweckbeflissene Theorie faßt von vorn herein ein Ziel in's Auge und strebt ihm rücksichtslos, ohne Vermittelung und Aufenthalt zu; sie ist eben darum dramatisch, zum Schluß drängend, charakterfest und weiß, was sie will; sie ist ein Mann.

Die schmiegsame, listige, naturalistische Praxis ist lieber unterwegs als am Ziel. Ihre Art und Weise ist mehr die Verzögerung und der Proceß als der Schluß. Die Praxis ist ein Weib; sie wählt nicht die geraden und kürzesten Manöver und nicht den offenen, ehrlichen, directen Weg; sie liebt keine Consequenz und Methode, keinen scharfen Accent, keinen prononcirten Rhythmus, keinen bestimmten Zweck. Sie ist romantisch, aber nicht dramatisch. Alle principiellen, durchschneidenden Maßregeln, Charakter-Energien und Consequenzen, durch welche insbesondere eine Zukunft vorbereitet wird, alle strenge Gesetzlichkeit und Entschiedenheit, jedes compensirende, von Zufälligkeiten und Particularitäten abstrahirende Verfahren ist dem Praktikus wie dem Frauenzimmer in der Natur fatal, sobald ihr eigner Proceß instruirt wird; wo die Beiden aber selbst zu Gericht sitzen, da wird ein summarisches Verfahren in Anwendung gebracht; und wo sie ein Ganzes in seinen Grundzügen und seiner Gesetzmäßigkeit begreifen sollen: da individualisiren und particularisiren sie so lange, bis ihnen jede Norm abhanden gekommen ist.

Der willensstarke, der rhythmische, charakterentschiedene, offene und wahrhaftige Mann ist aber mit dieser Kraft und Männlichkeit: zu oft ein rücksichtsloser, brutaler, überall mit dem Schwert dreinschlagender, jeden Knoten durchschneidender Rigorist und Tyrann, oder ein Formen-Pedant, der nichts individualisiren, nichts leise, allmälig, zart und discret behandeln, einleiten und abtönen, nichts Abgerissenes wieder anknüpfen, keinen Knoten geschickt schürzen oder lösen, nichts einfädeln, nichts stopfen oder flicken kann. Und die lieben geschickten, tausend-künstlerischen, gewandten, biegsamen, fügsamen, schmiegsamen, graciösen Weiblein: sind eben durch diese liebenswürdigen Beeigenschaftungen jeden Augenblick verführt, auch das zu verhäkeln, zu verkuppeln und zu verwirren, was klar, bar und geschieden sein; oder das zu lockern, was verknüpft bleiben soll. Mit der Nachsicht, mit der Fügsamkeit, Geschicklichkeit und Vielseitigkeit: ist die Feigheit, die Charakterlosigkeit, die List, die Arglist, die Lauersamkeit, die Lüge vergesellschaftet. Die Frauen versöhnen, vermitteln und beschwichtigen; sie temporisiren, sie modificiren und individualisiren; aber eben darum vertrödeln, vertuschen, umgarnen, verschleiern, verschleppen und intriguiren sie auch.

Die a priorisch construirenden Männer lassen nicht gern etwas langsam werden und wachsen; aber das elementar organisirte, praktische Weib weiß die Ueberwucherungen der Natur weder an sich, noch an ihren Kindern oder Verhältnissen zu beschneiden. Der Mann liebt rasirende Methode bis in die Wurzel hinein, auch wenn sie in sein eigenes Fleisch und Holz hineingehen. – Das Weib dagegen rectificirt selten, was sie liebt. Sie hat eine natürliche Geschicklichkeit und Courage für heroische Operationen an Thieren und Menschen, und dann wieder mag sie nicht einmal das Moos oder die Geilschößlinge von den jungen Bäumen streifen, die sie ihre Kinder nennt. – Immer und überall zeigen die Frauen Ebbe und Fluth und eine stark prononcirte Polarisation; Excentricitäten, die sich plötzlich neutralisiren, aber eben so überraschend wieder differenciren. – Es sind die Kriterien der vorherrschenden Sinnlichkeit und Natur, die sich noch nicht in die Gedanken-Zucht genommen, sich noch durch keine Norm gebunden, durch keinen Mechanismus regulirt hat. Frauen haben weder Sinn noch Talent für Mechanik und Mathematik, und daher auch keinen Verstand für einen geistigen Schematismus, für Grammatik und strikte Observanz; obgleich sie dem Ceremoniell ergeben sind, weil es ihrem Stolz Vorschub gewährt.

Die buchstäblich bucklige Handschrift der Frauen, ihre pfuscherhaft gemachten »r« und »a«, denen sie selten die Häkchen zur Unterscheidung vom »e« zukommen lassen, können darthun, daß ihnen der universelle Sinn für Technik und Präcision gebricht. Selten schnitzt ein Frauenzimmer einen Holzspan zu irgend einem Zweck mit Accuratesse, mit Kraft-Aufwand, mit einer Art, der man die Genugthuung an der mechanischen und rhythmischen Kraftäußerung anmerkt; während ein Junge das stumpfste Messer oder Säge und Bohrer mit einem sichtbaren Avec zu handhaben versteht. Frauen werfen Steine von unten herauf, von der Seite, oft mit der linken Hand, ganz wie die Kinder, ohne den Instinct, welcher die Armbewegung mit dem Ziel correspondiren läßt. Frauen pflegen nur diejenigen Arbeiten sauber, accurat, kunstfertig auszuführen, die ihnen von Kindesbeinen einexercirt worden sind. Man darf nur zusehen, wie abscheulich Frauenzimmer einen Bleistift und vollends eine Schreibfeder anschneiden; wie ganz und gar unhandlich, linkisch und absurde sie mit jedem anderen Werkzeuge umgehen; wie sie nicht einen Nagel in die Wand zu schlagen oder irgend etwas in's Werk zu richten verstehen, das nicht zur täglichen Haus- und Wirthschafts-Oekonomie gehört: um zu wissen, daß Eva's Töchter für die Mechanik, die technischen Künste, und für die tausend männlichen Verrichtungen eben wegen Mangels an universellem Geschick und Verstande nicht bestimmt, daß sie bei aller Fertigkeit und Geduld in häkeligen Arbeiten gleichwohl geborene Pfuscher sind. Frauen können kaum durch Bitten dahin gebracht werden, eine Seite mit Ziffern genau nachzurechnen oder eine Stelle aus einem Buche sorgfältig mit Komma und Punkt zu copiren, oder sonst etwas Ungewohntes mit Präcision zu executiren.

Ein Geschäft, ein Studium, welches ein Mann in die Hand nimmt, hat von vorn herein Fundament und Methode; da sind Zweck und Mittel abgewogen, da ist Peripherie und Mittelpunkt, Zug und Ruck, Logik und Mathematik. Jeder Mann ist gegenüber einem Weibe ein technisches Genie, ein Plan- und ein Centralkopf (wie Kant an Hippel rühmt). Einem rechten Mann ist Planlosigkeit, Oberflächlichkeit und Prudelei in der Natur zuwider; er fügt sich in ein Gesetz, in eine Form und Ordnung: um des Gesetzes und der Ordnung willen! Das Frauenzimmer aber ist in ihrem angeborenen Naturalismus und Widerspruchsgeiste nicht glücklicher, als wenn sie der Norm und dem Gesetz ein Schnippchen schlagen, die festgesetzte Zeit verpassen und ein gegebenes Thema mit Variationen von eigner Erfindung abspielen kann. Eine Frau weiß nie voraus, mit was für Mitteln sie eine Arbeit angreifen wird, weil ihr nicht klar ist, wo hinaus und auf was für Grund. Wo Frauen Häuser bauen, Güter melioriren, Gartenanlagen machen, geräth Alles confuse, fragmentarisch, kleinlich, capriciös, ohne Geometrie, ohne Styl und ohne großartigen Comfort. Für den Zusammenhang einer Particularität mit dem Ganzen, zu dem es gehört, mit Leben, Kunst, Gewerbe, Kirche und Staat haben Frauen und Barbaren keinen Sinn. Sie zeigen intuitiven, tactischen, punctuellen, aber fast nie grammatischen, logischen, mathematischen, abstracten und strategischen Verstand; denn ihre Vernunft ist zu sehr mit Sinnlichkeit versetzt.

Frauen-Praxis hat wie die der Franzosen, nur eine Virtuosität innerhalb enger Grenzen und Gewohnheiten. Ein Franzose versteht nur praktisch in seiner Sphäre, in seinem Vaterlande und innerhalb seines Franzosenthums zu sein; während der deutsche Handwerksbursche in der ganzen Welt und in jedem Genre ein geschickter und accurater Arbeiter ist. Es ist keine Zufälligkeit, sondern eine natürliche Nothwendigkeit, daß das männliche Geschlecht so ausschließlich alle Handwerke, alle umfassenden Geschäfte, Künste und Wissenschaften betreibt.

Daß die Frauen zu vielen Verrichtungen erzogen werden können und daß diese Erziehung zuletzt Naturanlage wird, versteht sich von selbst. Es sollte aber hier weniger die Rede davon sein, was möglicherweise aus den Frauen werden kann, als davon: wie sie in der Wirklichkeit sind.

Ein Frauenzimmer kann geschwinder alles Andere begreifen, nur nicht: wie viel Personen und Gepäck ein Wagen fassen kann. Dazu geht ihr der Sinn für Comfort gänzlich ab. Ob sie statt eines ganzen Platzes ein Drittel einnimmt, ob vollends ihr Mann seine Kniee in den Mund stecken, ob das Kindermädchen drei Meilen Wegs auf einer scharfen Kante reiten und dabei in den absterbenden Armen ein schweres Kind halten muß, ist ihr gleich, denn sie selbst hat solche unermüdlichen Arme, solchen Campagne-Muth und solche stoische Gleichgültigkeit gegen alle Unbequemlichkeiten des Lebens; falls man nicht ein bischen Hauben- und Kleider-Luxus als Gegenbeweis anführen will. Wenn nur die Stuben weiß gescheuert und die Gardinen hübsch gesteckt sind, so fühlt sich eine frugale Frau restaurirt. Der Mann erscheint ihr als Vielfraß, Sybarite oder Sardanapal; gilt ihr für eine Art Einquartierung und einen prädestinirten Chikaneur. Die Mysterien des Comforts begreift kein Frauenzimmer, kein altmodiger Jude, kein altmodiger Franzose, kein Wilder, kein Italiener, Spanier und kein Kind. Comfort liebt und cultivirt erst das Alter, der von der Sinnlichkeit frei entbundene und mit ihr gleichwohl wieder versöhnte, reife, gebildete Geist, der Engländer, der Deutsche; sonderbarer Weise auch der sinnliche Türke, weil er Phlegma besitzt. Wie die Extreme sich berühren, zeigt auch die Thatsache, daß der Gelehrte oft so wenig auf den Comfort giebt, als der Naturalist und Barbar, und daß der sinnliche Pole Virtuos im negligirten Comfort ist.

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