Joseph Görres
Eine Auswahl aus seinen Schriften
Joseph Görres

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Die Triarier

[Symbol und Kult]

Die katholische Kirche tritt mit keiner der Konfessionen, die sich von ihr ausgeschieden, auf die gleiche Linie; denn diese Konfessionen, indem sie sich über sie zu erheben geglaubt, sind in Wahrheit unter sie hinabgesunken; und sie steht nun über ihnen, nicht mehr und nicht weniger denn zuvor, darum nur sui generis und keine ist ihr ebenbürtig. Ebenso ehrt sie den Staat als von Gott gegründet, aber sie kann auch ihm die Rechte der Ebenbürtigkeit nicht zuerkennen; darum, weil beide der Abkunft nach verschiedenen Ursprungs sind, da der eine aus der Erde, sie aber aus dem Wort geboren. Sie durchscheint also alle andern Konfessionen mit ihrem Lichte, so daß diese nur in dem von ihr erborgten leuchten; dies Licht, nachdem es bestrahlt, durchleuchtet und erhellt, kehrt dann zur Quelle wieder, ohne sich halten und meistern und umschränken zu lassen nach Wohlgefallen des Beschienenen. Sie durchscheint und durchstrahlt mit ihm in gleicher Weise auch den Staat und teilt seinem irdischen Leben die Weihe des höheren Lebens zu; gibt also ihm wohl Form, ihn über sich erhebend, nimmt aber keine von ihm, weil dadurch für sie eine Deformation begründet und sie dadurch in Wahrheit unter sich herabgestiegen wäre. Der Versuch also, sie mit den andern, die, weil sie irdische Freiheit gesucht, irdischer Dienstbarkeit verfallen, auf den gleichen Fuß zu setzen, mußte notwendig mißlingen, und die Weise, wie er mißlungen, hat sichtlich tiefen Eindrucks nicht verfehlt. Daher sehen wir, bei allem Drängen auf Gewalt, die Gewalt doch nicht zum Vorschein kommen; jene Scheu hat seither immer den Ungestüm gezügelt und seinen Ausbrüchen die Spitze abgebrochen und müht sich friedliche Lösung auszufinden.

An diese symbolischen Begehungen, in Mitte der Lichterchen und unter der Umhülle der Kleiderchen, knüpft sich nämlich die ganze Feier des würdigsten Gottesdienstes, der je bestanden; es knüpft sich daran der ganze Festkalender, den die gesamte Christenheit in ihrer immer sich wiederholenden Umkreisung der Sonne der Ewigkeit, jedes Jahr immer wieder aufs neue in allen seinen Häusern und Zeichen und Aspekten durchläuft. Und wie es im physischen geordnet ist, daß jedesmal, wenn die Erde an einem bestimmten Punkte ihres Umlaufes angelangt, an gewiesener Stelle bestimmte Blüten ihre Blumenkronen freudig öffnen, und vor dem Lichtgestirn ihre duftgefüllten Kelche zum Dankopfer ausgießen; so wiederholt es sich auch in dieser anderen Jahresbahn. An geordneter Stelle erblüht nämlich auch hier, dem in Gemessenheit geneigten Lichtstrahle jener höheren Sonne, in der Kirche über alle Erde immer aufs neue dieselbe Festblume, die um Mitternacht knospend und mit dem steigenden Gestirne sich mehr und mehr öffnend, um den Mittag den vollen Blätterschmuck entfaltet; und dann am Abend ihn wie zum Schlafe wieder zusammenfaltet, um zur anderen Mitternacht ihre Stelle einem anderen Blühen einzuräumen. Aus allen aber, wie sie eine um die andere aufgesproßt, windet sich der Kranz zusammen, in dem das gerettete Geschlecht seit unfürdenklichen Zeiten, alljährlich in sinnreicher Symbolik, Blüte an Blüte fügend, dem Heilbringer und Lichtspender in geheimnisvoller Blumensprache seinen Dank ausspricht. Wieder knüpft sich an die Liederchen, die in diesen Begehungen erschallen, die ganze kirchliche Tonkunst; sei es, daß im Chorale ihre Harmonien, in großen Tonmassen gesammelt, in würdig gehaltener Bewegung gleich dem ebbenden und flutenden Meere vorschreitend und rückschreitend in großer Majestät aushallen; sei es, daß sie, in Begeisterung geflügelt, gleich Springwassern in Psalmen überhoch in zahllosen Strahlen ansteigen und im Rückfalle dann in einem Adernetze sich zusammenflechten, in dem die Töne verfangen, den ganzen Reichtum ihnen einwohnender Farbe zur Lösung auslassen müssen; sei es endlich, daß sie, kleineren Quellbächen vergleichbar, in Fest- und Marienliedern durch die kirchliche Aue rinnen und jeden zu ihnen niederneigenden Halm und den ganzen Schmelz der Umgebung spiegeln. Und es flutet, springt und rinnt Reinigung, Sühne und Gnade in allen diesen Strömungen, die Kirche aber steht am Quellbrunn und schöpft fort und fort; jeder erhält seinen Teil nach Bedürfnis, Maß und Verständnis, und jeder gewinnt seine Genüge. Die Bilderchen zuletzt, an sie ist die ganze bildende Kunst gewiesen, und sie hat gerade ihr Bestes hier geleistet. Die Baukünstler haben nämlich der Kirche über jenen großen Säulenstellungen jene Unzahl von Domen aufgebaut; die Bildner haben diese innen und außen mit ergossenen, erhauenen und ergrabenen Bildern ausgeschmückt; die Maler haben darauf ihren Formen- und Farbenreichtum an Altären, Wänden und Gläsern ausgelegt, und um alle die Herrlichkeit schmiegt sich in reicher Fülle wie der Blätterschirm einer Palme so der Glockenklang, der von der Höhe der Türme sich allumbreitet. Das ist ein Reflex der Gottesschöne, die ihrerseits wieder die Gotteswahrheit umwebt; wo die eine in ganzer Reinheit zugegen ist, muß sich sofort auch die andere ohne Verzug herzufinden, damit beide in rechter Güte sich verbinden. Es ist daher hier wieder um das Wahre und das Schöne beschaffen wie um das Wahre und das Geordnete und Gezüchtete; die einen sind eben so integrierende Momente der unteilbaren Einheit wie die andern, beide sinken und steigen miteinander. Wo also etwa das Schöne unter dem Vorwande der Wahrheit sich um so ungetrübter zu erfreuen, sich wie im Mohammedanismus beseitigt findet, ist es auch um die Wahrheit schwach bestellt; und die einwohnende Einheit ist nicht eine lebendige der höhern Ordnung, sondern eine aus den unteren Graden; und wer nun des Reichtums der Höheren höhnisch spottet, mag immerhin der nüchternen Armut der andern sich bettelstolz ergötzen...

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[Die Urkirche als Trägerin der Wahrheit]

Wie aber besitzen die verschiedenen Konfessionen das Wahre, das ihnen im Lehrbegriffe noch geblieben? Haben sie es von sich selbst als solche, oder haben sie es durch und in der Kirche? Sie haben es durch die Urkirche, denn diese hat ihnen Schrift und Symbolum und dazu noch ihre Erklärung beider überliefert. Sie besitzen es aber auch nur in dieser Kirche; denn wenn sie es durch sie überkommen, so haben sie es auch nur fortdauernd durch die Gewähr, durch die diese das Überlieferte sichert; und es würde unterbrochen würde. Die Urkirche ist im alleinigen Besitze der ganzen und vollen Wahrheit, wie diese ihren Gründern übertragen worden; sie wohnt ihr ein nach Art jeder höheren Idee, die eins und einig über Räumlichkeit und Zeitlichkeit und besondere Individualität hinaus sich doch in beiden entfaltet den Individualitäten eingibt. Diese also geartete Wahrheit gehört nun allen ihren Genossen an, und diese hinwiederum ihr, und wie sie dieselbe überkommen, so hat sie aber empfangene wieder ausgetan...

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Das Wunder der Wandlung im Sakrament

Das ist mein Leib, der für euch hingegeben werden soll, nehmt und esset und tut das zu meinem Gedächtnis; dies ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen werden soll! Das, spricht sie (die Kirche), waren die Einsetzungsworte des Sakramentes, an sie gerichtet. Tue fortan auf ewige Zeiten, wie du mich hier in deinen ersten Begründern tun gesehen; nimm die Worte, wie sie hier geredet worden, ohne etwas Wesentliches hinzuzutun oder hinwegzunehmen; nimm sie, wie sie gesprochen sind, ohne kritisch sie zu deuteln, zu bessern oder umzureden. Sie lauten aber: dies ist mein Leib, dies ist das neue Testament in meinem Blute; keineswegs aber dies bedeutet meinen Leib, das neue Testament in meinem Blute, oder dies wird mein Leib. Der, dessen Wort früher, für den vegetativen Prozeß eintretend, Wasser in Wein verwandelt und das Brot gemehrt, ist hier in gleicher Weise für den höheren Lebensprozeß eingetreten und hat Brot und Wein, ohne beide in sich aufzunehmen, doch in seinen Leib und sein Blut transsubstantiiert. Er hat also in beiden gleichsam seinen persönlichen Leib nach außen erweitert und fortgesetzt, damit, wenn er ihn im Tode hingegeben und wieder zu sich genommen, er doch vermöge dieser fließenden Expansion auf Erden immerdar zurückbleibe, und indem er dem neuen Geschlechte zur Speise dient, dies auch seinerseits dadurch, daß es das Gegessene sich aneignet, sich ihm angeeignet finde. Die Worte der Einsetzung aber sind das umbildende Lebensferment gewesen, und sie nun, wie sie im Munde des Herrn die Umwandlung angefangen, so setzen sie, forthallend durch den Lauf der Zeiten, im Munde seiner Geweihten das Werk der Aneignung fort von Menschenalter zu Menschenalter, allmählich die ganze Masse durchsäuernd. Denn wie der Logos, die göttliche Natur, in Mitte der menschlichen sie vergöttlichend gestanden, ohne daß die also erhobene ihre äußerliche Unscheinbarkeit und Knechtsgestalt darum abgelegt, so steht dieser selbe Logos in den Worten in Mitte des Naturkörpers, den ihr das empirische Ding genannt, ihn aneignend und in seiner inneren Substanz vergöttlichend, ohne daß er darum äußerlich dem allgemeinen Naturverbande entnommen scheint und in seinen Formen das Gepräge der Dienstbarkeit und Naturhörigkeit verloren hat. Das vollbringt sich allerdings nur durch ein Wunder, und zwar durch das Wunder aller Wunder; aber in Absurdität sich widersprechendes ist so wenig darin, als bei der sogenannten geistigen Wiedergeburt, wo der, in den der Strahl eingeschlagen, nachdem er eine Sekunde zuvor ein solcher gewesen, nach ihrem Verlauf äußerlich noch ganz und gar derselbe, innerlich in seiner Substanz im Nu sich also umgewandelt findet, daß er als in einen ganz andern transsubstantiiert erkannt werden muß. Daß aber die Kirche dabei das Innere als das bedingende wesentliche, das Äußere hingegen als das zwar untrennbar und notwendig mit ihm verbundene, aber weil Bedingte nur Untergeordnete betrachtet, beweist sich eben wieder durch das, was ihre Gegner ihr zum Tadel angerechnet, indem sie, obgleich Leib und Blut wohl unterscheidend, doch unter Umständen den einen für das andere eintreten läßt...

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[Opfer und Priestertum der katholischen Kirche]

Die Kirche, im Mysterium der Eucharistie eine modifizierte Fortsetzung dessen der Inkarnation erkennend, hat darum ihre Lehre von dem einen auf die von dem andern begründend, mit gleicher Sorgfalt und Schärfe beide gefaßt und in Mitte entgegengesetzter Irrtümer ihren Ausspruch, von ihnen allen unberührt, erhalten. In der Inkarnation sind zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, ohne Vermischung, ohne Verwandlung und ohne Teilung und Sonderung zu einem und demselben Christus verbunden. Die gegen die Natur gewendete Seite dieser hypostatischen Verbindung hat sich nun, bei der Einsetzung der Eucharistie, gegen eine dritte ihr natürlich verwandte Substanz, Brot und Wein hingewendet und sich ihnen untergestellt, um sie durch die Macht ihrer umwandelnden Kräfte sich anzueignen. Alles Unterstellen geschieht aber im Wesen, nicht in den Akzidentien; im Wesen also verbinden sich beide Substanzen – die eine, die schon in Gemeinschaft mit dem Göttlichen gewesen, und die andere, die durch sie in dieselbe Gemeinschaft aufgenommen werden soll – zu einer Substanz; ihre Verbindung muß also gleichfalls eine wesenhafte sein, und weil über Zeit und Raum geschehend, auch so Zeitliches wie Räumliches durchherrschen. Sie ist aber ebenso ad extra durch eine Actio in distans, wie die Aneignung des vom einsetzenden Spender Genossenen, durch eine solche ad intra geschehen, durch den Ausgang derselben lebendigen Gotteskraft, die auch die Heilungen und Auferweckungen der Toten erwirkt, während aber nun in der Inkarnation die beiden Naturen in Zweiheit eins sein mußten, um das Werk der Erlösung zu vollbringen, bedarf es für die Fortsetzung und Erweiterung dieses Werkes auch nur einer Fortsetzung, keineswegs aber einer Wiederholung dieses Aktes, vermöge welcher die beiden Substanzen bei bleibenden Akzidentien in einer substantiellen Einigung sich verbinden. Die Verwandlung, die daher bei der Inkarnation als bleibender Zustand abgehalten werden mußte, um nicht monophysitischen Irrtümern anheimzufallen, tritt hier notwendig ein, weil eben, um die bleibende Gegenwart zu erwirken, beide Substanzen innerlich zu einer Substanz ohne Scheidung sich einigen müssen. Das Bleiben der Akzidentien ist aber an der umgewandelten Substanz ebensowenig befremdlich wie an der umwandelnden und an denen, die sie sich durch die Nießung eingeleibt; weil, was im Wesen an sich vorgeht, wohl in der Erscheinung sich reflektieren kann, keineswegs aber notwendig sich reflektieren muß; wie denn gerade das Höchste dem Scheine am meisten sich entzieht. Daß aber ein solcher Reflex, in der Mitumwandlung auch der Akzidentien, in der Eucharistie eintreten kann, davon gibt die Geschichte der Heiligen in der Glorifizierung der Hostie und selbst der mit ihr Gespeisten historisch ganz unverwerfliche Zeugnisse in Menge; wie denn auch hinwiederum die Verklärung auf dem Tabor für die vom Willen des Gottmenschen abhängende periodische Wandlung des Menschen durch den Gott in ihm Zeugnis gibt. Hier sind also überall Vorgänge, die sich über die Natur, keineswegs aber solche, die sich wider die Natur begeben, es ist also keinerlei Art von Absurdität in ihnen; vielmehr ist die einzig würdige, vernünftige, mit sich selbst übereinstimmende Auslegung hier gegeben, weit gefehlt also, daß die Kirche, wie der Gegner ihr vorwirft, das heiligste Sakrament des Christentums, es aus den Gegenständen, die einer geistigen Durchdringung fähig sind, ausscheidend, zu einem harten, unbeweglichen und undurchsichtigen Grundstein des Kirchengebäudes gemacht; ist es vielmehr unter ihrer Behandlung zum schlagenden Herzpunkte des kirchlichen Lebens geworden, das die Strömung, die zuerst vom großen Lebengeber ausgegangen, in dem durch alle Zeiten sich fortsetzenden Opfer durch alle Pulse treibt und in ihr den großen kirchlichen Leib fort und fort erbaut. Dagegen kann man mit vollem Rechte von den Reformatoren sagen, daß unter den Händen der einen das fließende Leben zur Steinhärte erstarrt, während es unter denen der anderen sich verflüchtigt, daß es dem Irdischen sich beinahe ganz entzogen, wie daher die katholische Kirche in Mitte der anderen Konfessionen die Kirche schlechthin ist, so muß auch ihr heiligstes Sakrament als das Sakrament vorzugsweise anerkannt werden, während das der anderen nur den Sakramentalien zugerechnet werden kann. Und eben weil sie dieses Sakramentes in ganzer Fülle inneren göttlichen Lebens und in ihm der steten Gegenwart ihres Gründers sich allein erfreut, darum hat sie auch allein ein Opfer und mit ihm ein wahres Priestertum; ein Opfer, das, wie es urbildlich in der Ewigkeit ein in steter Gegenwärtigkeit stehendes Selbstopfer des göttlichen Oberpriesters ist; so in der Zeitlichkeit abbildlich durch die immer fortgesetzte Darbringung des allerwärts gegenwärtigen Opferleibes durch das irdische Priestertum sich unaufhörlich wiederholt. Ein solches Opfer, das von der Erde bis in die Tiefen des Himmels hineinreicht, nun ein Götzenopfer zu nennen, die Priesterschaft aber, die es darbringt, ein Priestertum Baals, des Deus in pyxide, ist eine Blasphemie, die an der ununterrichteten Menge, als aus der traurigsten und wahrhaft grauenerweckenden Verblendung hervorgegangen, bedauert werden kann, bei den Einsichtigeren aber eine Sünde gegen den Heiligen Geist ist, der nicht vergeben wird ...

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[Einsetzung der Apostel, Aufbau der Kirche]

Es entsteht hier zuerst die Frage, wie stand der Herr zu seinen Aposteln, als er noch auf Erden gewandelt und in den ersten Zeiten der Keim der ganzen Kirche sich in ihnen um ihn her zusammenschloß? War er Mensch unter Menschen, primus inter pares, oder der Gottmensch über sie erhaben, sie aber die Diener ihres Meisters? Ohne Zweifel wird, wer dem Arianismus und Sozinianismus nicht verfallen will, zum letzteren sich bekennen; und die Worte, die er zu ihnen bei der Fußwaschung geredet, als er gesagt: der Knecht ist nicht größer denn sein Herr und der Apostel nicht höher denn der, der ihn gesendet, werden vollkommen dazu stimmen. Ist es aber also gewesen, dann war auch schon in diesem Keime die Schiednis zwischen einem Regierenden und Gehorchenden, zwischen dem Oberpriester und Laien vorhanden; und jener war in der Ordnung und Jurisdiktion der Fürst der Apostel, das Haupt der ganzen uranfänglichen Kirche, der Mittelpunkt der Einheit, der Hirt der Hirten und der Vater und Lehrer aller, die an ihn den Glauben hatten, vor seiner Hinfahrt ordnete er nun, daß es auf alle Zeiten also fortbestehe, damit, wenn der Keim in ihrem Verlaufe allmählich sich entfalte, es in demselben Gesetze und der gleichen Form geschehe. Darum hat er nun die Sakramente und vor allem das zentralste und heiligste von allen eingesetzt, damit er in seinem innersten Wesen wenn auch unsichtbar, doch substantiell in ihnen gegenwärtig bleibe. Alle insgesamt, die ihn nun in solcher Gegenwärtigkeit aufnehmen in diesen seinen Gaben, finden sich durch siebenfaches Band mit ihm und in ihm unter sich geeignet zur katholischen Kirche im umfassendsten, allgemeinsten Sinne. Und weil nun in den Sakramenten, besonders in dem der Eucharistie, die äußere Erscheinung, die natürliche Substanz, ohne welche das Sakrament nicht sein würde, ganz aufgeht in die Göttlichkeit des Leibes und des Blutes, darum ist diese innerliche sakramentalische Kirche in Wahrheit das, was die protestantische oben von sich gerühmt: in ihr sei die Erscheinung der Wahrheit und Geistigkeit untergeordnet; denn in einem fortdauernden Aneignungsprozesse begriffen, soll sie diesem Zustande vorwiegender Geistigkeit immer näher und näher kommen, wenn aber in dieser Anordnung das eine Verhältnis des Gottmenschen zu seiner kirchlichen Umgebung, das organische der Gemeinschaft in Leben und in Liebe, bleibend für alle Zeiten, namentlich in der Cöna sich festgestellt, dann bedurften auch die anderen das des Meisters zu seinen Untergebenen und das des Lehrers zu seinen Lehrlingen einer gleichen Feststellung, damit auch sozial und geistig bleibender Bestand der Kirche gesichert bleibe. Damit es nun zu einer solchen bleibenden Befestigung gedeihe, war ein Übertrag der Rechte des Meisters und des Lehrers an eine perennierende Stellvertretung gefordert. Diese angewiesen, einerseits das Wort von oben zu empfangen und es nach unten ungefälscht wieder unter den Menschen auszubreiten, andererseits aus derselben Quelle das Gebot an sich zu nehmen und es in der Gemeinde zu handhaben, mußte nun zwei Momente haben: ein nach aufwärts gekehrtes geistiges, wahrhaft wirkliches, und ein nach abwärts gewendetes leibliches, äußerlich erscheinendes, dem jenes höhere und in ihm der Herr stets gegenwärtig bleibt. Ist aber nun bei der ersten sakramentalischen Gegenwärtigkeit das geistige Moment das vorherrschende gewesen, so wird hier der Natur der Sache nach das in die Erscheinung tretende vorwiegend sein, und so wird die stellvertretende Institution der Art sich gestalten, daß in ihr das geistige, ohne welches sie doch nicht ist, zurücktritt und der Erscheinung sich unterordnet. Eine solche Institution aber ist die katholische Priesterschaft, die der Heiland zum Lehramt und zur Regierung seiner Kirche, zugleich aber auch zur Spendung seiner Sakramente eingesetzt, indem er, sie aus der Mitte des Volkes erwählend, zur Stellvertretung sie ermächtiget, nachdem er dem Menschlichen an ihnen die Gabe des heiligen Geistes als das höhere Moment hinzugetan, was also von den Gegnern als ausschließlicher Charakter der katholischen Kirche fälschlich angegeben wird, ist nur die eine Seite derselben; was sie aber als ihrer Kirche angehörig für sich in Anspruch nehmen, besitzt die andere vollkommener denn sie, und es bildet ihre innere gegen das höhere Leben gewendete Seite und findet sich an ihr jenem anderen Momente eingegeben.

In welcher Form ist aber nun dieser Übertrag geschehen? Zunächst im allgemeinen an seine sämtlichen Jünger, als er sie aussendend, wie ihn der Vater ausgesendet, sie angehaucht und zu ihnen gesagt: empfangt den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden nachlaßt, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten. Denn was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden auflösen werdet, wird auch im Himmel aufgelöset sein. Dann aber im besondern durch die ausdrückliche Substitution des Simon Petrus an seiner Stelle; einmal vor seinem Hingange, nachdem er ihn auf seinen Glauben geprüft, ihn nun zum Grundstein seiner Kirche untergelegt und ihm insonderheit die Schlüssel des Himmelreichs mit der Macht zu binden und zu lösen anvertraut. Dann nochmal nach seinem Hingange, als er auch seiner Liebe in dreimaliger Aufforderung sich versichert und ihm nun gleichfalls in dreimaliger Wiederholung die dargebrachte Huldigung mit den Worten: weide meine Lämmer, weide meine Schafe! erwidert. An alle also war der Übertrag der Gewalt geschehen; die höchste aber, die oberste Schlüsselgewalt, und das Oberhirtenamt dem einen zugeteilt; die andern sollten es in der Unterordnung unter ihn, ihr Haupt, ausüben. Aber wie? In dieser einfältigen Handlung sollte der Grund des ganzen Kirchengebäudes gegeben, in den einfachen Worten die ganze Verkettung von Konsequenzen gerechtfertigt sein, die man daraus abgeleitet. Allerdings, wie aus dem Keim der Eichel die ganze Eiche erwächst, so aus dem gelegten Grundstein in der Triebkraft des höheren Geistes der ganze Bau, und die wenigen Worte sind zu einer großen Rede ausgeschlagen. War der, der hier gehandelt, wirklich ein Gottmensch, dann mußte auch jede seiner Handlungen, die er in seinem großen Berufe gehandelt, das Gepräge dieser seiner zweigeeinten Natur an sich tragen; sie mußte in einem menschlichen Momente in den Komplex menschlicher Handlungen in der Geschichte eintreten und in einem göttlichen Elemente sich ebenso der Einheit göttlicher Tathandlungen und der in Ruhe stehenden Gegenwärtigkeit der Gottesgeschichte eingeben. Vermöge des ersten verlief die Handlung in Räumlichkeit und Zeitlichkeit; sie war in sich je nach wirkenden Ursachen und Endursachen geteilt und gab sich der Verkettung allgemeiner Ursachlichkeit ein, während sie vermöge des andern über Raum und Zeit und Kausalität hinaus, das alles überschauend, in ungeteilter Einigung über dieser Geteiltheit stand. Da beide Elemente aber nun wie die beiden Naturen des Handelnden wieder in Einheit sich verbunden fanden, so bildete das Höhere, dem Tieferen untergestellt, die Mitte und den inneren Träger dieses Tieferen, das seinerseits wieder, jenem nach unten unterstehend, den äußeren Träger und die Umhülle desselben hergab. So war also jede Handlung eine universalhistorische, derart, daß sie, unter einfacher Hülle den Kern eines Wunders bergend, als symbolische, zwiefache Wirksamkeit in Einheit beschloß. Sie war universalhistorisch, weil dem, der sie wirkte, als wirkende Kraft alle Macht im Himmel und auf Erden zugeteilt war, als Endziel aber die Erlösung des Geschlechtes ihm aufgegeben. Sie war aber zugleich auch ganz und gar persönlich und beschränkt, weil der, der sie vollzog, der Person nach in Knechtsgestalt in einem Winkel der Erde, den Völkern unbekannt, umwandelte. Die allerengste Fassung barg also den reichsten Inhalt; eine Fülle, die der augenblicklichen Gegenwart zwar gerecht, nur durch die Fülle der Zeiten einigermaßen sich aufschließen konnte, in ihrem Ausgange also arm und bescheiden ihren einwohnenden Reichtum durch alle Zukunft offenbarte. Wie um die Handlungen, so ist es auch um die Worte beschaffen, die der Handelnde dabei geredet. Wer da redete, war der Logos im Menschen und durch den Menschen. Der Mensch schaute und dachte und redete innerhalb der Schranken menschlicher Geistigkeit; der Logos aber schaute über diese Schranken hinaus Gottesschauungen, dachte Gottesgedanken und redete Gotteswort; die Gottesgedanken aber hüllten sich in Menschengedanken und so auch des Gottes Wort in Menschenworte, wie der Gott nun, die ganze Geschichte bis zum Ende der Dinge überschauend, das Ganze in steter Gegenwart vor sich sieht, so wird auch, was er in dieser Eigenschaft denkt und spricht, für die ganze Geschichte gedacht und geredet sein; weil es sich aber innerhalb der Schranken der menschlichen Person gefaßt ausspricht, darum wird es äußerlich nur der unmittelbaren Gegenwärtigkeit dieser Person anzugehören scheinen, innerlich aber die ganze Zukunft kernhaft in sich tragen. Er wird also in Symbolen und Parabeln reden, die unter unscheinbaren Worten unerschöpflich tiefen Inhalt bergen. Er wird reden, wie er da geredet, als er im Untergange Jerusalems den Untergang aller Dinge sehend, den Weltuntergang in den Formen der Zerstörung der Stadt ausgesprochen. Er wird zentrale, wurzelhafte, genetische Worte reden; Worte, die stammhaft eine ganze Deszendenz in die Zukunft hinaus begründen und ganz ideenhafter Art doch in Demut sich nur als Begriffe geben. Solcherart sind die Einsetzungsworte beim Nachtmahle gewesen; solcherart auch die von dem Felsen, den Schlüsseln, dem Weiden der Herde; und nun wundere man sich ferner noch, daß die Kirche so reichen Inhalt ihnen abgewonnen.

Wird also viel bedeutet durch die Rede, dann wird vor allem andern das Wesentlichste dadurch bedeutet. Wesentlich aber ist der Glaube und die Lehre; beide sind also zunächst mit dem Weiden und der Schlüsselgewalt gemeint, und in diesem Sinne heißt »weide meine Lämmer, weide meine Schafe!« speise sie mit dem Worte Gottes, führe sie auf die ewig grünen Auen der christlichen Lehre! Die Schlüssel aber wollen sagen, schließe den Gläubigen die Geheimnisse dieser Lehre und ihres Glaubens auf! Wer also auslegt, hat recht ausgelegt; er hat anerkannt, daß durch die Worte der Übertrag des Lehramtes und der Glaubenshut an die, zu welchen sie geredet worden, die sämtlichen Apostel mithin, geschehen; und zwar also, daß der Redende einem in ihrer Mitte die Oberhut und den Schlüssel zum innersten Schatz der Lehre und ihrer Deutung anvertraut hat. Damit ist aber keineswegs noch der ganze Inhalt der Worte erschöpft; denn es gibt noch mehr des wesentlichen, wofür Vorsehung getan werden mußte, und auch darauf wird in der Rede Bedacht genommen sein. Nicht bloß der Geist wird mit dem Worte geregelt und genährt, auch das Leben hat in den Sakramenten seine höhere Diätetik und seine Speise, damit, durch sie umgebildet, alle Gläubigen in einen Leib geeinigt in einem gesteigerten Leben sich behalten finden. Auch darauf mußten die Worte gehen, und sie sagen in diesem Sinne: Ihr, denen ich, euch anhauchend, den Geist dazu mitgeteilt, bereitet in seiner Kraft die Lebensspeise meiner Herde; euch vertraue ich die Schlüssel zu der Vorratskammer, die sie aufbewahrt, damit ihr als Speisemeister dem Bedürftigen spendet, was ihm frommt; führt bindend und lösend die ganze übrige Heilsordnung in gleicher Weise aus, damit alles, was in meiner Liebe und meinem Leben sich zu einem kirchlichen Organismus wohl gefügt, auch in rechter und voller Gesundheit blühe. So hat er also in dieser Bedeutung seiner Rede das Priestertum unter einem Oberpriestertum gegenüber einem Laientum in seiner Kirche eingesetzt und ein eigenes Sakrament dazu begründend, jenes dadurch mit dem Ganzen verbunden und verknüpft. Aber auch damit ist alle Bedeutung noch nicht gefunden und ausgelegt. Die Kirche soll nicht bloß im Glauben und im Leben, sie soll auch im Willen ethisch und korporativ zu einer Gemeinde sich erbauen. Jede Gemeinde aber besteht zunächst aus solchen, die da gebieten, und anderen, die gehorchen; beide müssen, soll es eine rechte Gemeinde werden, die ersten nach Graden, die anderen nach Massen gegliedert sein. Auch das also muß in jener Handlung geordnet und in den sie aussprechenden Worten ausgedrückt sich finden. Darum hat der Bauherr den Glauben des Simon Petrus zum Felsen genommen und hat ihn, den Felsenmann, als Grundstein seinem Kirchengebäude untergelegt, das dann in seinen anderen Gliederungen in den Aposteln und Jüngern je nach der Zwölfzahl und der sechsfachen Zwölfzahl und den anderen entsprechenden darüber aufsteigen sollte. Da der Hirt nicht bloß die Herde speist und tränkt, sondern sie auch führt und zusammenhält und überwacht, die sich Fernenden zurückrufend und die verirrten aufsuchend; da er ferner auch auf Mehrung seiner Herde bedacht ist und ihre Ausbreitung, da er endlich auch sie schützt und schirmt gegen den Einbruch wilder Gewalt: so ist auch darauf Bedacht genommen, und er hat, indem er den einen zum Oberhirten ernannt, ihn in Mitte der Gehilfen zum Führer, Schirmer und Mehrer der Gemeinde, zum Haupte der kirchlichen Hierarchie erwählt und mit den Worten »weide meine Schafe, weide meine Lämmer« ihm dazu die Investitur gegeben. Die Schlüssel endlich werden ihm allerdings die des Himmelreichs bedeutet haben, zugleich aber auch die dieser seiner Gemeinde unten an der Erde, so daß die, denen er sie zugeteilt, in die christliche Gemeinschaft aufnehmen und von ihr ausschließen mögen. Nicht bloß die äußeren Zugänge aber sind mit ihnen gemeint, auch was innen zu binden ist oder zu lösen je nach Ordnung und Disziplin, dazu ist die Gewalt mit den Schlüsseln übergeben worden: das Recht also zu weisen in allen kirchlichen Dingen, Sünden zu vergeben und zu behalten, Erlaubtes und Unerlaubtes festzustellen. So nur ist die Handlung ganz verstanden und der Sinn der Worte bis zum Innersten durchdrungen und in seiner ganzen Fülle erkannt; jener anderen Erklärung gegenüber, die einseitig nur das zutage Liegende erfassend, aus dem ganzen Reichtum, auch darin wieder dürftig, nur einen kleinsten Teil sich angeeignet. Die Kirche ist durch sie in allen ihren Gebieten begründet, geordnet und festgestellt worden, so zwar, daß in allen die erstgesetzte Einheit mit einer Mehrheit sich in die Gestaltung des Ganzen zu teilen hat in einem Verhältnisse, über das nichts Besonderes im Einzelnen verfügt wird, das vielmehr der Zukunft unter der Lenkung des parallel überlassen bleibt ...

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[Göttlicher Ursprung der Rechte der Kirche]

Das Recht, auf das die Kirche Anspruch macht, ist nämlich auf die gleiche Linie mit der Wahrheit gestellt, zu der sie sich bekennt, und mit den Sakramenten, die sie spendet. So wenig, wie sie die Wahrheit sich gegeben und die Sakramente aus dem ihrigen genommen, so wenig hat sie sich auch dies ihr Recht gesetzt; sie hat vielmehr alles miteinander überkommen, und wie Lehre und Heilmittel göttlichen Ursprungs sind, so werden es auch ihre Rechte sein. Sie ist also von Gottes Gnaden, und sie ist es durch und durch und mehr als irgend etwas anderes, das also zum Bestand gekommen. Da nun an sie allein der Übertrag geschehen und sie auch allein authentisch durch ihre Geschichte und die Weltgeschichte nachweisen und erhärten kann, daß sie das Übertragene bis zu dieser Stunde von Generation zu Generation fortgepflanzt, so folgt daraus in aller Strenge, daß nur sie Anspruch auf ein göttliches Recht hat und von den andern nur jene, denen sie es übertragen und inwiefern sie es auf dieselben übertragen. Die anderen Konfessionen, die später aus ihrem Schoße hervorgegangen, haben also, was sie von solchen göttlichen Rechten, eben wie was sie von Wahrheit und Heilmitteln besitzen, nur von ihr, und zwar historisch vermöge des Ausgangs, den sie von ihr genommen. Die Kirche verhält sich zu ihnen wie im Bau der physischen Erde die ältere Formation der Urgebirge zu den spätern der Übergangsformationen und der angeschwemmten Gebirge. Das aus einer späteren Bildungszeit im Nachlaß der Kräfte hervorgegangene Gestein reicht weder in die Tiefe des primitiven hinab noch zu seiner Höhe hinauf, und indem jenes diesem sich angesetzt, hat sich ihm das Uranfängliche zugleich untergestellt und übergestellt und durchbricht es in den höchsten Gipfeln, während es in den größten Tiefen zugleich ihm sich unterbreitet, was also das Umhüllende hat, das hat es aus dem Umhüllten durch Derivation erlangt; das Äußerste ist durch Trümmerung des Innersten hervorgegangen, und indem es aus den Bestandteilen desselben zur Bresche sich zusammengesetzt, hat es nur Bestand und Masse, insofern das primitive in diesen Trümmerteilen noch in ihm zugegen ist; inwiefern es aber von ihm sich losreißend einer neuen Bildungszeit angehört und eine neue ihr zukommende Form angenommen, ist ihm ausgegangen, was in der früheren gelebt, und es ist an die neue angewiesen, wie also alle Wahrheit und alles Sakramentalische, was die anderen Konfessionen besitzen, ihnen nur durch die Vermittlung der Kirche, ihre historische Überlieferung nach der einen Seite und ihre fortdauernde virtuale Gegenwart nach der anderen, noch göttlich geblieben; so hat sich auch ihr Recht nur insofern und durch den gleichen Zwischentritt in diesem ursprünglichen Charakter erhalten; inwiefern sie daher und wie weit sie aus dieser Gemeinschaft ausgetreten, ist es ihnen in diesem seinem höheren Charakter hingeschwunden. Sie sind aber ausgeschieden, indem sie auf den Grund der Schrift zurückgehend vom parallel und seiner Wirksamkeit in der gesamten Kirche, auf der doch selbst die Schrift wieder ruht, sich losgesagt und ihn nur in sich subjektiv wirksam statuiert. Indem sie also eigenmächtig die vom Gründer begründete Ordnung aufgehoben, hat der Geist von oben in dem Maße, wie sie ihn verneint, auch hinwiederum sie verneint und sie ihrem eigenen menschlich persönlichen Geiste hingegeben. Mit dem Rechte, das sie mit sich dahingenommen, hat sich also eine entsprechende Veränderung zugetragen. Der Grund der Schrift ist ihm geblieben, aber die ganze objektive Seite seiner Entwicklung ist ihm zerstört; die bloß subjektive, die nicht vorwirken, sondern mitwirken sollte, hat sich erhalten, und für die mangelnde objektive haben sie nach eigenem Wohlbefinden eine ganz profane, zuletzt vom Staate ausgehende Rechtssetzung substituiert und so das ihnen im göttlichen Recht verkommene durch ein bloß konventionelles Recht ersetzt. Gott hat das indessen geschehen lassen, nach langem, blutigem Kampfe sind in Deutschland die Konfessionen, die gegen die Kirche aufgestanden, zur Rechtsgleichheit zugelassen. Die Kirche konnte nicht hintertreiben, was die höhere Macht gestattet. Aber Zulassung ist sehr verschieden von positiver Satzung; die Kirche konnte also, was Gott zugelassen, nicht als von Gott gesetzt anerkennen; sie konnte es nicht als eine Modifikation ihres göttlichen Rechtes auf seinem Grund und Boden sanktionieren, sie hätte dadurch ihr eigenes Prinzip vernichtet. Indem sie, mit jenem göttlichen Rechte zum menschlichen niedersteigend, auch nur teilweise die Gleichheit beider Rechte anerkannt, hätte sie die Wiedererhebung der Getrennten in der Rückkehr, die sie nie aufgeben darf, selbst unmöglich gemacht. Sie hat also getan, was ihres Amtes war, indem sie zwar nicht gutgeheißen, wohl aber zugelassen und nun die Rechtsgleichheit, und zwar insofern die andern Konfessionen auf menschlichem Rechte ruhen, gleichfalls auf dem Boden dieses Rechtes anerkannt; übrigens die Liebe, die an den christlichen Grund geknüpft, über allem Rechte liegt, unversehrt bewahrend. Die Konfessionen sind also nichts weniger als rechtlos, sie sind selbst am göttlichen Rechte Mitteilnehmer, inwiefern sie es anerkennen und seiner Satzung folgeleistend, sich noch zur Kirche halten; wie ja dadurch die Griechische Kirche sich die Sakramente, das Priestertum und bis auf die eine Unterscheidungslehre auch die Doktrin und insofern sie selbst den Papst als den Ersten der Patriarchen anzuerkennen sich willig gezeigt, auch die Hierarchie sich erhalten hat. Nur inwiefern sie und noch mehr die andern von diesem Rechte sich losgesagt und der gottgeordneten Unterwürfigkeit sich entziehend, dies höhere Recht durch ein menschlich konventionelles interpoliert, sind sie aus dieser Rechtssphäre ausgeschieden, und die Kirche hat auf dem Gebiete dieser andern die festgesetzte Rechtsgleichheit angenommen. So haben sich also um sie her neue Rechte gebildet, die, wenn sie dieselbe auch nicht als ebenbürtig mit den ihrigen betrachtet, ihr doch heilig und unverbrüchlich sein müssen. Denn sie gehören einem Rechtsgebiete an, das auch von Gott ist, und das Gott innerhalb der Grenze des menschlichen Geistes angelegt, die ihm gewährte Freiheit mit Schranken einhegend, die den Mißbrauch derselben nicht über eine gewisse Grenze hinaus gestatten ...

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[Gottgewollte Trennung von Kirche und Staat, Übergeordnetsein der Kirche]

Es ist aber gleich von vornherein nicht so sehr die Idee des Reiches Gottes, als vielmehr Gott selber, und zwar für die gesamte Christenheit zunächst der Christengott, der da in konkreter Einheit Staat und Kirche zusammenhält. Denn dies Reich tritt eben, vollkommen oder unvollkommen, nach außen in beiden hervor und kann nach dieser Seite nur durch eine Abstraktion von ihnen getrennt werden; nur nach der andern in Gott hat es einen reallebendigen Bestand für sich und fällt hier mit ihm selbst zusammen, eben wie sein ewiges Licht er selber ist. As offenbart sich aber dies Reich zunächst in zwei Reichen, dem Reiche der Gnade und dem Reiche der Natur, deren jedes wieder in zwei Unterreiche geteilt erscheint. Das Reich der Natur ist nämlich wieder geschieden in jenes, in dem die bloß physischen, mehr oder weniger der Notwendigkeit verfallenen Kräfte über physische Stoffe in Sichtbarkeit walten, und in das andere, wo unsichtbare, geistige Kräfte mit größerer oder geringerer Freiheit in organischen Gebilden wirken. Die geordnete Verbindung der Kräfte erster Gattung in den gegliederten Stoffen bildet das physische Unterreich, in das die höheren geistigen Kräfte durch die ihnen verbundene Weiblichkeit sich aufgenommen finden. Diese höheren Kräfte selbst, innerhalb dieser ihrer Umhülle in den einzelnen Persönlichkeiten in gleicher weise in einer gegliederten Ordnung zu einem Ganzen in Einheit verbunden, fügen zu dem zweiten Reiche, dem politischen oder dem Staate, sich zusammen. Das Reich der Gnade oder die Kirche hat sich ebenso wieder in zwei Unterreichen offenbart: die sichtbare nämlich, deren Genossen sich noch an die Leiblichkeit gebunden finden, und die unsichtbare, aus solchen geeint, die zwar von ihr befreit, doch in der einen Ordnung der Gebundenheit noch nicht ganz frei geworden und nur in der andern ihn entrückt, die triumphierende Gemeinschaft der Heiligen bilden. Die gottgegebene Folge dieser verschiedenen Ordnungen wird eben darum auch die gottgewollte sein; denn Gott ist es, der sie zuerst unterschieden und sie fortdauernd festhält in diesem ihrem Unterschiede. Zu diesem Behufe hat er jede an ein bestimmtes Prinzip geknüpft und einem bestimmten Gesetze sie untergeordnet, das sie zugleich abgrenzt und in ihrem Wesen sie bewahrt. Demgemäß ist dem physischen Reich das Prinzip dynamisch verbundener Kräfte zugeteilt und das Gesetz der mechanischen Notwendigkeit ihm eingelegt; während dem politischen Reiche geistige organisch-umhüllte Kräfte unterliegen, die im Gesetze moralisch-organischer Freiheit wirken. Der Kirche aber sind in ihren beiden Regionen überhin göttliche, durch den göttlichen Geist vermittelte, im Gesetze der Gnade wirksame Kräfte zugegeben: so zwar, daß sie in der höheren in größerer Unmittelbarkeit auch in unbedingter Freiheit walten, während sie in der unteren mehr durch die Verhältnisse des irdischen Lebens bedingt mit einer beschränkteren Freiheit sich äußern. So hat also jede dieser Anstalten eine ihr selbst vom Urheber abgegrenzte Sphäre, innerhalb welcher sie auf eigenem Grunde ruhend einen eigenen Bestand hat in sich, den sie nun behaupten muß, ohne den des anderen zu gefährden.

Aber alle, also geschieden voneinander, sind doch in erster Einheit wieder in Gott verbunden, und es entsteht sohin die nächste Frage: wie verhalten sie sich zu dieser Einheit und inwiefern wird durch ihr Verhältnis zu Gott ihr Verhältnis zueinander bedingt? Da ist nun klar, daß sie vor Gott, vor dem aller Unterschied verschwindet, und in ihrer göttlichen Wurzel wie gleichmäßig zu ihm gestellt, so auch gleichmäßig unter sich einander gegenüberstehen. Aber wenn dieselbe Gottheit in demselben einigen Tun in ihnen auch sich offenbart, so ist diese ihre Offenbarung doch in verschiedener Weise herausgetreten; innerhalb ihres Umkreises im kreatürlichen Gebiete gilt also keineswegs diese Gleichheit: sondern wie sie verschieden voneinander sind, so sind sie auch in ein verschiedenes Verhältnis zueinander und zu der ersten Einheit gestellt, und das erste Verhältnis ist durch das letzte bedingt. Wie nun alle Einheit über dem Geteilten steht, so wird auch das, was in seiner Stellung ihr näher gerückt, am meisten von ihr in sich hat, höher stehen, während was ihr und ihrer Freiheit ferner gestellt, mehr von dem Geteilten hat, in seiner Ordnung tiefer fällt. Das Verhältnis, in das sie zueinander treten, wird also ein Verhältnis gegenseitiger Unterordnung sein, in dem sich ihr höheres zur Einheit spiegelt. Es ist aber der Haushalt der Natur, weil durch die Gesetze physischer Notwendigkeit ein für allemal geregelt und darum, wie räumlich ausgedehnt er immer sein mag, doch zeitlich beschränkt, auf der untersten, weil freiheitfernsten und beschränktesten Stufe festgehalten. Darüber erhebt sich dann auf zweiter die moralisch-politische Ordnung in Gehorsam gebundener freier Individuen zur bürgerlichen Sozietät, die über die physische Verkettung der Dinge teilweise erhoben, eine andere freiere Kausalität in ihrer Mitte begründet. Noch höher findet die Kirche ihre Stelle, weil sie über der Sphäre des sozialen und noch vielmehr des Naturgesetzes eine dritte Gnadenordnung in freiester Wechselwirkung in sich beschließt, die in ihrer streitenden Hälfte noch enger mit den andern Ordnungen verschlungen, mannigfaltige Einwirkungen von ihnen empfängt, in ihrer triumphierenden aber, weil der persönlichen Gegenwart ihrer Einheit und ihres Herrn, der in der irdischen ihr nur sakramentalisch und mystisch gegenwärtig steht, sich erfreuend und in ihm unifiziert, ihrer Bedingung gänzlich sich entzieht. Darum wäre von den oben aufgestellten Sätzen der, welcher da aussagt: Kirche und Staat seien als gleich Berechtigte in der Wirklichkeit anzuerkennen, ganz und gar irrig und unrichtig, wenn er ein mehreres als die gleiche Berechtigung zur Wirklichkeit behaupten, und die Gleichheit auf ihre Stellung und ihr wechselseitiges Verhältnis ausdehnen wollte. Die Kirche ist vielmehr die erstgesetzte und die vorberechtigte; der Staat aber, wenn auch in sich selbständig, doch im Verhältnis zu ihr der zweitgesetzte und der zweitberechtigte, wo dann in Hallen des höheren Konfliktes das Untere sich nach dem Obern, nicht aber umgekehrt zu richten hat. Denn wie die sichtbare Welt nur ein Reflex ist der unsichtbaren und die in Dienstbarkeit hörige Erde der in der triumphierenden Kirche glorifizierten, so sind die streitende Kirche und der wehrhafte Staat – obgleich die eine wie der andere in einem aus eigenartiger Freiheit und Dienstbarkeit zusammengesetzten Verhältnis sich erbauen und in der Wechselwirkung beider eines immer etwas von der Art des andern an sich nimmt – in der Gesamtheit doch wieder relativ abgestuft und diese Kirche als die freiere dem gebundeneren Staate übergeordnet.

Wahr ist ferner, wenn gesagt wird: es komme der Kirche nicht zu, Staat zu sein, vorausgesetzt, daß auch auf der anderen Seite der Gegensatz Anerkenntnis findet, es komme dem Staate nicht zu, Kirche zu sein; was jedoch nur halb zugegeben wird in dem Satze: es sei ein ganz anderes Verhältnis, wenn die Kirche dem Staat in sich herüberziehe, oder der Staat die Kirche mit zu regieren unternimmt. Es ist vielmehr gar kein Unterschied; beide sind gleich sehr im Unrecht, wenn der eine in die eigentümliche Rechtssphäre des andern gewaltsam hinübergreifend sich ihm zu substituieren versucht; beide sind gleich sehr im Rechte, wenn in der ihnen gemeinsamen Sphäre die Kirche den Staat in ihrer Weise, der Staat die Kirche in der seinigen mit zu regieren unternimmt, wo nun der Staat des Glaubens der Kirche ist und mithin innerhalb derselben sich befindet, von ihr ganz erfüllt, obgleich sie keineswegs von ihm, da wird diese Sphäre der Gemeinsamkeit so weit gehen, als die Kirche, aus Staatsangehörigen zusammengesetzt, in der Erscheinung sich ausbreitet; so weit also wird auch nach beiden Seiten das gleichmäßige Regieren und Gehorchen sich austeilen. Ist dagegen der Staat, einem anderen Glauben zugefallen, nicht des Glaubens der Kirche und steht also außer ihr, dann findet eben deswegen keine solche gegenseitige Durchdringung und Durchwachsung statt, und da nun eine organisch-lebendige Vermittlung der Gegensätze in der Einheit hier nicht möglich ist, so können auch beide nicht in eine solche Gemeinsamkeit des Gebens und Nehmens zusammengehen, weil die Kirche sich alsdann bedroht sähe, durch den Mißbrauch der Staatsgewalt, diese aber hinwiederum durch die Angriffe der Kirchengewalt beeinträchtigt zu werden. Bei einer solchen Ordnung oder vielmehr Unordnung der Dinge kann daher von einer durchgebildeten lebendigen Einverleibung der beiden Mächte in ein ungeteiltes Ganze nicht die Rede sein; es bleibt nichts übrig, als nachdem eine die andere in ihrer Selbständigkeit nach Gebühr anerkannt, jeder eine eigene Sphäre einzuräumen, in der sie von der andern nicht geirrt werden darf. Weil aber nun beide Sphären also auseinander gehalten, obgleich die natürliche Einheit fehlt, doch wieder in einer künstlichen zusammengehen, so wird für die Berührungen, die an allen Grenzpunkten eintreten, auch das gegenseitige Verhältnis durch gütliche Übereinkunft zwischen dem besondern Staat und der Gesamtkirche von Macht zu Macht geordnet werden müssen, und es gibt keine anderweise, zum Ziel zu kommen. Staaten der Art mögen also politisch immerhin homogene und selbst absolutistisch-zentrierte Monarchien sein, als Totalitäten sind sie es in keiner Weise. Denn kirchlich sind sie bloße Bundesstaaten, aus der katholischen Kirche und den andern Konfessionen erbaut; und wenn diese letzteren nun auch in Hörigkeit der herrschenden Einheit sich hingegeben, so hat die erste doch ihre ganze Selbständigkeit und Unabhängigkeit sich bewahrt, und sie ist ihr rechtlich aufs feierlichste garantiert; weswegen denn auch sie in keinem andern als einem bloßen Bundesverhältnis zum Staate steht, das von allen Garanten des europäischen Friedens gehandhabt werden muß ...


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