Joseph Görres
Eine Auswahl aus seinen Schriften
Joseph Görres

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Rheinischer Merkur

[Zum Beginn des Jahres 1814]

Die gegenwärtigen Blätter, deren Erscheinung auf kurze Zeit unterbrochen war, sollen auf Anregung der höheren Behörde von neuem fortgesetzt werden. Aber wie in den wenigen Tagen dieser Unterbrechung unser Hand eine andere Gestalt gewonnen und ein gänzlicher Umschwung alle Verhältnisse umgekehrt, so auch soll diese Zeitung in Geist und Fassung her vorigen nicht mehr ähnlich sehen. Unter der strengen Zucht einer in diesem Fache überaus argwöhnischen Polizei konnte diese nichts als der elende Nachhall elender Pariser Blätter werden; ein Kanal mehr, durch den die Lüge und nichtswürdige Politik die Provinzen mit ihrem Gifte tränkte. Die Ereignisse der letztern Zeit haben diese unheilsamen Wässer von unserm Lande abgedämmt, und es ist also geordnet in der Welt, daß, hat das Schlechte erst einmal sein Ziel gefunden, das Gute von selbst sich einzufinden pflegt. Aber auch zu mehr als einer gewöhnlichen Zeitung möchte die neue Redaktion dies Blatt erheben, nach ihrem Wunsche, und wenn die Mitbürger ihren Beistand nicht versagen, soll sie eine Stimme der Völkerschaften diesseits des Rheines werden.

Es hat im Laufe dieser Zeiten ein Ereignis sich ergeben, das überraschend, bewundernswürdig, ja erstaunlich die Gestalt der Welt und das Schicksal des Geschlechts auf viele Menschenalter begründen wird. Das teutsche Volt, durch Dünkel, Habsucht, Neid und Unverstand längst schon tausendfältig in sich selbst entzweit, durch Trägheit und Erschlaffung aufgelöst und darum einem übermütigen Feinde von der Vorsicht preisgegeben, der alle Gewalttätigkeit seiner Revolution zu ihm hinübertrug; dies Volk, gedemütigt, gedrückt, unter die Füße getreten, verspottet und gehöhnt, entwaffnet oder gegen sich selbst zum Streite angehetzt, hat wie ein gebundener Riese mit einem sich erhoben, und alle Ketten sind wie eine böse Verblendung von ihm abgefallen, und die ihn plagten, sind vergangen, wie üble Träume mit dem Licht des Morgens. Und nun, da der Arm des Bösen, der so schwer auf ihm gelegen, zerbrochen ist, gibt sich erst kund, welch unversiegliche Quelle alles Guten in diesem Volke fließt, und wie die Feinde, die alles ihm geraubt, den alten Schatz der Treue, des Mutes und der Vaterlandsliebe nicht ihm rauben können. Durch alle Völkerschaften, die den Boden des alten Germaniens bedecken, geht ein Geist freudiger Entsagung und mutigen Zusammenhaltens, eine schöne Begeisterung glüht in aller Herzen, statt der vorigen dumpfen Betäubung ist eine muntere Regsamkeit eingetreten, eine klare Anschauung der Weltverhältnisse nimmt die Stelle kläglichen Unverstandes ein, das Talent, das wie versiegt schien in flacher Erbärmlichkeit, hat in allen Fächern sich hervorgetan, und ein edler Gemeingeist, der den Teutschen so fremd geworden, umschlingt, wie jene Kette den Heerhaufen der Teutonen, so den großen Bund mit festem Band. Die Folgen dieser Erhebung einer starken Nation sind schon in die Weltgeschichte aufgenommen; die Schlacht bei Leipzig hat ihresgleichen nicht an Wichtigkeit, seit jener auf den Katalaunischen Feldern; und seit dem großen Bunde der Germanier gegen die römische Oberherrschaft hat Teutschland nie so eins in sich, so wehrhaft, so gründlich stark und unüberwindlich dagestanden. Offenbar sind die Teutschen das Organ geworden, in dem die Geschichte weiterwirkt; über den Heeren der Verbündeten schwebt, jedem Auge sichtbar, die ewige Vergeltung und mißt jedem mit dem Maße ein, womit er ausgemessen; durch ihre Siege haben die Fügungen der Vorsehung sich kundgegeben, die nicht dem Zufalle preisgibt die Ereignisse, daß die Lüge herrsche und die Schlechtigkeit, sondern die nach Maß und Recht zügelt jede freche Gewalt und alles zum Guten lenkt. Und das ist das erfreulichste von allem, daß die Rechtlichkeit der Nation nach so arger Mißhandlung und so glänzenden Siegen sich kundgibt in jener Mäßigung der Führer des Bundes, die dem niedergeworfenen Feinde nicht Mißhandlung, Knechtschaft und Schande bietet und dadurch die gerechte Nemesis wieder gegen sich selbst bewaffnet, sondern in ehrenvollem Frieden ebensosehr sein Glück wie das eigene begründen will. Dies schöne Maß, das die Deutschen ihrer großen frei gemachten Kraft gegeben, verbürgt ihnen mit Sicherheit den siegreichen Ausgang des Kampfes, der nun seinem Ende naht. Die Begeisterung aber, die sich in der Nation geregt, und die noch lange nachglühen wird, wenn der Streit beider Völker längst beigelegt, wird, während sie ihre künftige äußere Sicherheit begründet, jeglichem Guten Bahn machen, das ein Volk beglücken mag, und das Jahrhundert, das so viele Schmach gesehen, kann leicht in seinem Verlaufe die besten Zeiten Altteutschlands wiederkehren sehen. Auch die Länder diesseits des Rheines haben seit dem Beginne der geschriebenen Geschichte dem teutschen Stamme angehört; öfter ihre Regenten wechselnd, haben sie durch alle die Jahrhunderte Sitten, Sprache, Nationalcharakter unverändert beibehalten. Als die Gewalt der Revolution die Waffen Frankreichs nach Teutschland trieb, wurden sie erobert: welches auch damals der Gegensatz der Parteien sein mochte, alle waren sie eins darin, die Vereinigung mit einem fremden Volke als ein großes Übel zu betrachten. Jahrelang dauerte der Widerstand der Eingeborenen gegen die ausländische Macht; als endlich politische Verhandlungen ihr Schicksal unwiderruflich bestimmt, fügten sie sich dem Unabwendbaren und wurden ruhige, gehorsame Untertanen, aber ihr Herz blieb bei ihrer Nation, und sie hörten nicht auf, Teutsche zu sein. Der Oberfeldherr hat uns darüber ein ehrenvolles Zeugnis abgelegt, und sicher haben die Äußerungen des Volksgeistes, auf die er jenes Urteil gegründet, ihn nicht getäuscht. Die Masse des Volkes ist durch alle die Zeit der fremden Herrschaft sich selbst gleichgeblieben, keinerlei Art von Gallizismus hat unter ihm Platz greifen können, nicht einmal die Sprache hat merklich sich verschlimmert, es hat schwer an die neuen Herren sich gewöhnt und nie an ihren Bestand geglaubt, wenn einzelne von dem fremden Einflusse sich bemeistern ließen, dann ist das eine Sache, die billig persönlicher Willkür überlassen bleibt und jetzt von keinem Einfluß auf das Ganze ist.

Indessen während so das Volk in seinem richtigen Instinkte sich innerlich in keiner Weise irren ließ, hat man aus leicht begreiflichen Gründen geflissentlich alles getan, um es mit dem alten Vaterlande außer aller Verbindung zu setzen, damit die angeborene Liebe zu dem verwandten Stamme im Herzen erkalten und dafür eine neue Zuneigung sich ansetzen möge. Damit haben nach und nach wohl manche der alten Bande sich aufgelöst, die sonst Diesseits und Jenseits aneinanderknüpften; es ist eine Entfremdung in so manchen nationalen Beziehungen eingetreten und eine Abgeschlossenheit, als ob diese Länder auf einer Insel lägen, durch einen natürlichen Strom getrennt von Frankreich, durch einen künstlich gegrabenen Kanal aber geschieden vom teutschen Vaterlande. Raum mehr, als was das Gerücht gebracht, ist bis auf die letzte Zeit von den großen Ereignissen jenseits ins Innere vorgedrungen, und nur dunkel und im allgemeinen erkennt die große Menge, was jetzt die Welt bewegt, was jene eingebrochenen Heere so hoch begeistert und wieviel anders es geworden im alten Vaterlande. Dazu vorzüglich nun sind diese Blätter bestimmt, die Bewohner dieses Landes über jene Verhältnisse aufzuklären, damit sie ihre Zeit deutlich begreifen lernen und dann nach bestem Wissen ihre Partei ergreifen können. Denn obgleich wir einstweilen wahrscheinlich nicht in allem dem jenseitigen Teutschland gleichgestellt werden, wird doch unheilnehmende Kälte auch an uns nicht geduldet werden. Die verbündeten Heere haben uns einen großen Beweis gegeben, wie sie die alte Landsmannschaft in uns ehren, dadurch, daß sie gleich beim Einrücken uns als Freundesvolk behandelten. As ist billig, daß wir Freundschaft um Freundschaft geben und einer Macht, die so schonend sich angekündigt, mit dankbarer Gesinnung entgegenkommen. Die Verbündeten erwarten von uns, außer Erhaltung der inneren Ruhe, was sich von selbst versteht, zunächst, daß wir nach bestem Vermögen aus dem Ertrage unseres Landes, solange es not tut, ihre Heere auf ihrem siegreichen Zuge, wo sie dem Feinde teutscher Freiheit den Frieden abringen werden, unterstützen. Auch unsere Unabhängigkeit, und daß wir dem Stamme wiedergegeben werden, dem wir ursprünglich angehören, wird einer der Preise dieses Sieges sein. Wie sollten wir vorübergehende Opfer scheuen, um zu diesem Ziele zu gelangen, da wir so viele schon bringen mußten, die zu verderblichem Zwecke verwendet wurden; besonders da die natürliche Billigkeit, die unzertrennlich vom Charakter der Teutschen ist, uns verbürgt, daß nicht solche uns angemutet werden, die unsere Kräfte übersteigen. Über alles das werden diese Blätter die Gemüter zu verständigen suchen, damit jeder wisse, worauf die Zeit andringt, und was ihre Zeichen wollen; welcher Preis am Ziele wartet; welches die Mittel sind, um dahin zu gelangen, welche Entbehrungen der Drang der Ereignisse dieser Generation auflegt, und welches die Pflichten sind, deren Erfüllung das Vaterland von jedem fordert. So unterrichtet, wird jeder, der guten Willens ist, leicht das Haupt über den Druck der Gegenwart erheben; überzeugt, daß die ganze große Bewegung der europäischen Völkerschaften nur eine Krise ist, die zum Bessern führt, wird er ohne Murren dem, was unausweichlich andringt, sich unterwerfen. Im wechselseitigen Geben und Empfangen werden dann auch wieder sich die Fäden fester knüpfen, die zwanzigjährige Trennung vielleicht gelöst, und der Friede wird den Bund schon geschlossen finden, den er erst begründen wollte.

Aber auch dem jenseitigen Teutschland möchten diese Blätter gerne etwas werden. Denn einmal ist Wirkung und Rückwirkung immer gegenseitig, und während unser Volk vom Stamme sich getrennt, hat auch dieser jenem bis zu einem gewissen Punkte sich entfremdet. Jetzt, wo mit dem Erwachen des Nationalgeistes der Körper sich wieder in allen seinen Gliedern fühlt und ein reges Interesse auch die fernsten Völkerschaften teutscher Zunge und teutschen Herzens in einem gemeinsamen Gefühle zusammenfaßt, können wir hoffen, daß auch von dieser Seite die Verhältnisse alter Landsmannschaft von neuem sich knüpfen werden, und daß man uns in derselben Gesinnung entgegenkomme, in der wir dem Bunde nahen. Seit jenen zwanzig Jahren ist dieses Land in der Genossenschaft teutscher Völkerschaften beinahe ganz verstummt, und auch früher war es nicht eben sehr beredt; wir möchten in unserm Unternehmen diese rheinische Zunge im großen teutschen Orden, soviel an uns ist, wiederherstellen und ihr wieder Sitz und Stimme verschaffen im Rate der Brüder. Nicht unwürdig soll sie sich ankündigen, nicht in eiteln oder schlechten Worten reden, vielmehr soll sie die reine teutsche Sprache in ihrer ursprünglichen Unverfälschtheit, von aller ausländischen Beimischung ferngehalten, sprechen. Als Organ für die Mitteilung der Begebenheiten aber wird die Zeitschrift sich von selbst durch das Interesse, was die Nähe des Kriegsschauplatzes ihr geben muß, empfehlen.

Und somit möge denn dies Unternehmen unter glücklichem Gestirn beginnen; es sei derselbe Stern, der sooft über Germanien geleuchtet, als es frechem Übermute sich entgegengesetzt und tyrannischer Gewalt das Schwert entwunden, und der auch jetzt wieder hoch an seinem Himmel glänzt. In der großen Bewegung, die alle Geister jetzt umtreibt, wollen wir nicht müßig sein; wenig vermag freilich der einzelne, aber vieler Zusammenwirken fördert wohl das Werk, und wenn wir jetzt alle in einem einig sind, dann kann auch das Unbedeutende Wichtigkeit gewinnen. Darum scheuen wir uns nicht, einen Teil unserer Kraft und Zeit an dies Werk zu setzen, und die Wirkung unserer Bemühungen mag ausfallen, wie ein höherer Geist sie lenkt, aber zu keiner Zeit wird man das Zeugnis uns versagen, daß unsere Triebfedern untadelhaft gewesen sind.

(Nr. 1; 23. 1. 1814.)

... So lange soll Teutschland in Schande und Erniedrigung leben, preisgegeben eigenem Hader und fremdem Übermute, bis sein Volk sich wieder der Idee zugewendet, von der es sich, der Eigensucht nachjagend, losgesagt, und bis es durch wahrhaftige Gottesfurcht, gründlich treuen Sinn, festes Zusammenhalten in gleicher Begeisterung und bescheidener Selbstverleugnung, wieder tauglich worden, solche Werke auszuführen, wie es sie jetzt in seiner Versunkenheit aufgegeben...

(Nr. 151; 20.11.1814. Aus »Der Dom zu Köln«.)

*

Kritik am Teutschen

...Teutsch sind alle zuerst und im innersten ihres Wesens, dann folgt, was sie sonst sein mögen, wie das gemeinsame Vaterland innerhalb seiner Grenzen auf seinen Auen, Bergen und Marken die Gesamtheit der Bewohner hegt, so ist jenes auch der Grund, dem alle besondere Eigentümlichkeit aufgetragen worden; und lösen sich die Fäden jenes Grundgewebes, dann fällt von selber auseinander, was an sie befestigt worden. Damit in dem Andrange aller benachbarten Völker sich ein Volk behaupten könne, dürfen seine zerstreuten Kräfte nicht, von vielfach verschiedenen Mittelpunkten ausgehend und einander kreuzend, sich hemmen und ermatten; aus dem Innersten des geordneten Ganzen hervor müssen sie vielmehr nach verständiger Lenkung dem äußern Andrang begegnen und abwehren, was da einzudringen sucht. Es ist die Natur des Lebens wie alles Flüssigen, daß jeder Punkt nach allen Seiten drückt und treibt, wie er von allen Seiten Trieb und Druck empfängt; und doch rinnen die Ströme in festem Bette auf vorgezeichneter Bahn von den Bergen dem Meere zu, nachdem sie alle Seitenströme in sich aufgenommen. Das ist daher der gerechte Anspruch, den die Einheit macht, sie verlangt billig, die erste zu sein; sie will, daß die Eigentümlichkeit, ohne sich selber zu vergessen, ihr als untergeordnet diene; sie will ihre Ehre, und dann auch will sie die Achtung nicht versagen; ist sie von den Teilen selbst erst anerkannt, dann gibt sie, weit gefehlt, daß sie dieselbe in ihrem Bestande bedrohen sollte, ihnen vielmehr erst die wahre Begründung. Und das ist die rechte Mitte, in der das Eigentümliche und das Allgemeine sich in keiner Weise widersprechen; mag die Rose in hundert Blättern in reicher Fülle auseinanderbrechen, sind alle bei der Mitte festgehalten, dann wölbt sich das Ganze geschmeidig von selbst in die schöne Form. Nach beiden Seiten von diesem Gleichgewichte aber liegt die Ausweichung und das Verderben. Man hat in alten und neuen Zeiten gesehen, wie der allgemeine Despotismus immer darauf ausgegangen, alle Eigentümlichkeiten im Volke zu vernichten und alles Besondere in dieselbe Einförmigkeit aufzulösen...

Nun, treu, ehrlich und offenherzig, wie Teutsche sein sollten, besonders wenn sie über Dinge, die das gemeine Wesen betreffen, sich zu verständigen vorgenommen, müssen wir auch einige Worte reden über die unreinen Nebenwässer, die mit diesen klaren lebendigen Wellen sich vermischen und sie trüben und anschwellen, daß sie zu einem unreinen Sumpfe sich auseinanderbreiten. Das eine Wässerlein, das wie ein giftig-blauer Born im Grund aufquillt, ist der Neid und die Mißgunst gegeneinander, von dem die Teutschen wie von einem höllischen Satanas besessen sind. Wie etwas Großes aufgeht in ihrer Mitte, statt daß sie sich an ihm ergötzen und erfreuen sollten; statt daß ihr Herz in freudigem Überströmen sich ergösse und in edelm Stolze sich ihre Brust erhübe, empfinden sie nur allzuoft nichts als das drückende Gefühl der fremden Überlegenheit und feinden das Gute gehässig an, das sie mit fröhlichem Jubel begrüßen sollten. Statt daß sie an dem, was sie überragt, sich zu erheben versuchen sollten, rasten sie nicht und ruhen in keiner Weise, bis sie es zu sich herabgezogen, wenn nicht durch die Tat, doch durch üble Nachrede, Verleumden und ein Räsonieren ohne Grund und Boden und ohne Maß und Ende. In diesem feindlich-bösen Sinne haben im kleinen die ewigen Fehden der Gelehrten sich entsponnen und die fortdauernde Verschwörung der Gemeinheit gegen alles Ungemeine; von diesem Dämon getrieben, haben die Fürsten des Reiches gegen die kaiserliche Würde sich verschworen, bis sie dieselbe ganz heruntergebracht; in ihm feinden sich die teutschen Völkerschaften untereinander an, betrachten mit Scheelsucht, was sich durch Verdienst erheben will, gönnen lieber dem Auslande die Ehre, die sie untereinander sich versagen, und wollen eher von fremder Gewalt zertreten sein, als daß sie in Liebe und Einigkeit zusammenhielten und einer in des andern Macht und Größe seine Wohlfahrt sähe und beförderte. Nie ist ein Volk für solches Laster so gezüchtigt worden wie die Teutschen in dieser Zeit. Als das Maß voll gewesen, haben sie endlich ihren Irrtum eingesehen und ihre Zwietracht auf eine kleine Zeit vergessen; und sogleich ist der Segen dafür ihnen in reicher Fülle zugeströmt. Kaum, daß aber die Gefahr abgewendet, fängt die alte Unart schon wieder sich zu regen an; da zanken sie um den Anteil, den jeder am Erfolg gehabt, da ihnen Gott denselben doch als eine gemeinsame Gabe zugesendet; sie sehen einander mit mißtrauischen und unwilligen Blicken an, der gemeinen Sache ganz vergessend und sich versagend, was sie dem Feinde willig hingegeben, was der fremde Tyrann und sein hochmütig Volk ihnen angetan, wie er sie geschändet und geplagt, wie er bis zum tiefsten Gebeine sie zermalmt, wie er seine Meuten über ihre Häupter hergehetzt, daß ihr Antlitz an die Erde sich gebeugt und in den Staub gebissen: das fangen sie schon an aus dem Gedächtnis zu verlieren; und viele möchten lieber nochmals dem fremden Eroberer sich preisgegeben sehen, als daß sie einem aus ihrer Mitte die Macht vergönnten und die Würde und das Ansehen, um ihm zu widerstehen. Alles sind sie geneigt, der fremden übermütigen Gewalt zu verzeihen, und an Gehorsam gegen die frevelhafteste Willkür hat sie keiner übertroffen; sollen sie aber nun aus eignem, freiem Entschluß dem tiefgefühltesten Bedürfnis auch das kleinste Opfer bringen, größere Widerspenstigkeit kann auf Erden nicht erfunden werden. So unheilbar ist diese Torheit, daß sie nach den entsetzlichen Strafgerichten noch immer wacker sich erhalten hat; und kaum daß das Ungewitter am Himmel ausgedonnert, blickt sie schon wieder frisch und munter zum Verberg heraus, wohinein sie sich verkrochen hatte, und tut, als sei nichts vorgegangen.

Das andere Brünnlein, das gar träg und schlammig bei uns im Herzensgrund aufquillt und alles weit und breit versumpft, daß die Irrwische darauf ihren Gaukeltanz halten können, das ist die Bärenhäuterei, die wir mit sonstigem Guten von unsern Altvordern überkommen haben. Kaum daß wir uns einmal zusammengenommen und es zu einigem Erheblichen gebracht, gleich fängt es schon an in allen Gliedern uns zu ziehen, wir dehnen uns und gähnen, und unwiderstehlich treibt es uns, bis wir endlich wie Magnetisierte dem Drange nachgeben, und wir ruhen nicht, bis wir auf der breiten Bank der alten Faulenzerei wieder ausgestreckt daliegen, wir empören uns gegen Unfug und Ungebühr und Gewalt und Druck; gegen abgetragene Einrichtungen und alles, was verstorben von außen unser Leben hemmt: aber haben wir nun mit aller Gewalt es von uns abgewendet und ausgeworfen, nach kurzem Verzug erhebt sich wieder ein Sehnen und ein Verlangen; wir bemühen uns, bis wir dem Unfuge doch wieder eine liebliche Seite abgewonnen, dem unser Herz nachhängen kann; und ruhen nicht, bis wir im alten Unflat wieder uns weich gebettet haben. Wie wir Flegeln gestrichen und allen Spott ertragen haben, ist uns schnell vergessen; aber die Fleischtöpfe brodeln uns immer gar angenehm noch in den Ohren. Dazu hat diese Zeit eine herrliche Sophistik sich ersonnen; gar wohl der unlautern, eigennützigen, erbärmlichen Triebe sich bewußt, von denen sie sich bestimmen läßt, weiß sie doch das Rauhe sehr geschickt nach einwärts hineinzuwenden und nach außen hin schöne Empfindungen, romantische und altertümliche Gefühle und Achtung für Recht und Herkommen an den Tag zu geben; und während der Teufel gar ruhig und heimlich eingeschmiegt unter der Zunge liegt, ziehen ganze Züge schöner Sentiments und erhabener Worte andächtig über sie hinaus. Auch nicht einmal unsere eigene inländische Misere ist's, mit der wir eine solche sündhafte Liebelei zu treiben uns nicht schämen; nein, auch was uns die ausländische Dienstbarkeit aufgedrungen, kann, wenn es nur so lange sich behauptet hat, daß es den allerschlechtesten Eigennutz für sich gewonnen, die Neigung für sich erwecken. So besteht im Hessenlande eine ganze sogenannte Westfälische Partei, die überall sich zudrängt und geltend macht und nicht eben den alten Regenten, aber wohl das alte Unwesen, das er mit ihnen getrieben, aus ganzer Seele zurückwünscht. So im Rheinischen Bund und hier im Lande, »zwanzig Jahre, wo, nach Tacitus, nur Zwietracht und nicht Sitte noch Recht geherrscht, wo das Schändlichste ungestraft geblieben und das Sittliche zum Verderben geführt«, haben in so vieler Herzen nicht einen Abscheu zurückgelassen, vielmehr eine Sehnsucht und ein Verlangen, die verriegelten Höllentore wieder aufgehen zu sehen. Selbst beim Wehrstand hat der alte Satanas mit seiner Pracht und seinen Eitelkeiten und Auszeichnungen viele so geblendet, daß sie, vergessend, wie sie seine Aufmerksamkeit allein dadurch sich erworben, daß sie herzhaft in ihren eignen Eingeweiden gewütet, sich ihn zurückwünschen und die alte Ordnung der Dinge der gegenwärtigen Ehre vorziehen. Wir haben damit den höchsten Schimpf Teutschlands ausgesprochen und würden schamrot ob solchem Bekenntnis vor dem Auslande dastehen, wenn wir auf die Hülle nicht einiges Vertrauen hätten, die uns die der Fremde so schwer verständliche Sprache noch gestattet.

Wie nun jene Mißgunst alle Liebe und Einigkeit von je im Reiche zerstört und aufgehoben und Mißtrauen und Zwietracht unter alle Völkerschaften ausgesäet; so hat der andere böse Trug, der unsern Sinn umgaukelt, zu aller Zeit scheinbare Vorwände uns geboten, um jenes törichte Hadern zu beschönigen; und wenn der Himmel uns aus unserer Not geholfen und nun ein Letztes noch von uns verlangte, daß wir ständen auf festem Grunde, wie es dem Manne ziemt, und handelten und opferten, und bildeten, aus eigener Macht das Gute wählend, den Unrat aber dem Strom der Zeiten übergebend, daß er es von dannen spüle; dann sind wir immer ins alte Haus zurückgekrochen und haben unsere Faulheit und Schläfrigkeit geschickt mit unserer Liebe zum Herkömmlichen bemäntelt. Recht mit Vergnügen haben wir uns immer wieder in das alte Schlammbad herabgelassen, und es ist uns nimmer wohl geworden, als wenn wir recht darin wühlend und uns wälzend einander mit Kot besudeln konnten. Leider hat diese böse Art noch nicht von uns abgelassen; gedemütigt sind wir, aber nicht gebessert. Als wir im Unglück saßen und unseres Elends nicht Maß noch Ziel gewußt, da hat uns eine Reue und Zerknirschung angewandelt, und wir haben in gutem Vorsatz einander Treue und Liebe angelobt und Bereitwilligkeit, in alles Bessere einzugehen, was uns geboten würde; nun aber, wo der Sturm zum Schweigen gekommen, hört man schon wieder das alte wohlbekannte liebliche Getöne, das, mit dumpfem Gemurmel beginnend, bald in ein Schreien, Lärmen, Streiten übergeht und am Ende in allgemeine Erbitterung und Feindschaft zu endigen droht.

Das ist der Spiegel unserer Herrlichkeit, und er soll überall vorgehalten werden, wo sich Teutsche miteinander streiten, und die dann am wildesten toben, werden sicher am meisten im Bilde sich getroffen fühlen. Nichts ist leichter, als streitende Menschen zu versöhnen, wenn sie nur die Bestien erst zum Schweigen bringen und an die Kette legen, die im Zorne sich losgerissen und nun heulen und wüten, daß die Wahrheit nicht zu Worte kommt. Dringt jeder durch die harte Rinde der Eigensucht nur vor bis zu dem Brunnenquell von Recht, Gewissen und sittlicher Gesinnung, der mehr oder weniger verschüttet unter dem Unrat menschlicher Leidenschaften in eines jeden Brust klar und lebendig quillt; hat er nur erst die wilden fremden Wasser abgeleitet, daß in dem heitern Element das menschliche Antlitz unverzerrt sich spiegeln kann: dann ist alles auch gewonnen, und aller Streit ist gestillt und abgetan. Denn es wird nichts angesonnen, als was die Gerechtigkeit gebietet; und nichts verweigert als das Ungerechte, was sich selbst verbietet. Sind die Völker eines Stammes nur erst einverstanden, daß die Einheit, wie sie ihnen heilsam sich bewährt, so auch ihnen geboten ist; sind sie darüber zum klaren erst gekommen, daß alle rechte, wahre, urkundliche, innerlich bewährte Eigentümlichkeit, eben weil sie der Einheit keineswegs widerspricht, sondern vielmehr durch ihren gelinden Gegensatz sie erst recht lebendig macht, gesichert sein soll: dann ist aller Hader, der darüber weiter sich erhebt, vom Bösen eingeblasen, wenn er nicht etwa auf einem Mißverständnisse beruht, das durch wechselseitige Erörterung leicht sich heben läßt. Daß keinem Recht wird in der Welt, der es nicht zuvor verdient, daran soll keiner Zweifel hegen; daß sie aber Recht mit Unrecht also künstlich durcheinandermengen, das ist der Grund alles Streites, aller Gewalt und der Strafe, die ihr unausbleiblich auf dem Fuße folgt...

(Nr. 91, 92; 23., 25. 7. 1814. Aus Sachsens Pflicht u. Recht.)

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Die teutschen Zeitungen

Wir halten es nicht für unziemlich, jetzt, wo alle Zeitungen ein halbes Stufenjahr mit guten Vorsätzen zu Verbesserungen beginnen, aus der unsrigen heraus zu den andern ein wohlgemeintes Wort zu reden. Da Teutschland endlich wieder eine Geschichte gewonnen, da es in ihm zu einem Volk gekommen; zu einem Willen und zur öffentlichen Meinung, wird es sich wohl auch also fügen, daß es Zeitungen erhält, die mehr sind als der magre geist- und kraftlose Index dessen, was geschehen, wenn ein Volt teilnimmt am gemeinen Wohle; wenn es sich darüber zu verständigen sucht, was sich begibt; wenn es durch Taten und Aufopferungen sich wert gemacht, in den öffentlichen Angelegenheiten Stimme und Einfluß zu gewinnen; dann verlangt es nach solchen Blättern, die, was in allen Gemütern treibt und drängt, zur öffentlichen Erörterung bringen; die es verstehen, im Herzen der Nation zu lesen; die unerschrocken ihre Ansprüche zu verteidigen wissen; und die dabei, was die Menge dunkel und bewußtlos in sich fühlt, ihr selbst klar zu machen und deutlich ausgesprochen ihr wiederzugeben verstehen. Dahin ist es mit den Teutschen jetzt gekommen, das sollten die Zeitungen verstehen, sie sollen sich würdig machen, daß das Volk als seine Stimmführer sie achte und erkenne, und sie werden ein ehrenvoll und gesegnet Amt verwalten. Auch die Regierungen sollen das erkennen, keine falsche Angst soll sie antreiben, daß sie in diese heilsame Geisterbewegung im Innern ihrer Völker störend eingreifen; keine ängstlich furchtsame Zensur soll den allgemeinen Umlauf der Ideen hindern. Sind die Gedanken einmal erst entbunden; hat sich sogar, wie's allenthalben der Fall ist, das freimütige Wort schon dazu gefunden; wie ist es töricht, noch zuletzt den Buchstaben zu fesseln, und wer kann den süßen, faden Most aufhalten, wenn er zu seiner Zeit gekommen, daß er zu Weine wird. Keine Regierung wird bei den Teutschen, die so viel halten auf den freien, geistigen Verkehr, sich gründlicher verhaßt machen können als jene, die es etwa versuchen wollte, dem freimütigen Wahrheitssinne in diesen Zeiten Banden zu bereiten und im Reiche der Gedanken die vertriebene Sperre und die gesprengten Mautlinien anzulegen ...

Wir haben uns unter den bestehenden teutschen Blättern umgesehen, inwiefern sie bisheran in dieser hochwichtigen Zeit ihre Bestimmung verstanden haben, und es ist uns klar geworden, daß der bessere Geist in ihnen wenigstens mächtig zu regen sich beginnt. Sie haben alle mehr oder weniger eingesehen, daß sie zu etwas mehr da sind, als dem leeren Nachhall gleich bloß das Geschehene in trocknen, dürren Worten zu erzählen. Allgemein ist es als ein knechtischer Grundsatz verworfen, daß sie bloß Tatsachen erzählen und jedes Urteils sich enthalten sollen. Es entwickelt sich in allen mehr und mehr ein freier Sinn, selbst die Schläfrigsten nötigt die starke Zeit, daß sie sich rühren und Zeichen eines erwachenden Lebens von sich geben ...

Es ist nicht zu verkennen, daß, wo nicht äußerer Zwang alles gewaltsam niederhält, überall das dunkle Gefühl sich regt, es müsse etwas Besseres als das bisher Übliche geleistet werden; und die Zeit verlange ganz was anderes als das gewöhnliche leere politische Getratsche, womit man sich wohl ehehin gefristet. Dies dunkle, halb bewußtlose Gefühl soll man sich klar und deutlich machen; man soll erkennen, daß die Kraft und die Gelegenheit zu kostbar sind, um sie zu gewöhnlichem Zeitvertreibe zu mißbrauchen, weil das Volk verlangt, daß alle Stimmen, die da reden, zu seinem Wohle sprechen, weil die Zeit jetzt gekommen ist, wo gesäet soll werden für Jahrhunderte. Bis heran ist es so gehalten worden, daß die Fürsten mit ihren Räten auf der einen Seite standen und die Völker mit ihren Wünschen und Ansprüchen auf der andern, und daß selten nur eine unmittelbare Gemeinschaft die einen mit den andern verknüpfte. So ist es denn nur zu oft gekommen, daß beide einander entfremdet worden; daß der beste Willen der Fürsten verlorenging, weil ihm die feste, breite Begründung in der Nation gemangelt; und daß die gerechtesten Erwartungen der Völker in Nichts aufgegangen, weil ihr Ausdruck nicht zum Ohr derjenigen hat dringen können, die sie allein zu verwirklichen imstande waren. Aber auch hier hat die Zeit ganz ein anders herbeigeführt; sie hat durch das große Gottesurteil des Krieges klar gemacht, daß diese Scheidung in der Wurzel verderblich ist; so lange bis die Völker mit den Fürsten in den Streit gezogen, sind alle Anstrengungen zuschanden worden. Erst als die Gesamtheit sich erhoben und ihre Herzoge in die Mitte genommen und eine starke Schildburg um sie her gezogen, sind alle Angriffe des Feindes an dem undurchdringlichen Erz gescheitert. Wie im Kriege also die alte urteutsche Form als heilbringend sich bewährt, so soll sie auch im Frieden geehrt und angenommen werden. In der Mitte aller ist der Ort des Fürsten, um ihn her seine Edeln und die Führer; in weitem Kreise aber umfasse alle das Volk, ein großer offner Rat, wo mit dem Schilde das Zeichen des Beifalls und des Mißfallens gegeben wird. Die Stimmen aber, die da kundtun die Meinung der Versammlung, seien Herolde aus der Menge ausgewählt, als Männer bewährter Treue und geprüfter guter Gesinnung.

Das ist die Ansicht, die wir über diesen Gegenstand gefaßt, und wir glauben, es würde nichts verdorben sein, wenn sie allgemeine Annahme erhielte. Jeder öffentliche Redner hat eine mehr oder weniger zahlreiche Menge um sich her versammelt, die er im Guten oder Bösen leitet. Der ist strafbar, der, wenn ihm die Macht gegeben ist, Nützliches zu vollbringen, die schöne Gelegenheit aus Händen läßt. Dreifach strafbar aber ist der Müßige in dieser Zeit, wo so überaus viel guter Wille von allen Seiten jedem tüchtigen Bestreben entgegenkommt, und wo die Augenblicke so kostbar sind, weil an jedem ein künftiges Jahr hängt. All ihre Wünsche, alle Hoffnungen, alle ihre Überzeugungen muß die Nation an den bevorstehenden Reichstag und vor die Fürsten bringen; alles, was gegenwärtig in den Geistern treibt und sie bewegt, muß klar ausgesprochen sein. Darum soll keiner, dem Gott irgendein Talent verliehen, ruhen in dieser Zeit; er soll zum Besten des Ganzen es gebrauchen und fördern die gute Sache, soviel an ihm sein mag.

Es ist wohl schon ein erster Schritt zum Guten, das von außen entstandene Rechte zu erkennen und sich zum Werkzeug für die weitere Verbreitung des so Bekannten herzugeben; aber besser ist's, in eigner Selbsttätigkeit hervorzubringen. Und das ist der Punkt, wo es den meisten teutschen Blättern noch fehlt; sie haben sich dem Höhern wohl aufgeschlossen, aber sie wollen es nur in seltnen Ausnahmen selbst aus sich hervor zutage fördern. Das allein aber kann dem Guten den rechten Bestand gewähren, wenn es überall und an allen Orten in besonderer und eigentümlicher Weise aufkeimt und unaufhaltsam wie Gras und Kraut aus der Erde dringt. Dafür sind die Zeitungen bestellt, daß sie aussprechen, worüber alle einverstanden sind; und daß, wie keiner Völkerschaft mehr die rechte Gesinnung fehlt, so keiner auch der passende Laut abgehe. Örtlich dabei und bestimmt eigentümlich müßte jede auch erscheinen: wie in den verschiednen Landesstrichen die Mundart wechselt und überall dieselbe teutsche Sprache doch verständlich tönt; so müßten alle dieselbe Rede, aber jede in besondrer Weise führen, auf daß recht klar und deutlich werde, daß die Stimmung überall die gleiche und überall dasselbe Verlangen und die eine Liebe und derselbe Abscheu sei. Wohnt den Herausgebern selbst nicht die Gabe bei, zum Verständnis zu gelangen und das Verstandne zurückzugeben, dann sollen sie tüchtige Mitarbeiter sich beigesellen, die das Stumme mit der Rede zu beseelen imstande sind; und überall, wo sie danach nur zu suchen verstehen, werden sich solche finden, die gar wohl verdienen, als Stimmführer aufzutreten. Sie sollen wissen, daß die Zeit laut und dringend sie an diese ihre Pflicht erinnert, und daß sie alles Gemeine, Schlechte und Nichtige auf Seite treibt und in ihrem reißenden Strom zerreibt. Wollen sie auf die Dauer in ihrem Bestehen sich erhalten, dann wird es nur dadurch allein geschehen, daß sie sich selbst in der Wiedergeburt erneuen, wie die Zeit in gleicher Begnügung sich wiedergeboren hat. Haben sie sich selbst der Nation erst wert gemacht, dann wird diese sie auch liebgewinnen, sie wird sie als ihre Sprecher ehren, und das Schild der öffentlichen Meinung wird sie gegen jegliche Gefährde schützen.

(Nr. 80, 81; 1. und 3. 7. 1814.)

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[ Zur Pressefreiheit]

... Was im Gedankenreiche eines Volkes gärt und treibt, muß sich auch äußerlich kundtun können; keine größere Torheit als jene, die da meint, sie könne mit einer Handvoll Staub die brennende Lohe einer ganzen hochbewegten Zeit ersticken. Sogar einige Ausschweifung ist nicht zu achten, zuerst weil vom Worte zur Tat, besonders bei den teutschen, noch gar weit ist, und dann weil bei freier Diskussion jede zum äußersten getriebene Meinung schnell ihren Gegensatz hervorruft, der die Ansichten dann zur rechten Mitte führt. Und diese Mitte wird immer der Punkt sein, wohin die teutsche Nation bei der natürlichen Billigkeit und der Gutmütigkeit, die das Wesen ihres Charakters bildet, zurückkehren muß, wenn sie auch für einen Augenblick durch irgendeine Kühnheit sich hat heraustreiben lassen. Nur einzelne, die im Winkel genistet haben und deren Bestand auf das Dunkel angewiesen ist, scheuen die Preßfreiheit, dem Ganzen kann sie nimmer gefährlich sein. Gegen freche Anmaßlichkeit des Mißbrauchs hat der Staat hinreichende Gewähr, wenn der, so das Unverantwortliche geübt, weiß, daß man Rechenschaft von ihm verlangt, binnen den Grenzen des moralisch Erlaubten lasse man alles frei. Das ist die schlechteste Klugheit, die da meint, das wahrhaft Rechte, Große müsse noch von einer verlogenen, kleinen Klugheit gehütet werden. Nirgendwo ist die Presse freier als in England, und mitten in der Revolution hat man kein Übel davon entstehen sehen; unter allen Völkern aber kommt keines dem britischen näher als die Teutschen, weil beide eben aus einer Wurzel hervorgegangen sind ...

(Anm. z. Verfügung Friedr. Wilhelms III. Nr. 50; 1.5.1814.)

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[ Bemerkungen über die Stiftung eines Ehrenbandes]

Der Generalgouverneur von Frankfurt, Fürst Reuß-Greiz, hat mit Übereinstimmung sämtlicher regierenden Fürsten der Linie für die Mannschaft ihres Kontingents ein Ehrenband gestiftet, das einzig bestimmt ist, Taten und die Hingebung für die Erhaltung teutscher Freiheit durch Auszeichnung zu belohnen, und geknüpft an die Ehre dessen, der persönlich an dem Kampfe teilgenommen, ihn ins bürgerliche Leben begleitet und allein durch ehrlose Handlungen verscherzt werden kann. Diese Stiftung ist der Absicht nach löblich und gut; sie zeigt, wie allerwärts die Fürsten sich bemühen, das wahre Verdienst auszuzeichnen, und wie sie ihre Achtung kundtun für die Anstrengungen, die ihre Völker für das gemeine Beste gemacht haben. Doch hat die Sache auch noch eine andere Seite, die wir bei dieser Gelegenheit berühren möchten. Wir wünschen nämlich, daß durch recht viele Stiftungen und eine recht reichliche Verteilung solcher Ehrenzeichen diese Eitelkeit ihr baldiges Ziel finden möge. Das ganze Wesen der persönlichen Auszeichnung haben die Franzosen, dieses eitle, in immerwährender Selbstbeschauung begriffene Volk, erfunden; darauf ist es mit ihrer Kultur in Rußland eingeführt und dort noch überboten worden; und jetzt ist ganz Deutschland damit angesteckt, und das gediegenste Verdienst muß sich mit solchem unechten Flitter behangen sehen. Nichts widerstrebt mehr dem eigentlich teutschen Grundcharakter, und gewiß haben viele Tausende die Art von Beschämung gefühlt, die uns anwandeln würde, sollten wir etwa zum erstenmal mit solchem Glaskorallenstaat wie die Wilden der Südseeinseln erscheinen. Freilich stumpft die Gewohnheit solche Reizbarkeit ab, und am Ende kann auch der Teutsche zu der Narrheit kommen, daß er, wie jener Göttinger Professor der juristischen Fakultät, sich links malen läßt, neben seine Kollegen, die alle rechts hersehen, damit man im Bilde seinen westfälischen Orden wahrnehme. Geht man aber damit um, das rein Teutsche wiederherzustellen, dann muß man auch dieser Schminkerei entsagen, die gleich der andern vergiftet und entstellt. Der eigentlich teutsche Charakter liebt sich im Werke zu verlieren, alles Lob auf die gelungene vollbrachte Tat hinzulenken und die eigene Person bescheiden zu verbergen. Auf allen schönen Bildern der mittleren Zeit ist nie der Name des Künstlers zu bemerken; von so viel herrlichen Bauwerken kennt man nicht den Meister, der sie hervorgebracht; so viele Erfindungen sind da, ohne daß man den zu nennen weiß, in dessen Geiste sie zuerst entstanden sind. Später ist es herkömmlich geworden, daß die Persönlichkeit alle Aufmerksamkeit auf sich zu richten suchte, und daß das vollbringende Ich vor das Vollbrachte sich gestellt. Einiges vom alten wieder anzunehmen, würde uns, wie wir glauben, nicht übel zuträglich sein und uns besser kleiden als die Großsprecherei, die wir vom Ausland angenommen haben. Damit ist nun nicht gesagt, daß es ratsam sei, von oben herab diesem Einhalt zu tun; vielmehr muß hier alles ganz und gar von unten kommen. Solange die große Mehrheit daran Gefallen findet, ist ihr die Spielerei gar wohl zu gönnen; und solange die Auszeichnung Ehre bringt, mag man besonders mittelmäßiges Verdienst damit ablohnen: nur bei dem Größten müßte man billigerweise auch von oben herab eine Ausnahme machen.

(»Rheinischer Merkur«, Nr. 106; 2. 8. 1814.)

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Der Status quo

Davon wird neuerdings als von der Richtschnur für den künftigen Friedensvertrag geredet. Die Frage ist, was darunter denn zu verstehen sei.

Es soll der Zustand der Dinge vor dem Ausbruch des Krieges sein; wir werden wohl sehen, was damit begriffen wird, wenn wir ein Land des Weltteiles nach dem andern durchgehen.

Im Süden anzufangen bei Italien. Alle alten Fürsten auf die Inseln und ins Elend gejagt; der Adel zerstreut, mißhandelt oder verführt; die Geistlichkeit erniedrigt, geplagt, entehrt; das Volk von Kalabrien halb ausgerottet, von Neapel unterjocht, von Rom mißhandelt, von Toskana gedrückt, von Venedig herabgewürdigt, von der Lombardei verdorben, alle zusammen verarmt; Kirchen- und Staatsgut zum guten Teile verschleudert; das Privatvermögen zerrüttet, Handel und Gewerbe zerstört, die alte Sitte und Gesinnung vergessen; die Jugend durch schlechte Erziehung planmäßig verdorben; die öffentliche Moral vergiftet. Für das alles Soldatenkönige, ein sogenannter Ehrenadel, Pfaffen, Pöbel, einige notdürftige Polizei gegen Gauner und Bettler, durch Ausgraben verhunzte Altertümer, Bettel, Not und Elend überall. Das ist die Bilanz, die dem Status quo dort gezogen ist.

In Spanien ist ein königliches Volk zerrissen, zerfetzt, Ströme Blutes wie der Ebro des Landes aus seinen Adern geschlagen; die Gebeine seiner Söhne über alle seine Felder gestreut; seine Priester an die Bäume gehenkt, tausend und tausend seiner Bauern und Bürger erwürgt, weil sie gestritten für Ehre, Religion und Vaterland; seine Töchter geschändet, die Kinder ermordet und in Flammen begraben; Dörfer und Städte verbrannt und geplündert; alle Greuel geübt von einem Ende des Landes zum andern; alle Schandtaten begangen, die des Menschen Herz in seiner Verruchtheit zu ersinnen vermag; Qual und Tod und Feuer und Schwert bis zu den fernsten Landschaften des friedlich-ruhigen Volkes getragen, das ist der Status, den dort die Sünde und das Verbrechen gebrütet.

Gegenüber im andern Lande des Ostens eine breite Straße der Verwüstung und des Elends gezogen bis in die Tiefen von Asien hinein; an ihrem Ende die große Lärmstange für die Bewaffnung der Welt; die Hauptstadt in Flammen; brennende Städte und Dörfer zur Rechten und Linken fackeln dem Teufel auf seinem höllischen Zuge; eine Million Menschen ausgetrieben aus ruhiger Behausung und preisgegeben dem Hunger und Mangel und dem Tode: aber hintendrein auch der zornige Engel, der mit flammender Rute sie treibt und ihnen also vergilt, wie sie getan; der beste Friedensfürst, der einzig den wahren Status quo uns gebracht.

Und du, mein Vaterland! was hast du getragen und geduldet, wie haben sie dich geschändet und unter die Füße getreten; wie ist dies wütende Heer durch deine Straßen und Städte und Dörfer gefahren, daß deine zehn Kreise zu Hexenringen geworden, wo kein Gräschen mehr keimt; wie haben sie deine Söhne nicht gegeneinander bewaffnet, daß sie gleich den Schlangenzähnigen sich selber gewürgt; wie haben sie deine Fürsten geplagt, verführt, verdorben, zunichte gemacht; wie haben sie Schande ausgesät, wo sie gezogen, daß kaum das Ehrenschwert der letzten Zeit die reiche Ernte gezwungen. Du o Preußen! wie liegst du atemlos und erschöpft; wie ist nicht die Blüte deiner braven Jugend in diesem und vorigen Kämpfen gefallen; wie ist dein Wohlstand bis in die Wurzel zerrüttet, dein Nationalvermögen zerstreut; wie sind Adel und Städte und Landschaft, ohne die Möglichkeit wieder aufzukommen, verarmt; wie sind deine Lebensgeister, außer jenen, die bei den Heeren noch draußen, versiegt. Du Österreich! nenne das Land unter den deinen, in dem sie nicht gewütet hätten wie ein verzehrendes Feuer; suche das Bächlein des Wohlstandes, das sie nicht aufgetrocknet hätten, gierig wie ein heißer, brennender Wind aus der Wüste; zähle die Hunderttausende, die du verloren im Streite mit dem unersättlichen Ungetüm; ersinne eine Demütigung, die sie dir nicht angetan. Und du, o uneiniges vielgeteiltes Reich! wie hat die Schmach nicht gleich einem dichten Gewölke über dir gehangen, und die Wolken waren Scharen hungriger Geier, die lauernd in den Lüften und schwebend dahingen und herabschossen auf jede Beute, die auf Feld und Fluren sich regte; wo sind deine Fürsten, die stolzen Schildhalter und Schwertträger des Kaisers? Sie haben Kunkel und Rocken dem fremden Eroberer gehalten und ihre Krieger um den Sold der Schande verdingt; wie ist alles durcheinandergeworfen und übereinandergehäuft, ohne Sinn und Ordnung in dir.

Das ist ein kleiner Teil der Beschädigungen, die alle Völker erlitten, das der kleinste Teil deines Sündenregisters, o Volk! das Gott den Zeiten, aber auch dir selbst zur Geißel, in die Mitte Europas gesetzt, wir wissen gar wohl, daß Schuld nicht rein auf der einen Seite, Unschuld auf der andern liegt, sondern daß beides wie die Strafe sich gemischt; wir wissen, daß du auch gelitten und geblutet wie ein anderes durch eigenen Wahnsinn, auch wollen wir Frieden und Einverständnis nicht stören durch solche Betrachtung, der Wille würde ohnehin sich ohnmächtig befinden. Aber die Ansprüche der Völker möchten wir wieder beim Vertrage in die Erinnerung bringen, ob unser Wort vielleicht auf ein Ohr trifft, dem eine entscheidende Stimme im rechten Augenblicke beiwohnt, wir möchten nicht, daß falsche Großmut in unbewachtem Augenblicke das Heil von Jahrhunderten hingebe; wir möchten, daß ein tiefes Gefühl der erlittenen Unbill wahre gegen ihre glatten Worte, die sie zu allen Zeiten nichts gekostet haben.

Ihr Verlangen geht auf den Status quo innerhalb der alten Grenzen, und daß jedes seinen Schaden vor die Stirne schwitze, damit sie in einem halben Jahrhundert das vorige Spiele wieder beginnen können. Darum wird gezögert selbst mit den teutschen Festungen, damit sie dieselben als eine bewundernswerte Aufopferung beim Friedenswerke eingeben können. Darum tun sie, als ob sie an die Rückgabe dieser Länder glaubten, damit man andere Anforderungen an sie zu machen sich scheue, was Preußen soll ohne Kapital für seinen zerstörten Handel, was Österreich ohne Vermögen für seine gesunkene Industrie, was das Reich soll ohne unantastbare von Festungen und Gebirgen gehütete Grenze, ohne Elsaß, die Vogesen und Ardennen, was wir selber hier im Lande ohne unsere gestohlenen Domänen sollen, danach fragt die Arglist nimmer. Auf das wehrlose Reich hat sie abermals die Augen hin gerichtet und hofft mit den Fetzen daraus alle Parteien zufriedenzustellen. Sollten wir denn, was uns die Gewalt nicht abgewann, in unserer unbegreiflichen Gutmütigkeit der List hingeben? Wir glauben nicht im allermindesten, daß dergleichen wirklich geschehen wird, aber vielmehr, daß wir mit selbstgemachten Schrecken kämpfen; aber wovon die Welt spricht, das muß die Welt doch wissen, und es ist gut, auch das Unwahrscheinliche zu bedenken. Sollten sie den Status quo herstellen, wie er vor ihrer heillosen Revolution gewesen, sie wären ein unselig und verdorben Volk; müßten sie das Blut mit dem eigenen ersetzen, was sie vergießen machen, kein Tropfen würde in ihren Adern übrigbleiben; sollten sie Hab und Gut erstatten, das sie verdorben und geraubt, all ihr Besitz und sie selber mit müßten auf offenen Markt gebracht und den Meistbietenden ausgeschlagen werden. Im Innern müßten sie zuerst mit diesem Status quo beginnen und all den verschlungenen Raub der ganzen Welt wieder von sich geben, damit der alte Bettel wiederkehre. Auch ist mir mitnichten noch ihre Revolution geendet, noch immer steckt der Dorn im Fleische, der mit Schmerz und Blutvergießen herausgezogen werden muß. Und können sie dann nimmer ersetzen, was sie Übles angerichtet und angestiftet haben, dann mögen doch die andern ihre Rechte wahren und ihren teuer erkauften Vorteil nicht also aus den Händen geben; nie kehren diese Zeiten wieder, und lassen wir diese Gunst das Glückes uns also abschwatzen mit leeren Redensarten, sie ist uns auf immerdar verscherzt. Wie? dieser Aufstand aller Völker wäre darum vor sich gegangen, und die helle Begeisterung hätte deswegen in aller Herzen aufgeleuchtet, damit diese in ihrem Lande sich in Lüsten wälzen und, ihres Raubes genießend und sich erfreuend, ihr Gespötte mit der gutmütigen Torheit dieser Nordischen treiben könnten. Diese herrliche Armee hätte darum durch so viele Schlachten und Entbehrungen sich durchgeschlagen, damit diese, nachdem sie alle ihre Schuld auf einen einzigen Mann gewälzt, so guten Kaufes los und ledig nach kurzer Unterbrechung wieder fortfahren könnten, wo sie es zuvor gelassen. Sie haben bis auf den letzten Mann gestritten und sind überwunden worden; so mögen sie denn auch als Überwundene behandelt werden, nicht mit Härte, aber mit Gerechtigkeit. Der Himmel, der alle Dinge wohlgeleitet bis zu diesem Augenblicke, wird es auch, wie wir in blindem Vertrauen glauben, also fügen, daß es in der Entscheidung zu diesem Ziel gelangt und der Friede nichts Halbes gründet, da der Krieg rein und ganz entschieden hat, wie nie ein anderer Kampf.

(»Rheinischer Merkur« Nr. 47, 25. 4. 1814.)

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Napoleons Proklamation an die Völker Europas vor seinem Abzug auf die Insel Elba

Ich Napoleon Bonaparte, einst Kaiser der Franzosen, jetzt in das Privatleben zurückgekehrt, will der Welt ein Zeugnis zurücklassen über meine Gesinnungen und die Weise, wie ich gehandelt habe. Die zu meinen Füßen im Staube sich gewunden, lassen mich jetzt freche Reden hören. Nicht gegen sie will ich zu einer Verteidigung mich herablassen, noch ihre Schlechtigkeit ehren durch meinen Zorn, wie ich über ihre Häupter hergeschritten, so gehe ich verachtend durch den Dunst ihrer Worte vor. Auch nicht zu der Nachwelt will ich reden, sie ist wie die Mitwelt aus Toren, Schwachköpfen und wenigen Bösewichten gemischt. Mir selbst und meinem Leben sollen die Worte, die ich spreche, ein Denkmal sein; es mag in der Wüste der künftigen Zeiten stehen, wie ein einsamer Fels, den erloschenes Feuer einst zerrissen.

Den ersten Namen, die die Geschichte nennt, habe ich mich kühnlich beigezählt. Was die Römer Jahrhunderte gekostet, habe ich mit meiner einigen Kraft vollbracht und dreizehn Jahre lang die Welt in meinen Fesseln eng gehalten. Daß keiner meiner Zeitgenossen mir bei dem Werke beigestanden, beweist, daß sie in der Entscheidung alle mich verlassen haben, wenn andere mit ihrem Glücke kärglich bis zum Ende ihres Lebens hausgehalten, dann ist solche sparsame Geizigkeit ein Abscheu mir gewesen. Mäßig sonst in allem und gelassen, habe ich darin kein Maß anerkennen wollen. Freigebig und kaiserlich hab' ich verschwendet, was die Gestirne mir zugeteilt; und so ist es gekommen, daß all mein Reichtum ausgegeben war, als ich die Hälfte meiner Laufbahn überschritten. Ich habe es meiner unwürdig erachtet, zuletzt noch dem Triebe Gewalt anzutun, der immer zum Rechten mich geführt. Ich habe nie lernen wollen, mein Bezeigen nach der Zeit zu ändern und mich in die Gelegenheit zu fügen. Als ich jung gewesen, hab' ich bei den Haaren sie gebunden, und sie hat mir wie ein Weib gehorcht. Als ich ihren Unbestand bemerkt, hab' ich sie freigegeben ihrem eigenen Gelüste. Es schien mir größer, das Werk meines Lebens in verachtendem Stolze dem Untergange hinzuwerfen, als mit schwacher demütiger Nachgiebigkeit es dem Verderben zu entziehen. Sie meinten, ich habe mein Herz daran gehängt, aber es war nichts als das eitle Spiel meiner Jugend, mir selbst zum Ekel und Überdruß geworden. Um ein gutes Wort hätte ich das leere Wesen hingegeben; aber man mußte die halbe Welt in Aufruhr bringen, um es mir abzutrotzen. Als sie recht weit zum letzten Streiche ausgeholt, trat ich ruhig auf die Seite, und sogleich war der Feind verschwunden, den sie zu suchen ausgezogen, und es wurde bis zum Lächerlichen klar, daß so große Kraft für nichts aufgeboten worden.

Der Anfang meiner Laufbahn ist in eine jener Zeiten hineingefallen, wo die Menschen übermütig, sich nach einem Zustand der Dinge sehnen, dem ihre Erbärmlichkeit doch nicht gewachsen ist. Verfassungen sollten gegründet werden, die nie in der Welt gewesen sind und nimmer darin kommen werden. Ich habe gleich im Beginne klar gesehen und keiner Torheit mich hingegeben, wenn ich ihre Sprache geredet habe, dann war's, weil die verrückte Welt damals andere nicht verstand. Mir sagte ein inwohnender Geist, daß ich zu Großem aufbehalten sei; aber ich habe mich nicht dazu gedrängt, ich habe meines Vorteils wahrgenommen, und übrigens durch die Ereignisse mich treiben lassen. Die Menschen sind so einfältig und so gewöhnt, den Zeiten nachzugeben, daß, wer da betrügen will, immer Leute findet, die sich betrügen lassen. Aber ich habe sie nicht betrogen, ihr eigener Unverstand hat sich jedesmal selbst verraten. Immer lag der Plan meines Lebens klar vor ihnen, wie die Bahn eines Himmelskörpers; und nie haben sie zu berechnen verstanden, wo sie mich finden würden ...

Schon alt und tief in der menschlichen Natur gegründet ist die Begierde nach der Herrschaft. Ich erkannte bald, wie diese Herrschaft und die Freiheit unverträglich seien. Auch das hab' ich erkannt, daß nichts so schwach und hinfällig sich beweise als eine Macht, die nicht auf eigenem Grunde ruht. Darum muß ein Fürst selbst Feldherr sein und all seinen Fleiß und seinen verstand auf die Kunst des Krieges wenden, die einzige Wissenschaft, die seiner würdig ist. Deswegen hab' ich frühe zu den Waffen mich gewendet und im Getümmel der Schlacht das Leben an mir und andern gering halten lernen ...

Zur Herrschaft war ich ... im eigenen Land gerufen, in meine Hände ward die Macht gelegt. Zögern und hingeben das gebotene Glück wäre Trägheit gewesen und Aberwitz, wenn auch die Dienstbarkeit mir Sicherheit und Gewähr gegeben hätte. Da brach ich ein in den Rat der Schwätzer, eine Trommel überlärmte all ihr schönes großes Reden von Freiheit und Republikanersinn, sie wurden auseinander gesprengt, und ich faßte die Zügel der höchsten Gewalt ...

Ich habe bald eingesehen, daß die Herrschaft nur durch dieselben Künste, wodurch man sie erlangt, behauptet werden kann. Rühmlich ist allein, was zur Sicherheit leitet, und alles ist erlaubt, was die Macht zu befestigen imstande ist. Eine neue und wankende Regierung wird nimmer durch Mäßigung und den alten Ernst erhalten. Durch Macht oder List allein kann man die Oberhand gewinnen, durch Macht und List nur läßt die Gewonnene sich verteidigen. Des Löwen Kraft und Stolz war meinem Wesen zugeteilt, die List habe ich im Beginne schon von außen mir zugesellt; wenn ich später mit ihr gebrochen habe, dann war's, weil sie mich überwachsen wollte. Neue Herrschaft muß grausam sein für ihre Sicherheit, darum habe ich die Familie der alten Fürsten des Landes auszurotten mich bemüht; die gefährlichsten unter den neuen Demagogen aber in Verschwörungen verwickelt und aufgerieben. Die törichten Ideen von Freiheit und Unabhängigkeit, die im allgemeinen Umlauf waren, habe ich nach und nach eingewechselt, umgeprägt und mein Brustbild ihnen aufgedrückt. Die Helden des Tages, die Redner, die Philosophen, die Freiheitsprediger, die tugendhaften Menschen, alle hab' ich sie gewonnen. Ich habe sie nicht verführt, ihre böse Lust hat sie getrieben, daß sie wie Mücken sich in mein flammend Licht gestürzt ...

Ich habe wohl gewußt, daß allzu große Macht nicht sicher ist, weil sie gegen sich den Haß erweckt, und doch habe ich keinen neben mir geduldet. Fürchten sie mich nur, dann mögen sie immerhin mich hassen, so war meine Satzung. Furcht ist besser denn die Liebe. Liebe geht hervor aus eigener Willkür, Furcht aber kommt von dem, der furchtbar sich gemacht. Darum soll der starke Fürst greifen nach dem, was er selbst gebieten kann, und dem Schwächling die andere überlassen. Nur die hab' ich geehrt, die sich gänzlich an mein Glück gehalten; haben sie das meinige, ich habe das ihrige besorgt. Nie habe ich mich in den Fall gesetzt, zu meinen Unternehmungen andere um ihren Beistand anzusprechen, ich habe immer zum Gehorchen sie gezwungen. Auf den Eigennutz hab' ich in den Grundlagen mein Werk gebaut, der Besitz macht, daß die Menschen besessen werden; keinen Trotz hab' ich gefunden, den das Anlachen des Goldes nicht besänftigt hätte. Du bist mein Herr, denn du erhältst mein Erbteil, wird ihnen in den Psalmen vorgesungen. Ich selbst habe den Vorwurf des Geizes nicht gescheut, weil ich nicht arm und verächtlich durch Verschwendung werden wollte ...

Auch kann der Fürst an sein Wort sich nimmer binden, will er irgend Großes leisten; allen ist es übel ausgeschlagen, die ängstlich nach Pflicht und Recht gehandelt haben. Gnade, Treue, Milde, Aufrichtigkeit, Geradheit, Wahrhaftigkeit, Religion, alles muß er anlegen wie Charaktermasken, dahinter aber soll er das Gegenteil von allem sein; denn er muß wissen, daß Recht und Unrecht nicht bis hinauf zu seinem Throne reicht, und daß der Gesetzgeber nicht dem Gesetze unterliegt ...

Ein finsteres Wesen hat immerdar in meiner Brust gehaust; wenn ich Böses tat nach der gemeinen Meinung, hat es schmeichelnd und lustig sich in mir geregt, beim Guten hat es wie mit scharfen Tatzen mich zerrissen ...

Gegen Teutschland hab' ich vor allem den Blick gewendet. Ein Volk ohne Vaterland, eine Verfassung ohne Einheit, Fürsten ohne Charakter und Gesinnung, ein Adel ohne Stolz und Kraft, das alles mußte leichte Beute mir versprechen. Seit Jahrhunderten nicht verteidigt und doch in Anspruch nicht genommen; voll Soldaten und ohne Heer, Untertanen und kein Regiment, so lag es von alter Trägheit einzig nur gehalten. Zwiespalt durfte ich nicht stiften unter ihnen, denn die Einigkeit war aus ihrer Mitte längst gewichen. Nur meine Netze durft ich stellen, und sie liefen mir wie scheues Wild von selbst hinein. Ihre Ehre hab' ich ihnen weggenommen, und der meinen sind sie darauf treuherzig nachgelaufen. Untereinander haben sie sich erwürgt, und glaubten redlich ihre Pflicht zu tun. Leichtgläubiger ist kein Volk gewesen, und töricht toller kein anderes auf Erden. Aberglauben haben sie mit mir getrieben, und als ich sie unter meinem Fuß zertrat, mit verhaßter Gutmütigkeit mich als ihren Abgott noch verehrt. Als ich sie mit Peitschen schlug und ihr Land zum Tummelplatz des ewigen Kriegs gemacht, haben ihre Dichter als den Friedensstifter mich besungen. Ihr müßig gelehrtes Volk hat alle seine hohlen Gespinste in mich hineingetragen und bald als das ewige Schicksal, den Weltbeglücker, die sichtbar gewordene Idee mich aus Herzensgrund verehrt. Lehrbücher haben sie auf mich gebaut und neue Weltsysteme, was ich so wild und heftig hingeworfen, ihre Politiker haben sogleich es mit Emsigkeit gehandhabt,Das zunächst Folgende darf nur als Auszug aus der Urschrift betrachtet werden, da wir es nicht über uns gewinnen konnten, alle Invektiven im einzelnen, und die Ausfälle auf ehrwürdige Gesamtheiten und Individuen diesen giftigen Blättern nachzuschreiben. (Fußnote von Görres.)] bis es recht stattlich in ihre Erbärmlichkeit sich eingefügt. Ihre feine Welt, die immer um französische Leichtigkeit gebuhlt, hat an dem Stachel meiner Rauheit so unermüdet ohne Unterlaß geleckt und die Schärfe mit ihrem Schleim begossen, bis sie ihr als die glatteste Artigkeit erschien. Die Fürsten haben zaghaft meine stolze Haltung angestaunt, und das Volk hat mir ein Lebehoch gerufen, wenn es blutend wie ein Wurm sich unter dem Hufe meines Pferdes wand. Keine Lüge ist so grob ersonnen worden, der sie nicht in unbegreiflicher Albernheit Glauben beigemessen hätten. Nichts Schandbares für sie ist vorgegangen, dem sie nicht eine schöne Seite abgewonnen. Über alles haben sie zu trösten sich gewußt; nachdem ich sie hundertmal betrogen, haben sie mir immer ihr Köstlichstes in Verwahr gegeben. Nachdem ich ihnen Teufel und Gift gewesen, haben sie in ihrer Einfalt sogar liebenswürdig mich gefunden. Wenn ich dem Wolfe gleich unter sie gebrochen, haben sie wie die Schafe in irgendeinen Winkel sich gedrängt und, mit den Füßen stampfend, albern mich angeblasen. Sich selbst und ihrem Blute haben sie entsagt, um zu ihrem Schimpfe mir zuzuhalten. Geglaubt haben sie an mich mit fester Halsstarrigkeit, da doch von Anfang an nichts glaublich an mir gewesen. Vom Ungeschicke haben sie eine Kunst gemacht und die Plumpheit in ein System gebracht. Wenn ich endlich einmal ihre süße, rosenrote Galle zum Überfließen aufgeregt, und sie sich zum Widerstande gegen mich erhoben, dann war's ein Jammer anzusehen, wie die Gesellen sich ungelenk benahmen. Was sie jahrelang mit großer Vorsicht überlegt, hab' ich jedesmal an einem Tag zunicht gemacht, weil ich immer von der Seite über sie gekommen, wo sie mich nicht erwartet hatten. Den höchsten Triumph ihrer Herrlichkeit haben sie damals auch gefeiert, als ich an ihre Spitze mich gesetzt und durch sie selbst ihr Reich gestürzt. Zwei Tage haben sie sich durch ihrer Hände Werk bereitet, die ihre Geschichte enden sollten, hätte ein Zufall sie nicht einmal noch gerettet. Lange habe ich unnötige Scheu im Herzen gegen sie getragen, und immer ist mir einiges Unbegreifliche an ihnen zurückgeblieben. Als ich sie kennenlernte, hab' ich sie stets verachtet und als Lakaien sie behandelt. Durch ihre Habsucht sind sie verdorben worden, ihren eignen Besitz hab' ich als Köder aufgestellt, um sie einzufangen, und wenn sie ihre Seele mir verschrieben hatten, hab' ich ruhig die Kaufsumme zum eignen Vorteil eingestrichen. Ihr Eigentum haben sie als Lösegeld für ihr Blut hingegeben und ihren Besitz wieder durch ihr Blut von mir erkaufen müssen. Die törichte Mißgunst, womit sie sich untereinander angefeindet, hab' ich zu meinem Gewinste wohl gehegt; immer haben sie mehr Erbitterung gegeneinander als gegen den wahren Feind gezeigt. Affen sind sie seit lange schon gewesen, und so haben sie auch meine Größe nachgeäfft. Alle Greuel des Despotismus haben sie mir abgelernt und es doch auch im Bösen nie zu mäßiger Vortrefflichkeit gebracht. Ich habe wohl auch zugegeben, daß ein und der andere meine Haltung nachgeahmt, mir mit Festigkeit getrotzet und die Welt mit Charakter belogen; ich wußte wohl, das sei alles nicht im Ernst gemeint, und in der Hauptsache sei man mit mir einverstanden. Starker Sünden haben sie seither reumütig sich angeklagt, die stärksten aber sind nicht die gewesen, so sie angegeben, sondern ihre Gier und ihre erbärmliche Eigensucht, wofür die Strafe ihnen reichlich zugewachsen. In einem hab' ich mit ihnen nur gefehlt, daß ich ihre Länder, die das Los der Waffen mir erworben, nicht ganz mir zugeeignet und ihre Städte verwüstet habe. Hätt' ich ihre Fürsten fortgejagt und ihren Adel gänzlich ausgetilgt und all ihr Gut als Staatsgut dem Verkaufe ausgestellt und andern Besitzern zugeteilt, meine Gewalt wäre festgegründet, und nimmer wären sie von mir abgefallen. Daß ich zu gelind und menschlich gegen sie verfahren, war mein Verderben, denn undankbar sind sie von Natur und keiner Wohltat eingedenk. Weil sie nicht zu hassen mich verstanden, hätt' ich auch nie auf ihre Treue zählen sollen ...

Als ich gesehen, daß mein Ziel gekommen, warf ich hinweg den Plunder, der mir nicht weiterdienen mochte. Die Menschen meinten in der pathetischen Gesinnung, worin sie die etwas aufgeregte Zeit gesetzt, ich sollte wie ein Theaterheld mit Gift und Dolch erhaben enden. Solchem Aberwitz zu frönen, ist fern von mir gewesen. Für die Welt zu sterben, hat mich nie gelüstet. Daß die Menge für den einen falle, hab' ich als das natürliche erkannt. Dazu bin ich heraufgekommen, daß ich tilge die schlaffe Lehre, die ein solcher Opfertod ins Volk gebracht. Daß ich Gott und die Welt, die friedselig sich versöhnt, entzweie, dazu hat mein Meister mich gesendet. Mitten im Werke sind sie von mir abgefallen, weil sie gleich erbärmlich in der Sünde wie in der Tugend sich erwiesen. Nicht zum Beglücken bin ich hergekommen. Die Tröpfe wähnten, sie zu beseligen hab' ich mich aufgemacht. Republiken, große Gedanken, Freiheit und wunderbarliche Verfassungen sollt ich ihnen bringen, dann hätten sie mir ihren Beifall zugewendet. Aber es wollte nicht sich also schicken, wie sie in ihrem Lammessinn geglaubt. Ich habe geredet von den großen Plänen, womit ich mich für sie getragen. Ich will sie ihnen mit wenig Worten hier erklären. Mich treibt der zornig bittre Geist des Hasses, und keine süße Liebe ist in mir. Zwischen Volk und Volk und Mensch und Mensch hab' ich mein scharf, zweischneidig Schwert hineingelegt, damit alle sich daran versehren und keine Gemeinschaft zwischen ihnen bleibe. Was bisher die Welt gebunden, ich hab' es alles lösen wollen, damit die Geschichte an mir zuschanden werde ...

Du aber, o Volk! das ich seither geführt, dich hatte mir die Macht eigens zum Werkzeug auserlesen, die mich gesendet hat. Da du nicht Charakter hast, noch einige stehende Form, so hab' ich den meinen dir gegeben, und ich lasse dir als Erbteil ihn zurück. Sie haben mich aus deiner Mitte abgetrieben, aber du bist ich, und sie werden mich nicht vernichtet haben, ehe dann sie dich selber ausgerottet. Die Revolution hab' ich besiegt und dann sie verschlungen und in mich aufgenommen, in ihr hab' ich gewirkt und in ihrer Kraft gehandelt. Nun ich weggetreten, geb ich sie euch unversehrt zurück und speie sie wieder aus in euch hinein. Und ihr werdet fortfahren, wo ihr geblieben seid, als ich zu euch zurückgekommen, denn mein Geist ruht über euch, wenn euch auch meine Person entbehrlich dünkt. Wähnt nicht, daß ihr also guten Kaufs zur Ruhe gelangen werdet. Nein, mein sengend Feuer hab' ich in eure Brust hineingeworfen; wenn es jetzt in erstickter Wut auch glimmt, es wird in hellen Flammen bald aufschlagen. Die Zwietracht ist mit euerm Wesen eins geworden, und der Haß hat euer Blut vergiftet. Keine Ruhe wohnt in euch, kein Friede kann einkehren in eurer Seele: denn euch ist kein Halt geblieben, kein fester Ort und kein Schwerpunkt, um den ihr zum Gleichgewicht ausschwingen möchtet. Alles ist unter den Händen euch zum Gespötte worden, so schweift ihr nun im Leeren wie Atome, die sich fliehen, der Zufall wird nicht kommen, der sie neu gestaltet. Ein wilder irrer Geist ist in euch eingekehrt, die alten Wiegenlieder werden ihn nicht beschwören können. Die Welt ist euer Haus geworden, die enge Heimat wird euch nimmer fassen. Den Krieg hab' ich zum Bedürfnis euch und zur Lust gemacht, ihr werdet nicht davon abzulassen imstande sein. Den Hochmut hab' ich in eure Seelen hineingelegt, er wird euch vor wie nach zu allem Bösen treiben. Mit dem Ungeheuer habe ich euch vertraut gemacht, daß Gewöhnliches euch unerträglich langweilig bedünken wird. Die Sünde ist euch eine liebe Braut geworden, von der ihr nicht lassen könnt. Da aller Besitz euer gewesen, werdet ihr die alte Armut unerträglich finden, und immer wird nach fremdem Wohlstand euch gelüsten. Da nichts heilig euch geblieben, so werdet ihr das Heillose allein verehren. Die Götzen, die ihr heute aufgerichtet, werdet ihr morgen mit eigner Hand zerbrechen. Die wilden Tiere, die ich eng in meine Ketten band, werden bald die seidnen Fäden zerreißen, worin sie scheinbar zahm, aber ungeduldig schon sich führen lassen, und dann werde ich gerochen sein. Nach meiner Herrschaft wird neue Sehnsucht in eurer Brust sich regen. Ihr werdet zu mir schreien und rufen, daß ich helfend komme, und die Tiger wieder binde, und das Unglück von euch wende. Aber kalt und ruhig werde ich auf meiner sichern Feste stehen. Ich werde nimmer kommen, und wollte ihr mir alle eure Jugend zur Sühne schlachten; nur wenn ich ratlos euch unglücklich weiß, und alle Welt wieder in Verwirrung und Unheil sich gelöst, dann erst ist meine Sendung zu ihrem End gekommen. Nicht ich will mich selber töten, nein, dies verhaßte Geschlecht soll sich in wütender Raserei selbst ermorden, damit vollendet werde, was ich angefangen. Das ist der Sinn der Worte, die ich früher wohl gesprochen, daß die Welt erfahren werde, was der Todeskampf eines großen Mannes zu bedeuten habe. Ist das erst zu seinem Schluß gediehen, dann werd' ich mit grimmiger Hohnlache von dannen fahren und wiederkehren, von wo ich hergekommen.

(Nr. 51, 54, 61; 3. bis 23. 5. 1814.)

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Napoleon in Frankreich I

Als die Wächter geschlafen haben und die Herren um den Mantel stritten und würfelten, hat der böse Geist, den man sorglos sich selber zur Bewahrung übergeben, den Stein von seiner Höhle weggerückt und ist in den Var entronnen.

Da für den, der Millionen zum Untergang gebracht, kein rächendes Eisen sich finden wollte, ja als die vier Boten der vier Verbündeten ihn mit eigner Lebensgefahr durch das wütende Volk zur Insel führten, da mußte in die Verzweiflung seines Herzens der Gedanke tröstend kommen, er sei als Werkzeug künftiger Verhängnisse aufgespart und werde einst wiederkehren, um die Schickungen zu erfüllen. Auf Jahresfrist hat er die Diener der Kaiserin vertröstet, als diese ihm mitzuziehen antragen lassen, und er hat die anberaumte Frist pünktlich eingehalten.

Klüglich genug hat er sich benommen, erst den Irren, Geistesabwesenden gespielt, dann die Engländer mit ihrer Eitelkeit gekirrt und sicher gemacht, sofort den Menschenscheuen aushängend, seine Pläne im geheimen angesponnen, seine Getreuen vor sich hergesendet und dann sich wieder auf das feste Land geschwungen, seine Insel mit dem Leben setzend an sein altes Reich. So ist ihm vorerst gelungen, das versammelte Europa zu überlisten und zu narren, ... so hat er sich wieder in die Geschichte eingedrungen; wird er ein Bote des Zornes für die Völker oder seines eigenen Gerichtes sein, wird sein Unternehmen zum Abenteuer oder zum Weltereignis werden? ...

Man kann sagen, wer so hoch gestanden und so tief gefallen, habe das Maß des Menschlichen erschöpft; man mag urteilen, es sei nicht möglich in der tiefen Ermüdung und Atemlosigkeit der Zeit, daß ein weit um sich greifendes Unternehmen zustande komme. Aber man kann auch das Gegenteil gar wohl glaublich finden, das Schicksal geht den alten Hünen gleich über die Bergeshäupter; unter den Menschen aber ist der furchtbarste Krampf gerade bei der tiefsten Erschöpfung. Darum liegen die Lose ungleich, und das günstigste Verhältnis kann sich zum Übeln neigen ...

Und was ist unseres Tuns in dieser Sache, wo ist der Ort, wo wir uns finden lassen müssen? Sicher in Frankreich, wann nicht gleich im Entstehen die Flamme gelöscht ist worden. Sollen wir wieder die verzagten, die halben Menschen hören, die zurücktreten vor jeder entschlossenen Tat, die getan sein will? ...

Nein nicht also! Wir wollen nicht mehr das Spiel dieses morschen, kraftlosen Geistes, ohne Weltverstand und Naturtrieb sein ...

Hadernd immerdar im Frieden und in der Ruhe, sind wir Deutsche bei dringender Gefahr immer eins gewesen. Darum laßt uns ausstoßen, was feindlich trennend in uns eingedrungen ...

Ist es also verhängt, wäre dem Bösen von neuem Macht gegeben, und soll die Welt abermal in Feuer aufgehen, dann sei wenigstens unsere erste Sorge, daß die Brandstätte nicht im eignen Lande angeschürt werde. Es gilt dann raschen und schnellen Entschluß, der dem Gange der Ereignisse, sobald er sich entwickeln mag, noch vorauseile; an jedem Tag würden die Schicksale von Jahren hängen, und jede Versäumnis würde schwer an uns gerochen werden. Sooft schon haben wir in untätigem Warten die Gelegenheit versäumt, in törichtem Hoffen, es werde sich alles geben, hat sooft das Schlimmste unvorbereitet uns getroffen; so laßt uns einmal dasselbe lieber gleich am Anfange fürchten und zur Abwendung schnell entschlossen all unsere Kraft zusammennehmen. Darum, wer wirken kann, der wirke, wer zu reden vermag, der rede, daß die unvermeidliche Tat einmal rasch wie der geschossene Pfeil von der Senne fahre, und sicher zum Ziele treffe ...

Was stärker sei in Frankreich, ob die bestehende Ordnung oder die Erinnerung des alten Fanatismus und das Andenken der vergangenen räuberischen Zeit, muß sich bald bewähren ... Der verzweifelte Mensch, unvermögend, länger den Hohn und Spott der Welt von seiner Insel anzuhören, hat seinen Plan auf die schlechten Leidenschaften, auf die Berserkerwut seiner alten Spießgesellen, auf das Unruhige und Unstäte und den wilden und greuelvollen Geist, der in sie gefahren ist, gestellt, Wie immer in allen seinen Unternehmungen, hat er alles auf einen Wurf gesetzt, das Leben diesmal, da ihm nichts anderes geblieben ist. Glück und Unglück des ersten Gefechtes wird entscheidend sein, ob er zur Grube fährt, wohin er so viele vor sich her gesendet, oder ob die kranke Zeit noch einmal einen Rückfall in die alte Raserei bestehen muß. Sein Tod wird der Welt die Ruhe geben, ist aber Sieg und Leben ihm beschieden, dann müssen wir rasch gerüstet stehen ...

Wie es falle, sollen wir den Gewinn uns nicht entgehen lassen, daß wir beim Anblick auch nur möglicher Gefahr uns wieder enger zusammenschließen; daß wir so manche kleinliche Erbärmlichkeit, die uns überschlichen, wieder von uns tun; daß wir, im Nachwirken wiedergefundner Erhebung, unser Werk gut und rasch vollenden, das bisher allerlei geheime Untugend und Sünde, die wir uns nicht bekennen mochten, verzögert hat. Das wird der letzte Liebesdienst gewesen sein, den uns der wütende Tyrann geleistet hat, den das giftige Zentaurenblut in Raserei zum verderben treibt.

(Nr. 20s; 15. 3. 1815.)

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Napoleon in Frankreich II

Der erste Wurf des blutigen Spieles, das nun beginnen soll, ist ausgespielt, und Napoleon hat ihn gewonnen. Er steht wieder an der Spitze eines starken Heeres, da und dort, und an vielen Orten bricht der Aufruhr aus, über die Folgen soll sich niemand weiter eine Täuschung machen ...

Wie ein Strom glühender Lava hat er sich ins ruhige Meer der Zeit hineingeworfen, daß die Wellen brausend um ihn her aufschäumen und der wilde Wogenschlag viele Inseln der Völker überschwemmen wird.

Die Zeit ist von neuem aus ihren Fugen herausgewichen, wehe denen, die geboren sind, sie wieder einzurichten! So mag die Zaghaftigkeit reden: wir aber müssen ohne Verzug zum Werke gehen, soll nicht alle Vorkehr unmöglich werden und das Verderben uns im Herzen unseres eigenen Landes überraschen.

Darum, ihr unsere Fürsten! eint euch schnell und rasch; laßt ihr euch noch einmal säumig finden, in einem Jahre sind die zehn Jahre abgelaufen, nach deren Verflusse er gesagt, daß seine Dynastie die älteste in Europa sein werde.

Es ist entsetzlich, daß es dahin hat kommen müssen; der Entschlossenste bebt zurück vor dem neuen Abgrund, der vor dem lebenden Geschlechte der Menschen von neuem sich eröffnet hat! Es ist schwer, ja unverantwortlich gefrevelt worden an Gott und dem Glücke und an den Völkern; aber verliert nicht die Zeit mit Hadern und Vorwürfe zu machen ...

Vorwärts, vorwärts soll jeder blicken, nur damit kann geholfen werden.

Eine Verschwörung ist angelegt worden, wie sie nicht die Geschichte kennt, über ganz Frankreich hat sie sich verbreitet, und Paris ist ihr Feuerherd gewesen; die Flamme läuft schnell von Süden heran, und mit einem Schlage ist die neue Ordnung in die Luft gesprengt, und der Vertriebne hat sich wieder in den Mittelpunkt der ganzen Kraft des Landes hineingeschwungen, und die Hölle ist wieder aufgegangen. Mit einer Hohnlache wird er die Welt begrüßen und darauf zerschmettern, was er nicht wohlgerüstet trifft.

Darum sollt ihr einen Diktator euch erwählen, der die ganze Kraft des Landes in seiner Hand vereinigt, ein dux fortissimus die unbeschränkte Macht für die Wohlfahrt des Ganzen in sich umschließt, damit alle Maßregeln zum gemeinen Zwecke führen und keiner es wagen dürfe, aus dem Vereine herauszutreten, ne respublica detrimentum capiat.

Wahret euch wohl, daß jene Verschwörung ihre Zweige nicht in unsere eigene Mitte selbst hinein verbreite und das Verderben uns aus eignem Schöße geboren werde. Ihr kennt sie, die gefährlich sind, Teutschland kennt sie nicht weniger, darum sorgt, daß es euch nicht wie den Bourbonen ergehe.

Auch die Verfassung werde in Schnelle danach eingerichtet, wie es die dringende Not der Zeit verlangt, kurz, energisch, kraftvoll in wenig Formen und Behörden: aber ruft das Volk hinzu, und gewinnt dem Werke ferner sein Vertrauen, denn ihr werdet es nur allzusehr nötig haben.

Ruft alle auf zur Wehr, was Waffen tragen mag, es ist nicht gemeine Not, die andringt, auch ist sie nicht mit gemeinen Mitteln zu bezwingen, dem Ungeheuern muß das Ungeheure entgegentreten, soll es gebändigt werden. Sie lassen nicht ab, wenn nicht ganz Europa in Waffen steht; sinnt ihr aber, und zagt und zögert, dann überfällt er euch wieder mitten in euern Plänen, und Europa ist verloren auf immerdar.

Glaubt ihm auch nicht, wenn er mit Mäßigung kommt, wenn er nur Billiges zu verlangen scheint, wenn er Ruhe verspricht auf Lebenszeit; ihr habt es sooft erfahren und erprüft, in diesem Abgrund, in dem alle Höllenflammen brennen, wohnt die Ruhe nimmer ...

Glaube keiner, daß es ihm gelingen werde, sich den hereinbrechenden Ereignissen durch Unterkriechen zu entziehen; streitet ihr nicht gegen ihn, dann reißt er euch mit auf seinem Wege, und ihr müßt mit ihm streiten. Die Opfer sind zum voraus schon gezählt, der Sieg ist in die Mitte gestellt, der Tätigste wird ihn gewinnen.

Amboß oder Hammer sein, gilt mehr, als es je gegolten ...

Ihr alle werdet die Gefahr fest ins Auge nehmen, und jetzt, wo es noch Zeit ist, ihr zu begegnen, euch gerüstet halten. Wie durch einen Zauber soll der alte Hercynische Wald wieder erwachsen und vom Ausfluß des Maines sechzig Tagreisen bis nach Ungarn ziehen; aber nicht Eichen, sondern Lanzen sollen in dem Dickicht stehen. Auch wo der Ardennerwald gestanden und in allen Niederlanden wird sich das Gehege schließen, und der Feind wird verloren sein, der sich in die Wildnis wagen wollte. Die Heere aber werden auf den ersten Wink der Fürsten versammelt in seinem Lande stehen.

Wird es also ernstlich gehalten werden, dann muß alle Gefahr, so drohend sie anwachsen möge, tief unter unsern Mitteln stehen, und nur Gutes wird aus dem Unheil uns erwachsen, das jetzt der Welt so furchtbar droht. Sie hatte ein Recht auf Ruhe sich erstritten; die sollen es bereuen, die aufs neue Unruhe und Aufruhr in sie bringen. In Zeiten großer Landesnot soll jeder sprechen, wie der Geist ihn treibt, darum werde das eifrig ungestüme Wort nicht zurückgewiesen.

(Nr. 210, 19. 3. 1815.)

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Ob Deutschland oder Frankreich seine Integrität wiedergewinnen wird?

Beunruhigende Gerüchte über die Wendung, so die Friedensverhandlungen genommen, laufen in Deutschland um; weil kein festes Vertrauen nirgendwo weder gewonnen noch gerechtfertigt worden, darum kann keine Hoffnung sich behaupten, und das Unbekannte, das sich entwickeln will, steht wie ein verhülltes großes Unglück in der zweifelhaften Besorgnis aller da.

Diesem Zagemut gegenüber hat der französische Übermut recht kecklich vertrauend sich breit ausgelegt; er meint, es könne ihm an sooft erprüfter müder, matter, verworrener, seelenloser Politik auch dasmal nicht mißlingen; sie habe bisheran immer mit so wahnsinniger Verschwendung hingeschleudert, was ihr der Sieg gewonnen, daß ihnen, obgleich bettelarm geworden durch die Widerwärtigkeit des Glückes, doch die Hoffnung, großen Reichtum in den trüben Wässern der Diplomatik wiederzugewinnen, nicht versagen könne.

... Sie breiten aus, die Unverletzlichkeit ihres Gebietes sei anerkannt, und nur die im Pariser Frieden gewonnenen Seelen würden drangegeben, und dann Landau, um die ungestümen Schreier im Lande zu befriedigen, auch etwas Geld, die Zinsen etwa des gewonnenen Raubes, wie sie seit der Schlacht von Leipzig aufgelaufen. Fremde Besatzungen sollten überdem die Festungen zwei Jahre lang bewahren, um sie, wenn Frankreich von seiner Niederlage sich erholt und die Heere wieder auf furchtbarem Fuße stehen, zurückzugeben.

Wir sagen, daß es nicht wahr, ja, daß es unmöglich sei, daß der Friede auf diese Bedingungen geschlossen werde. Denn erstlich, wo wäre eine Macht vermessen genug, also höhnisch allem Willen und der festesten Überzeugung des gesamten teutschen Volkes zuwiderzutun und ihm ein solches Friedensinstrument zur Sanktion zu bieten; wer wollte sich hergeben, einen Vertrag zu unterzeichnen, der als die versiegelte und bekräftigte Urkunde und Handfeste der höchsten Elendigkeit in aller Geschichte auf ewige Zeiten brennend stände und darum im Innern der hochragenden Vendomesäule als seinem Archive niedergelegt werden müßte?

Ist es etwa ein Geheimnis geblieben, was das teutsche Volk von diesem Frieden will und mit Fug erwartet, weil es nichts als sein Recht und die Bedingungen seines welthistorischen Daseins sucht. Ist es einer, sind es tausende, in denen allein die Überzeugung unerschütterlich geworden, daß die Grenzen erweitert und festgemacht werden müssen gegen Frankreich, wenn Teutschland würdig und ruhig bestehen soll, sind es nicht vielmehr dreißig Millionen, die einstimmig und unablässig dieselbe Sprache reden?

Sind es etwa die Gebildeten allein, die, vorwitzig der Zeit voraneilend, solche Forderung machen? so fragt doch nur in den Hütten der Bauern zu, hört den Bürger reden, vernehmt, was auf den Straßen und bei allen Zusammenkünften gesprochen wird, geht an die Weichsel, Elbe, Weser, forscht von der Donau zu dem Rheine, leset in den Schriften und allen Blättern, laßt die Heere sprechen, in allen Klassen und Ständen vernehmt ihr die gleiche Sprache, überall ein Wort, einen Sinn, einen Ausdruck; allen erscheint das Gegenteil wie Blödsinn und Aberwitz; alle setzen den Fluch darauf, andere Gedanken auch nur zu denken, kaum die Möglichkeit zugebend, daß sie zur Ausführung kommen könnten.

Und wer nun wollte das Wagnis übernehmen, einer so einstimmigen, einer so furchtbaren und geharnischten öffentlichen Meinung zu widerstehen; wer könnte es über sich gewinnen, einer Nation, die so entsetzlich geduldet, und dann so groß getan und gehandelt hat, mit einem solchen Werke, mit einem solchen Lohn für all ihre Mühen, unter die Augen zu treten ...

Es ist oft die Rede gegangen, wie man mit zaghafter Furchtsamkeit auf das Tun und Treiben der Franzosen sehe, wie man von geheim schlafenden Kräften und furchtbaren Explosionen träume, und darum schonend und nachgiebig gegen sie verfahre und zu nachteiligen Bedingungen sich verstehe. Das Vergeben ist uns immer abgeschmackt erschienen; nicht dort ruht die Gefahr, durch verkehrtes Benehmen und unüberlegte Maßregeln kann man zwar allerdings eine furchtbare Reaktion vorbereiten und zum Ausbruch bringen; aber dies ist nur die entferntere Sorge, die nähere droht im Rücken, es ist der gänzliche Sturz und Fall in der öffentlichen Meinung, die Überzeugung, die sich verbreiten würde, sogleich wie mit einem Blitzschlag, daß nun und nimmermehr etwas von solcher Kraftlosigkeit zu erwarten sei, und daß die Nation ein für allemal alle ihre Hoffnungen aufgeben und aller Erwartungen einer bessern Zukunft sich abtun müsse. In Zeiten, wo Staaten einzig auf dem Willen und dem Glauben aller ruhen, ist das die höchste Furcht und Gefahr, daß alle diesen Glauben und diese Überzeugung verlieren mögen, und die härteste nie genug zu scheuende Not muß ein solcher gänzlicher und vollendeter Bankbruch in der Meinung sein, die durch keinen Ersatz sich je wieder ungeschehen machen läßt.

Es ist auch keine Gewalt zu ersinnen, die einen solchen Frieden erzwungen haben könnte. Die Franzosen sind in den Gebeinen zermalmt, und ihnen ist all miteinander Atem und Kraft entwichen; sie fühlen selbst, wie sie unwiederbringlich verloren sind, wenn die Gegner ihren Vorteil nur halb verstehen. Auch die Täuschung kann nicht Platz greifen, die man früher wohl gehegt, daß man mit milden Gaben und Opfern den Teufel in ihnen beschwichtigen und die Ruhe Europas mit Schatzung erkaufen müsse; dieser Versteck, in dem sich im vorigen Jahr arglistige Eigensucht verborgen, ist jetzt ganz zugestellt, und sogar der Weg dahin verrannt. Die Drohungen und Prahlereien der einen Partei sind alle lächerlich geworden, und die andere weiß, daß die neue Ordnung nur auf der Macht unserer Bajonette ruht, und daß alles wieder in sich zusammenstürzt, wie diese einzige Stütze von ihr weicht.

Also wäre jeder Sieg, den sie in den diplomatischen Verhandlungen erstritten hätten, ihnen als freie Gnade hingebracht; es wäre ein Triumph, den sie ihrer Geistesüberlegenheit allein verdanken müßten, und dessen sie nicht ohne Grund sich überheben würden; es wäre klar an den Tag gekommen, daß nur auf sie, die sonst Wankelhaften, ein fester Verlaß sein könne, nie aber auf unsere ewig geteilte, immer zwiespältige, kleinlich-eifersüchtige Herrschaft; die Ohnmacht Teutschlands wäre unwiderleglich dargetan, seine Zinsbarkeit festgesetzt, und wenigstens eine Ausplünderung im Jahrhundert für dasselbe konstitutionell anerkannt und ausgesprochen.

Auch nicht würde man entschuldigend und beschönigend sagen können, es seien die andern Mächte, die durch ihr eifersüchtiges Widerstreben ein solches Resultat hervorgebracht; nein, es wäre einzig unser Mangel an Festigkeit und unsere jämmerliche Charakterlosigkeit, die uns dahin getrieben. Keiner von allen, die so auf Frieden und Beruhigung dringen, da wo es auf unsere Unkosten geschehen soll, wird ernstlich gesonnen sein, um Frankreichs willen und mit Frankreich einverstanden, einen Krieg mit uns anzufangen ...

Ihr schönen Rheinlande, eure Sicherheit und das Heil der teutschen Stämme, die euch bewohnen, wäre schmählich dahingegeben, ihr wäret die ersten bedauernswürdigen Opfer eines solchen Vertrags, und die erste sichere Beute des schlauen Feindes, der mitten in seiner tiefsten Erniedrigung und in seiner härtesten Unglückszeit den schönsten Sieg erfochten. Nicht lange genug hat auf euern Feldern der Krieg gerast, die Zahl der Jahrhunderte, in denen ihr diesem Volke preisgegeben seid, ist noch lange nicht erfüllt, noch auch ist des Blutes genug vergossen, wo irgendeines eurer alten Denkmale verwüstet steht, die Franzosen haben es ausgeführt; wo irgendein alter Tempel im Rauche aufgegangen, die Franzosen haben ihn angezündet; wo ein Palast in Trümmern liegt, dies Volk hat ihn zerstört; wo eine alte Stadt in Flammen aufgelodert, wo eine Festung gebrochen worden, alles ist von diesen Welschen hergekommen. Und wir hätten die Kraft und die Möglichkeit gehabt, diesen Feind ferne von uns und den Ufern des Rheines wegzuwerfen, alten Schaden wieder gutzumachen und neuen größern von uns abzuhalten, und hätten es versäumt und unsere Kinder und ihre Nachkommen in neue, notwendig für sie unglückliche Kriege hineingestoßen.

Und das jenseitige Teutschland, wird es besser gesichert sein? Wer den Rhein oder auch nur einen Teil des Rheins im Besitze hat, behält die Pulsader seines Lebens und somit sein Leben selbst in seiner Gewalt beschlossen, und Südteutschland, das hinter dem Bollwerk des Elsaß wohlgesichert läge, wird vor ihm, gerade wie die Rheinlande, immer der Schauplatz französischer Kriege sein. Man soll nicht sagen, die zweijährige Besetzung der Festungen würde immer ein vorteilhaftes Ereignis sein. Das könnte nur im Falle eines neuen Krieges sich bewähren, und soll dann der Aufruhr ewig auf der Erde dauern und überhaupt die Hoffnung immer und immer nur auf andere Zeiten sich vertrösten lassen? Auch will der Trost nur schlecht verschlagen, man würde, wäre die äußere Sicherheit nun also bedroht, um so ernster auf die Herstellung der innern Einheit sinnen; die Hoffnung läßt mit Hin- und Zurückweisen sich auf die Länge nicht zum besten haben und wirft lieber am Ende das ganze Narrenspiel unwillig aus den Händen. Und es wäre sehr unklug getan, wenn man es dahin kommen ließe, denn es könnte leicht geschehen, daß man sie nebst dem Glauben und der Liebe und Begeisterung, die mit ihr verbunden sind, wieder nötig hätte, und man würde schmerzlich sie vermissen, wenn sie um des Frevels willen, der an ihnen begangen worden, entwichen und verschwunden wäre.

Nein, wahrlich! Deutschland hat für seine Treue und seine große bewiesene Kraft ein besseres Los verdient, als daß ihm zu der Einheit seine Freiheit und mit der Verfassung seine Geschichte und nun noch obendrein seine äußere Sicherheit in die Zukunft geraubt werden sollte. Eins um das andere hat es sich abgewinnen lassen, um so sicherer hat es wenigstens das letzte noch gehofft, um mit ihm das andere oder doch wenigstens ein ruhiges Feld für seine inneren Bildungen zu gewinnen; sollte auch diese gerechte Erwartung getäuscht worden sein, was könnte übrigbleiben, was noch der Mühe wert wäre, den Affekt des Volkes zu gewinnen und seine Kraft in einem großen Triebe zu vereinigen. Das Geringste, was alsdann geschehen könnte, wäre, die Boten eines solchen Friedens, wie einen, der leide Mär bringt, aufzunehmen und den nächsten Gedächtnistag der großen Schlacht in einen Trauertag umzuwandeln, daß keine Flammen von den Bergen lodern und die tiefe Stille und Finsternis den dunklen stillen Schmerz der Nation ebenso kundgebe, wie die Flammen zuvor ihre Freude und ihre Hoffnungen verkündigt hatten.

Aber es soll auch niemand wähnen, daß ein so ungeheurer Betrug je historisch werden und vor Gottes Angesicht sich gültig machen könnte, und die alte Rede wird wieder neu; es ist alles nichtig, was nicht fest auf dem wesenhaften der Gerechtigkeit und Wahrheit ruht, und alles muß von vorne wieder gemacht werden, was nicht recht gemacht ist worden. So war es einmal schon ergangen, und so ist es die Art dieser Zeit, die ihre Werkzeuge nicht läßt und fest sie hält, bis sie in allem nach ihrem Willen Geziemendes getan, und die der Geschichte eine neue Epoche und dem teutschen Volke eine neue Wiedergeburt versprochen hat und ihr das Versprochene leisten wird.

(»Rheinischer Merkur« Nr. 300, 17. 9. 1815.)

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Der Sternenhimmel in der Neujahrsnacht 1815/16

Alltäglich, sobald das ewig klare, heitere Sonnenauge sich aufgetan und dem Menschen der Blick in die still strahlende, immer sich selbst gleiche Einheit der Dinge gestattet ist, erscheint ihm unter ihr die sichtbare Welt der Zeitlichkeit aufgedeckt; es drängt sich der Wechsel der Gestalten im rasch bewegten Leben, die Naturkräfte arbeiten emsiger in der Tiefe, die Lebensquellen steigen höher, bis zum Überfließen, die Zeit geht eilend ihren Weg, hinter ihr gießt die Geschichte ihre Ströme aus wolkenbedeckter Urne, und die Fluten rauschen der Eilenden nach, ewig bemüht, sie einzuholen.

Wenn aber allnächtlich die dunkle Erde wie ein Augenlid die strahlende Sehe zugedeckt und die lichtgewebte Decke aufgezogen, hinter der verhüllt das Geheimnisvolle ruht, dann ist die alte Nacht, die Mutter alles Geschaffenen, uns aufgegangen, die Fülle der Dinge hält sie in sich beschlossen, ewig ruhend, ewig tiefen Ernstes sinnend, in lautloser Stille harrend, hat sie ihre Sternenschleier durch die Unendlichkeit gebreitet, sie wallen und spielen, von Himmelslüften leicht bewegt, unter ihnen schlafen die Kräfte leisen Schlaf, in ihrem Arme ruht die Geschichte, Tod und Leben sind wie das Kreisen eines Sonnenstäubchens in Schatten und Licht in ihr befaßt, über ihr allein die stehende Ewigkeit, die alles Wandels frei geworden, und nicht den Tag kennt noch die Nacht, nicht Zukunft noch Vergangenheit, nur alles in einer bleibenden Gegenwart.

So gerne will der Tag die Nacht um ihre Geheimnisse befragen, die Mutter, die eher denn er dagewesen, soll ihm auch von der Zukunft weissagend Kunde geben. Das hat die Menschen von je getrieben, daß sie forschend zum Firmamente hinaufgesehen, und wie das Kind in den Augen der Mutter zu lesen sich bemüht, so in den Sternen Andeutung des Kommenden aufsuchen! Wie aber jede Nacht zur Einkehr in sich selber treibt, so ist es besonders die Nacht am Jahreswechsel, wo der Mensch gern einen Blick rückwärts und einen anderen vorwärts wirft und im Grauen der Geburtsstunde des neuen Jahres die Nebelgestalten der noch ungeborenen Ereignisse an sich vorübergehen läßt.

Aber unerbittlich ist die himmlische Sphinx, die Gott zur Hüterin der ewigen Geheimnisse gesetzt; aus tausend klaren Sternenaugen schaut sie uns unverrückten Blickes unbeweglich und unablässig an, die Geheimnisse unserer Brust sind ihr gar wohlbekannt, aber das ihre weiß sie sorglich zu bewahren; nicht zwar wie bei jener alten heidnischen muß der sterben, der ihre Rätsel nicht zu lösen imstande ist, aber wohl kann allein nur, wer durch den Tod gegangen, ihren geheimen Sinn erkennen, und ihre Aufgaben lösen, und ihre Antwort auf seine Fragen verstehen.

Träume wandeln seltsame Wolkengestalten durch den Schlaf des Menschen und stehen wie helle Bilder auf den dunkeln Hintergründe der Schlummerwelt. Mit solchen Träumen hat die Phantasie auch die Himmelsräume angefüllt, und die Sternbilder ziehen wie Gesichte am Firmamente auf und nieder, und die Feuerfunken, die durch die Weltnacht aufgesprüht, haben in der Einbildungskraft zu Gestalten sich zusammengetan, die die Festen des Himmels überdecken. Und wie das Wachen in den Traum hinüberspielt, und halb Erinnerung, halb Ahnung in dem Traum zusammenfließen, so hat auch halb aus der Geschichte und Dichtung jenes große Himmelsgemälde sich gewebt, und die Himmelszeichen geben wie Schlafwandler unfreiwillig und unbewußt dichtend und spielend die Vergangenheit und ihre Ereignisse in Bild und Traum zurück.

Wir blicken aus der Mitternacht sinnend in diese Traumwelt, stehende Typen alter großer Geschichtsformen geben ihre Bilder, tausendmal gesehen und gelesen, doch immer wieder einen passenden Sinn. Dieser Nimrod Orion, der in Südwesten von seinen Höllenhunden begleitet Schild und Keule hebt, er ist ewig das Bild gewalttätiger Tyrannei, die verwüstend durch alle Zeiten über die Erde geht; der Stier aber, den er bestreitet, das Symbol emsig unermüdeter Betriebsamkeit und aller ruhig-friedlichen Bürgertugenden, die durch den Übermut der Macht gestört und angefeindet werden. Aber der Kampf ist zu dieser Stunde für diesmal ausgekämpft, tief im Südwesten unter dem Äquator ist Cetus, das Ungeheuer festgebunden, und der Blutstrom, der unter dem Fußtritt des Tyrannen hervorgebrochen, folgt ihm als Eridanus in vielen Windungen zu seiner fernen Felsenklippe, bis dahin, wo der Phönix sich zum Selbstverbrennen in die Flammen stürzt. Furchtsam steigt die Taube mit dem Ölzweig im Süden über den Gesichtskreis auf, und Mast und Vorderteil des Schiffes, in dem die Kabiren die bessern Güter der Kultur und Sittlichkeit aus der Sintflut der letzten Zeit gerettet haben, tauchen aus dem Dunste des Mittags auf und dringen zur Sichtbarkeit vor. Aber im Südosten streckt sich in vielen Ringeln durch weite Räume hingewunden die Hydra aus, ihr Schweif steht, wo Wolf und Skorpion ihre Behausung haben, ihr Haupt sperrt den Rachen, wo der Krebs alles rückwärtsgehende negierende Streben bezeichnet, ihr Herz, in Gift und Hader vollgeschwollen, droht in der Richtung gegen Frankreich hin; der Becher, in dem sich gärend die feindlichen Elemente mischen, ist ihr aufgesetzt, unglückverkündend hat der Rabe auf ihrem Schweife sich seinen Platz ersehen; neues Unheil droht das furchtbare Gestirn, das immer höher steigend sich über den Horizont erhebt. Aber die Löwen, der Große samt dem Kleinen, sind schon zum Streite gerüstet; Bootes treibt seine Bären an, das deutsche Zwillingsgestirn steht als Hüter und glückverkündend Zeichen auf der Himmelshöhe, Perseus der Erdumwandler hat sein Schwert gezückt, in Mitternacht ist bei Friedrichsehre das schützende Kreuz über dem Schwan aufgepflanzt, und im Aufgange steht noch in Dunst eingeschleiert das Haupt der Jungfrau. Erst wenn das Ungeheuer im Abend zum Untergang gekommen, erst wenn die zweite Hydra besiegt zum Abgrunde niedersteigt, wird diese Asträa ganz wiederkehren, die Ähre in ihrer Hand, Reichtum und Überfluß bedeutend, wird über den Gesichtskreis steigen, und die Waage wird aufgehängt, in der Recht und Gerechtigkeit den Sterblichen gewogen werden, und die Krone wird am Ziele errungen sein.

So bedenklich und so tröstlich stehen in der Geburtsstunde des neuen Jahres die Himmelszeichen; sie stellen uns die kommenden Zeitläufe vor in ihrer Bilderschrift, wahrhaft und nicht trügend wie jene Sprüche, die die Astrologie in artikulierter Sprache vom Himmel abzulesen sich unterfangen, indem sie die Standsterne als Selbstlauter, die Wandelsterne als Mitlauter genommen, und in vielfältigen Verbindungen jene Sternensprache gebildet, die, in die Erdenrede zu übersetzen, der menschliche Verstand kecklich und übermütig sich angemaßt.

Aber in jedem Jahre, ja an jedem Tage kehrt dieselbe Stellung dieser Zeichen wieder, jedes Jahrhundert legt sich in demselben Kreislauf von Streit und Beruhigung zusammen, und das große Sternenjahr, in dem durch viele Jahrtausende in der Fortrückung aller Zeichen dieselbe Ordnung wiederkehrt, hat in seinem Beginnen dasselbe Horoskop und die gleiche Stellung der Aspekte. Denn auch die Geschichte zerfällt in eine Jahresfolge, wo jedes Element in sich wieder ein Bild des Ganzen ist und den Sternenhimmel in allen seinen Gegensätzen in sich spiegelt, so daß an der Erde unten und am Himmel oben, dort in der Wirklichkeit, hier im Bilde in allen wechselnden Formen doch im Innersten der nämliche Verlauf der Weltereignisse sich wiederholt.

Nicht ohne den tiefsten innern Grund ist diese Verkettung zwischen den Himmelsbildern, diesem großen apokalyptischen Panorama, und der Geschichte, wo eins immer wechselweise das andere deutet und bedeutet, wie die Naturkräfte rastlos ohne Aufhören immer wieder dasselbe Spiel beginnen, so sind die Leidenschaften an dasselbe ewig kreisende Rad geflochten, und durch jede Menschenbrust ist ein Eingang in jenen alten Tartarus, wo in dem Steine, der unermüdet bergan gewälzt, immer vom Gipfel rückwärts stürzt, in den Wässern, die oben zugetragen, unaufhörlich nach unten hin entrinnen, in der immer verzehrten und immer nachwachsenden Leber, das blinde und das kreisförmig in sich zurückkehrende Walten der blinden Menschenkräfte wie der Naturkräfte abgebildet ist. Darum, und weil die menschliche Natur also eingerichtet, daß sie zugleich die Schlangen und den Herkules, der sie erdrückt, aus sich selber ausgedährt, darum ist es auch um ihren unablässigen Streit also beschaffen, daß, wie der eine niedergekämpft ist, sogleich in der Ferne sich der andere im Morgen zeigt; daß aber auch jedesmal zugleich die helfenden, zuletzt siegenden Kräfte in den Aufgang treten und so immer abwechselnd in Gefahr, Streit und Sieg sich die Geschichte fortentwickelt.

Also ist es auch für das kommende Jahr von den Gestirnen vorbedeutet, und also wird es sich in seinem Verlauf bewähren. Darum sollen wir alle, die wir für das Gute streiten, die Wehr nicht von uns tun, damit die Gefahr uns nicht sorglos überfalle; ist ein Übel unter den Kreis der Sichtbarkeit hinabgekämpft, dann sollen wir allsogleich die Kraft für dies neu Eintretende in uns erwecken, und also wird aus Morgen und Abend ein Tag werden und viele Tage, und Gott wird sehen, daß es also gut sei, und darum allein wird es auch gut werden.

(»Rheinischer Merkur« Nr. 333, 2. 1. 1816.)


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