Joseph Görres
Eine Auswahl aus seinen Schriften
Joseph Görres

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Über Jean Paul Friedrich Richters sämtliche Schriften

... Nicht die Einfalt im Einfachen, wie das Altertum sie hatte, läßt sich vom neueren Dichter verlangen, aber wohl die Einfalt in der Vielheit, und den reinen Zusammenklang im Gewühl der Töne seiner Dichtung darf man ihm anmuten. Jene kolossalen Grundtypen in der Menschenbrust, die Hauptmetalle, die in ihr erklingen, und die Planeten, die in ihr regieren, hat allerdings das Altertum, so wie die neuere Zeit gekannt, aber das vielfach verworrene Spiel der andern Elemente, die kleineren Asteroiden und die ganze Kometenwelt in ihrer seltsamen ungebundenen Freiheit, alles das ist ihm größtenteils unbekannt geblieben ... Wohl verständigt über diese Bedeutung seiner Zeit und getrieben von ihrem Geiste, hat Jean Paul gedichtet, und viele seiner Zeitgenossen haben in gleichem Sinn gewirkt; es ist töricht, ihn und seinesgleichen, wie viele getan, zu messen mit dem Maß der Alten, wie in Breughels Paradiese hat er im Garten seiner Kunst alle Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels und Bäume und Kraut, von der Zeder bis zum Ysop gesammelt, und er nennt alles mit Namen und ordnet alles und legt jedes an seinen Ort zurecht, daß die Insel dem Sonnentische der Makrobier gleicht, der sich allnächtlich von selber deckt und zu dem die Himmlischen zum Schmause kommen. In des Malers Hölle läßt er uns dann hinunterblicken, und wir sehen die böse Feindin verschmachtend auf dem höllischen Geklippe im Feuermeer liegen und ihre Augen als schwarze fressende Sonnen die Glut verzehren und ihr Gelächter als heulender Sturmwind an die Gewölbe schlagen. Dann wieder schließt uns sein Humor etwa die ausgeräumte Offizin des Pharmazeuten auf, in hellen hohen Haufen liegen dort Mörser, Retorten, Gläser, Töpfe, Phiolen, Spatel, Öfen, Kapellen, Trichter, Mönch und Nonne, Kolben, Stößer, Kräuter und Pastillen, Schalen, Kannen und Stöpsel durcheinander, ausgestopfte Schlangen, Drachen und Basilisken sterbend darüber ausgestreckt, aus dem Haufen hervor Eidechsen mit klugem Auge blickend. Und er schlägt mit dem Stabe auf die Erde, und aus der Wand springt eine Gesellschaft Zigeuner hervor, und die schlagen ihre Zelte mitten in der Zerstörung auf und braten die Basilisken im aufgefundenen Dachsfett und kochen Kräutersuppen und berauschen sich im Spiritus der Präparate und schlagen im Rausche alles Gerät in Stücke, auch die Flasche mit dem kostbaren Alkahest, des Meisters alchimischen Arkanum, und es fließt der Julep umher und löst die Scherbenberge, Tisch und Stuhl und Zelt samt den Zigeunern und allem auf in eine klare Solution, und in dieser fällt bald ein goldener Schnee zu Boden, und es steigt aus der Golderde glänzend ein Dianenbaum herauf, der, nachdem er alles Aufgelöste weggesogen, durch die Decke wächst und außen die Universalarznei in vergoldeten Pillen trägt. Dergleichen hat nicht Homer gedichtet, und Odysseus hat es auf seinen Irrfahrten nicht gefunden, aber Odysseus kannte auch nicht das Weltmeer mit allen den Wundern, welche der Sturm um die Sonnenwende wohl aus seinen Tiefen treibt. Ehren wir die Alten, als unsere Ahnen und Stammhalter in der Kunst; aber lassen wir uns durch sie in unserer Eigentümlichkeit nicht irremachen, nur dadurch können wir so weit wie sie gelangen ...


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