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Dreizehntes Kapitel.

Sie saßen noch alle in der Küche beisammen und warteten auf die Suppe, die Inge kochte, als die Tür aufging und Gesine eintrat. Sie war totenblaß, das Haar hing ihr wirr ins Gesicht, und sie sah mit einem leeren Blick um sich. Es schien ihr nicht einmal aufzufallen, daß ihr Vater wieder da war.

»Fritz Mahlke ist schwer verwundet,« sagte sie mit tonloser Stimme, »aber er kann am Leben bleiben, vielleicht, wenn – wenn alles gut geht.«

Inge konnte noch gerade zur rechten Zeit zustürzen, um die schwankende Gestalt in ihren Armen aufzufangen. Müdigkeit, Schwäche und Erregung hatten Gesine übermannt, und sie brach in krampfhaftes Schluchzen aus.

»Was ist da?« fragte Frau Larsen. Sie hatte nicht einmal Gesines Stimme erkannt, so verändert war sie gewesen. Aber sie bekam vorläufig keine Antwort. Inge führte die Weinende in die Kammer, legte sie aufs Bett und machte die Tür zu. Dann setzte sie sich zu ihr, und Gesine schlang die Arme um sie und legte den Kopf auf ihren Schoß. So wurde sie allmählich ruhiger und konnte in leisen, abgebrochenen Sätzen erzählen, was sie erlebt hatte. Nach einiger Zeit kam Jens herein. Da klammerte Gesine sich ängstlich noch fester an Inge an, und diese legte den Arm um sie, als wollte sie sie schützen. Aber Jens fragte nicht und schalt nicht. Er stand still und sah auf die beiden. Sein Kind hatte hilfe- und trostsuchend Inge Hansens Knie umfaßt und den Kopf in ihren Schoß gelegt, gerade so, wie er es heute zwischen den Mauern seines abgebrannten Hauses getan hatte. Da strich er ihr leise über das Haar und ging wieder hinaus. Nun wurde Gesine ruhig, und Inge kehrte in die Küche zurück.

»Sie hat den Sturm mit angesehen und ist nun müde,« sagte sie zur Erklärung und trat an den Herd, wo Peter inzwischen eifrig die Suppe gerührt hatte. Beim Essen war Frau Larsen die einzige, die ab und zu etwas sagte. Dann ward sie auch müde und legte sich auf das zweite Bett in der Kammer. Gesine war eingeschlafen, aber sie lag unruhig und fuhr öfters empor. Es war nur der völlig erschöpfte Körper, der seine Ruhe verlangte, der Geist quälte sich noch mit wilden, schrecklichen Bildern ab.

Peter ging fort; er mußte sehen und hören, was sich noch alles ereignet hatte.

Sobald Jens mit Inge allein in der Küche war, fragte er: »Was ist mit Gesine?«

Da sagte sie ihm alles, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte und was Gesine ihr von sich und Thies erzählt hatte. Sie hatte erwartet, daß er zornig werden würde und sie viel sagen müßte, um ihn zu beruhigen und umzustimmen. Er blieb aber stumm und ging nur in der Küche mit großen, wuchtigen Schritten auf und ab. Endlich lachte er auf, bitter, grimmig.

»Das mußte ja noch kommen, damit mein Maß voll wurde – das! Sonst war' mir ja auch noch was geblieben, wenn Gesine Thies geheiratet hätte, daran hätte ich mich ja doch aufrichten können. Aber nun – nun – ja – das mußte kommen! Nun ist alles, alles hin! Das ist so einfach – nichts ist übrig. Mein Hof ist niedergebrannt, meine Frau ist blind, Gesine geht weit weg und heiratet einen Preußen, – einen Preußen, Inge! Und du–« Den Satz vollendete er nicht.

Er hatte ganz ruhig gesprochen, so ruhig, daß es Inge beängstigte; nun setzte er sich schwer auf einen Stuhl, legte beide Arme auf den Tisch und drückte das Gesicht darauf. So blieb er lange sitzen, wie gebrochen. Inge hatte zum erstenmal kein Trosteswort für ihn, sie wußte keinen Trost mehr. Sie lehnte an der Wand und faltete die Hände, aber sie hätte selbst nicht sagen können, ob sie eigentlich betete. Ihr war, als löste ihr ganzes Sein sich auf in dem Wunsche, ihm zu helfen, und in dem Schmerze, es nicht zu können.

»Aber du wirst sie nicht zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt, nicht wahr?« bat sie endlich eindringlich.

Er hob den Kopf und sah sie erstaunt an, als wunderte er sich, daß sie das fragen könnte. »Nein,« sagte er mit ernster Betonung, »sie soll ihrer Liebe folgen.«

Da atmete sie wie erlöst auf, trat zu ihm und umfaßte seine Hände, die noch geballt auf dem Tisch lagen, mit ihren Fingern wie zum Dank. Ihre Gedanken begegneten sich in einem langen, langen Blick. In dieser letzten Stunde, die ihnen beiden allein gehörte, hatten sie über das Geschick seines Kindes entschieden. Sie hatte es ihm gebracht und ans Herz gelegt, wie eine Mutter ihr Jüngstes dem Vater in die Arme legt, zart und vorsichtig, ganz in dem Gefühl, daß es das Kostbarste ist, was sie ihm geben kann – und er hatte es genommen und hatte nicht daran gezerrt und hatte es nicht nach seinem Willen umzuformen versucht, – er nahm es, wie sie es ihm gab.

Am nächsten Tage fuhr Jens mit seiner Frau und Gesine nach Flensburg. Wie lange sie bleiben würden und was aus ihnen werden sollte, konnte er selbst noch nicht sagen. Vor allen Dingen wollte er mit seiner Frau zum Augenarzt gehen. Darauf, daß Gesine mitkam, hatte er trotz ihrer Bitten und Tränen eisenfest bestanden. Fritz Mahlke mochte sie suchen, wenn er sie haben wollte; wo sie zu finden wäre, konnte er ja immer von Inge erfahren. Gesine ergab sich auch bald; nach dem ersten Schrecken bei dem Gedanken an die Trennung wurde ihr doch klar, daß sie den Vater jetzt nicht mit der blinden Mutter allein lassen durfte. Aber eine lange Unterredung hatte sie mit Inge im Holzstall, und sie weinten beide und küßten sich.

Als der Wagen zur Abfahrt vor der Tür stand, ging Jens still von den anderen fort und suchte Inge. Er meinte, er müßte sie irgendwo in einem Winkel finden wie damals, als sie sich mit ihrem Schmerz um ihren Jungen verkrochen hatte. Sogar aus der Hoftür sah er hinaus auf das Feld. Er hätte sich nicht gewundert, wenn er sie dort gefunden hätte in fassungsloser Verzweiflung gegen die Mauer gedrückt oder im Grase liegend, mit dem Gesicht nach unten. Ihm war danach zumute, und er wußte nicht, wie er dann sich wieder von ihr fort finden sollte. Sie war aber nicht da, und als er ins Haus zurückkam, stand sie mit den andern vor der Tür am Wagen. Ihr Gesicht war so ruhig, als wäre es aus Stein gemeißelt, und auf einmal war es ihm unbegreiflich, daß er sich Inge in dieser Stunde hatte anders denken können als stolz und stark.

Frau Larsen saß schon oben.

»Wo ist denn Jens?« rief sie gerade. »Kommt er immer noch nicht?«

Da trat er zu ihnen, drückte Peter und Inge die Hand und sagte kein Wort des Dankes für alles, was sie an ihm, seiner Frau und Gesine getan hatten. Sie wußten aber beide, daß er es unterließ, weil er nicht sprechen konnte. Dann stieg er schnell auf den Wagen, ließ das Pferd antreiben und sah sich nicht mehr um. Gesine aber nickte und winkte zurück und wandte ihre Augen erst ab, als der Kirchturm von Nübel, neben dem das Johanniterhospital lag, ihren Blicken entschwand.

Als Peter und Inge in ihr Haus zurückgingen, kam es ihnen sehr leer vor. Peter stand eine Weile in der Küche, kraulte sich den Kopf und tat ein paar lange Züge an seiner Pfeife. »Nu kommt woll Hannes bald wieder?« sagte er.

Inge nickte und fing an, die Kammer zurechtzumachen. Peter blieb in der Tür stehen und sah ihr zu. Das peinigte sie, denn sie konnte seinen Blick nicht ertragen, und sie dachte immer: »Wie soll es werden? So kann es doch nicht bleiben.«

Sollte sie fortgehen, ihm aus den Augen, und nie wiederkommen, oder sich ihm zu Füßen werfen und ihm alles sagen? Da sah sie in sein gutes, freundliches Gesicht und dachte daran, wie er ihr in langen Jahren immer ein treuer Freund und Berater gewesen war, und wie sie immer nur Liebes und Gutes von ihm erfahren hatte, und sie fühlte, daß sie ihm alles sagen mußte; mochte er dann entscheiden, ob sie fortgehen sollte oder bei ihm bleiben.

Draußen fingen die Glocken an zu läuten.

»Sie begraben die Toten,« sagte Peter.

»Laß uns hingehen,« bat Inge.

Er legte seine Pfeife weg, und sie gingen hinaus.

An das Grab konnten sie nicht heran, denn es war von Soldaten umgeben; aber da, wo schon andere Dorfbewohner standen, blieben sie und hörten einzelne Worte der Grabrede und das Läuten der Glocken vom Kirchturm. Dann gingen die Soldaten weg. An der Kirchhofsmauer lagen noch dreißig Tote, die heute noch beerdigt werden sollten. Sie schliefen den ewigen Schlaf, während draußen ihre Kameraden vorbeizogen und »Heil dir im Siegerkranz« spielten und der letzte verklingende Glockenton noch in der Luft nachzitterte.

Inge blieb lange da. Immer wieder ging sie an der Reihe der Toten entlang und sah in die stillen Gesichter.

»Komm doch,« sagte Peter. Aber sie schüttelte den Kopf.

»Alles Söhne,« sagte sie leise, und dann blieb sie wieder bei dem letzten in der Reihe stehen. Es war ein ganz Junger. »Ob seine Mutter es wohl schon weiß? Was sie darum gäbe, wenn sie hier stehen könnte, nicht?« Sie kniete neben der Leiche nieder und strich mit leiser Hand erst über den Ärmel, dann zart und scheu über das kalte, blasse Gesicht. »Arm lütt Jung!«

Peter ging schließlich weiter, aber Inge blieb noch und stand dabei, als die Toten beerdigt wurden. Sie war nicht zurückgegangen, als die Soldaten kamen, und sie ließen sie in ihrer Mitte stehen, als gehörte sie dazu. So sah sie zu, wie einer nach dem andern hineingelegt wurde in die kühle Erde, und sie hatte das Gefühl, als stände sie hier an Stelle der vielen, vielen Mütter, die fern waren und es vielleicht gar nicht wußten, daß man ihnen ihre Söhne hier begrub, die vielleicht nie hier stehen würden, nie die Stelle finden, die ihr Liebstes barg. Ihr war, als legte sich der Schmerz all dieser Mütter auf ihr Herz, aber er drückte sie nicht nieder, sondern erhob sie, und als sie den Kirchhof verließ, meinte sie, daß sie jetzt nichts weiter mehr auf der Welt wäre, als Mutter. Sie war erstarkt in dieser Stunde. Alle Schwäche und Unruhe war begraben, sie lagen in jenem Massengrab bei den dreißig Toten, die alle Söhne waren und an deren Grab sie als einzige Mutter gestanden hatte. Am Abend, als sie mit Peter allein in der Küche war, sagte sie es ihm. Er saß auf der Bank am Herd, still und friedlich, und sah in die Glut. Sie stand vor ihm mit gesenktem Kopf und sagte leise: »Peter, ich muß dir etwas sagen. Ich habe – unrecht getan –«

Er nahm die Pfeife aus dem Mund und sah sie halb erstaunt, halb erschrocken an.

»Ich habe Jens Larsen einmal sehr lieb gehabt –«

Peter nickte. »Ja, ich weiß, als ihr jung wart –«

Ihr Kopf sank noch tiefer vornüber, und sie schloß die Augen. »Es ist wiedergekommen, – jetzt – wo wir so viel zusammen waren. Ganz tot war es wohl nie.«

Sie sagte es so leise, daß es nur wie ein Hauch über ihre Lippen kam, und wagte nicht, die Augen aufzuschlagen. Peter rührte sich nicht und sagte kein Wort. Endlich strich er sich mit dem Handrücken über die Stirn und sagte nur: »Lütt!«

In dem einen Wort lag alles – sein Schmerz, seine Mahnung und seine große, verzeihende und verstehende Liebe. Da glitt sie nieder auf den Boden und umklammerte seine Knie.

»Ich wollte stolz und stark sein und bin doch schwach geworden und habe es nicht zurückhalten können, wie es alles wiederkam,« sagte sie. Dann hob sie den Kopf und sah in sein Gesicht und schrie: »Peter, ich hätte dich heute verlassen und wäre mit ihm gegangen, wenn seine Frau nicht blind würde und ihn brauchte! – Das allein hat mich gehalten, so weit ist es mit mir gekommen.«

Nun machte Peter mit harten Händen seine Knie frei, stand auf und ging bis an die Hoftür und von dort wieder zurück bis zu der Holzbank, vor der Inge noch immer am Boden lag.

»Komm, steh auf,« sagte er und berührte ihre Schulter.

Sie wagte nicht, ihn anzusehen, als sie neben ihm stand.

Er strich ihr über das Haar; sie hatte den Kopf so tief gesenkt, daß er es leicht konnte, trotzdem er etwas kleiner war als sie. »Komm, Lütt,« sagte er ruhig, »wir müssen sehen, daß wir es unterkriegen.«

Da griff sie nach seiner Hand wie nach einem Halt. »Ja, Peter, hilf mir,« bat sie. »Ich habe es alles begraben. In dem Grab bei den dreißig Toten liegt es. Da habe ich wieder gefühlt, daß ich Mutter bin. Nun bin ich wohl stark, aber hilf mir, daß ich auch stark bleibe.«

»Hannes kommt ja bald, nun muß er ja bald kommen,« sagte Peter tröstend.

»Ja, jetzt muß er bald wiederkommen! Peter, wie wird er wohl wiederkommen?«

All ihre Angst und ihre qualvolle Sorge lagen in den Worten. Peter antwortete nicht, er sah sie nur an, und als er langsam mit dem Kopf nickte und ein schwerer Seufzer seine Brust hob, fühlte sie, wie auch ihn die Angst und Sorge bedrückten und wie sie eins waren in der Liebe zu ihrem Kinde.

Sie setzte sich nun an den Tisch und nahm ihr Strickzeug vor, aus Gewohnheit, stricken konnte sie noch nicht, ihre Hände zitterten, und ihre Gedanken waren weit, weit draußen. Sie war noch nicht fertig mit ihrer Beichte; Peter sollte alles wissen, wie es gewesen war und wie es gekommen war. Er hatte seine Pfeife wieder aufgenommen, zog daran und klopfte sie ein bißchen, hielt dann einen Papierstreifen in das Herdfeuer und zündete sie wieder an. Dann setzte er sich auf die Herdbank.

»Wir haben nicht von früher gesprochen, Jens und ich, die ganze Zeit nicht, Peter,« sagte Inge nun und ließ ihr Strickzeug sinken. »Ich habe gearbeitet und seine Frau gepflegt und nicht daran denken wollen.« Sie hielt einen Augenblick inne und atmete schwer, ehe sie fortfuhr, immer mit derselben tonlosen Stimme, ohne ihn anzusehen. »Dann den Abend, als du zum erstenmal nach Flensburg runter warst, da blieben wir allein. Gesine war gegangen, um nach dem Schießen zu sehen, und Frau Larsen schlief. Da haben wir von früher gesprochen. Einmal mußten wir es tun, Peter, und da kam es doch alles wieder.« Ihre Stimme zitterte jetzt so, daß sie kaum weiter sprechen konnte, und sie kämpfte die Hände so fest um das Strickzeug in ihrem Schoß, daß die Nadeln sich in ihr Fleisch drückten. »Er ist nicht glücklich geworden mit seiner Frau,« fuhr sie fort, »das sagte er mir. Und ich war traurig und sagte ihm, daß ich ihm längst verziehen hätte. Weil du gut zu mir gewesen bist, darum habe ich ihm verzeihen können, Peter. Das habe ich ihm alles gesagt – und er hat gefühlt, daß ich – ihn –« Sie brach ab. Es war so schwer, alles zu sagen. Im Grunde war es so wenig, was sie zu sagen hatte, und ihr schien doch, als gäbe es nicht Worte genug dafür.

Peter stand auf. »Das mußt du nicht alles sagen.«

Sie sah ihn erstaunt an. »Du mußt es doch alles wissen.«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, laß man, Inge. Ich weiß genug. Alles muß man nicht wissen. Da ist so viel zwischen zwei Menschen, die sich lieb haben, was sie nie sagen können, was kein anderer jemals sieht. Wenn du bis morgen früh zu mir sprichst und denkst, du hast alles, alles gesagt, dann hast du das Feinste und Tiefste doch nicht sagen können. – Das bleibt euer Geheimnis.«

Er stand jetzt neben ihr und strich ihr leise über die Schulter. Da drückte Inge ihr Gesicht gegen seinen rauhen Rockärmel und weinte lange, aber sie dachte nicht an Jens dabei, sondern an Peter und ihre Schuld gegen ihn.

Endlich machte Peter sich frei und sagte: »Ich habe noch draußen zu tun. Geh zu Bett, ich komme wohl bald.«

Er ging zur Hoftür hinaus, und sie sah ihn im Mondlicht draußen bei der Pumpe stehen, lange, lange, unbeweglich. Sie blieb auf ihrem Stuhl sitzen, hatte die Hände im Schoß gefaltet und ängstigte sich, daß die kalte Nachtluft ihm schaden könnte. Aber sie wagte nicht, zu ihm zu gehen und ihn zu bitten, hereinzukommen.

Als er dann wiederkam, sah er sie nicht, da es in der Küche jetzt ganz dunkel war. Er glaubte, sie wäre schon zu Bett gegangen. Mit seinen steifen Knien ging er umher, stellte einen Stuhl gerade an die Wand, fühlte nach, ob die Erde in den Geranientöpfen auf der Fensterbank noch feucht wäre, und goß etwas Wasser darauf. Dann stapfte er hinaus, die Diele entlang, sah in die Vorderstube hinein und riegelte die Haustür ab. Inge hatte ganz still in ihrer Ecke gesessen und ihm zugesehen. Als er wieder in die Küche zurückkam, stand sie auf. Er hielt erstaunt inne.

»Gott,« sagte er, »du bist noch auf? Warum bist du nicht zu Bett gegangen?«

»Ich weiß nicht,« sagte sie niedergeschlagen.

Da nahm er ihre Hand und sagte: »Komm, Lütt, sei doch man still. Ich weiß ja, wie du bist. In Kampf und Not kann jeder mal kommen. Nu mußt du dich an mir festhalten, dann kriegen wir es wohl unter.«

Inge nickte ernst. Sie fühlte, daß sie zu dem treuesten Freund gegangen war, den sie auf der Welt besaß.

In der ganzen nächsten Zeit, die nun kam, war Peter ein anderer als sonst. Er ging wenig aus. Wenn er nicht zu tun hatte, saß er bei Inge in der Küche und war recht redselig. Zuerst machte es ihm Mühe, aber mit der Zeit ging es ganz gut, und er merkte zu seinem Erstaunen, daß man eigentlich eine große Menge sagen kann, wenn man ernstlich will. Dabei tat er ganz unbefangen, als wäre es nie anders gewesen, und Inge erkannte sein rührendes Bemühen, ihr zu helfen, und griff nach seiner Hand, um sich daran aufzurichten. So »kriegten sie es unter«, langsam, in heißem, stillem Ringen.

Von Hannes hörten sie nichts. Noch war Alsen von den Dänen besetzt, und wenn jetzt auch Waffenstillstand war, so gab es doch keine Verbindung mit der Insel.


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