Salomon Geßner
Idyllen
Salomon Geßner

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Mirtil.

Bey stillem Abend hatte Mirtil noch den Mond-beglänzten Sumpf besucht, die stille Gegend im Mondschein und das Lied der Nachtigal hatten ihn in stillem Entzüken aufgehalten. Aber izt kam er zurük, in die grüne Laube von Reben vor seiner einsamen Hütte, und fande seinen alten Vater sanftschlummernd am Mondschein, hingesunken, sein graues Haupt auf den einen Arm hingelehnt. Da stellt er sich, die Arme in einander geschlungen, vor ihm hin. Lang stand er da, sein Blik ruhete unverwandt auf dem Greisen, nur blikt' er zuweilen auf, durch das glänzende Reblaub zum Himmel, und Freuden-Thränen rollten dem Sohn vom Auge.

O du! so sprach er izt, du, den ich nächst den Göttern am meisten ehre! Vater! wie sanft schlummerst du da! Wie lächelnd ist der Schlaf des Frommen! Gewiß gieng dein zitternder Fuß aus der Hütte hervor, in stillem Gebete den Abend zu feyren, und betend schliefest du ein. Du hast auch für mich gebetet, Vater! Ach wie glüklich bin ich! die Götter hören dein Gebet; oder warum ruht unsere Hütte so sicher in den von Früchten gebogenen Ästen, warum ist der Segen auf unserer Herde und auf den Früchten unsers Feldes? Oft wenn du bey meiner schwachen Sorge für die Ruhe deines matten Alters Freuden-Thränen weinst; wann du dann gen Himmel blikest und freudig mich segnest, ach was empfind ich dann, Vater! Ach dann schwellt mir die Brust, und häufige Thränen quillen vom Auge! Da du heut an meinem Arm aus der Hütte giengest, an der wärmenden Sonne dich zu erquiken, und die frohe Herde um dich her sahest und die Bäume voll Früchte, und die fruchtbare Gegend umher, da sprachst du, meine Haare sind unter Freuden grau geworden, seyd immer gesegnet, Gefilde! nicht lange mehr wird mein dunkelnder Blik euch durchirren, bald werd ich euch an seligere Gefilde vertauschen. Ach Vater! bester Freund! bald soll ich dich verliehren, trauriger Gedanke! Ach! dann – – dann will ich einen Altar neben dein Grab hinpflanzen, und dann, so oft ein seliger Tag kömmt, wo ich Nothleidenden Gutes thun kann, dann will ich, Vater! Milch und Blumen auf dein Grabmal streun.

Izt schwieg er, und sah mit thränendem Aug auf den Greisen; wie er lächelnd da liegt und schlummert! sprach er izt schluchzend, es sind von seinen frommen Thaten im Traum vor seine Stirne gestiegen. Wie der Mondschein sein kahles Haupt bescheint und den glänzend weissen Bart! O daß die kühlen Abendwinde dir nicht schaden und der feuchte Thau! izt küßt er ihm die Stirne, sanft ihn zu weken und führt ihn in die Hütte um sanfter auf weichen Fellen zu schlummern.


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