Salomon Geßner
Idyllen
Salomon Geßner

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Lycas und Milon.

Der junge Sänger Milon; denn auf seinem zarten Kinn stunden die Haare noch selten, so wie das zarte Gras im jungen Frühling aus spätgefallenem Schnee nur selten vorkeimt; und Lycas mit dem schöngelokten Haar, gelb wie die reife Saat, kamen zusamen mit der blökenden Herde, hinter dem Buchwald. Sey mir gegrüßt Lycas, sprach der Sänger Milon und bot ihm die Hand, sey mir gegrüßt, laß in den Buchwald uns gehn, indeß irrt unsere Herde im fetten Gras am Teich, mein wacher Hund wirds nicht zugeben daß sie sich zerstreue.

Lycas. Nein Milon, wir wollen hier unter dem gewölbten stozigten Felsen uns sezen, es liegen da heruntergerissene Stüke mit sanftem Moos bedekt. Dort ists lieblich und kühl, sieh wie der klare Bach staubend ins wankende Gesträuche sich stürzt, er rieselt unter ihrem Gewebe hervor, und eilt in den Teich. Hier ists lieblich und kühl, laß auf die bemoosten Steine uns sezen, dann steht der Schatten des Buchwalds dunkel gegen uns über.

Und izt giengen sie und sezten sich unter dem Felsen auf die bemoosten Steine: Und Milon sprach, lang schon, du Flötenspieler Lycas, lang schon hab ich deinen Gesang loben gehört, laß uns einen Wettgesang singen, denn auch mir sind die Musen gewogen; jenes junge Rind will ich zum Preis dir sezen, es ist schön geflekt, schwarz und weiß.

Lycas. Und ich, ich seze die beste Ziege aus meiner Herde, samt ihrem Jungen, dort reißt sie das Epheu von der Weide am Teich, das muntre Junge hüpft neben ihr. Aber Milon, wer soll Richter seyn? Soll ich den alten Menalkas rufen? Sieh er leitet die Quelle in die Wiese am Buchwald; er versteht den Gesang. Izt riefen die jungen Hirten dem Menalkas, und er kam und sezte sich zu den Knaben auf einen weich-bemoosten Stein, und Milon hub den Gesang an.

Milon. Selig ist der zu preisen, der die Gunst der Musen hat. Wenn uns das Herz von Freuden hüpft, wie lieblich ist es dann ein Lied zu singen, der Echo und dem Hain! Nie entsteht mir ein liebliches Lied, wenn mich der Mondschein entzükt, oder des Morgens Rosenfarbe. Auch weiß ich daß der Gesang die trüben Stunden heiter macht. Denn mir sind die Musen gewogen, und jene schneeweisse Ziege ist ihnen zum Opfer bestimmt, bald will ich sie, die Hörner mit Blumen umkränzt, opfern, und neue Loblieder singen.

Lycas. Als stammelndes Kind saß ich dem Vater auf dem Schooß, und wenn er ein Lied auf der Rohrflöte blies, denn horcht ich schon aufmerksam zu und lallt' es ihm nach. Oder lächelnd nahm ich die Flöt' ihm vom Mund, und blies gebrochene Töne hervor. Aber bald erschien Pan mir im Traum. Jüngling, so sprach er, geh in den Hain und hole die Flöte die der Sänger Hylas an die mir geheiligte Eiche hieng, du bist es werth ihm nachzuspielen. Erst gestern hab ich ihm Sprossen von meinen neugepfropfeten Bäumen gebracht, und einen Krug voll Öl und einen Krug voll Milch vor ihm ausgegossen.

Milon. Auch die Liebe begeistert zu Gesängen, mehr als das helle Morgenroth, mehr als der liebliche Schatten, mehr als der Schimmer des Monds. O wenn ein tugendhaft Mädchen unsre Lieder lobt! Wenn es unsre Lieder mit sanftem Lächeln belohnt, oder mit einem Kranz! Seit Daphne ihren Freund mich nennt, seitdem ists in meinem Herzen so helle wie in dieser Gegend voll Sonnenschein im Frühling, seitdem sing ich bessere Lieder; Daphne, die sanft lächelt wie die milde Ceres, und weise ist wie die Musen.

Lycas. Ach! mein Herz ist lange frey von Liebe geblieben, da sang ich ruhig nichts als frohe Lobgesänge den Göttern, oder von der Pflege der Herde, oder vom Pfropfen der Bäume, oder vom Warten des Weinstokes. Aber seit ich Chloen sah, die unempfindliche Chloe, seitdem sing ich nur Trauerlieder, seitdem stöhrt Wehmuth jede meiner Freuden. Bald hätt' ich meine Liebe besiegt, nur selten kam sie in mein Herze zurük. Aber ach! ich werde sie nicht wieder besiegen, seit ich Chloen beym blühenden Schlehenbusch sah und ihren Gesang hörte; muthwillige Zephirs schwermten im Busch und rissen die weissen Blüthen weg, und streuten sie auf Chloen hin, und ahmeten den besiegten Winter mit seinen Floken nach.

Milon. Dort wo der schwarze Tannenwald steht, dort rieselt ein Bach aus Stauden hervor, dorthin treibt Daphne oft ihre Herde. Jüngst hab ich, als das Morgenroth kam, den ganzen Ort mit Kränzen geschmükt, flatternd hiengen sie von einer Staude zur andern, und wanden sich um ihre Stämme, da war es wie ein Heiligthum des Frühlings oder der freundlichen Venus. Ich will izt noch unsere Namen in diese Fichte schneiden, sprach ich, und dann will ich mich in jenem Busch verbergen, und ihr Lächeln sehn, und ihre Worte behorchen. So sprach ich und schnitt in die Rinde, als plözlich ein Kranz um meine Schläfe sich wand, schnell sanft erschroken sah ich zurük und Daphne stund lächelnd da, ich habe dich behorcht, sprach sie, und drükte den zärtlichsten Kuß auf meine Lippen.

Lycas. Dort an dem Hügel steht meine beschattete Hütte, dort an der blumichten Quelle stehn meine Bienen-Körbe in zween Reihen; wirthschaftlich wohnen sie da im kühlen Schatten der Ölbäume. Noch kein junger Flug hat sich zuweit von meinem Anger entfernt, sie sumsen frölich umher im blumichten Anger, und sammeln mir Honig und Wachs im Überfluß; Sieh wie meine Kühe mit vollem Euter gehn, und wie die jungen Kälber muthwillig sie umhüpfen, und wie meine Ziegen und meine Schafe so zahlreich die Stauden entblättern und das Gras mähen. Diß, Chloe! diß gaben mir die Götter, und sie lieben mich weil ich tugendhaft bin; wilt du, o Chloe! wilt du mich nicht auch lieben wie die Götter, weil ich tugendhaft bin?

So sangen die Hirten, und Menalkas sprach: Wem soll ich den Preis zutheilen, ihr schönen Sänger? Eure Lieder sind süß wie Honig, lieblich fliessen sie wie dieser Bach, so ermuntert der Kuß von rosenfarbigten Lippen. Nimm du Lycas das schwarzgeflekte Rind, und gieb dem Milon die Ziege mit ihrem Jungen.


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