Salomon Geßner
Idyllen
Salomon Geßner

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Daphnis

An einem hellen Winter-Morgen saß Daphnis in seiner Hütte; die lodernde Flammen angebrannter dürrer Reiser streuten angenehme Wärme in der Hütte umher, indeß daß der herbe Winter sein Stroh-Dach mit tiefem Schnee bedekt hielt; er sah vergnügt durch das enge Fenster über die wintrichte Gegend hin; Du herber Winter, so sprach er, doch bist du schön! Lieblich lächelt izt die Sonne durch die dünnbenebelte Luft über die Schnee-bedekten Hügel hin; wie glänzet der Schnee! Lieblich ists, wie aus dem Weissen empor die schwarzen Stämme der Bäume zerstreut stehn, mit ihren krummgeschwungenen unbelaubten Ästen, oder eine braune Hütte mit dem Schnee-bedekten Dach, oder wenn die schwarzen Zäune von Dorn-Stauden die weisse Ebene durchkreuzen; Schön ists wie die grüne Saat dort über das Feld hin die zarten Spizen aus dem Schnee empor hebt, und das Weiß mit sanftem Grün vermischt; Schön glänzen die nahen Sträuche, ihre dünnen Äste sind mit Duft geschmükt, und die dünnen umherflatternden Faden. Zwar ist die Gegend öde, die Herden ruhen eingeschlossen im wärmenden Stroh; nur selten sieht man den Fußtritt des willigen Stiers, der traurig das Brennholz vor die Hütte führt, das sein Hirt im nahen Hain gefällt hat; die Vögel haben die Gebüsche verlassen, nur die einsame Meise singet ihr Lied, nur der kleine Zaun-Schlüpfer hupfet umher, und der braune Sperling kömmt freundlich zu der Hütte und piket die hingestreuten Körner; Dort wo der Rauch aus den Bäumen in die Luft empor wallt, dort wohnet meine Phillis; Vielleicht sizest du izt beym wärmenden Feuer, das schöne Gesicht auf der unterstüzenden Hand, und denkest an mich, und wünschest den Frühling; Ach Phillis! wie schön bist du! Aber, nicht nur deine Schönheit hat mich zur Liebe gereizt; O wie liebt ich dich da! als dem jungen Alexis zwo Ziegen von der Felsen-Wand stürzten; er weinte, der junge Hirt, ich bin arm, sprach er, und habe zwo Ziegen verlohren, die eine war trächtig; ach! ich darf nicht zu meinem armen Vater in die Hütte zurük kehren. So sprach er weinend, du sahest ihn weinen, Phillis, und wischtest die mitleidigen Thränen vom Aug, und nahmest aus deiner kleinen Herde zwo der besten Ziegen; da Alexis, sprachst du, nimm diese Ziegen, die eine ist trächtig, und wie er vor Freude weinte, da weintest du auch vor Freude, weil du ihm geholfen hattest. O! sey immer unfreundlich Winter; meine Flöte soll doch nicht bestaubt in der Hütte hangen, ich will dannoch von meiner Phillis ein frohes Lied singen; zwar hast du alles entlaubt, zwar hast du die Blumen von den Wiesen genommen, aber du solt es nicht hindern, daß ich nicht einen Kranz flechte; Epheu und das schlanke Ewig-Grün mit den blauen Blumen will ich durch einander flechten, und diese Meise, die ich gestern fieng, soll in ihrer Hütte singen; ja ich will dich ihr heute bringen und den Kranz, sing ihr dann dein frohes Lied, sie wird freundlich lächelnd dich anreden, und in ihrer kleinen Hand die Speise dir reichen. O wie wird sie dich pflegen, weil du von mir kömmst!


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