Friedrich Gerstäcker
Das alte Haus
Friedrich Gerstäcker

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Kapitel 7.

Die Conferenz der Erben des Quetzlinberger'schen Hauses hatte übrigens auch noch viele andere Fremde nach Hellburg gezogen, und ganz besonders sollte Helene, des Doctor Hetzelhofer Schwester, mit einem Gaste überrascht, ja, förmlich überrumpelt werden. Ohne ihr nämlich vorher auch nur eine Sylbe davon zu sagen, hatte der Doctor am Abend vor der Conferenz einen fremden Herrn mit nach Hause gebracht, der mit Sack und Pack eintraf und in das leerstehende Fremdenstübchen ohne die geringste weitere Vorbereitung untergebracht wurde. Ja, das Vorhandensein desselben erfuhr Helene wirklich erst am nächsten Morgen beim Frühstück, wo er ihr als Doctor Quetzlinberger aus Berlin vorgestellt wurde.

Doctor Quetzlinberger, ein weitläufiger Verwandter des alten Testators, war ein ältlicher, sehr hagerer und sehr langer Mann, mit weißen Haaren und einer blauen Brille mit Seitengläsern, die Züge scharf und hart geschnitten, die Nase lang, dünn und gebogen, mit einer kleinen Warze oben auf dem Rücken derselben, von der Natur gleichsam zum Tragen und Halten der Brille von vorn herein bestimmt. Sein ganzes Aeußeres machte übrigens beim ersten Anblick einen keineswegs angenehmen Eindruck, und nicht liebenswürdiger wurde er, wenn er in seinen kurz abgestoßenen heiseren Tönen sprach. Fast ununterbrochen benutzte er dabei eine starke silberne Schnupftabaks-Dose, die er in der linken Brusttasche trug, und seine übrigen Taschen schienen sämmtlich theils mit alten zusammengefalteten Papieren, theils mit weißleinenen, oft schon längere Zeit gebrauchten Taschentüchern gefüllt. Ueberhaupt gehörte Reinlichkeit nicht zu seinen hervorragenden Eigenschaften.

Die Erbschaft mit ihren zu ordnenden Geschäften schien jetzt indeß seine ganze geistige Thätigkeit in Anspruch zu nehmen. Schon zum Kaffeetische brachte er ein großes Paket Acten und Briefe mit, in denen er, ehe Doctor Hetzelhofer das Zimmer betrat, wühlte und las, und Helene, die auf ihn zuging und ihn als Hausfrau in ihrer kleinen Wirthschaft begrüßte, beachtete er gar nicht weiter, als ihr höchstens einen flüchtigen »guten Morgen« zu bieten. Selbst bei des Doctors Eintritt, der ihr auf dem Fuße folgte, ließ er sich nicht im Mindesten in seiner Beschäftigung stören, und theilte seine Zeit so gleichmäßig zwischen Lesen, Schnupfen und Kaffeetrinken, daß wenig für seine Umgebung übrig blieb.

Doctor Hetzelhofer selber war eine eigenthümliche Persönlichkeit, die ich dem Leser jedenfalls mit ein Paar Worten vorführen muß.

Gerade das Gegentheil von seinem langen hageren Gaste, war er kurz und dick, mit einem Kugelkopf und rother, höchst belebter Gesichtsfarbe. Der Ausdruck seiner Züge würde auch, wie das meist dicken Leuten eigen ist, etwas Gutmüthiges gehabt haben, hätten nicht die kleinen, grauen, rastlosen Augen das wieder Lügen gestraft. Unter den dünnen, kaum sichtbaren hellblonden Brauen schossen sie ihre Blicke scharf und stechend vor, und hafteten nie an dem Blicke dessen, mit dem ihr Eigenthümer gerade sprach, sondern schienen stets wie scheu und ungeduldig an ihm herum zu suchen. Der Doctor war übrigens keineswegs redselig und warf das Wenige, was er sprach, rasch und polternd, nicht selten aber auch mit einer eigenen Art von trockenem, fast boshaftem Humor hinaus. Selbst ein heiseres, kurzes, plötzlich vorbrechendes, aber auch eben so rasch abgestoßenes Lachen konnte nicht dazu dienen, das Fatale solchen Wesens zu mildern, und so groß sein Ruf als Arzt, besonders als Operateur war, so froh waren seine Patienten gewöhnlich, wenn sie seiner Gegenwart enthoben wurden.

»Hehehe!« sagte er, als er das Zimmer betrat, und den Gast in seinen Papieren beschäftigt, mit der linken Hand die Dose, mit der rechten die Kaffeetasse haltend fand – »schon so fleißig, Alterchen? – guten Morgen, Helene! nun? – habe Dir da einen Gast über Nacht gebracht, der uns für ein Paar Tage die Ehre anthun wird, mit uns fürlieb zu nehmen – Doctor Quetzlinberger aus Berlin, müssen ihm sein Zimmer über Nacht ein Bißchen behaglicher einrichten. Nun, wie hast Du geschlafen, Quetzlinberger?«

»Schlecht!« brummte dieser, der zuerst über die blauen Gläser weg nach dem Eintretenden hinüber gesehen und ein kaum hörbares »guten Morgen« in die Halsbinde, in der sein Kinn wühlte, hinein gemurmelt hatte.

»Ja, lieber Gott,« sagte bedauernd Helene, »das ist auch kein Wunder. Es war ja auch gar nichts vorgerichtet, das Bett nicht aufgeschüttelt, das Zimmer nicht ausgelüftet und gewärmt.«

»Bah, Unsinn!« brummte Doctor Quetzlinberger sehr ungenirt dazwischen, und schwankte einen Augenblick zwischen Kaffee und Prise, entschied sich aber doch für die letztere, »war Alles vortrefflich – schlafe nie im warmen Zimmer, Betten eher zu weich als zu hart. Das verdammte Fiedelstreichen die ganze Nacht durch hat mich nur nicht schlafen lassen. Wäre das mein Miethsmann, so setzte ich ihn auf die Straße, mitten im Monat.«

»Hehehe – ist mein Famulus,« lachte der Doctor; »wäre nicht übel, wenn ich mir den auf die Straße setzen wollte. Das Violinspielen ist die einzige schwache Seite, die er hat.«

»Wäre mir stark genug,« brummte der Fremde und vertiefte sich wieder in seine Papiere, als ob er das Gespräch abzubrechen wünsche.

»Wenn es Sie genirt,« sagte da Helene, »so werde ich ihn heute bitten, daß er es unterläßt. Schwiebus ist sehr gefällig, und es wird ihm unendlich leid thun, wenn er erfährt, daß er Jemandes Nachtruhe gestört hat.«

»Schwiebus?« sagte der Fremde, durch einen ordentlichen Wald von Augenbrauen oder Borsten wieder über die Brille nach dem Doctor hinauf sehend – »heißt Dein Famulus Schwiebus?«

»Ja, kennst Du ihn?« fragte dieser rasch.

»In den alten Acten hier spielt ja ein Schwiebus die Hauptrolle – aber der ist todt!«

»Nun, dann ist's dieser nicht!« lachte der Doctor, und Herr Quetzlinberger, als ob damit die Sache erledigt sei, brütete wieder über den alten, vergilbten, kaum noch leserlichen Schriften. Helene hatte in ihrem ganzen Leben keinen so wunderlichen Mann gesehen.

Damit war das Gespräch für jetzt abgebrochen. Der Gast ging auch bald darauf in sein Zimmer, das er von da an nicht wieder verließ. Selbst das Mittagessen ließ er sich, sehr zu Helenens Aerger, auf die Stube bringen, wo er sich in den alten Acten und Papieren vergraben hatte und nur manchmal kurze Conferenzen mit dem Doctor selber hielt, bis der zur Versammlung bestimmte Morgen anbrach.

Die Nacht vorher arbeitete er durch. Morgens brachte ihm Helene selber den Kaffee, aber er erwiderte nicht einmal ihren freundlichen Gruß, und schien so vertieft in sein Nachdenken und so eingehüllt in eine Wolke von blauem Tabaksqualm, daß er selbst nicht hörte, wie etwa eine halbe Stunde später wieder leise an die Thür geklopft und diese dann, als kein antwortendes und einladendes Herein ertönte, langsam geöffnet wurde.

Es war Schwiebus, der, mit dem wunderlichen Manne bis jetzt noch nicht ein einziges Mal zusammen gekommen, ihn jetzt in einem Auftrage des Doctor Hetzelhofer aufzusuchen hatte.

Wie er übrigens das rauchgefüllte Zimmer betrat und durch den Qualm die hagere, in einander gedrückte Gestalt des Fremden entdeckte, blieb er einen Augenblick an der Thür stehen und beobachtete mit leisem Kopfschütteln den Fremden.

Der Mann war ihm in mancher Hinsicht interessant. Erstlich hieß er Quetzlinberger, und Helene hatte bis jetzt noch stets beobachtet, daß der Name einen besonderen Eindruck auf den Famulus ausübe. Dann aber hatte er sich, gleich als erstes Entree in das Haus, sein Violinspielen verbitten lassen. Schwiebus betrachtete diese Sache rein vom musikalischen Standpunct aus, und wenn irgend eine Saite seines Herzens empfindlich genannt werden konnte, so war es seine Fertigkeit auf dem Instrumente. Mit einer wahren Angst hatte er deßhalb auch das Zimmer des Fremden betreten. Er fürchtete einen scharfen Kunstkenner in ihm zu finden, dessen Ohr durch die Schwächen seines Spiels beleidigt worden. Darüber beruhigte ihn aber bald das Aeußere des ihm gegenüber sitzenden Fremden. Der Mann sah nicht so aus, als ob er sich für die Kunst begeistern könne, und auf seiner Stirn standen, wenn etwas, Zahlen und Buchstaben, aber wahrlich keine Noten geschrieben. Auch gab es wohl kaum etwas Unharmonischeres auf der weiten Gotteswelt, als die in sich zusammengedrückte Gestalt mit den vorstehenden Backenknochen, den grauen borstigen Augenbrauen und dem schmutzigen verschossenen Schlafrock, und ein leises, fast mitleidiges Lächeln stahl sich bei dem Anblick über die fatalen Züge des Famulus.

Die Thürklinke, die er bis dahin noch immer festgehalten, ließ er jetzt los, rieb vorsichtig seine Hände in der gewohnten Art zusammen und trat dann mit völlig geräuschlosen Schritten zu dem Tische, an dem der Fremde über seinen Schriften brütete. Hier stützte er beide Arme auf, bog sich ein wenig nach vorn und sagte mit seiner freundlichsten, aber darum nicht weniger heiseren Stimme und scharfer Betonung des letzten Wortes:

»Herr Doctor Quetzlinberger!«

»Ha!« sagte der Doctor, und rasch und fast etwas erschreckt emporfahrend schaute er erstaunt in die dicht zu ihm niedergebogenen Züge des Famulus, der dem Blicke fest und ruhig begegnete. »Wer zum Henker sind Sie – was wollen Sie, und wo kommen Sie überhaupt auf einmal her?«

»Durch die Thür,« erwiderte der Famulus ruhig, die letzte Frage zuerst beantwortend, »ferner im Auftrag des Doctor Hetzelhofer, ihn zu entschuldigen, daß ihn plötzliche Geschäfte auf eine oder zwei Stunden abgerufen hätten. Drittens bin ich der Famulus Schwiebus!«

»Schwiebus?« rief der Fremde und sprang mit einem Satz von seinem Stuhle auf, »Schwie—bus!« setzte er gleich darauf langsamer und ruhiger hinzu, »hm – das ist merkwürdig – hm – sonderbares Zusammentreffen – Schwiebus, doch ein ganz eigenthümlicher Name, und kommt nicht häufig vor. Aber der Schwiebus ist todt!«

»So?« sagte der Famulus bedauernd – »thut mir unendlich leid. Haben Sie das Vergnügen gehabt, ihn zu kennen?«

»Vergnügen gehabt, ihn zu kennen?« wiederholte der Doctor, erstaunt über das ernsthafte Gesicht, das der Famulus bei der Frage zog. – »Woher wissen Sie überhaupt, daß es ein Vergnügen gewesen wäre?«

»Hm,« sagte der Famulus, sich langsam das Kinn streichend, ohne jedoch den Blick auch nur einen Moment von dem Doctor zu verwenden.

»Wie alt sind Sie?« fragte dieser jetzt, in einen neuen Gedankengang gerathend, während er die vor ihm stehende Gestalt scharf und prüfend mit den Augen maß.

»Wie alt?« wiederholte Schwiebus, und ein leises, fast unheimliches Lächeln stahl sich über seine Züge – »wie alt? – wäre schwer zu bestimmen – habe meinen Taufschein und meine Backenzähne verloren.«

»Und was war Ihr Vater?«

»Mein Vater?« fragte der Famulus rasch, »oh, Sie meinen den alten Schwiebus? nun, hoffentlich doch ein Ehrenmann. Aber – wenn ich fragen darf« – setzte er dann langsamer hinzu, »weßhalb interessiren sich denn der Herr Doctor so lebhaft für die Familie Schwiebus?«

»Schwiebus – verfluchter Name!« sagte der Fremde jetzt, wieder in seinen Stuhl und zwischen die Acten zurücksinkend, aus denen er auch wirklich nur durch den Namen war herausgehoben worden, »habe mich den ganzen Morgen damit beschäftigt. – Ist eine nichtsnutzige Canaille gewesen.«

»Hm,« sagte Schwiebus, und warf unwillkürlich einen Blick in den ihm gegenüberliegenden Spiegel – »er hat etwas Derartiges im Ausdruck!«

»Wer?« rief der Doctor, schnell und überrascht zu ihm emporschauend.

»Wer?« wiederholte der Famulus, »nun, der Name!«

»Name – Unsinn!« brummte der Fremde – »wie kann ein Name etwas im Ausdruck haben. Was hat Quetzlinberger?«

»Nichts, dem ich fünf Thaler borgen möchte,« sagte der Famulus trocken.

Der Fremde warf wieder einen unsicheren Blick nach dem Famulus hinauf und schien nicht recht zu wissen, ob der wunderliche Kauz Spaß oder Ernst oder sich gar am Ende über ihn lustig mache. Der Name Schwiebus mußte ihn aber doch in diesem Augenblicke mehr interessiren, denn er sagte nach kleiner Pause, in der er wie ungeduldig den Kopf schüttelte:

»Bah – bah, Unsinn, nichts als Unsinn – blanker, toller Unsinn. Lassen Sie uns ein Wort vernünftig mit einander reden, Freund.«

»Schön,« sagte der Famulus und ließ sich ohne Weiteres auf einen, dem Tische gegenüber stehenden Stuhl nieder. Der Fremde sah ihn etwas überrascht an – er wurde augenscheinlich aus dem wunderlichen Kauz nicht klug, und fuhr dann, sich ein Paar Actenstöße zurecht rückend, langsamer fort:

»Die Ursache kann ich Ihnen mit wenigen Worten sagen: Mir ist der Name hier in den Papieren auf allerdings nicht besonders ehrenvolle Art vorgekommen, steht aber jetzt in so enger Verbindung mit dem präsumtiven Erben des alten Nestes da drüben, daß mir Alles daran liegt, nähere Auskunft über ein solches Individuum, das früher mit diesem Namen in der Welt herumgelaufen ist, zu bekommen. Sie mögen deßhalb eine Frage dahin entschuldigen, die vielleicht einen Ihrer Vorfahren betrifft – manche der unsrigen sind ebenfalls nicht besser gewesen. Falls Sie selber denn vielleicht etwas Bestimmtes über die Verhältnisse älterer Familien-Mitglieder wüßten, würde den rechtmäßigen Erben des Quetzlinberger'schen Nachlasses ein großer Dienst geleistet, wenn Sie uns das mittheilen wollten. Jener Schwiebus also . . .«

»Die nichtsnutzige Canaille?« fragte der Famulus trocken.

»Bah, er ist todt und nicht gehängt – was wollen Sie mehr!« sagte der Fremde, mit dem Kopf herüber und hinüber schaukelnd.«

»Man müßte unbescheiden sein, wenn man mehr verlangen wollte,« erwiderte der Famulus ruhig und fuhr sich mit dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand durch die schwarzseidene Halsbinde.

»Jener Schwiebus also,« fuhr der Fremde, etwas ärgerlich über die Unterbrechung, fort, »soll vor einer langen Reihe von Jahren – man vermuthet, kurz vor dem Tode des alten Herrn Quetzlinberger – einen jungen Menschen, den Schwestersohn des alten Herrn, Namens Schierling, ermordet haben. Der junge Mensch, auf dessen Namen, falls der rechte Sohn nicht wieder aufgefunden würde, auch das ganze Testament lautet, blieb von der Zeit an verschollen. Sein Tod, obgleich nie vollständig bewiesen, war allgemein geglaubt, bis er plötzlich brieflich, ohne sich ein einziges Mal persönlich zu zeigen, in der Erbschafts-Angelegenheit wieder auftauchte. Dadurch wurde natürlich die ganze Geschäfts-Ordnung gestört, verwirrt und in die Länge gezogen, und die Erben sind jetzt endlich einmal hier in Hellburg sämmtlich zusammengebracht, nicht allein die Sache zu reguliren, sondern auch mehr fast noch, den sauberen Herrn Universal-Erben, wenigstens den jungen Burschen, der sich jetzt dafür ausgiebt, von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Hiergegen hat sich dieser Zweig »Schierling« auch bis jetzt allein gesträubt, und ein junger Mensch taucht da plötzlich, Gott weiß, woher! auf, der im Besitz der rechtmäßigen, bis jetzt noch gar nicht producirten Papiere, allerdings die meisten Ansprüche haben würde, wenn er nur überhaupt beweisen könnte, daß er wirklich existirt und der ist, für den er sich ausgiebt.«

»Sehr gut!« sagte Schwiebus jetzt, als der Doctor schwieg, gleichsam wie um seine Antwort abzuwarten. »Wenn der junge Schierling also damals am Leben geblieben ist – und er muß am Leben geblieben sein, sonst hätte er keine Nachkommenschaft haben können – so scheint mir die Sache mit jenem – Schwiebus auch vollständig erledigt. Wenn der junge Schierling am Leben geblieben ist, kann er ihn nicht ermordet haben.«

»Wäre auch klar!« rief der Doctor rasch, »wäre auch klar, oder dürfte wenigstens nicht bezweifelt werden, hätten wir nicht gerade das Geständniß jenes Schwiebus hier in den Acten. Der wurde nämlich damals gefänglich eingezogen, verschwand aber auf die räthselhafteste Weise aus seiner Haft und blieb, trotz allen Nachforschungen, spurlos verschwunden.«

»Und was hat jener – Schwiebus gestanden?«

»Daß er den Knaben – auf Veranlassung eines Anderen, den er aber nie nannte, und, wie es sehr wahrscheinlich ist, für ein Blutgeld – nur in der Absicht überfallen habe, ihn zu binden und auf ein nach Ostindien bestimmtes Schiff zu schaffen, wohin damals Recruten angeworben wurden. Der Knabe soll sich aber gewehrt und ihn vorzüglich in den linken Arm gebissen haben, wodurch er denn in Schmerz und Wuth, ja, in Nothwehr für den eigenen Leib, wie er erklärt, ein gerade dort liegendes Handbeil aufgriff und dem jungen Burschen Eins damit über den Schädel gab. Die Narbe an seinem Arm, d. h. die Merkmale der angebissenen Zähne, sind im Protocoll angegeben, sogar ist das blutige Beil als Corpus delicti vorgelegt worden.«

Schwiebus hatte dem kurzen Berichte in wirklich peinlicher Spannung gelauscht und wie unwillkürlich dabei die rechte Hand auf seinen linken Unterarm gelegt und diesen fest und krampfhaft gehalten. Er schwieg auch noch eine ganze Weile, als Doctor Quetzlinberger schon lange geendet hatte und in seinen Papieren wahrscheinlich noch einen Beleg des oben Erzählten suchte. Endlich aber nahm er sein Taschentuch heraus, trocknete sich damit die hellen, klaren Schweißtropfen, die ihm auf der Stirn standen, ab, und das Tuch dann wieder einsteckend, begann er, sich auf seine alte Art die Hände zu reiben.

»Nun?« sagte Doctor Quetzlinberger nach längerer Pause.

»Nun?« wiederholte Schwiebus mit dem ruhigsten, unbefangensten Gesichte von der Welt.

»Hm,« sagte der Doctor wieder, der durch das anscheinend vergnügte Händereiben des Famulus schon Hoffnung geschöpft hatte, der Mann wisse wirklich etwas von der Sache, und jener frühere Schwiebus sei keine fabelhafte Person gewesen. Des Famulus Gedanken schienen aber einen anderen Lauf genommen zu haben, oder er ließ auch die Sache als völlig begründet gelten und fragte jetzt selber mit fast schüchterner, vorsichtig gedämpfter Stimme:

»Aber – was wurde aus dem – aus dem Anderen?«

»Anderen? – welchem Anderen?«

»Nun, dem, der ihn gekauft haben sollte.«

»Wen? – den Mörder?«

Schwiebus nickte mit dem Kopfe.

»Ja, den hat man nie herausbekommen,« sagte der Doctor ärgerlich. Der Schuft wollte nicht gestehen, und wenn auch der Verdacht gegen einen jungen sehr geschickten Arzt vorlag, der damals in genauer Verbindung mit dem Quetzlinberger'schen Hause gestanden haben soll, so scheinen die Beweise doch nicht ausreichend gewesen zu sein, ihn namhaft zu machen oder gar zu fassen. Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es aber auch, daß der dem Mörder zur Flucht geholfen hat.«

»Sonderbare Geschichte das!« sagte der Famulus kopfschüttelnd, »sehr sonderbare Geschichte! Sollte eigentlich streng verboten sein, Jemandem einen Rock zu verkaufen, dessen Eigenthümer an den Blattern gestorben – oder gehängt ist.«

»Blattern gestorben? – wer spricht denn jetzt von an Blattern gestorben?« brummte der Doctor. »Also von einem derartigen Subject aus Ihrer Familie wissen Sie nichts? – es versteht sich von selbst, daß wir die strengste Discretion beobachten würden.«

Der Famulus schüttelte nachdenkend mit dem Kopfe.

»Haben Sie schon den Doctor Hetzelhofer gefragt?« sagte er endlich leise.

»Doctor Hetzelhofer? – gewiß – was soll denn der davon wissen?«

»Nun, ich meine nur – wäre ja doch möglich. Also der weiß nichts?«

»Nichts, als was ich ihm selber aus den Papieren mitgetheilt habe.«

»Und was sagte er dazu?« fragte der Famulus lauernd.

»Hm – er lacht und nimmt die Sache sehr ungeschäftsmäßig auf die leichte Achsel,« sagte der Fremde. »An dem wirklichen Tode des damaligen Erben zweifelt er übrigens keinen Augenblick und besteht deßhalb ebenfalls darauf, daß sich dieser junge Schierling hier vor allen Dingen erst einmal zu legitimiren habe. Das Uebrige finde sich nachher von selber. Legitimirt er sich wirklich, nun, dann ist auch die Geschichte mit jenem Schwiebus eine Fabel; denn wenn jener Knabe herangewachsen ist und Enkel hinterlassen hat, kann er nicht erschlagen sein.«

»Läßt sich nicht läugnen!« sagte Schwiebus – »aber der Biß.«

»Welcher Biß?«

»Nun, der in den Arm,« erwiderte der Famulus, wieder seinen eigenen linken Arm ergreifend.

»Unsinn!« brummte der Doctor, »wenn er ihn nicht todtgeschlagen oder wenigstens angefallen hat, wird der ihn auch nicht gebissen haben. Schlechtes Vergnügen, in faules Fleisch zu beißen.«

Der Doctor war ärgerlich, aus dem Famulus nichts herausgebracht und seine Zeit nutzlos an ihn verschwendet zu haben. Er sah nach der Uhr, nahm seine Brille ab, schob sie in das Futteral und stand von seinem Stuhle auf.

»Besondere Kennzeichen jenes besagten Schwiebus,« fragte da der Famulus, dessen Augen indessen an den Lippen des Fremden hafteten, »sind also wohl nicht weiter im Protokoll angegeben?«

»Kennzeichen?« wiederholte der Doctor, seine Papiere dabei zusammenpackend, verächtlich, »die kauf' ich nicht theuer. Kennzeichen allerdings, wie sie aber auf der Polizei angegeben werden. Alles »mittel« und »gewöhnlich,« was nicht gerade als auffällig in die Augen springt. – Graue Augen und dünne Haare, Gestalt hager, niedere Stirn etc. etc. Eine Beschreibung, die eben so gut auf Sie, wie auf tausend Andere paßte.«

»Auf mich?« sagte der Famulus leise schmunzelnd und fing an, sich wieder die Hände zu reiben. »Hm, ja, wäre mir lieb.«

»Und dann muß man bedenken,« setzte der Doctor hinzu, »wie erbärmlich in jener Zeit die Verbindungswege und überhaupt die ganzen polizeilichen Verhältnisse waren. Wenn Jemand flüchtig werden wollte und nur in irgend eine andere Stadt ging, war er beinahe gar nicht wieder zu bekommen.«

»Und wo soll das vorgefallen sein?« fragte Schwiebus.

»Die Acten hier sind von Hamburg,« erwiderte der Doctor. »Aber ich habe schon zu lange meine Zeit mit Ihnen vertrödelt,« setzte er dann auf seine alte, ziemlich barsche Weise hinzu. »Hier dieses Paket Papiere seien Sie so gut, mir in etwa einer Stunde mit jener Mappe da in die Krone zu schicken. Obenauf liegt die Verhandlung über jenen Schwiebus. Wenn Sie wollen, können Sie die Acten einmal durchblättern. Fällt Ihnen dann noch etwas ein, was auf jene Geschichte Bezug haben könnte,« setzte er mit einem bedeutungsvollen Blicke hinzu, »sind Sie vielleicht gar im Besitz alter Familien-Papiere oder Briefe, die im Stande wären, das Dunkel aufzuhellen, so – soll es Ihr Schade nicht sein. Sie können sich wohl denken, daß uns viel daran liegt, darüber Gewißheit zu haben. Familien-Rücksichten sind allerdings in den meisten Fällen zu nehmen und auch so weit ehrenwerth, aber – nun, Sie verstehen mich schon und werden sich die Sache überlegen.«

Doctor Quetzlinberger hatte indessen, in der festen Ueberzeugung, daß Schwiebus mehr wisse, als er für jetzt gerathen finde, sich merken zu lassen, und allein schon zu einem besseren Entschlusse kommen werde, seine Pantoffeln ab und in die Mitte der Stube geworfen. Er fuhr dann in seine Stiefel hinein, streifte eben so nachlässig seinen alten Schlafrock von den Schultern, den er halb über die Lehne seines Stuhles, halb auf die Erde fallen ließ, zog einen schon für ihn bereit gelegten dicken Flausrock an, den er sich bis obenhin zuknöpfte, stülpte sich seine weite Pelzmütze bis über die Ohren auf den Kopf, steckte sein Brillen-Futteral in die Tasche und verließ mit einem »Vergessen Sie nichts,« das auch zu gleicher Zeit als Abschiedsgruß zu dienen schien, das Zimmer.

Schwiebus blieb allein zurück, und viele Minuten lang auch genau in derselben Stellung, in der ihn Doctor Quetzlinberger verlassen hatte. Zufällig befand er sich dabei gerade dem im Zimmer hängenden großen Spiegel gegenüber, in dem er jetzt zum ersten Mal seinem eigenen Blicke begegnete und fast unwillkürlich davor zusammenschrak. Nichts desto weniger blieb er ruhig stehen, überflog aber seine eigene Gestalt in dem Glase mit scharfen, forschenden Blicken, schüttelte dann, wie keineswegs befriedigt mit dem Resultate, langsam den Kopf, und setzte sich, die ihm von dem Doctor bezeichneten Papiere vor sich entfaltend, endlich in den Lehnstuhl nieder, wo er mit allem Eifer die Documente nachlas. Diese mußten aber für ihn ein ganz besonderes Interesse haben, denn je weiter er darin vorrückte, desto mehr blitzten und funkelten seine sonst nichts weniger als lebendigen Augen. Wie ungeduldig klopfte dabei sein rechter Fuß den Tact zu irgend einer bewußtlosen Melodie, und er hielt die Unterlippe so fest eingeklemmt zwischen den scharfen Zähnen, daß das Blut vollständig daraus zurückwich und sie um die schmale niedergepreßte Oberlippe herum weiß und todtenähnlich erscheinen ließ. Kein Wort murmelte er dabei, kein Laut verrieth, was gerade in ihm arbeite, und nur ein leises, kaum bemerkbares Kopfnicken, mit dem er zuletzt fast mechanisch den rechten Fuß begleitete, schien die Bestätigung irgend einer gehegten Vermuthung oder eines geweckten Verdachtes zu bringen.

Endlich hatte er das Manuscript, oder doch wenigstens den Theil, der für ihn ein besonderes Interesse haben mochte, beendet. Er stand auf, legte die Papiere wieder zusammen, steckte sie in die Mappe, die er mit einem grünen, breiten Bande fest umschlang, legte sie dann auf den Tisch, strich sich die Haare langsam aus der Stirn, zog sich den Rock etwas gerade, wie um sich jemand Fremdem vorzustellen, und trat dann, als er seine Toilette dermaßen flüchtig beendet, gerade und dicht vor den Spiegel hin.

Hier blieb er stehen und betrachtete sich erst eine kurze Zeit mit einem keineswegs freundlichen Ausdruck in dem Glase, und nickte endlich, die Brauen immer fester zusammenziehend, langsam mit dem Kopfe.

»Ja ja,« sagte er dabei leise flüsternd und nur eben laut genug, daß es das Spiegelbild etwa hätte hören können, »das hab' ich mir so ungefähr gedacht. So etwas mußte vorgefallen sein, und so kommt man jetzt endlich hinter Deine Streiche, Schwiebus, hinter Deine nichtswürdigen, schurkischen Streiche!«

Er schwieg einen Augenblick und sah sein Spiegelbild etwa gerade so an, als ob er dessen Erröthen abwarten wollte; da das aber ausblieb, fuhr er langsam fort:

»Dürfte ich mich denn jetzt wohl beklagen, wenn sie Dich faßten und Dir mit einem Stricke die total unschuldige Seele aus dem Halse, der nicht einmal mehr Dir gehört, hinausdrückten, wie man einen Kern aus einer reifen Kirsche schießt? Es wäre mir auch eine ordentliche Freude, wenn es geschähe, und ich hätte gar nicht übel Lust, selber hinzugehen und einem hochweisen Rath die ganze Geschichte von A bis Z zu erzählen, wenn nur nicht – hm, ist doch ein verfluchtes Ding! Und Ehrgefühl hat er auch nicht mehr, keine Miene verzieht er bei der ganzen Bescheerung – ja, er schämt sich nicht einmal!« sagte er, jetzt fast laut und sich halb umwendend im Zimmer, als ob er zu einem Dritten rede und dessen Bestätigung verlange. Hier aber schaute er plötzlich in das hochrothe, lachende Gesicht des Doctor Hetzelhofer, der indessen die Thür leise geöffnet hatte und hereingetreten war, um ein stiller, aber nichts desto weniger sehr vergnügt aussehender Zeuge fast des ganzen Gespräches zu sein.

»Es ist ein verstockter Sünder, Schwiebus,« sagte derselbe jetzt mit dem Kopfe ernsthaft dazu nickend, während ihm das Gesicht vor verbissenem Lachen nur immer höher und röther anschwoll, »es ist ein hartnäckiger, unverbesserlicher Sünder und Hopfen und Malz rettungslos an ihm verloren. Das Beste wäre auch, wir hängten ein Tuch über das Glas und ließen ihn gar nicht mehr hinaus an die frische Luft und Sonne.«

Schwiebus' Gesicht verließ, als er den Doctor Hetzelhofer so plötzlich vor sich sah, auch die letzte Farbe. Ohne sich aber irre machen zu lassen, blieb er in seiner Stellung, begegnete fest dem auf ihm haftenden Blicke des Doctors und sagte dann mit wohl unterdrückter, doch nichts desto weniger fester und ruhiger Stimme:

»Wollen Sie einmal die Papiere da durchlesen, Doctor Hetzelhofer? – die dort obenauf mein' ich, in der braunen Mappe. Fänden vielleicht manches darin, was interessant wäre, aus früheren Zeiten.«

»Kenne die Geschichte durch und durch, Schwiebus,« lachte der Doctor, sich innerlich schüttelnd und ohne sich im Mindesten außer Fassung bringen zu lassen, »kenne die Geschichte durch und durch und habe mich oft genug dabei gelangweilt – ist ein Namensvetter von Ihnen, he? – hahahaha!«

»Namensvetter? – ja,« sagte der Famulus schaudernd und mit kaum hörbarer Stimme, »ein Namensvetter, mit dessen Paß ich mit größter Bequemlichkeit in der Welt umher reisen könnte – Wenn ich nicht vielleicht hier und da aufgehalten und – gehängt würde. Angenehmer Namensvetter! Möchte doch eigentlich einmal einen Advocaten darum fragen, was man mit einem solchen Namensvetter am besten macht.«

»Unsinn!« brummte aber jetzt der Doctor und schüttelte halb lachend, halb ärgerlich den Kopf hin und her – »lassen Sie die alten Geschichten, Schwiebus, und werden Sie endlich einmal vernünftig! Im Hause lasse ich mir's allerdings noch immer gefallen; es hört's eben hier Niemand, und wir Beide haben es unter einander und können darüber lachen. Wenn Sie's aber hinaustragen und anderen vernünftigen Menschen Ihre tollen Ideen ebenfalls vorerzählen, dann sagen die Leute nachher einfach: Der Schwiebus ist verrückt und der Doctor Hetzelhofer muß auch keinen großen Verstand haben, daß er sich einen verrückten Famulus hält.«

»Wenn ich Ihnen aber die Beweise brächte,« sagte der Famulus leise, den Doctor dabei scharf fixirend, während die kleinen grauen Augen in einem ordentlich unheimlichen Lichte funkelten, »wenn andere Sachen an's Licht kämen, und andere Personen . . . .«

»Wenn Sie Ihr Leben absolut in einem Narrenthurm beschließen wollen, Schwiebus,« sagte der Doctor, jetzt plötzlich ganz ernst werdend, »so kann natürlich niemand Anderes etwas dagegen einzuwenden haben; Sie brauchen's nur zu sagen. Dann rath' ich Ihnen aber wohlmeinend, ziehen Sie vorher in eine größere Stadt, denn die Bequemlichkeiten hier in der Anstalt sind eben nicht besonderer Art.«

Schwiebus erwiderte keine Sylbe, knöpfte aber jetzt, keinen Blick dabei von dem Doctor verwendend, seinen linken Rockärmel langsam und bedächtig auf, streifte ihn dann mit dem Hemd in die Höhe und hielt den bloßen Unterarm, auf dem deutlich die Narben eines Bisses sichtbar waren, jenem entgegen.

»Hahahaha!« lachte aber dieser jetzt gerade hinaus, »hahahaha, das ist zu komisch – das ist wahrhaftig zu komisch – Schwiebus – hahahaha – Schwiebus, Sie sind ein kostbarer Mensch, und man könnte sich – hahahaha – wenn man nicht vorher erstickte – wahrhaftig – hahahaha – man könnte sich wahrhaftig todt bei Ihnen lachen.«.

»Und dürfte ich den Herrn Doctor Hetzelhofer vielleicht fragen,« sagte Schwiebus ernst und ohne eine Miene zu verziehen, »was er hierbei so unendlich komisch findet?«

Der Doctor konnte sich aber im ersten Augenblick wirklich nicht fassen. Er warf sich in den am Tisch stehenden Lehnstuhl, hielt sich mit beiden Händen den Bauch und lachte, daß ihm die großen hellen Thränen an den zinnoberrothen Backen niederliefen. Der Famulus streifte indessen seinen Aermel wieder hinunter, knöpfte ihn zu und blieb vollkommen regungslos und ohne eine Miene dabei zu verziehen, neben dem Tische stehen – anscheinend ganz geduldig, den Paroxysmus seines Principals abzuwarten. Dieser brauchte auch wirklich mehrere Minuten, bis er wieder zu sich kam, und rief dann, sich die Thränen aus den Augen wischend:

»Hören Sie auf, Schwiebus – Sie sind noch mein Tod – ich sterbe – ich berste vor Lachen, wenn ich noch einmal anfangen muß!«

»Hm, ja,« sagte der Famulus, »die Sache ist auch merkwürdig komisch – ungeheuer komisch.«

»Die Idee ist aber vortrefflich!« rief der Doctor wieder und drohte in einen neuen Lachkrampf zu verfallen; »himmlische Idee das, einen alten Hundebiß als Entschuldigung für temporären Wahnsinn – gewissermaßen ein Attest berechtigter Tollheit – mit herum zu tragen und bei vorkommenden Fällen zur Legitimation aufzuzeigen. Schwiebus, Sie sind wirklich unübertrefflich!«

»Danke Ihnen,« sagte Schwiebus, seinen linken Arm vorhaltend, »also das war ein Hundebiß?«

»Nun? – muß ich Sie etwa noch daran erinnern, daß Sie vor, ich weiß nicht mehr, wie viel Jahren, von meiner Bulldogge gebissen wurden, die Ihrem Raben zu Leibe wollte?«

»So viel ich weiß,« sagte Schwiebus, »war der nicht in den linken Arm, sondern in das rechte Bein

»Und den Arm, Schwiebus,« lachte der Doctor wieder. »Aber ich vertrödele hier meine Zeit mit Ihnen – alle Wetter, es ist schon eilf Uhr vorüber, und um halb eilf Uhr hat die Verhandlung begonnen! Was soll denn mit den Papieren da geschehen? Hat die der Doctor vergessen?«

»Ich soll sie ihm hinüber schicken – werde sie ihm aber wahrscheinlich selber bringen. Bin doch auch neugierig, den Congreß des Quetzlinbergerschen Hauses mit anzusehen und den eigentlichen Erben kennen zu lernen,« sagte der Famulus.

»Ja ja, Schwiebus – kann ich mir denken,« nickte ihm der Doctor zu – »ist wenigstens leicht erklärlich – aber,« setzte er mit einem scharf auf den Famulus gehefteten, halb lachenden, halb lauernden Blicke hinzu, vor dem Schwiebus in sich selbst zusammenzuckte: »Vergessen Sie die tollen Ideen, Schwiebus – und das je eher, desto besser. Eine Zwangsjacke ist eine höchst unbequeme Tracht – und es giebt doch noch unbequemere!« Damit ihm freundlich zunickend, verließ er das Zimmer, und Schwiebus packte, fast mechanisch, die Mappe zusammen, sie ihrem Bestimmungsorte zuzutragen.



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