Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehnter Abschnitt.

Im Netz.

Als der Sonnabend gekommen war, wo Petersen seinen Freund Prahn in den Klub begleiten sollte, mußte er unwillkürlich lachen.

»Ist es nicht neckisch,« sprach er zu seiner Frau, »auf welch sonderbaren verschlungenen Pfaden die guten Menschen hier sich bemühen, mir wieder zu meinem Eigentum zu verhelfen?

Und glaubst du wirklich, liebes Herz, daß ein so raffinierter Mensch, wie dieser Northcliff, sich in dem polizeilichen Netz wird fangen lassen?

Ich möchte es bezweifeln. Aber glücklich würde es mich doch machen, wenn wir nur einen Teil unseres Geldes wiederbekämen. Denke nur, wie prächtig das wäre, unabhängig zu leben und nicht von der Gnade anderer Menschen abhängig zu sein.

Und dann das größere Glück: mit Hilfe der Geldmittel in den Stand gesetzt zu sein, in unser geliebtes deutsches Vaterland wieder zu kommen!

Geh' nur zu Bett. Auf meine Rückkunft wirst du wohl vor morgen früh nicht rechnen können.«

Er küßte Frau und Kind zum Abschied. Dann ging er die Straße hinunter, Freund Prahn abzuholen.

Ein Wagen brachte sie später nach Madeson Square.

Es war elf Uhr vorüber. Wagen auf Wagen hielt vor dem fashionablen Eingang.

Petersen wurde gebeten, in einem Seitenzimmer sich die Zeit mit Lektüre zu vertreiben, bis ihm Prahn einen Wink geben würde.

Gegen halb zwölf Uhr erschien der Polizeiinspektor Whiteman mit mehreren Geheimpolizisten.

Whiteman sowohl wie seine Beamten waren in eleganter Fracktoilette. Niemand hätte in diesen vornehm auftretenden Männern Hüter des Gesetzes vermutet.

Alte und junge Männer drängten sich um die Spieltische.

Im allgemeinen wurde dem Pokerspiel gehuldigt. Verschiedentlich wurden aber auch Hasardspiele gespielt.

An einem Tisch ging es hoch her. Da wurden große Summen gesetzt, gewonnen und verloren.

Bald strich der Bankhalter die klingenden Goldstücke ein. Bei der nächsten Runde mußte er von seinen gewonnenen Schätzen wieder erhebliche Summen herauszahlen. Es schien, als ob gerade dieser Tisch eine besonders magische Anziehungskraft auf die Spieler ausübe.

Auch die immer neu Ankommenden gruppierten sich gerade um ihn, um ihr Glück zu versuchen.

Der Polizeiinspektor mit seinen Gehilfen stand beobachtend in der Gruppe und sah den Spielern zu.

Kurz vor Mitternacht drängte sich durch die Reihen endlich der längst erwartete Mister Northcliff.

Doktor Prahn, der sich bisher am Spiele nicht beteiligt, sondern nur damit vergnügt hatte, aus einem Spielzimmer in das andere zu gehen, um neugierig auf die Spieler und ihren Einsatz zu achten, kam gerade dazu, als Northcliff in der großen Gruppe der um den Spieltisch Stehenden untergetaucht war.

Nun rückte die Zeit naher, in der er bald als Handelnder in diesem Schauspiel auftreten wollte.

Er sah erst eine Weile dem Spiele zu.

Northcliff beteiligte sich noch nicht daran.

Nicht allzu lange brauchte er jedoch zu warten.

Northcliff setzte und verlor. Er setzte wieder und verlor das zweite Mal. Doch die Beträge waren nicht groß. Es kam nur darauf an, ob der Spieler heut bei Kasse war.

Nun hielt Doktor Prahn die Zeit für gekommen, Petersen zu holen und ihn so zu postieren, daß er von Northcliff nicht gesehen werden konnte.

Inzwischen war das Spiel weiter gegangen.

Northcliff hatte wieder verloren.

Doch in seinem Gesicht war nichts von Erregung oder Spieleifer zu merken. Er wußte sich zu beherrschen.

Mit einem Male wandte sich das Blatt. Northcliff gewann.

Beim zweiten Wurf war ihm das Glück wieder günstig. Er ließ die ganze Summe stehen und gewann erneut.

Er erhöhte den Einsatz auf fünftausend Dollars.

Er gewann.

Die Spieler von den andern Spieltischen liefen herzu, um dem glücklichen Gewinner und seinem Spiele zuzusehen.

Doktor Prahn war jetzt bis zu Whiteman vorgedrungen, der interessiert neben Northcliff Aufstellung genommen hatte.

Northcliff ließ fünftausend Dollar stehen und dublierte. Und wiederum rollte ihm der ganze Gewinn zu, der in großen Banknoten und Gold sich neben ihm häufte.

»Ist's bald so weit?« fragte Doktor Prahn leise Whiteman.

Whiteman flüsterte ihm ins Ohr: »Sobald er jetzt wieder gewonnen hat, mache ich Schluß.«

Wiederum setzte Northcliff zehntausend Dollar und – ein allgemeines Ah! wurde laut, als wiederum der reiche Goldstrom zu Northcliffs Platz rollte.

»Belieben Sie weiter zu spielen, mein Herr?« fragte der Bankhalter, der am liebsten gesehen hätte, daß Northcliff aufhörte, denn er befürchtete, wenn der Spieler noch weiter so glücklich spiele, er würde die Bank sprengen.

Northcliff antwortete nicht. Seine Augen leuchteten jetzt gierig. Sollte er dem Glück weiter die Hand bieten, oder sollte er mit den gewonnenen Summen sich eiligst davonmachen?

Er schien zu überlegen.

Er wurde jeden weiteren Nachdenkens überhoben, als eine Stimme neben ihm laut wurde.

»Mister Northcliff, genannt Mister Wilson!«

Der Angerufene fuhr zu dem Sprecher herum, der ihm eine Erkennungsmarke vor das Gesicht hielt.

»Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes und beschlagnahme Ihren ganzen Gewinn!«

Die Umstehenden wurden ein wenig unsanft beiseite geschoben, als neben Northcliff sich zwei Männer aufstellten, die Hand an ihn legten. Ein allgemeiner Tumult hatte sich erhoben.

Northcliff hatte sich aber rasch gefaßt.

»Warum und auf wessen Veranlassung soll ich verhaftet werden?« fragte er.

Da drängte sich Doktor Prahn in seine Nähe.

»Die Auskunft kann ich Ihnen geben. Ich bin der Rechtsanwalt Doktor Prahn. Mein Mandant ist Herr Petersen aus Duala in Kamerun, dem Sie vierzigtausend Mark aus seinem verschlossenen Kasten mittelst Einbruchs gestohlen haben.«

Da die allgemeine Aufregung wuchs, gab der Polizeikommissar seinen Beamten ein Zeichen, den Verhafteten abzuführen.

Die beschlagnahmte Summe wurde gezählt und von dem Kommissar in Verwahrung genommen.

Unter allgemeiner Aufregung löste sich die Spielgesellschaft auf.

*

Schon wenige Tage später wurde die leidige Angelegenheit durch Richterspruch erledigt.

Nach Vernehmung Petersens und seiner Frau, nach Aussage des Polizeiagenten Knox' wurde Northcliff für schuldig gefunden, dem Kläger den entwendeten Betrag zurückzuzahlen. Für die Tat selbst erhielt er eine längere Freiheitsstrafe.

Prahn redete nun Petersen eifrig zu, sich doch mit der ihm verbliebenen Summe eine Farm im Westen zu pachten, wenn er es nicht vorziehen wollte, Bürger der Vereinigten Staaten zu werden.

Doch Petersen lehnte ab. Ihn zog es mit Allgewalt nach Deutschland.

Da weiteres Zureden keinen Erfolg hatte, so war ihm Prahn behilflich, die Pässe zu besorgen, die ihn als einen »Holländer mit Familie«, legitimierten.

Unterwegs wurde das Schiff zwar von einem englischen Kriegsschiff angehalten und untersucht. Doch glücklich schlüpfte Petersen mit den Seinen durch und gelangte endlich wohlbehalten in seiner Vaterstadt Hamburg an.


 << zurück weiter >>