Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achter Abschnitt.

Was die »Möwe« kaperte!

Auf die sturmbewegten Tage blaute am 10. Januar 1916 ein wolkenloser Himmel, von dem die Sonne warm und klar strahlte, wie seit langer Zeit nicht. Das Meer war bewegt, die Dünung hinderte nicht, daß alles, was die Tage und Nächte über schwer geschafft und gearbeitet hatte, auf Deck lag oder saß und es sich wohl sein ließ.

Die meisten streckten sich lang aus und genossen die wohlige Sonnenwärme.

Es wurde Karten gespielt, getrunken, geraucht, – genug, jeder gab sich einem süßen Nichtstun hin und keiner dachte mehr an die überstandenen Gefahren und daran, daß die »Möwe« im feindlichen Gewässer schwamm und von zahlreichen Feinden rings umgeben war.

Die Offiziere taten sich in der Offiziersmesse gütlich. Ein Musikkundiger spielte fröhliche Weisen auf dem köstlich verstimmten Klavier.

In der Funkerbude wurde es mit einem Male gegen Abend lebendig. Ein Funker riß die Tür auf, sah zur Kommandobrücke hinauf, auf der der Kapitän im Gespräch mit dem ersten Offizier stand. Dann schoß er wie ein Blitz auf den hohen Vorgesetzten zu und überreichte ihm das eben aufgefangene Funkentelegramm.

Der Kommandant Graf Dohna las die wenigen Worte und zuckte zusammen. Er brachte das Blatt noch näher an die Augen, um deutlicher zu sehen, – die Schriftzeichen blieben dieselben.

Dann reichte er es dem ersten Offizier, dessen Gesicht zu strahlen begann.

»Herr Kapitän, ich verwette meinen Kopf, daß wir diesen Erfolg schon aus unser Konto setzen dürfen. – Das Schlachtschiff ›König Eduard VII.‹ auf eine Mine aufgelaufen und gesunken.«

So war es auch. –

Das englische Linienschlachtschiff war 1903 vom Stapel gelaufen. Es verdrängte 17800 Tonnen bei 18500 Pferdekräften.

Mit achthundertzwanzig Mann fiel es der deutschen Mine zum Opfer.

Während der Kapitän in die Offiziersmesse hinunterstieg, um die frohe Botschaft seinen Offizieren selbst bekanntzugeben, machte die »Möwe« eine ruhige Fahrt.

Sie näherte sich jetzt jenem von Passagierdampfern oft befahrenen Seewege.

Der nächste Tag schon mußte sie den Opfern, die ahnungslos dem beutesuchenden Schiff entgegenfuhren, nahebringen.

Auch dieser Tag war sonnenklar.

Da steigt am Horizont eine Rauchfahne auf. Die »Möwe« hält darauf zu. Mit Volldampf geht's dem Schiff, dessen Schornstein und Masten man schon durchs Glas sehen kann, entgegen.

Erst am Nachmittag sind sich die beiden Schiffe so nah gekommen, daß es durch ein Flaggensignal angerufen werden kann. Doch in dem nämlichen Augenblick, als das Signal den entgegenkommenden Engländer befragt: »Wie heißen Sie?« und die Antwort »Farringford« zurückkommt, taucht auch schon ein zweites Dampfschiff auf, das geradeswegs auf die »Möwe« zuläuft.

»Um so besser,« sagt der Kapitän, »dann fangen wir zwei Fliegen mit einem Schlage!«

Der zweite, noch unbekannte Dampfer wird durch ein Signal aufgefordert, zu stoppen. Gleichzeitig steigt die deutsche Kriegsflagge bei der »Möwe« empor. Damit die beiden Fremdlinge sehen, daß es der »Möwe« ernst ist, gibt sie auf jeden Dampfer einen Schuß vor den Bug ab.

Auf diese freundliche Aufforderung hin stoppen beide Schiffe sofort. Die »Möwe« ist »Farringford« bis auf fünfzig Meter nahe gekommen.

»Verlaßt sofort das Schiff!« ruft der Kapitän hinüber. »Ich nehme die Leute an Bord.«

Während die »Möwe« für die Übernahme der Besatzung alle Anstalten trifft, was bei dem wieder hochgehenden Meere nicht allzu leicht, ist, benutzt der zweite Dampfer einen niedergehenden Wolkenbruch, um sich aus dem Staube zu machen.

Das darf nicht geschehen. Entweicht das Dampfschiff und bringt die Kunde nach England, dann ist es um die »Möwe« und ihre weitere Tätigkeit bald geschehen.

Das darf nicht sein!

Der Kommandant macht kurzen Prozeß. Der »Farringford« erhält ein paar Granaten in die Nähe der Wasserlinie. Die Schüsse sitzen. Durch die Lecke strömt das Wasser. Das Schiff beginnt zu sinken. Nun wendet die »Möwe« und jagt hinter dem Flüchtling mit Volldampf her.

Ah, da hat sie ihn schon entdeckt.

Um ihn willfähriger zu machen, schickt ihm Graf Dohna eine Granate nach. Aber der Engländer versteht die liebenswürdige Aufforderung nicht. Er sucht mit hoher Fahrt zu entfliehen. Da nützt es nichts. Es wird ihm eine zweite Granate, die sehr gut trifft, nachgeschickt. Und da, endlich, bequemt sich das Schiff, zu stoppen.

Durch ein Lichtsignal zeigt er an, daß er nicht mehr zu entweichen beabsichtigt, und vielmehr dem Besuch der »Möwe« gern entgegensieht.

Ein Boot wird ausgesetzt. Zwei Offiziere und sechs Mann als Prisenkommando begeben sich an Bord des Schiffs. Es ist der englische Dampfer »Corbridge«. Er faßt 2687 Tonnen und ist mit einer Ladung von viertausend Tonnen guter Cardiffkohle auf dem Wege nach Brasilien.

Schmunzelnd hört Graf Dohna die Kunde.

»Cardiffkohle, das ist ja gerade das, was wir so nötig brauchen. Von unserm Vorrat haben wir, seit wir von Weihnacht unterwegs sind, genug verqualmt. Die kommt uns sehr gelegen.«

Das Kohlenschiff wird infolgedessen nicht in den Grund gebohrt. Es erhält vielmehr den ehrenvollen Auftrag, der »Möwe« zu folgen, nachdem das Prisenkommando noch verstärkt worden war.

Der Kapitän ist mit dem ersten Tage und den beiden Erfolgen sehr zufrieden.

Am nächsten Tag meldet der Mann im Ausguck, daß wieder eine Rauchwolke in Sicht wäre.

Alle Gesichter strahlen vor Freude in Erwartung einer neuen Beute. Doch Graf Dohna erwägt bei allem Mut und allem Draufgängertum vorher. Sein Wahlspruch ist: Erst wägen, dann wagen. Die Möglichkeit liegt ja sehr nahe, daß das gesichtete Schiff mit Funkentelegraphie versehen ist. Wittert es den Feind, dann wird es natürlich sofort die Gefahr durch Funkspruch zur Küste melden und mit der Herrlichkeit der »Möwe« wird es dann bald ein rasches Ende nehmen.

Die »Möwe« tut aber so, als wolle sie an dem Ankömmling vorbeifahren.

Inzwischen stellt der erste Offizier fest, daß auf dem ankommenden Schiff keine Funkentelegraphie ist. Nun erst hält die »Möwe« direkt auf den Dampfer zu.

Dem Kapitän des feindlichen Schiffes scheint nichts Gutes zu ahnen. Er ändert den Kurs, macht Dampf auf, um zu entweichen.

Das übliche Mittel, um flüchtige Dampfschiffe zum Stoppen zu bewegen, wird auch hier wieder angewendet. Als ihm eine Granate vor den Bug fliegt, sieht er ein, daß er an ein Entweichen nicht mehr denken kann und – stoppt.

Auch dieser aufgebrachte Dampfer ist mit Kohle beladen. Er hört auf den Namen »Dromonby«, ist 3627 Tonnen groß und war gerade auf dem Wege, um den englischen Schiffen in Südafrika die so notwendige Kohle für ihre Kessel zu bringen, als ihm die »Möwe« den Weg versperrte.

Die Bemannung des Engländers wird an Bord geholt. Dann wird das Schiff in die Luft gesprengt.

Die Sprengung geschieht in der Weise, daß eine Anzahl Sprengpatronen an der Schiffswand angebracht werden, die durch eine Zündschnur miteinander verbunden sind.

Sobald die Flamme an der Schnur fortläuft und die Patronen entzündet, findet die Explosion statt. Diese reißt große Löcher ins Schiff, durch die das Wasser mit Macht eindringt. In ganz kurzer Zeit bringt das eindringende Wasser das Schiff zum Sinken.

Mit Interesse sieht die Mannschaft der »Möwe« dem Ende des zum Tode verurteilten Schiffes zu.

Als die Patronen die Sprenglöcher in die Schiffswände gerissen hatte, als das Wasser gurgelnd eindringt, beginnt das Schiff sich auf die Seite zu legen. Immer mehr sinkt es. Immer größere Wassermassen drücken den zum Tode verurteilten Schiffskörper nach unten, bis es plötzlich mit einem jähen Satz wegsackt.

Ein Strudel schließt sich über dem Grabe. Und nun beginnt ein grotesker Tanz aller möglichen Gegenstände. Stangen, Bretter, Balken, Stühle, Kisten, Fässer, – alles in buntem Chaos durcheinander, kommt an die Oberfläche, treibt eine kurze Weile auf den Wellen, dann führt die Strömung die an die Oberfläche gespülten Überreste nach allen Richtungen davon.

Nach der feierlichen Bestattung des »Dromonby« wird vom Ausguck schon wieder eine Rauchfahne im Norden gemeldet.

Unverzüglich nimmt die »Möwe« ihren Kurs darauf zu. Wieder ist das gesichtete Schiff ein englischer Dampfer. Man liest in schönen großen Buchstaben an seinem Rumpf den Namen »Author«.

Dasselbe Spiel wiederholt sich, wie bei den andern. Auf eine vor den Bug gefeuerte Granate erst entschließt sich der Kapitän zu stoppen.

Das Prisenkommando meldet: an Bord wären elf Engländer und fünfundvierzig Inder. Auch Schafe, Hühner und Eier wären reichlich vorhanden, und vier wertvolle Rennpferde.

Mit den Rennpferden weiß Graf Dohna leider nichts anzufangen. Die prächtigen Tiere werden erschossen. Sie werden den zahlreichen Haifischen eine willkommene Beute sein.

Menschen und Tiere, und was sonst zur Ergänzung des Proviants der »Möwe« dienen kann, wird an Bord genommen und dann das fast noch ganz neue Schiff, dessen Wert auf etwa vier Millionen Mark geschätzt wird, in die Tiefe geschickt.

Der »Author« kam von Norden.

Da wird mit einem Male von Süden eine Rauchfahne gemeldet. Das neu gesichtete Schiff kommt ahnungslos auf die »Möwe« zu und erst als es dicht in ihrer Nähe ist, erhält es den Befehl zu stoppen.

Gleichzeitig wird hinübergerufen: »Verlassen Sie sofort das Schiff!«

Der Kapitän gehorcht gleich. Nach einer Viertelstunde schon liegt der große Dampfer – er hieß »Trader« – 3700 Tonnen groß, auf dem Meeresgrunde.

Allmählich hat die Mannschaft schon eine Übung im Aufbringen und Versenken erhalten.

Das Schiff war mit Rohzucker nach England unterwegs. Nun werden die Fische für eine Weile in der Gegend des Schiffsrumpfes merken, daß aus salzigem Seewasser Süßwasser geworden ist.

Die »Möwe« ändert nach diesen Erfolgen ihren Kurs. Hundertfünfzig Mann hat sie jetzt an Bord als Gefangene, die in den unteren Schiffsräumen zusammengepfercht werden mußten.

Da baten die drei Kapitäne der vernichteten Schiffe, mit dem Kommandanten reden zu dürfen.

Die Bitte wird ihnen erfüllt. Sie bitten den Kapitän, die Gefangenen doch besser unterzubringen.

In der Tat, der Aufenthalt in den ungelüfteten unteren Schiffsräumen, bei der kolossalen, dort herrschenden Hitze, wurde für die Männer zur Qual.

Die Deutschen sind keine Unmenschen. Sie hatten bisher mehr zu tun, als sich um die Gefangenen zu kümmern.

Jetzt aber, als der Kapitän auf die unzuträgliche Lage der Menschen aufmerksam gemacht wurde, ordnete er sofort an, daß die Weißen auf dem Vorderschiff, die Inder auf dem Hinterschiff untergebracht werden.

Unter tätiger Teilnahme der Gefangenen werden von dem reichlich vorhandenen Brettervorrat Tische und Bänke hergestellt und bald hatten sich die Gefangenen wohnlich eingerichtet. Den drei Kapitänen wurde zur Pflicht gemacht, für Ordnung und peinliche Sauberkeit unter den Leuten zu sorgen. Sie werden verwarnt und für jede Widersetzlichkeit ihrer Leute verantwortlich gemacht. Die Männer haben den Anordnungen strikt Folge geleistet. Und auch unter den Gefangenen kam keinerlei Streitigkeit oder Widersetzlichkeit vor.


 << zurück weiter >>