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Elfter Abschnitt.

Versuchte Meuterei.

Die »Appam« schwamm auf dem Atlantik ihrem unbekannten Ziele entgegen.

Der neue Kommandant, Leutnant Berg, wich und wankte nicht von der Kommandobrücke.

Seine kleine Mannschaft war so verteilt, daß sie sich um ihn scharen konnte, wenn er ihrer Hilfe bedurfte.

Auch die Leute blieben auf ihren Posten Tag und Nacht.

Besonders in den ersten beiden Tagen und Nächten kam kein Schlaf in ihre Augen. Die deutschen Passagiere nahmen sich ihrer mit landsmannschaftlicher Freundlichkeit an. Die Frauen holten ihnen das Essen und brachten ihnen Getränke. Wenn die Müdigkeit und Anstrengung bei der Mannschaft gar zu groß war, dann traten wohl die deutschen Farmer für sie ein, nahmen die Waffen zur Hand und übernahmen für kurze Stunden die Wache.

Der Kapitän führte strenges Regiment. Doch bei aller scharfen Disziplin war er zuvorkommend und höflich. Die gleiche Liebenswürdigkeit ging von allen deutschen Offizieren und Soldaten aus.

Die Engländer konnten sich also über die Behandlung nicht beklagen. Sie hatten ihre Freiheit behalten. Sie durften sich auf dem Schiff vollkommen unbelästigt bewegen, sie empfanden also nicht, was es heißt, in Kriegsgefangenschaft gehalten zu werden.

Und dennoch schien ihnen diese Freiheit noch nicht groß genug. Der Haß trieb sie an, die Vorbereitungen zu einer törichten Handlung zu begehen.

Kaum war die »Appam« aus dem Gesichtskreise der »Möwe« und ihrer Kanonen verschwunden, da begann gleich ein nervöses Treiben, eine sichtbare Unruhe sich unter den englischen Passagieren zu zeigen.

Mister Barrington und Mister Rockway, zwei kanadische Großkaufleute, waren sichtlich bemüht, ihre Landsleute für eine Unternehmung zu gewinnen.

Herr Petersen, der ein wachsames Auge über alle Vorgänge auf dem Schiffe hatte, sah, wie die beiden Engländer von einem zum andern gingen und auf ihn einsprachen. Der eine sah sich erst vorsichtig um, ehe er zustimmend mit dem Kopfe nickte. Ein anderer warf ängstliche Blicke nach der Kommandobrücke und zuckte die Achseln.

Herr Petersen beobachtete die beiden Männer nicht bloß auf dem Promenadendeck. Er folgte ihnen unauffällig und bemerkte ihr aufhetzerisches Bemühen im Rauchsalon und auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten im Speisesaale.

Es ging etwas vor. Es lag etwas in der Luft. Das empfand jeder Deutsche auf dem Schiff. Was, das konnte man nur vermuten oder ahnen, aber nicht mit bestimmten Worten sagen.

Dem Kapitän wurde von dem Treiben der beiden durch Petersen Mitteilung gemacht.

»Auch von anderer Seite ist mir schon eine Warnung zugekommen. – Die Leute scheinen sich doch die Sache leichter vorzustellen und nicht zu bedenken, daß sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen.«

Vorläufig konnte der Kapitän nicht gegen sie vorgehen. Er hatte keinerlei Beweismaterial gegen sie. Und solange sie sich ruhig verhielten, wollte und konnte er nichts gegen sie unternehmen.

Nur eins konnte er übereinstimmend mit Petersen feststellen, daß die beiden englischen Gouverneure, Merewether und James, an ihren heimlichen Unterhaltungen nicht teilnahmen. Auch die Kapitäne der versenkten Schiffe hielten sich von den Zusammenkünften auf Deck und im Rauchsalon fern. Die Kapitäne hielten sich überhaupt etwas abseits von allen. Meistens ruhten sie lesend in ihren Liegestühlen.

Zwei Tage schwamm die »Appam« schon auf dem Atlantischen Ozean. Weit und breit war kein Schiff zu sehen. Nur gelegentlich tauchte einmal ein Segel auf, das aber bald wieder verschwand.

Die heimliche Hoffnung der Engländer war, es möchte ihnen ein englisches Kriegsschiff begegnen.

Doch Leutnant Berg hatte eine Route gewählt, die abseits von der großen Verkehrsstraße lag. Und dann hatte er es auch nicht eilig. Im langsamsten Schneckentempo arbeitete die Maschine.

Die Engländer, die merkten, daß das Schiff mit der geringsten Geschwindigkeit fuhr, behaupteten: wenn das so weiterginge, würden die Kohlen völlig verbraucht sein, ehe man noch ein Stück Land in Sicht bekäme. –

Die beiden Rädelsführer verfügten am dritten Tage bereits über einen ansehnlichen Anhang. Mehr als zweihundert Männer hatten den überzeugenden Ausführungen der Herren Barrington und Rockway zugestimmt. Sie waren bereit, gemeinschaftliche Sache mit ihnen zu machen und unter ihrer Führung das Prisenkommando auf ein verabredetes Zeichen niederzuschlagen. Dazu waren keine Waffen nötig. Wenn die zweiundzwanzig Mann und die Offiziere überwältigt waren, dann hatte man ja Waffen. Aber es müßte doch, meinten die ehrenwerten Meuterer, mit dem Satan zugehen, wenn zweihundert starke englische Männer nicht imstande sein sollten, zweiundzwanzig Mann niederzuschlagen, auch ohne im Besitz von Waffen zu sein.

Als am nächsten Tage Herr Petersen durch die Reihen der Engländer patrouillierte, merkte er, daß jemand hinter ihm herkam. Er wandte den Kopf. Als er aber einen der Stewards, die man auf deutsch »Kellner« nennt, sah, ging er weiter. Er hatte schon das linke Promenadendeck durchschritten, und bog eben am Achterdeck nach der anderen Seite hinüber, als er sich zufällig umwandte und wieder den Steward, der Freddy gerufen wurde, hinter sich sah.

Am Achterdeck lagen Taue. Die Passage war dadurch etwas beengt. Als Leute aus der entgegengesetzten Richtung kamen und vorbei wollten, mußte Petersen ein wenig warten.

In dem Augenblick war der Steward ganz nahe an ihn herangetreten, um ihm zuzuflüstern:

»Mein Herr, ich muß Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«

Petersen fuhr herum. Er sah den glattrasierten Menschen an, gegen dessen höfliches, bescheidenes Auftreten er nichts einwenden konnte.

In seinen Augen flackerte Unruhe und Angst. So wenigstens deutete sich Petersen die in ständiger Beweglichkeit befindlichen Pupillen des Kellners. Er war über die reine, deutsche Aussprache gar nicht verwundert, da ihm bekannt war, daß die Kellner auf den großen Ozeandampfern zumeist einige Sprachen verstehen und sprechen.

»Nun gut, was wünschen Sie?« fragte Petersen.

Der Steward geriet über diese Frage in Verlegenheit, besonders da einige englische Damen in der Nähe saßen und aufmerksam wurden.

»Ich kann Ihnen das hier nicht sagen. Bitte, geben Sie mir Gelegenheit, Sie in Ihrer Kabine zu sprechen. Es ist von höchster Wichtigkeit!«

Herr Petersen hatte eigentlich nicht Lust, sich mit diesem englischen Kellner in eine Unterhaltung einzulassen. Aber seine Neugierde war doch zu groß.

Der Steward war den Weg, den er gekommen war, an der Steuerbordseite zurückgeschritten, um die zu den Kabinen führende Treppe hinunterzugehen. Auf seinem Wege hatte er sich umgesehen, ob ihm Petersen folge.

Petersen schloß seine Kabine auf und trat ein. Freddy folgte ihm.

»Auch hier«, begann der Steward mit leiser Stimme, »können die Wände Ohren haben. – Herr Petersen, ich möchte mich Ihnen anvertrauen!«

»Es ist immer erfreulich, wenn ein Engländer sich bekehrt und zu einem Deutschen Zutrauen faßt! – Also, was wünschen Sie?«

»Zunächst möchte ich Ihnen sagen, Herr Petersen, – ich bin ein Deutscher. Ich fahre schon seit Jahren auf der Linie von Kapstadt nach London. Ich heiße Fritz Olsen und bin in Bergedorf bei Hamburg zu Hause. Da sitzt mein Mütterchen, mit zwei Schwestern, die nicht unter die Haube kamen. – Sehen Sie, die drei Leute sind die einzigen Menschen, die ich auf der Welt noch habe. Und für die sorge ich und freue mich, daß ich es kann. Und weil ich grad auf der englischen Linie viel mehr verdiene, als auf der andern, die ich früher fuhr, da konnte ich schon sogar noch ein hübsch Teil erübrigen.«

»Warum erzählen Sie mir das alles?«

»Ich komme schon darauf. – Im Laufe der Jahre nun hat es sich ganz von allein gemacht, daß die Engländer meinen Namen ›Fritz‹ in Freddy umgetauft haben. Und da mein Vatersname vielleicht auch im Englischen gelten kann, so haben sie mich für einen Engländer gehalten. Mein gutes Englisch hat der Anschauung keineswegs widersprochen. –

Ich hatte vor, zum Winter 1914 – mich selbständig zu machen. So etwa in Uhlenhorst. – Nun muß ich noch Gott danken, daß man meine Papiere nicht weiter visitierte und mich in ein Konzentrationslager gefangen abführte. Da ich schon die ganzen Jahre hier auf der ›Appam‹ fuhr, wußte man nicht anders, als daß Freddy Olsen eben ein Engländer war und nur ein Engländer sein konnte. Vielleicht wollte man's auch nicht wissen, weil man meine sicheren Dienste schätzte. – Nun ist das Unglück geschehen, oder – wenn ich von meinem deutschen Standpunkte sagen soll, – so ist es ein Glück, daß die ›Appam‹ gekapert wurde. Bis hierher brauchte ich mich ja nicht weiter aufzuregen. Jetzt aber, nachdem ich fortgesetzt hören muß, daß die Engländer sich zusammenrotten wollen, um die Mannschaft niederzuschlagen – –«

»Haben Sie das,« unterbrach ihn Herr Petersen, »haben Sie das mit eigenen Ohren gehört?«

»So wahr Gott und meine Seele lebt! Ich höre es in einem fort, denn in meiner Gegenwart tun sich die Herren keinen Zwang an.«

»Gut. Fahren Sie fort!«

»Herr Petersen, ich habe mich gerade an Sie gewendet, weil Sie ja ein direkter Landsmann von mir sind. Sie sind ja auch aus Hamburg! Ich hätte ja auch gleich zum Kapitän gehen können. Doch das hätte zuviel Aufsehen gemacht und hätte mich gleich verraten. Sehen Sie, ich führe meine ganzen Ersparnisse quasi bei mir. Nun sage ich mir so: den Engländern gönne ich den Erfolg der beabsichtigten Meuterei nicht. Ich wünsche auch nicht, daß zweiundzwanzig unserer braven, blauen Jungen durch sie abgemurkst werden. Und andererseits wieder veranlaßt mich ein ganz egoistisches Interesse, Ihnen das alles im Vertrauen mitzuteilen. Wenn nämlich die Meuterei nicht gelänge oder nur mit einem halben Erfolg abschließt, dann geschieht das, was keiner von uns wünschen mag, daß der Kapitän das Schiff in die Luft sprengt. Geschähe das Unheil, dann verlören meine alte Mutter und meine Schwestern ihren Ernährer. Ich würde erbärmiglich versaufen, – denn ich kann nicht schwimmen! – und mein erspartes Geld ginge auch drauf.

Da haben Sie ganz offen und deutsch die Gründe, die mich bewegen, Ihnen das alles anzuvertrauen.

Ich habe Sie beobachtet und ich halte Sie für einen ruhigen, überlegten Mann, der schon das richtige Mittel finden wird, um die beabsichtigte Gemeinheit der Briten, ohne daß es zum Blutvergießen kommt, zu hintertreiben.

Wenn ich Ihnen dabei helfen kann, so wollen Sie über mich verfügen. Nur um eins bitte ich Sie. Das müssen Sie mir fest versprechen. Ich bin und bleibe für Sie Freddy, der Kellner. Und was ich Ihnen hier anvertraut habe, muß auch streng unter uns bleiben. Ich werde Sie von der Wahrheit des Gesagten überzeugen. Sie dürfen ruhig Vertrauen zu mir haben.«

»Was Sie mir da sagen, setzt mich gar nicht so sehr in Erstaunen. Wir empfinden unwillkürlich, daß die Söhne Albions so etwas Heimtückisches im Schilde führen. Um aber dagegen einschreiten zu können, ist es notwendig, daß ich mich selbst von dem, was Sie sagten, überzeuge.«

»Dazu kann ich Ihnen sehr leicht verhelfen. – Die Haupträdelsführer, das sind die Herren Barrington, Rockway, Jennings und Dewey und noch einige, die wollen heute nacht, wenn alles schläft, im dunklen Rauchsalon zusammen kommen, um alles Nähere des Überfalls zu vereinbaren.«

»Da muß ich dabei sein. Unter allen Umständen müssen Sie mir dabei helfen, Freddy.«

»Ach sagen Sie doch zu mir ›Fritz‹ oder ›Olsen‹. – Mir fängt der englische Name auch an, über zu werden.«

»Es ist also abgemacht, Herr Olsen, – ich wohne der Versammlung bei.«

»Dazu will ich Ihnen gern behilflich sein. Der Rauchsalon wird um zehn Uhr finster gemacht. Wenn es Ihnen nicht zu unbequem ist, mal ein halbes Stündchen oder Stündchen unter einem der Sofas zuzubringen, dann könnte ich Ihnen gern und leicht dazu verhelfen. Ich will es dann so einrichten, daß ich die Sofas unten mit einer Decke verkleide. Da kann niemand hinunter sehen. Selbst wenn es einem einfallen sollte, Licht zu machen. –

Wenn Sie wollen, daß ich in der Nähe bleibe – – –«

»Nein, nein, Herr Olsen. Ich danke Ihnen. Ich helfe mir dann schon weiter. – Mir genügt es, daß Sie mir davon Kenntnis gaben. Auf mein Stillschweigen können Sie unbedingt rechnen. Nur dem Kapitän muß ich im Interesse des Schiffs und der ihm anvertrauten Leute davon reden. –

Ich werde Sie am Achterdeck um zehn Uhr treffen.«

Petersen begab sich sofort auf die Kommandobrücke, um dem Kapitän das eben Gehörte mitzuteilen.

»Es ist mir sehr lieb, Herr Petersen, daß Sie mir das sagen. Ich danke Ihnen. Wir wollen die Leute gleich zur Vernunft bringen. Ich werde selbst ein wachsames Auge auf sie haben. – Begeben Sie sich ruhig heut abend in Ihr Versteck und verlassen Sie sich im übrigen auf uns und unsere Wachsamkeit.«

Man konnte tagsüber sehen, wie die Herren Barrington, Rockway und Genossen einen lebhaften Eifer entwickelten. Überall waren sie zu sehen. Jedem hatten sie etwas ins Ohr zu raunen. Sie tauschten Händedrücke aus und zwinkerten verständnisinnig mit den Augen, denn heut abend sollte der große Kriegsrat zusammentreten und am nächsten Tage die Entscheidung bringen.

Die See war spiegelglatt.

Der Tag ging zu Ende.

Die »Appam« kam nur langsam vom Fleck. Die Maschine arbeitete kaum mit halber Kraft, angeblich – um Kohlen zu sparen!

Wer weiß, wie lange sie noch von den Deutschen auf dem Weltmeer spazieren geführt wurden. Die Herren Engländer fingen an ungeduldig zu werden. Sie wollten rasch wieder in den Besitz ihres Schiffes kommen. Und das war nur möglich, wenn sie das Prisenkommando so oder so erledigten.

Ob die beiden englischen Gouverneure und die Kapitäne der Handelsschiffe davon wußten und sich nur aus Schlauheit von den Herren Barrington und Rockway fernhielten, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls blieben die vornehmen Herren nach wie vor für sich.

Das Abendessen verlief in der gewohnten Weise. Man murrte nicht, obgleich die Rationen knapper ausgefallen waren und obgleich allen eröffnet worden war, daß auch in Zukunft die Rationen kleiner sein würden.

Alles beeilte sich, den Speisesaal zu verlassen. Man merkte auch den Frauen an, daß sie um das Geheimnis wußten. Denn auch sie führten, im Gegensatz zu früher, nur leise Gespräche oder flüsterten sich in die Ohren.

Es fiel besonders auf, daß der Appetit der Herren Engländer heut nur ein mäßiger gewesen war. Kaum, daß sie ein wenig die Speisen angerührt hatten, Sie warteten gar nicht auf ihren geliebten Plumpudding, was schon gewiß als ein bedeutungsvolles Zeichen für ihre innere Aufregung gelten mußte. Auf den Nachtisch verzichteten sie ganz und gar. Vermutlich wurden sie von den leisen Gesprächen, die sie miteinander führten, besser satt.

Nachdem sie noch in Gruppen umhergestanden und eifrig debattiert hatten, verschwanden sie in den Kajüten. Und zur angegebenen Stunde war das Deck leer. Die Lichter waren erloschen und nur Wachen hielten nach allen Seiten hin Ausguck.

Die »Appam« fuhr mit abgeblendeten Lichtern.

Die Nacht war dunkel und mondlos. Und auch die Sterne am Himmel vermochten nicht die tiefschwarze Wasserwüste zu erhellen.

Schwarz und gespenstisch glitt das Schiff durch die Finsternis. Und wenn nicht das gesicherte Licht im Steuerhaus geblinkt hätte, dann hätte man glauben mögen, daß das Schiff führerlos sei und die Menschen leblos.

Auf der Kommandobrücke stand der Kapitän in seinen Mantel gehüllt. Neben ihm seine beiden Offiziere. Und unter ihm, in seiner Nähe, huschten dunkle Gestalten hin und her, die an einem Scheinwerferapparat sich zu schaffen machten.

Dann verschwanden auch die schwarzen Männer wieder und man hörte nichts weiter als das Rauschen des Wassers, das an die Bordwände schlug, und das regelmäßige Atmen der Maschine.

»Da – da –« rief mit halblauter Stimme jetzt der Kapitän. Die Offiziere sahen in der vom Kapitän angedeuteten Richtung.

Auf dem Verdeck blieb alles stumm. Die Wachen hatten für diese Nacht Order erhalten, sich besonders ruhig zu verhalten und sich in die Gegend der Kommandobrücke zurückzuziehen.

Eine Stunde früher hatte Herr Petersen das Deck passiert. In der Nähe des Rauchsalons war er verschwunden.

Mitternacht rückte immer näher. Und als die ersten dunklen Gestalten ebenfalls in den Rauchsalon hineinhuschten, da konnte man den Kapitän sagen hören: »Nun sind sie in der Falle.«

Den beiden Männern folgten bald mehr. Lautlos erschien einer nach dem andern auf Deck, blickte sich scheu nach allen Seiten um, dann eilte er mit raschen Schritten auf den Rauchsalon zu, um sich hinter seiner Tür unsichtbar zu machen.

»Jetzt«, sprach der Kapitän zu seinen Offizieren, »lassen wir ihnen eine halbe Stunde Zeit, um ihre schwarzen Pläne zu schmieden. Auf mein Kommando ›Los‹ besetzen Sie mit zehn Mann den Rauchsalon und nehmen alle gefangen. Gleichzeitig stellen Sie den Scheinwerfer ein, damit uns keiner entwischen kann.«

Einer der Offiziere sah nach der Uhr. Dann versanken die drei wieder in ihr Schweigen.

Nach einer Viertelstunde etwa nahm der Kapitän wieder das Wort:

»Es bleibt nur noch zu überlegen: was machen wir mit den Burschen, wenn wir sie verhaften? – Sollen wir sie erschießen? Das scheint mir eine zu harte Strafe für ein erst beabsichtigtes Verbrechen. – Wir dürfen auch nicht die Instruktionen des Grafen Dohna außer acht lassen. Alle die Engländer, die wir jetzt an Bord haben, werden, sobald sie an Land gesetzt sind, das Geheimnis der ›Möwe‹ in alle Welt hinaustragen. Und schließlich wird die öffentliche Meinung bei unsern Feinden davon abhängen, was sie gegen uns vorzubringen haben. Wir wollen den Engländern absichtlich die schlimme Tat vereiteln, um nicht unnötig hart sein zu müssen.

Ich denke, meine Herren, wir werden sie heut nacht in Einzelhaft setzen und zur Strafe – denn eine Strafe muß sein! – bis zur Landung mit Kabinenhaft bestrafen. Da sie so milde fortkommen, werden sie nur Grund haben, über ihr tollkühnes Beginnen den Mund zu halten.

Wir werden froh sein, wenn wir die Leute, ohne drakonische Strafen über sie verhängt zu haben, los werden.«

»Herr Kapitän, jetzt ist es soweit. Ich gehe zur Mannschaft.«

Zehn dunkle Gestalten schritten unter Führung des Offiziers über Deck, umstellten die Rauchkabine und harrten des Signals. Das ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Der Scheinwerfer flammte auf. Sein greller weißer Lichtkegel fiel durch die Glasscheiben des Rauchsalons.

Die Meuterer fuhren, zu Tode erschreckt, von ihren Sitzen. Die Türen wurden geöffnet und die Herren Barrington, Rockway und Genossen für verhaftet erklärt.

Der Kapitän erschien mit dem zweiten Offizier. Das Verhör begann.

Sie seien nur zu einem Plauderstündchen noch zusammengekommen, um noch gemütlich eine Zigarre zu rauchen.

Als ihnen der Kapitän vorhielt, daß kein einziger geraucht hätte, wurden sie verlegen.

Nun sagte er ihnen auf den Kopf zu, was für schlechte Absichten sie hatten.

Als sie auch das frech zu leugnen versuchten, rief der Kapitän:

»Herr Petersen, Sie haben die Unterhaltung der Herren ja mitangehört. Wollen Sie so gut sein und ihnen mal den Inhalt der ›harmlosen‹ Unterhaltung bekanntgeben?«

Herr Petersen, höchlich bestaunt, kroch aus seinem gut maskierten Versteck unter einem der Sofas hervor.

Äug' in Auge wiederholte er ihnen alles das, was sie beschlossen hatten. Zur nämlichen Zeit sollten je zehn Mann über den Kapitän und die Offiziere herfallen, sie niederschlagen und binden. Ebenso sollte es der Mannschaft ergehen.

»Was haben Sie darauf zu erwidern?« inquirierte der Kapitän.

Da alle schwiegen und er auch nicht wünschte, daß das ganze Schiff durch lärmhafte Szenen in Aufruhr geraten möchte, verhängte er kurz und bündig Einzelhaftstrafen über die verhaftete Versammlung.

Die überraschten Verschwörer wurden in den untersten Schiffsraum geführt. Eine endgültige Aburteilung sollte am nächsten Morgen vor sich gehen.


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