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Zehnter Abschnitt.

Ein Seegefecht.

»Vater, hat dir der Kapitän nicht gesagt, wohin wir gebracht werden?«

»Nein, mein Junge, das bleibt vorläufig noch sein Geheimnis.«

»Bringt er das Schiff vielleicht nach Deutschland?«

»Beantworte dir diese Frage einmal selbst, ob das möglich ist, nachdem du weißt, daß alle deutschen Küsten durch die englische Flotte vollständig abgesperrt sind.«

»Wohin meinst du wohl, Vater, daß wir dann fahren?«

»Ja, lieber Hans, da kann man nur Vermutungen anstellen. Da käme zunächst einmal Spanien in Betracht oder Madeira, das uns näher ist. Oder aber Nord- oder Südamerika. – Wenn wir in Nordamerika anliefen, das wäre gar nicht so übel.

Was meinst du, Marie-Luise? Hans fragt eben, wo wir landen werden. Ich sage ihm, daß es da viele Möglichkeiten gäbe. Aber wahrscheinlich werden wir in Süd- oder Nordamerika anlaufen. Da wäre es mir sehr sympathisch, wenn es Nordamerika wäre. Wie du weißt, wohnte seinerzeit in Neuyork ein alter Freund von mir. Hermann Prahn. Wir studierten zusammen. Ob der noch in Neuyork ist? – Ich kürzte seinen Vornamen immer in ›Männe‹ ab. Es war ein ganz reizender Kerl. Vor langen Jahren ließ er mal was von sich hören. Er hat drüben eine law-school besucht. Dann ist er Rechtsanwalt geworden.

Das wäre ja in der Tat einzig, wenn wir in Neuyork anliefen und ich könnte den braven Männe Prahn nach so langen Jahren mal wieder sehen.«

»Und, Vater, auch Herrn Northcliff, nicht wahr?«

Herr Petersen sah ernst auf seinen Jungen.

»Ja,« sagte er nach einer Pause, »wenn's der Zufall will, auch jenen Halunken Northcliff.«

Das dankbare Gemüt des Jungen dachte noch immer an seinen Lebensretter mit freundlichen Empfindungen. –

Die Deutschen, die sich nunmehr frei und ungehindert auf der »Appam« bewegen konnten, wurden von den Engländern nach wie vor gemieden. Ob aus Furcht, oder Scheu oder Verachtung, – wer mochte das ergründen?

Desto eifriger steckten die Engländer die Köpfe zusammen. Und noch während das Schiff im Kielwasser der »Möwe« fuhr, begannen sie sich in Gruppen zusammenzutun. Sobald ein Deutscher in ihre Nähe kam, verstummte jedoch jedes Gespräch, wie auf Kommando.

Ob am Bug oder am Achterdeck, ob in den Kajütengängen oder im Rauchsalon, – überall – das war zu auffällig, um unbemerkt zu bleiben – tuschelten und wisperten die Briten.

Es unterlag keinem Zweifel, daß sie nicht nur über die Vorgänge des Tages, die Kaperung des Schiffs, das Auftreten des Kapitäns, die Gefangensetzung ihrer Offiziere und Mannschaft besprachen. Es mußte jedem aufmerksamen Beobachter klar werden, daß hier etwas anderes vor sich ging, daß ein heimlicher Trank gemischt, etwas Tückisches ausgeheckt wurde, das sich natürlich nur gegen die Deutschen richten konnte.

Sicherlich heckten sie einen Plan aus, der gegen das schwache Prisenkommando von zweiundzwanzig Mann ging.

Sobald Herrn Petersens Mißtrauen rege war, sonderte er sich von seinen Landsleuten ab. Bald ließ er sich in der Nähe einer Gruppe in einen Liegestuhl nieder, stellte sich schlafend und spitzte die Ohren.

Doch die Engländer gingen nicht in die Falle. Sobald er sich irgendwo sehen ließ, verstummten sie.

Auf diese Art, das erkannte er, würde ihm eine Entdeckung nicht glücken. Er beschloß darum, mit der Besatzung Tag und Nacht zu wachen. Er wollte sich keine Ruhe gönnen, bis das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht haben würde.

Während er scharf umherspähend und beobachtend die Söhne Albions im Auge behielt, kam weit draußen auf dem Meere, von Süden her, ein Dampfer auf die »Möwe« zu.

Es war der »Clan Mac Tavish«, 5816 Tonnen groß. Seine Ladung war zehn Millionen Mark wert. Er brachte Leder, Gummi, Wolle und Pelze aus Australien, um sie in London zu löschen.

Auf der Kommandobrücke steht der alte Kapitän Oliver. Neben ihm der vierte Offizier.

»Sehen Sie irgendwas Verdächtiges, Leutnant?« fragte der alte Kapitän.

»Nichts Verdächtiges, Herr Kapitän. Wie soll jetzt in den Ozean ein verdächtiges Schiff kommen? – Das da drüben ist ein gewöhnliches Kauffahrteischiff.«

Der Kapitän sah durchs Glas, länger als es sonst seine Gewohnheit war.

»Sieh da, Herr Leutnant, – Sie sprechen von einem Schiff, – ich sehe aber zwei!«

»Auch das halte ich für einen ganz gewöhnlichen Frachtdampfer.«

»Ja, was anderes kann's ja auch nicht sein. – Nun ist es höchste Zeit, daß wir zu unserm Tee kommen.

Der zweite und dritte Offizier, die Leutnants Brown und Intrye, meldeten sich auf der Kommandobrücke. Sie übernahmen jetzt die Führung.

Als der Kapitän von der Brücke verschwunden war, unterhielten sich die beiden.

»Das muß man sagen, – pünktlich ist der Alte auf die Minute. Es ist noch nicht fünf Uhr, aber die Teezeit versäumt er nicht. Es mag schneien und regnen, donnern oder blitzen.«

Es war dunkel geworden. Der Dampfer fuhr ohne Lichter.

Nachdem die jungen Männer ihre Pfeife geraucht hatten, warfen sie wieder einen Blick auf den Ozean.

»Hallo, Brown, wo sind die Schiffe hin? Doch nicht untergegangen? – Sehen Sie sie?«

»Nein. Es ist viel zu finster, um sie zu sehen.«

Stumpfsinnig lehnten sie auf der Brücke.

Leutnant Brown kam es vor, als ob sein Kollege Intrye eingeschlafen wäre.

Da mit einem Male blitzte etwas neben ihnen aus. Ein scharfer, stechender Lichtstrahl war es.

»Hallo, Intrye! Sehen Sie, uns wird ein Zeichen mit der Morselampe gemacht.«

Es war sechs Uhr des Abends.

»Ist es nicht besser, wir benachrichtigen den Alten?«

»Gut, – holen Sie den Kapitän! – Halt, warten Sie noch! – Was will das Schiff?«

»Das Schiff fragt nach unserem Namen.«

»Ich bin unsicher, ob ich Antwort geben soll. – Gehen Sie lieber und holen Sie rasch den Kapitän.«

Brummend kam der Kapitän nach oben.

»Ein unbekanntes Schiff, Herr Kapitän, fragt – –«

»Zum Teufel, ja, das habe ich schon gehört. – Wir sind nicht auf dem Wasser, um auf die Frage irgendeines Dampfschiffs eine Antwort zu geben.«

»Sehen Sie, eben wiederholt es das Morsesignal!«

»Sie geben keine Antwort«, befahl der Kapitän. »Er soll sich zum Teufel scheren! – Oder warten Sie,« besann er sich, »vielleicht ist es doch richtiger, zu antworten. Doch erst fragen Sie einmal, mit wem wir es zu tun haben.«

Unverzüglich wurde mit der Morselampe dem unbekannten Schiff, das die »Möwe« war, signalisiert: »Geben Sie erst Ihren Namen an.«

Die Antwort kam:

»Author von Liverpool.«

»Author von Liverpool«, das Schiff kenne ich. Ist ein Landsmann. Unverdächtig natürlich. Dazu brauchten Sie mich auch nicht vom Tee wegzuholen. – Antworten Sie, wer wir sind.«

Kapitän Oliver war im Begriff, seinen unterbrochenen five o'clock tea zu beenden. Er schickte sich eben an, die Treppe hinunterzusteigen, als ihn Leutnant Intrye nochmals anrief. Diesmal dringender als vorher.

»Herr Kapitän, das Schiff gibt das Signal, wir sollen stoppen!«

Der alte Seebär kam wütend zurück.

Richtig. Das Signal lautete: »Sofort stoppen. Ich bin ein deutscher Kreuzer.«

»Ein deutscher Kreuzer? – Ich werd' euch was bekreuzern! – Mit Volldampf voraus! –

Signalisieren Sie aber zurück, ›wir werden stoppen‹. –

Merken Sie, daß wir vorwärts kommen?« fragte Mister Oliver seine Leute.

»Sehen Sie, die Entfernung zwischen dem Verfolger und uns wird immer größer!«

»Ja, Herr Kapitän, der Deutsche hat seinerseits gestoppt.«

Der »Möwe«-Kommandant, der es nicht anders gewöhnt war, daß ein Wort ein Wort sein sollte, hatte, als das Signal vom englischen Schiff kam, »wir werden stoppen!« auch gleich dem Maschinisten Befehl gegeben, die Maschine anzuhalten. Als er aber merkte, daß der Engländer im Begriff war, ihn zu foppen, als er sah, wie der englische Dampfer mit Volldampf zu entfliehen trachtete, jagte er hinter ihm her. Und um ihm zu zeigen, daß man einen deutschen Kriegsschifführer nicht ungestraft verhöhnen könne, feuerte er ihm einige Granaten nach.

Die Projektile trafen ihr Ziel.

Als Graf Dohna merkte, daß der Dampfer sich anschickte, durch Funkentelegraphie den auf ihn gerichteten Angriff zu Haus zu melden, nimmt er von jeder weiteren Verhandlung Abstand.

Die deutschen Granaten zerschmettern die Kommandobrücke, zertrümmern die Funkerbude und die Antenne.

Mit der Funkentelegraphie der Engländer ist es zunächst aus. Doch plötzlich kracht von drüben her ein Schuß. Er ging fehl.

Als das die Deutschen merken, ist es mit ihrer Geduld zu Ende.

Der Kapitän gibt Befehl zum Schnellfeuer.

Dreihundert Meter sind die Schiffe nur voneinander entfernt. Jeder Schuß ist ein Treffer. Das Deck des Engländers ist im Nu verwüstet. Die Granaten schlagen in den Maschinenraum und unter der Wasserlinie ein. Die Maschine arbeitet nicht mehr. Das Schiff steht still. Es mußte unfreiwillig stoppen. Durch die von den Kugeln gerissenen Löcher strömt Wasser ins Schiff.

Ein Prisenkommando begibt sich nun an Bord.

Der Kapitän, die Offiziere und die Mannschaft werden gefangen auf die »Möwe« gebracht. Das Schiff beginnt langsam zu sinken. Mit den Vordersteven zuerst. Dann reckt es den Leib in die Luft, um steilgerad hinunterzusacken.

Langsam und bedächtig treten die Engländer auf.

Doch was ist das? Hinter ihnen stürmt lärmend und schwatzend ein bunter Haufe wild aussehender Menschen, der ängstlich bestrebt ist, um jeden Preis auf Deck der »Möwe« zu kommen.

Eine in der Tat bunte Gesellschaft ist es, die sich da unvermutet eingefunden hat. Es sind hundert Inder, die auf dem »Clan Mac Tavish« die schweren Arbeiten versahen.

Der Älteste der Inder, ein würdevoll einherschreitender Mann in den vierziger Jahren, wünscht den Kapitän zu sprechen. Er kann sich in leidlichem Englisch ausdrücken.

»Gnädiger Herr, – Friede sei mit dir! – Möchten dir alle Unternehmungen glücken! – Ich bin der Sarang, der Älteste. Drum spreche ich für meine Brüder. Ich heiße Dschehad Abbas. – Wir sind hundert gewesen und zwanzig, als uns der Engländer in Dienst nahm. Jetzt sind zwanzig meiner Brüder tot durch deine Kanonen. Möge der Ewige die Bluttat strafen!«

»Bist du gekommen, um mir das zu sagen? Weißt du nicht, daß ein Kauffahrteischiff nicht bewaffnet fahren darf? – Ist dir nicht bekannt, daß ein Kauffahrteischiff auf ein Kriegsschiff nicht schießen darf? – Ich sehe, du nickst zustimmend. Es ist dir also bekannt gewesen. Du weißt also auch, daß der Engländer auf uns, ein deutsches Kriegsschiff, geschossen hat, und daß ihr es nur meiner Großmut verdankt, daß ich nicht alle in den Grund gebohrt habe.«

»Gnädiger Herr, du verstehst mich nicht ganz. – Die Blutschuld kommt auf England. Du bist gerecht, wie es alle Deutschen sind. Ich kam, um dir das zu sagen und wie sehr meine Brüder die Engländer hassen. Wir wissen, daß die Türkei den heiligen Krieg gegen die Engländer erklärt hat. Wir sind alle gute Mohammedaner und wünschen den Deutschen den Sieg! –

Ich kam, um dich, gnädiger Herr, um etwas zu bitten. Unsere Freude ist groß, weil wir hören, du bist dabei, die englischen Schiffe zu vernichten. Laß uns an dem Kampf teilnehmen und laß uns die Freude, alle Engländer, die du gefangen nimmst, mit eigenen Händen auszuhängen.« – –

Die Inder werden von dem Kommandanten in Dienst genommen. Gerade in der Nähe des Äquators, wo die Hitze für jeden Weißen kaum mehr zu ertragen ist, sind die Dienste der Inder unschätzbar.

In der Nähe der Tropen steigt die Hitze derart, daß schon mancher Heizer im Kesselraum den Tod dabei fand oder vom Wahnsinn erfaßt wurde.

Die Inder tun in der Hauptsache auf der »Möwe« Dienst als Kohlentrimmer und Heizer. Dann werden sie noch zur Reinigung des Schiffs gebraucht und besonders beim Anmalen des Schiffs.

Der Kapitän läßt es sich nicht nehmen, den Anstrich seines Schiffes nach einigen Tagen immer zu ändern. Bald erscheint die »Möwe« in einem grauen Gewand, bald in einem gelben. Wenn dann das Salzwasser und schwere Regengüsse die Farbe verwaschen haben, muß eine Mischfarbe herhalten, um das Gefieder des eisernen Vogels wieder anders zu färben.

Zu Matrosendiensten und soldatischer Verwendung scheinen die Inder nicht zu taugen, da jeder einzelne streng darauf hält, seine religiösen Zeremonien zu erfüllen. Früh, mittags und abends hebt er seine Hände gen Osten und ruft Gott und seinen Propheten Mohammed an. In dieser Zeit läßt er sich durch nichts stören. Er würde nicht einmal, wenn das Schiff, auf dem er als Soldat Dienste tut, vom Feinde angegriffen würde, sein Gebet einen Augenblick unterbrechen, mögen die Kugeln neben ihm einschlagen, mögen sie ihn töten, – es war dann eben Allahs Wille. Und Allahs Wille war es auch, daß der Feind ihn besiegte.

Solche Leute kann ein deutscher Kommandant als Soldaten nicht brauchen.

Auch ihre Verpflegung bereitet Sorge. Außer Hammelfleisch und Reis essen sie nichts. Ihre Religion verbietet ihnen den Genuß von Schweinefleisch. Beim Essen lassen sie sich ebensowenig stören, wie beim Beten.

Im übrigen wird ihre Verträglichkeit, ihre Geschicklichkeit und Ausdauer bei der Arbeit sehr gerühmt. Nicht minder ihre Genügsamkeit und Sittenreinheit. Sie verschmähen den Alkohol und schon dadurch sind sie zu andauernder Arbeit befähigt.

Auf dem Achterschiff wurden sie einquartiert. Sie wohnen alle in einem Raum.

Außer dem Turban, einem Kopftuch, das sie sehr geschickt und rasch um den Kopf herum legen, besitzen sie meist nur ein Hemd und eine kurze Hose. Damit ist ihre »Ausstattung« fertig.

Sie erzählen wütend, in welch grausamer Weise die Engländer in Indien ihre armen Landsleute zum Militär preßten. Wer nicht gutwillig folgte, der wurde gefaßt und gehängt.

Suchen die Engländer in Indien durch solche Mittel Liebe und Achtung zu verbreiten? – Nein, durch Schrecken und Furcht bemühen sie sich, ihre erschütterte Autorität aufrecht zu erhalten. Aber die Folgen eines solch blutigen Systems erwecken nur grenzenlosen Haß und tiefste Erbitterung.

Die »Möwe« nimmt weiter ihren Weg, gefolgt von der »Appam«.

Doch das erste Schiff, das sie kaperte, der Dampfer »Corbridge« mit den herrlichen Cardiffkohlen, wo mag er wohl schwimmen?

Tag und Nacht war die »Möwe« unter Dampf. Aus den glühenden Stahlrosten war das Heizmaterial zusammengeschmolzen. Es wurde die höchste Zeit, daß sie sich mit neuen Kohlen versah, wenn sie ihre kühne, erfolgreiche Fahrt nicht unterbrechen und vorzeitig heimkehren wollte.

An Bord der »Corbridge« befand sich ein Prisenkommando von zwei Offizieren und sechs Mann.

Schwamm das Schiff noch?

Was war aus dem Prisenkommando geworden?

Am 12. Januar ließ die »Möwe« das gekaperte Kohlenschiff zurück. War es an der ihm aufgegebenen Stelle schon angelangt?

Es sollte den Äquator passieren und dann, fern von der üblich befahrenen Dampferroute, der Ankunft der »Möwe« harren.

Inzwischen ist die »Appam« am Horizont verschwunden.

Obgleich Graf Dohna weiß, wie sehr er auf Leutnant Berg, den neuen Befehlshaber der »Appam«, vertrauen darf, – Sorge macht es ihm doch.

Wird Leutnant Berg das Schiff so, wie es ihm befohlen wurde, glücklich nach Amerika bringen? Wird es erst so spät die Küste der Neuen Welt erreichen, daß der »Möwe« noch genügend Zeit bleibt, wieder die Kette der englischen Blockierungsschiffe zu durchbrechen und mit ihrer reichen Beute den heimatlichen Hasen zu erreichen?

Das sind Fragen, die nicht ihn allein, die auch seine Kampfgenossen erfüllen.

Doch jetzt ist nicht die Zeit, sich trüben Gedanken hinzugeben, zu grübeln.

Seine treue Mannschaft, die so tapfer und beharrlich den schweren Dienst bei Tag und Nacht versehen hat, sie will auch einmal ausruhen von den Strapazen, sie will sich ein paar freudige Stunden schaffen.

Es ist üblich, daß jedes Schiff, das den Äquator passiert, das festlich begeht.

Schwer und glühend liegt die tropische Hitze auf allen. Da wirken denn die Vorbereitungen für das Äquatorfest besonders anregend und der Kapitän und die Offiziere ermutigen die Leute und helfen ihnen an den Vorbereitungen des Festes.

Wie bei allen solchen Festen wird auch hier mit einem Male einem Schiff signalisiert. Und alles tut verwundert über die Maßen, als der brave Generaladjutant des Meergottes mit langem Bart aus Werg und Hanf, einer langen Perücke, mit einem sonderbaren Kostüm angetan, an der äußeren Schiffswand über die Reeling klettert und sich den erstaunt Tuenden gebührend vorstellt. Er kündigt die Ankunft seines Herrn und Gebieters, Seiner Majestät des Meergotts Neptun an.

Inzwischen sammelt er von den Offizieren den für eine so hohe, selten gesehene Persönlichkeit erforderlichen Backschisch, in Gestalt von Zigaretten, Zigarren und anderen guten Dingen ein.

Am nächsten Tag zur nämlichen Zeit klettert der Wassergott mit Gefolge über die Reeling. Auf dem Haupte trägt er eine seltsame Krone, in der Hand hält er den bekannten Dreizack. Er hat seine Frau Gemahlin, die Frau Neptun, mitgebracht, die denn auch von der ganzen Mannschaft mit besonderem Vergnügen betrachtet und angesprochen wird.

Alle, die den Äquator noch nicht passiert haben, werden vom Meergott mit eigener Hand getauft.

Der Kapitän muß als erster daran glauben. Doch mit Rücksicht auf den hohen Rang wird er nur tüchtig mit der Feuerspritze bespritzt. Immerhin war das Gefolge des Meergotts der Meinung, daß dem Kapitän als der ersten Person auf dem Schiffe, eine besondere Ladung zukommen müsse. Er wurde bespritzt, als ob es gälte, ein dreistöckiges, in Flammen stehendes Haus zu löschen. Die anderen, die die Linie zum erstenmal passierten und die Taufe erhielten, wurden noch kräftiger mitgenommen. Man kann daraus schließen, wieviel Wasser zu diesen Taufen der Ozean hatte hergeben müssen.

Doch sowohl die Taufe als auch das sich daran schließende übliche Tanzvergnügen, bei dem gesungen und getrunken wurde, verlief so nett, ohne jeden Mißton, daß man sehen konnte: diese harten, eisenfesten Krieger können auch schlicht und sanft wie die Kinder spielen.

Gerade bei diesen harmlosen Feiern zeigte sich das von Grund aus gütige, sanfte deutsche Gemüt.

Daß auch die Offiziere das ihrige zur Feier mit beitrugen, versteht sich.

Später wurden die Veranstalter des Festes, vor allem Seine Majestät Herr Neptun und fein Generaladjutant Triton in die Offiziersmesse geladen.

Der Äquator war passiert. Man fuhr unter tropischem Himmel.

Auf das harmlose Spiel folgte wieder in der kommenden Zeit der bitter-blutige Ernst des Krieges.


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