Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

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Die Wunderjäger

Felszeichnung

Zwei Bilembi (Jäger), Bandakulu (der in die Höhe geht) und Tschassamikomo (der in die Fährten schießt), gingen auf die Jagd. Sie trafen auf einen fünf Tage alten Wechsel. Bandakulu sagte: »Die Fährten sind sehr alt. Es sind keine Tiere (in den letzten Tagen) mehr gegangen.« Bandakulu ging dem Wechsel nach. Tschassamikomo ging den Spuren nicht nach. Er blieb da, hob den Bogen und schoß in die Fährte. Es war die Fährte einer Gulungwe (Antilope). Der Pfeil fiel in die Fährte. Es lag (sogleich) eine tote Gulungwe da.

Bandakulu kam. Er sah die tote Gulungwe und sah, daß alle Fährten herum alt waren. Er sagte: »Wie ist das gekommen?« Tschassamikomo sagte: »Ich schieße in die Fährte und das Tier liegt und ist tot.« Bandakulu war sehr erstaunt. – Tschassamikomo kam (nachher) an die Fährte einer Kassumbi (Antilope). Er schoß in die Fährte. Eine Kassumbi lag tot da. Die beiden Bilembi kehrten um.

Die beiden Bilembi kamen durch den Wald. Tschassamikomo sah eine Kautschukfrucht. Er sagte: »Wenn ich einen Jungen da hätte, sollte er hinaufsteigen und die Frucht herabbringen.« Bandakulu sagte: »Was, du kannst Tiere erlegen, indem du in die Fährte schießt, und die Früchte kannst du nicht herabholen? Ich werde es tun. Häng deinen Sack (mit den Antilopen) an den Busch!« Tschassamikomo hing seinen Sack in den Busch. Bandakulu stieg zu den Früchten hinauf. Bandakulu stieg so hinauf, daß der Körper bis zum Gürtel unten blieb, der obere Teil aber hinaufklomm. Bandakulu warf zehn Früchte hinab. Tschassamikomo rief: »Es ist genug!« Er sah hinauf und sah, daß Bandakulu geteilt war. Bandakulu rief: »Du sollst mich nicht ansehen. Du sollst die Früchte in den Sack tun!« Tschassamikomo tat die Früchte in den Sack. Bandakulu stieg hinab und war (unten) wieder ganz. Bandakulu sagte zu Tschassamikomo: »Höre, du mußt es nicht aller Welt sagen, wie ich mich teilen kann. Sprich nicht darüber.« Tschassamikomo sagte: »Du mußt es nicht aller Welt sagen, wie ich in die Fährten schieße. Sag nichts.«

Sie gingen in ihre Dörfer (jeder in seines). Die Frau Tschassamikomos sagte: »Gib mir von den Kautschukfrüchten!« Tschassamikomo sagte: »Nimm sie.« Die Frau sagte: »Gib mir das Messer. Ich will essen!« Der Bilembi sagte: »Iß nicht davon. Es ist eine Sache, ich kann sie nicht sagen.« Die Frau sagte: »Erzähl mir doch.« Der Bilembi sagte: »Ich soll nicht sagen, was im Busch vorging.« Die Frau sagte: »Erzähl mir doch, was im Busch vorging.« Tschassamikomo sagte: »Im Busch teilte sich Bandakulu. Die eine Hälfte blieb auf der Erde, die andere stieg empor. Er warf die Früchte herab. Er war ganz durchgeschnitten.« Die Frau sagte: »Das habe ich noch nicht gesehen.« Die Frau war (im gleichen Augenblick) auch zerschnitten. Sie war nicht tot. Der Mund sprach. Sie war aber in zwei Teilen.

Eine (andere) Frau sah die Frau Tschassamikomos. Sie fragte: »Warum bist du so zerschnitten?« Die Frau des Bilembi erzählte: »Mein Mann brachte Kautschukfrüchte mit nach Hause. Ich wollte davon essen. Er sagte: ›Laß es!‹ Er hat mir dann erzählt, was vorgefallen ist. Im Busch teilte sich Bandakulu. Die eine Hälfte blieb auf der Erde, die andere stieg empor. Er warf die Früchte herab. Er war ganz durchgeschnitten. Ich sagte: ›Das habe ich noch nicht gesehen!‹ Ich war (im gleichen Augenblick) ebenso geteilt!« – Die andere Frau sagte: »Soooo!« (Erstaunungsruf!) Die andere Frau war (im gleichen Augenblick) ebenso geteilt. Die beiden Frauen waren nicht tot. Sie bestanden aber aus vier Teilen.

Alle Leute und der Häuptling des Dorfes sagten: »Bandakulu muß kommen!« Bandakulu kam. Bandakulu sah die zwei Frauen. Bandakulu sagte: »Ich habe mich allerdings geteilt, als ich auf den Baum stieg. Ich wurde aber (gleich wieder) heil. Ich sagte zu Tschassamikomo: ›Sprich nicht darüber.‹ Er hat Tiere erlegt, indem er nur in die Fährten schoß. Tschassamikomo sagte: ›Sprich nicht darüber.‹ Ich habe nicht über seine Sache gesprochen. Tschassamikomo hat über meine Sache gesprochen.« Bandakulu sagte zu Tschassamikomo: »Gib mir deine Tochter (zur Strafe), so will ich die Sache in Ordnung bringen.«

Der Häuptling sagte: »Ja, so soll es geschehen.« Bandakulu ging in sein Dorf. Er schloß die beiden geteilten Frauen in seine Hütte ein. Er schlug einmal mit der Hand gegen das Haus. Die Frauen waren sogleich gesund.


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