Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der reiche und der arme Hamadi

Felszeichnung

Hamadi Fentigi war sehr reich. Er hatte alles: Sklaven, Gold, Ochsen und Pferde. Er war ein Kamerad von Hamadi Bullukullu. Aber Hamadi Bullukullu hatte gar nichts. Er war so arm, daß seine Mutter in den Dörfern umhergehen und betteln mußte. Damit ernährten sie sich erst. Dann ging die Mutter hin und stieß für die wohlhabenden Frauen Korn. Die eine gab ihr dafür eine Handvoll Mehl, die andere eine Handvoll Schrot. Das sammelte die alte Frau mühsam und sparte an diesen Gaben so lange zusammen, bis sie genug hatte, sich dafür ein kleines Kälbchen zu kaufen. Sie kaufte das Kälbchen, und Hamadi Bullukullu nannte das Kälbchen Wuni.

Hamadi Bullukullu pflegte das Kälbchen sorgsam, bis das Kälbchen groß war und eine Kuh wurde. Hamadi Bullukullu liebte das Kälbchen über alle Maßen, weil seine Mutter es sich vom Munde abgespart hatte, und deshalb sagte er: »Wenn je jemand mir meine Wuni tötet, werde ich zwölf seiner Art ums Leben bringen. Wenn es eine Schlange ist, zwölf Schlangen; wenn es ein Löwe ist, zwölf Löwen; wenn es ein Mensch ist, zwölf Menschen; wenn es ein Gott ist, zwölf Götter. Nur meinem Kameraden Hamadi Fentigi werde ich nichts tun.«

In einer anderen Ortschaft wohnte ein Mädchen, das war sehr begehrt, und Hamadi Fentigi wollte es gern heiraten. Er sandte hin und sein Bote fragte: »Will das Mädchen Hamadi Fentigi heiraten? Hamadi Fentigi ist bereit, Gold, Sklaven, Vieh zu schenken.« Das Mädchen sagte: »Ich will Hamadi Fentigi heiraten, aber ich will weder Gold, noch Sklaven, noch Vieh. Ich will nur die Haut von Wuni, der einzigen Kuh Hamadi Bullukullus.« Hamadi Fentigi ließ sagen: »Ich will dir zwölf andere Kühe geben, aber verlange nicht die Haut der einzigen Kuh meines Kameraden.« Das Mädchen sagte: »Ich bekomme die Haut, oder ich heirate dich nicht.«

Eines Tages ging Hamadi Bullukullu in den Busch, um Holz zu schlagen; seine Mutter war aber auf dem fernen Markt. Da sagte er zu Hamadi Fentigi: »Es ist niemand da, der für Wuni sorgen kann. Willst du ihr Futter hinwerfen?« Hamadi Fentigi sagte: »Das will ich gern tun; geh du ruhig in den Busch und schlage dein Holz.« Hamadi Bullukullu ging. Hamadi Fentigi ging, als es Zeit war, zu Wuni. Alle glaubten, er werde sie füttern wollen. Er aber nahm sie, schlug ihr den Kopf ab und zog die Haut von Wunis Leib. Die Haut sandte er seinem Mädchen. Das Mädchen sagte: »Jetzt werde ich dich heiraten«.

Hamadi Bullukullu kam zurück. Er fand Wuni nicht. Er fragte alle Leute. Niemand wollte es sagen. Jeder sagte: »Ich weiß es nicht.« Hamadi Bullukullu sagte: »Dann wird es Gott wissen.« Er ging auf den Markt, auf dem der große Marabut (Derwisch) betete. Er nahm seinen Speer mit. Als der Marabut gerade die Hände aufgehoben hatte, sprang er mit dem Speer auf ihn zu und sagte: »Die Menschen sagen mir nicht, wer Wuni tötete. Wenn es einer weiß, so ist das Gott. Gott lebt in den Marabuts. Wenn du mir nicht Antwort gibst, steche ich für die zwölf Götter zwölf Marabuts tot.« Da sagte der große Marabut: »Geh zu deinem Kameraden Fentigi, der hat Wuni getötet.«

Hamadi Bullukullu ging zu Hamadi Fentigi und sagte: »Sag, wie es mit meiner Wuni ist.« Hamadi Fentigi sagte: »Ich habe unrecht getan, nimmt diese anderen zwanzig Kühe. Ich tat es, weil ich sonst mein Mädchen nicht hätte heiraten können. Erst seit sie die Haut Wunis hat, will sie mich heiraten. Nimm die zwanzig Kühe und sei nicht zornig.« Hamadi Bullukullu sagte: »Mit dir ist es erledigt. Dir tue ich sowieso nichts, weil du mein Kamerad bist.« Hamadi Bullukullu ging mit den zwanzig Kühen von dannen. Als seine Mutter heimkam, sagte er: »Mutter, während du fort warst, ist unsere Wuni niedergekommen und hat diese zwanzig Kühe geworfen. Leider ist sie dabei gestorben.« Der Vater des Mädchens ließ Hamadi Fentigi sagen: »Morgen wird deine Frau zu dir kommen.« Hamadi Fentigi ließ sagen: »Wenn du mir meine Frau sendest, so sorge ja dafür, daß sie von starken Männern begleitet und beschützt wird, denn Hamadi Bullukullu ist sehr zornig auf sie, weil sie den Tod Wunis veranlaßt hat.« Da ließ der Schwiegervater zwölf tapfere Reiter aufsitzen, sechs ritten vor dem Mädchen her, sechs ritten hinter dem Mädchen her. Hamadi Bullukullu, der durch seine Kühe wohlhabend geworden war, kaufte ein Pferd und ritt dem Zug entgegen. Er sah, daß es zwölf Reiter waren und sagte:

»Das ist die Zahl, die zu töten ich angekündigt habe.« Er tötete die vorderen sechs und tötete die hinteren sechs. Die Pferde und das Mädchen nahm er mit nach Hause. Er ließ das Mädchen hinter sich auf das Pferd steigen und kam so an.

Daheim band er das Mädchen an den Pfahl, an dem Wuni angebunden war. Er warf ihr Kuhfutter hin und sagte: »So, Wuni, nun friß.« Dann sagte er: »Meine alte Wuni kackte sich immer auf die Hacken, tu du das auch, meine neue Wuni.« Das Mädchen mußte es tun. Eine Woche lang mußte das Mädchen so mit dem Hals an den Pfahl gebunden liegenbleiben, dann entließ er sie und sagte: »Geh jetzt zu deinem Mann, der dich billig erhalten hat, denn du hast nur eine Kuhhaut verlangt.«

Das Mädchen ging nicht zu seinem Mann, sondern zu seinem Vater. Der Vater ließ Hamadi Fentigi sagen: »Hol dir deine Frau selbst.« Hamadi Fentigi ließ sagen: »Ich will diese Frau nicht mehr. Die Sache ist erledigt. Da die Geschenke nur eine Wuni betragen haben, mögen sie auch dort bleiben.«


 << zurück weiter >>