Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

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Njakas Tochter und Somba

Felszeichnung

Njaka (das ist eine kleine Antilopenart, alle Stämme im Westen, auch die Mossi, bezeichnen sie als besonders klug und auch zauberkräftig) hatte eine kleine Tochter, die war sehr hübsch, und viele hätten sie gern geheiratet. Njaka aber machte bekannt: »Ich gebe dem meine Tochter zur Frau, der mir die Milch der Padere (wilde Büffel), die Haut der Abaga (Leoparden) und den Zahn der Uobogo (Elefanten) bringt.« Auch Somba der Hase hörte das, und er dachte bei sich: »Das ist doch gar nicht so schwer! Das werde ich schon zusammenbringen.«

Zunächst mischte sich Somba einen feinen Brei aus wilden Grassamen und Salz. Es gab eine ausgezeichnete Speise. Die füllte er in seinen Quersack. Er ging in den Busch dahin, wo er den Padere wußte. Padere sagte: »Wohin gehst du!« Somba sagte: »Ich will mich ein wenig zurückziehen, um von einem Medikament zu essen, das gut zu schmecken scheint.« Padere sagte: »Zeig her, ich will ein wenig davon versuchen.« Somba gab ihm ein wenig. Padere versuchte es und sagte: »Das ist ja ganz ausgezeichnet. Wo hast du das her?« Somba sagte: »Ich fand das in jenem Baobab (Affenbrotbaum). Allerdings kann ich mit meinen kleinen Zähnchen nur wenig abkratzen. Du aber mit deinen mächtigen Hörnern brauchst nur einmal gründlich dahineinzufahren, um ein weites Loch in die dünne Baumwand zu schlagen. Dann kannst du der Baumhöhle entnehmen, soviel du willst, denn der Baum ist immer ganz angefüllt mit dieser Nahrung.« Padere sagte: »Gut. Wo ist der Baum?»Somba sagte: »Sieh! Ganz dicht dort drüben!«

Padere senkte den Kopf; er rannte mit aller Gewalt auf den Baum zu. Er wollte die dünne Wand zerstoßen, aber er rannte nur seine Hörner fest. Er wollte sie zurückziehen, aber er war so fest dagegen gestürmt, daß er nicht wieder vom Baum abzukommen vermochte. Als er nun so fest saß, sagte Somba: »Du erlaubst mir wohl!« Er kam mit einer kleinen Kalebasse heran und begann den Padere, der sich nicht zu wehren vermochte, zu melken. Als seine kleine Kalebasse gefüllt war, lief er damit zu Njaka und sagte: »Hier ist zunächst einmal die Milch des Padere.« Dann begab sich Somba zu Abaga und fragte: »Willst du mich vielleicht begleiten? Ich möchte baden gehen.« Abaga sagte: »Ich will schnell meine Sachen ein wenig ordnen, dann komme ich mit dir.« Abaga ging in sein Haus. Somba ging in sein Haus. Somba stopfte seinen Quersack fest voller Tjeperrenga (roter Pfeffer). Abaga regelte in seinem Hause noch einige Unordnungen, dann trafen sie sich beide auf dem Weg zum Bade. Sie gingen gemeinsam zum Wasser hinab. Am Ufer warf Somba seinen Sack ins Gras und sagte: »Wollen wir uns nicht unserer guten Kleider entledigen?« Abaga sagte: »Gewiß lege ich mein gutes Kleid ab.« Er tat es. Er warf seinen fleckigen, schönen Überzug neben Sombas Sack. Dann stiegen beide ins Wasser und nahmen ihr Bad.

Als sie eine Zeitlang herumgeschwommen waren, sagte Somba: »Ach, ich habe ganz vergessen, etwas beiseitezulegen. Nun habe ich es mit ins Wasser genommen. Ich will schnell ans Ufer gehen, es ins Trockene zu legen. Gleich bin ich wieder zurück.« Somba sprang ans Ufer. Er öffnete seinen Sack und rieb so schnell wie möglich Abagas Kleid gründlich mit rotem Pfeffer ein. Als das geschehen war, ging er zurück in das Wasser.

Sie schwammen noch eine Weile umher, dann stiegen sie ans Ufer. Abaga wollte sein Kleid anlegen. Er bewegte sich ein wenig darin (in seinem Fell.) Er zog das Kleid wieder aus und sagte: »Pfui, das juckt ganz abscheulich.« Er zog sein Kleid wieder aus. Somba hatte inzwischen seinen Sack genommen. Er roch daran und rief: »Pfui, das ist ja ganz abscheulich. Es ist etwas über meinen Sack gekommen, während wir badeten.« Abaga trat herzu und sagte: »Es ist dasselbe, das in mein Kleid gekommen ist.« Somba sagte: »So kann ich meinen neuen Sack nicht mit nach Hause nehmen.« Abaga sagte: »Ich kann auch mein Kleid nicht anziehen.« Somba sagte: »Ich muß meinen Sack erst gründlich waschen.« Abaga sagte: »Mein Kleid muß auch erst gewaschen werden.« Somba sagte: »Laß es hier; ich will es gleich mit reinigen.« Abaga sagte: »Es ist gut!« Somba sagte: »Du bekommst es dann morgen.« Abaga ging. Somba nahm das schöne Kleid Abagas, trug es zu Njaka und sagte: »Hier ist wunschgemäß zum zweiten das Fell des Abaga.«

Somba begab sich dahin, wo die große Herde der größten Uobogo (Elefanten) war. Somba setzte sich neben den größten Uobogo und blickte unaufhörlich mit weit geöffneten Augen gen Himmel. Von Zeit zu Zeit schüttelte er wie vor Verwunderung den Kopf und sagte: »Nein, ist das schön!« Der größte Uobogo guckte auch in die Richtung, in die Somba schaute, und sagte: »Guten Tag, mein Somba! Was gibt es denn da?« Somba tat so, als ob er erstaunt zusammenführe und jetzt erst den Uobogo sähe. Er sagte: »Verzeih mir, mein Uobogo, daß ich dich nicht beachtete und dir nicht guten Tag sagte. Aber ich war davon so ganz eingenommen.« Der Uobogo sagte: »Wovon warst du eingenommen?« Somba sah den größten Uobogo erstaunt an und sagte: »Ja, siehst du denn nicht das Herrliche da oben am Himmel?« Der größte Uobogo sah empor und sagte: »Nein, ich sehe nichts.« Somba sagte: »Was, das siehst du nicht?« Uobogo fragte die anderen Uobogo: »Nein, wir sehen es nicht.«

Somba sagte: »Nein! Der große Uobogo sieht das Herrliche da oben am Himmel nicht!« Alle Uobogo sahen zum Himmel empor. Der größte Uobogo sagte: »Ich sehe es nicht, ich möchte es aber sehr gern sehen.« Die anderen Uobogo sahen ständig empor und sagten: »Ja, wir möchten wohl auch recht gern wissen, was dies Herrliche da oben am Himmel ist.« Somba sagte: »Daß ihr das nicht seht, das kommt wohl daher, daß ihr im Verhältnis zu eurer Größe eigentlich kleine Augen habt, während ich als kleines Tier mit recht großen Augen versehen bin. Aber ihr seid so große, so wunderbar große Tiere, daß die Sache gar nicht so schwer ist. Es muß nur einer immer auf den Rücken des anderen steigen. Wenn dann der ganz große Uobogo zu oberst auf den Rücken des letzten steigt, so kann er das Herrliche da oben nicht nur sehen, sondern er kann es sogar ergreifen.« Die Uobogo sagten: »Das ist richtig.« Der größte Uobogo sagte: »Ich will auf euch alle hinaufsteigen. Ihr müßt aber ganz fest stehen, damit ich nicht falle.« Die Uobogo sagten: »Wir werden ganz fest stehen.«

Danach stieg ein Uobogo immer auf den Rücken des anderen. Es entstand eine ganz, ganz hohe Säule. Zu oberst stieg der ganz große Uobogo. Als er oben war, hielt Somba unter den Hinterfuß des untersten Uobogo schnell einen Feuerbrand. Das schmerzte den derart, daß er nicht anders konnte, als einen Schritt nach vorn zu machen. Dadurch kam die Reihe der Uobogo aber ins Wanken, der größte Uobogo, der zu oberst stand, fiel herab und brach sich einen Zahn ab. Alle Uobogo fielen scheltend über den Uobogo, der zu unterst war, her. Der sagte: »Verzeiht mir, aber ich trat mir einen scharfen Dorn in den Fuß, und ihr wart so schwer auf mir!«

Während sie schalten, brachte Somba schnell den abgebrochenen Zahn beiseite und versteckte ihn im Busch. Der große Uobogo suchte zornig seinen Zahn. Im Zweige des Baumes nebenan saß ein kleines Vögelchen, das hatte alles mit angesehen und rief dem größten Uobogo zu: »Du suchst deinen Zahn an der falschen Stelle. Du mußt deinen Zahn da drüben suchen. Somba hat ihn gestohlen und versteckt.« Der größte Uobogo hatte nicht recht verstanden. Er fragte: »Was ist los?« Somba sagte: »Dieser freche kleine Vogel wagt es, auch noch über dein Unglück zu lachen.« Als Uobogo das hörte, war seine Wut grenzenlos. Er jagte mit seinen Genossen hinter dem kleinen Vogel her, ihn zu vernichten. Während die Uobogo von dannen jagten, nahm Somba seinen Zahn, trug ihn zu Njaka und sagte: »Hier ist zum dritten der Zahn des Uobogo.«

Njaka sagte: »Es ist wahr. Du hast mir die Milch des Padere, das Fell des Abaga und den Zahn des Uobogo gebracht.« Somba sagte: »Nun gib mir deine Tochter!« Njaka sagte: »Mein Somba! Meine Tochter kann ich dir nicht geben. Du bist, wie du mir gezeigt hast, ganz ungewöhnlich klug. Ich bin auch ein ganz ungewöhnlich kluges Tier. Wenn unsere Familien sich zusammentun und aus unseren beiden Stämmen ein Kind geboren wird, so wird es klug wie Wende (wie Gott), und das wäre nicht gut. Deshalb kann ich dir meine Tochter nicht geben.«


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