Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

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Das Reich Gana

Felszeichnung

Das erste große sudanesische Reich heißt Gana. Es entfaltete sich im frühen Mittelalter, zeitgleich etwa mit dem Reich der Karolinger und Ottonen. Seine Lage an der Südgrenze der westlichen Sahara, d. h. am südlichen Ausgang der Karawanenstraße, die streckenweise mit der antiken Sahara-Route identisch war, machte es zum bedeutenden Umschlagplatz zwischen dem nordafrikanischen, der Mittelmeerwelt und dem »Bled Eds Sudan« (arab. ›Land der Schwarzen‹). Auf der alten »Straße der Wagen«, nach Felszeichungen so benannt, müssen schon Herodots »Garmanten« gezogen sein: weiße Berber, die mit vierspännigen Wagen in südliches Land einfielen und sich bereits vorzüglich auf Ackerbau und Viehzucht verstanden. In der Sahelzone zwischen den Flüssen Senegal, Baule und der Stadt Timbuktu dehnte sich Jahrhunderte später das eigenständige Königreich Gana aus. Es soll der Legende nach von 44 weißen Fürsten regiert worden sein; nördlich von Bamako sei seine Hautptstadt gelegen, von Berbern oder von Sarakolen (Mischlingen) im 4. Jahrh. n. Chr. gegründet. Nach etwas genauerer Überlieferung soll im Jahr 790 ein schwarzer Namens Kaya Maghan Cisse, den Tod seines Vaters rächend, den bisher weißen König ermordet und sich mit seinen Soninke-Leuten an dessen Platz gesetzt haben. Als Cisse Tunkara (= König) hat er eine 300jährige Dynastie gegründet – das goldene Zeitalter Ganas.

Golden war jene Zeit, die mit der Eroberung der Hauptstadt durch die fantasierten Massen des »Rechtgläubigen« Abu Bekr 1076 n. Chr. endete, im bildlichen wie im übertragenen Sinne. Gana besaß Salz und besaß Gold. Von altersher ein bedeutender Salzmarkt, brachten große Karawanen den in Salzbergwerken der Sahara gewonnenen raren Stoff in den Sudan. Das Gold kam aus dem südlich gelegenen Bambuk, das von Gana zwar nicht beherrscht wurde, aber dennoch nicht mit seiner Kostbarkeit geizte; man trieb einen ausgeklügelten und dabei »stummen« Handel. Das Gold machte Gana zu einem reichen Land; bis zur Entdeckung Amerikas galt es als größter Goldlieferant der Mittelmeerländer. Von »goldenen Zeiten« der Helden und Heldengesänge künden auch heute noch die Spielleute. Sie wurden für Leo Frobenius auf seiner zweiten Reise 1907/09 zu unschätzbar wichtigen Gewährsleuten. Bei den Westsudanern lag die Erhaltung der alten Epenkunst in den Händen der Dialli (Kaste der Sänger). Ursprünglich standen die Dialli im Dienst der jungen Adeligen – zumal denen, die das väterliche Erbe dem Sohn des Mutterbruders überlassen mußten –, begleiteten sie auf abenteuerlichen Wegen, besangen dabei die Taten der Vorzeit und auch ihre jüngsten Erlebnisse. Es bildeten sich drei, vier »Heldenbücher der Sahel« heraus, Frobenius gab sie in Prosaform wieder.

Felszeichnung

Das ist zunächst das große Dausi der Soninke oder Marka (des Staatsvolkes von Gana), das die Geschichte von mythischen Anfängen an fortschreibt. Eine seiner rätselhaften Legenden handelt vom Verlust und der Wiederauffindung des Ortes Wagadu; die Herren Wagadus wanderten und nahmen »die Idee« ihrer Burg mit, so daß sie sich viermal an ganz verschiedenen Plätzen materialisierte.

Dem Dausi zur Seite steht das kleinere Pui, eine Sammlung von zwölf Heldenstücken, die nur einzeln vorgetragen wurden. Es sind die zwölf »Helden von Kala« (einem Gebiet rund um Sokolo) und ihre Abenteuer erlebten sie meist in Faraka, dem fruchtbaren Land zwischen Oberniger und Bani. Sie nahmen die Goldschätze der von Süden Zugereisten und vergriffen sich an Viehherden einheimischer Fulbe; kam es so, daß ein Soninkeheld mit einer schönen Fulbe schlief, wurde auch der Sohn ein Fulbe und entsprechend nahm der Einfluß dieses Volkes immer mehr zu.

Felszeichnung

Das eigentlich Fulbische Heldenbuch ist das Baudi. Frobenius sieht es als ein Produkt »unverschämter Aneignungskunst« an, wobei er offen läßt, ob er das Lavieren zwischen Islam und Nomadenglaube auch das Parodieren und Persiflieren ehrwürdiger Sagenstoffe eher als unverschämt ansieht oder als Kunstform. Beobachtunsgabe, Witz und Situationskomik sind den Geschichten der Fulbe jedenfalls in hohem Maße zu eigen. Wie kam nun Frobenius zu diesen Epen? »Endlich war es gelungen, Korongo, den bekanntesten und am meisten geschätzten Barden (Dialli) den oberen Niger in mein Spinnennetz zu treiben. Da hatte ich ihn nun und – war gründlich enttäuscht. Eine schlappe Figur, ein nichtssagender Kopf, die Stirn verkraust, die Augen matt, die Stimme heiser, der Gruß unfreundlich . . . Koronge führt das ihm dargereichte Glas Kognak zum Mund. Korongo trinkt! Korongo lächelt! Dann stimmt er seine Laute ernsthaft. ›Nun etwas aus den alten Zeiten. Aber vorher noch einen Schluck!‹ Korongo trinkt wieder. Sein Antlitz lebt auf: dann hat er die Laute im Arm. Er singt, ›vom Anfang vor der Zeit‹. Seine Stimme trägt melodramatisch leicht singend vor. Sie ist jetzt klar und sicher. Er trägt nun die ersten Stücke aus dem alten Dausi vor, dem Heldenbuch ›Das Land Wagadau war erst einmal für sieben Jahre verlorengegangen. Man wußte nicht mehr, wo es war. Dann fand man es wieder:‹ Das Epos ist großzügig gebaut! Schon die erste Kenntnis – Karimacha hockte neben mir und wiederholte alles flüssig in französischer Sprache – ließ außerordentlich feine Empfindungen erkennen. Dazu Korongo – wie er das vortrug! Korongo trinkt. Korongo ruft: hoch! Die Zeit der Ganna, der Helden! Damals tranken Horro (Adelige) und Dialli!«

Felszeichnung

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