Leo Frobenius
Schwarze Sonne Afrika
Leo Frobenius

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Die Kassaiden (Völker des Kongobeckens)

Felszeichnung

»Es war am Abend eines Herbsttages 1905. Ich stand am Ufer eines der tausende von kleinen Gewässern, die sich zum Flusse Lulua, dann zum Strom Kassai, endlich zum gewaltigen Kongo vereinigen. Uns (d. h. die deutsche innerafrikanische Forschungsexpedition) trennten nur noch wenige Marschtage von Wissmanns Luluaburg, jener Station, die er auf Anraten Pogges mitten in das Herz des Kassaibeckens gelegt hatte – in das Land der prächtigsten aller Negervölker, der zierlichsten, klugen, kunstfertigen, dichterisch hochveranlagten Bena Lulua.

Was hatte ich in diesem Jahre erlebt – ich, der ausgezogen war, das in Europa hinsiechende Glück bei den Naiven zu finden? Die Waldvölker der Kuilu hatten uns mit Pfeilen empfangen, weil sie uns für die Kautschuk- und Menschenräuber Bula Matadis hielten. Den mittleren Kassai hatte ich auf weite Strecken menschenleer gefunden; die Stämme waren dem Machtbereich der Dampferlinie entflohen. Im Bakubaland qualmten noch die Ruinen in gebrandschatzten Dörfern. Bula Matadi hatte einen Bürgerkrieg »beschwichtigt«. Wo war das Glück?

Zwischen den Büschen tauchte eine drollige Figur auf, ein zierlicher kleiner Neger. Als er ganz nahe war, öffnete er die Lippen und sang mit ganz leiser Stimme näselnd: »Seht Kalamba / wie er die Tschipulumba (Feinde der Religion Kalambas) vernichtet / wie er Lubuku (das Land der Freundschaft) bereitet. / Es gibt viele Bena Lulua / es hat nur den einen Kalamba Munene gegeben. / Der Mensch stirbt, aber sein Schicksal (Mojo) lebt. / Ein Kopf / ein Schicksal . . .

Seht Kabassu-Babu / wie er Kalamba zu den Basonge führt / wie er Kalamba und die Bena Lulua reich macht. / Es gibt viele Menschen in Mputu / es hat aber nur den einen Kabassu-Babu gegeben. / Der Mensch stirbt, aber sein Schicksal lebt. / Ein Kopf / ein Schicksal . . .«

Jahrelang bin ich dann durch fremde Länder zu immer anderen Völkern gewandert. Immer wieder tauchte vor mir der kleine Kaschubaneger auf, immer wieder fiel mir sein Lied ein, sein Refrain: Ein Kopf / ein Schicksal!« (Leo Frobenius 1924)

Felszeichnung

Den Waldvölkern im Kassai- und Kongobecken galt jene erste große Reise 1904/06. Sie führte ihn in ein Gebiet, »wo alter Stil geboren war im Schutz der großen Wälder«. – Er schrieb alles auf: knappe, suggestive Berichte von Jagdzauber, Vampiren, Doppelgängern; vom mächtigen Schöpfergott Fidi Mukullu (Bena Lulua) und von Gott Mwille (Bassonge), der den einen fleißigen Sohn mit weißer Farbe und den faulen schwarz beließ und in die Wildnis verbannte.


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