Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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XI.

Auf die eifrige Frage Frau Elsabechts, wie die Zwiesprache ergangen sei, erwiderte Brechtel, sich traulich zu der Schwester setzend: »Ist dir leid zu Mute? mir nicht. Ich habe ihn heimgeschickt.«

Da mußte sie alsbald hören, daß sie nicht klug daran gethan hätte; denn es sei immerhin ein hochgemuter Mann, der es verdiene, daß seine Freude durch liebliche Frauengunst gehöhet werde. Und die Liebe, die er zu Brechtel trage, sei unverborgen. Das waltende Geschick habe bereits so viel Fäden zwischen beiden gewoben. Warum sie die freventlich zerreiße? Ein guter Mann ist guter Seiden wert, heißt es im Sprüchwort.

86 Und Brechtel antwortete: »Liebe Schwester, deiner Sorge um ihn mag von mir kaum Rat werden. Denn ich habe ihm solches auferlegt, daß er mir nimmer wiederkommen wird. Ich spare meine Seide für einen einfachen Mann. Der Zwiefache kann mir zu jeder Tagesfrist gestohlen werden, und ich sage, der Verlust ist Gewinn.«

»Das alles sprichst du nur, weil dir sein Frauendienst mißbehagt, darin er doch nur dem folgt, was die Sitte der Zeit gut heißt.«

»Mög' er es immer thun! Ich habe meine eigene Sitte. Und ich bin mir mehr als die Zeit. Ich bin ein vernünftiges lebendes Geschöpf. Und was ist die Zeit? Sage mir das, wenn du kannst.«

Frau Elsabecht antwortete nach einigem Nachdenken: »Die Zeit ist das, was alle wollen.«

»Und ich bin das, was ich will. Darin lebe ich wohlgemut wie ein Engel, denn des Menschen Wille ist sein Himmelreich.«

»Schwesterlein, laß es dir doch sagen, daß 87 Frauendienst dem edlen Manne nicht verbietet, sich die Braut heimzuführen.«

»Dann weißt du mehr davon als ich, Else. Aber siehe, vielleicht weiß auch dieser etwas davon.«

Sie wies auf Meister Matthie, der in das Gemach trat. Er war aus der Stadt gekommen, um einem Burgknechte mit dem Schröpfeisen das böse Geblüt zu mildern, und gab der Herrin darüber Bericht. Als er damit fertig war, fragte ihn Brechtel: »Wißt Ihr auch, Meister Matthie, was Frauendienst ist?«

»Gewiß,« sagte er, »das ist mir kund. Gott hat so viel Fleiß daran gelegt, meine Ehefrau mit Wohlgestalt zu begaben, daß ich ihr immer diene ohne Klage und ohne Reue. Zwar thut sie nicht alleweil, was ich will; dafür will auch ich nicht immer, was sie thut. Denn will ich Antwort, so schweigt sie, und begehr' ich Schweigen, so antwortet sie. Sie ist die höchste Zier meines Erdendaseins und das Kreuz auf dem Turme meines Glücks. Gott gesegne mir dies Kreuz immerdar, denn es macht mich zum Heiligen, 88 der ich sonst nicht wäre. Ja, das ist der Ruhm meiner Frauen, daß ich all meine Sünden schon auf Erden abbüße, und meiner nur der Himmel wartet, um des Weibes willen, das mir gegeben ward. Wenn sich das Wetter wenden will, so weiß ich es vorher an ihrem Gehaben: das verändert sich so oft wie das Wetter. Das ist meiner Heilkunst zu beträchtlichem Nutzen, daß ich den Wechsel der großen Natur an der Veränderung der kleinen Natur, die das Weib ist, kennen lerne. Also bin ich ihr in Lieb' und Treue ergeben, und da sie mich, wie gesagt, zum Heiligen macht, so ist mein Frauendienst mehr als der eines jeden Ritters und Minnesängers, denn er ist ein heiliger Dienst. Dazu sei mir unser Herr, der Meister, der aller Welt waltet und dem Teufel obgesiegt hat, auch fürder gnädig!«

»Geht, Ihr seid ein böser Schalk,« sagte Frau Elsabecht unwillig, während Brechtel belustigt zugehört hatte. »Ihr sprecht übel von Eurem Weibe. Habt Ihr Euch schon jemals der Guten wohlgefällig gezeigt?«

»Edle Frau! der Agat ist ein Stein, der die 89 Kraft besitzt, einen, der ihn trägt, allen Menschen wohlgefällig zu machen. Ich trage fürsichtiglich seit Jahren in diesem Ringe einen Agat; aber auch dieses Mittel verfängt nicht bei ihr. Ist aber damit nicht klärlich erwiesen, daß ich ihr wohlgefällig sein will und vermag es nicht. Doch sei mir ihre Milde, Schönheit und edle Zucht immer gerühmt! Das sage ich, um noch mehr als ein Heiliger in meinem Frauendienste zu erscheinen, als ich es ohnedem schon bin.«

»Ich weiß es,« erwiderte ihm nun Brechtel. »Du bist ein Ehrenmann, Meister Matthie. Willst du nicht auf einen Tag deine Frau herausschicken, auf daß sie sich die Zeit vertreibe und mit uns ein wenig ergötze?«

»Wozu soll sie sich etwas vertreiben, was sie nie genug hat, die Zeit? Edles Fräulein, die vertriebene Zeit kommt nicht wieder. Und wer eines Hauses zu walten hat, wie meine Jiutel, hat Ergötzlichkeit genug. Ihre Hände und ihre Zunge sind nie müßig.«

»Gieb ihr doch Urlaub auf zwei Tage, edler Meister Matthie!«

90 »Jetzt sind es schon zwei! Ich bin nicht edel,« sagte er, »das überlasse ich euch anderen. Und ich kann ihrer nicht auf einen Tag entbehren. Sie mag in Küche und Kammer lustwandeln, da ist Raumes genug.«

»Siehst du, edler Meister und Lästermaul, was du für ein Weib hast. Du kannst sie nicht auf einen Tag entbehren und doch schmähst du die Gute. Und auf meinen Wunsch, daß sie auf acht Tage kommen soll, antwortest du hämisch.«

»Acht Tage! Mein Heiland! Nicht mehr? – Euer Grund?«

»Ich will.«

»Was wundert es mich,« antwortete er verdrießlich, »daß Ihr Euren Willen gegen mich armen Mann durchsetzet. Seid Ihr doch hochgeboren und habt noch dazu Jiutels Milch gesogen. Hätte Euch der barmherzige Gott zu jener Zeit eine andere Amme beschert, so würdet Ihr nicht so ungebührliches von mir fordern.«

»Das ist wahr, gestrenger Meister Matthie. Aber ungebührlich nennst du es nur, weil du deine Zufriedenheit verbergen willst darüber, daß 91 du deiner Jiutel eine Freude machen kannst. Ist es nicht so?«

»Ja, weil Ihr es sagt. Ich trage Euch einen freundlicheren Willen, als Ihr zu mir hegt und wünsche, Gott möge Euch nie die Freude so lohnen, wie Ihr mir sie heute spendet.«

»Auf acht Tage soll sie kommen, hörst du?«

»Auf acht Tage. Ich bin nun wie ein Heiliger in der Kirchennische, der alles anhören muß, und zustimmt, weil er schweigt.«

Damit verabschiedete er sich und ging verdrießlich hinweg.

»Ein selbstsüchtiger Mann!« sagte Frau Elsabecht hinter ihm drein.

»Giebt es andere, Schwester?« fragte Brechtel.

»Ja,« seufzte die stattliche Frau mit heiterem Antlitz, »da ist etwas Wahres daran.«



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