Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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VI.

Sie machten sich dann auf den Weg, als die Zeche bezahlt war, und schritten fröhlich fürbaß. Mit solchem guten Mute kamen sie auch nach Gabriach und wurden dort wohl empfangen; denn es war die Sonne gegen Mittag gestiegen, der Kirchgang vorbei, und es wurde ein stattlicher Imbiß gerüstet. Zwei lange Tische prangten, mit weißem Linnen bedeckt, im Freien auf grünem Plane unter Ahornbäumen, die reichen Schatten gaben. Und funkelte die Sonne hier und da durch das Gezweige und spiegelte sich in den zahlreichen Zinnschüsseln und Bechern, so focht das die biedere Dorfschar wenig an, die das Mahl gemeinsam gerüstet hatte und nun mit Weib und Kind in sonntäglicher Tracht zu Tische saß.

Auch den Musikanten wurde abseits eine kleine Tafel gestellt und reichlich mit Speise und Trank versehen. Da hub dann ein fröhliches Schmausen an der freien Bauernschaft in der grünen Landschaft; denn sie war nicht dienstbar, 47 außer geringem Zins, den sie dem Burgherrn zu zollen hatte.

Zwischen dem Mahle trat, wie von ferner Fahrt kommend, eine fremde Gestalt auf. Es war ein ehrwürdiger Greis in der Kutte eines Benediktinermönchs, der in schlichten Reimen seinen Namen nannte, und es war kein geringerer als der heilige Veit, der Schutzpatron der Kirche, der auf den Plan trat. Er verschwieg auch nicht sein Vorhaben, auf diesem schönen Boden, den er sich durch himmlische Eingebung erwählt, dem Herrn ein Haus zu bauen. Dazu sollte der Wald ausgerodet werden; doch war er allein zu schwach zu solchem Werke und erbat sich vom Himmel Beistand. Da kam ein Bauer wie von ungefähr des Weges geschritten, der trug eine Axt auf der Schulter: das war die Hilfe, deren der heilige Mann zu seinem Werke bedurfte. So wies er alsbald dem Bauer ein wundersames Weizenkorn auf der flachen Hand und kündigte ihm an, daß daraus auf der Waldstätte dereinst goldene Ähren ihre vollen Häupter erheben und stattliche Höfe sich innerhalb der Äcker scharen sollen. Die 48 edelste Frucht des Bodens, die den Menschen das tägliche Brot beschaffe, empfange ihre Kraft vom Sonnenlichte, und die edelste Frucht des Herzens, der Glaube, der die Menschen mit Trost und Zuversicht nähre, empfange seine Kraft von der heiligen Kirche. Dazu solle er ihm seinen Arm und Beistand leihen, den Wald zu roden und die Kirche zu errichten.

Der Bauer zeigte sich willig zum Werke, denn er bemerkte den Heiligenschein um das Haupt des fremden Mannes.

Inzwischen war noch eine dritte Gestalt aufgetreten, die sich als lustige Person bekannte und mit derben Possen in das würdige Zwiegespräch der beiden hineinfuhr. Sie hielt dem Bauer spöttisch vor, wie es ihm Vorteil brächte, im Schirm und Schatten der Kirche zu sitzen, die ihn mit geistlicher Speise sein Leben lang versorgen werde, wofür er ihr mit leiblicher Nahrung zu zinsen und zehnten hätte. So wasche eine Hand die andere nach gutem Brauch. Die Kirche ohne Bauern sei ein ungedeckter Tisch, und der Bauer ohne Kirche ein Roß ohne Reiter.

49 Schließlich wurde er von dem heiligen Veit ob seiner zu freien Rede verwarnt und mit allen Höllenstrafen bedroht, worauf er in sich ging und Buße that. Er kniete bereitwillig mit dem Bauer nieder, um sich in die Hände des Heiligen mitzugeloben zum Dienste des Gotteshauses, das auf dem Grunde des gerodeten Waldes erstehen sollte. Seine Gebärde war aber bei dieser symbolischen Handlung nicht ohne Zusatz von Schalkheit; denn er benützte die Hände, sobald er sie frei hatte, um die langen Ohren seiner Narrenkappe noch um ein erkleckliches zu verlängern; welche gleichfalls symbolische Gebärde der versammelten Dorfgenossenschaft behagliches Lachen schuf; war aber ebensobald mit der Schlußmoral zur Hand, die dahin lautete: Es gäbe keinen schöneren Beweis der Heiligkeit einer Sache, als wenn sie von der Narrheit verspottet wird. Diese sei denn auch zu etwas gut und deshalb von Gott mit anderem Getier erschaffen worden.

So verlief alles glimpflich, und der Kirche ward die Ehre gezollt, die ihr gebührte. Der würdige Pfarrherr, der selbst inmitten der 50 Bauernschaft am oberen Ende der Tafel auf dem Ehrensitze saß, nahm das Spiel der lustigen Person nicht anders auf als alle übrigen Zuschauer. Sodann entfernten sich die drei Personen vom Schauplatze, und der Heilige wie die lustige Person enthüllten sich als zwei benachbarte Bauern, die wohlgemut ihre Sitze wieder an der Tafel einnahmen, um mit dem Dritten im Bunde das Lob der Gesellschaft ob ihrer trefflichen Darstellung einzuheimsen.



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