Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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IV.

Nun ging die Zeit seines Aufenthaltes in Meister Matthies Hause zu Ende, denn seine Lippe war geheilt. Doch mochte er sich nicht zur Heimfahrt entschließen, ohne Brechtel noch einmal gesehen zu haben. Er vertraute sich Frau Jiuten an; sie sollte Rat schaffen, wie er unerkannt nach Stadeck kommen könnte, sei es in die Burg, oder in deren Umgebung, um ihr noch einmal nahe zu sein, an die er immer denken mußte. Seine hohe Herrin schwebte im Äther, und Brechtel schritt auf der jungen Erde, und er irdischer Mann fühlte sich zum irdischen Weibe hingezogen.

36 Frau Jiute war gutmütig geneigt, ihm mit Rat beizustehen. Sie sagte, daß nächsten Sonntag im Dorfe Gabriach unweit der Burg Kirchmeß sei, und daß Brechtel mit ihrer Schwester, der Herrin von Stadeck, gegen Abend zur Dorflinde kommen werde. Das geschehe nach Brauch, daß die Burgfrau den Tanz der jungen Dorfgenossenschaft durch ihre Anwesenheit verherrliche. Dort könne der Gast die Gelegenheit wahrnehmen, um sich dem Fräulein auf irgend eine Weise zu nähern.

Auf diesen Vorschlag ging er mit großem Eifer ein. Er bat nun Frau Jiute, ihm eine ärmliche Kleidung zu verschaffen, in der er unauffällig auf dem Dorfplatze unter der Linde erscheinen könnte. Dazu war sie gerne bereit; eine abgetragene Joppe war im Hause, das übrige wollte sie von einer Nachbarin entlehnen. Sie erschloß den Almer, in welchem sie Meister Matthies alte Kleider bewahrte, und da erblickte der Gast eine Geige, die mit Fiedelbogen im oberen Fache lag. Ein Gedanke erwachte alsbald in ihm; er bat sie, ihm auch die Geige zu leihen.

37 Auf ihre verwunderte Frage, was er damit wolle, antwortete er, daß er damit umzugehen verstehe. Das habe er von Jugend auf gelernt, und seine Hand wisse nicht nur den Speer, sondern auch den Fiedelbogen zu führen. Zum Beweis dessen nahm er die Geige an sich, stimmte sie und begann einen lustigen Reigen aufzuspielen.

Sie schlug die Hände vor Verwunderung über dem Kopfe zusammen, und die Rhythmik der Tanzweise fuhr ihr in die Glieder, ohne daß sie es wußte. Ihr Leib wiegte sich leise nach dem Takte des Reigens, aber noch standen ihre Füße fest, und der Gast geigte immer feuriger. Das war wie ein seltsamer Zauber, der sie band und zog und dessen sie sich schier nimmer erwehren konnte – da trat Meister Matthie in die Stube.

Verwundert sah er seine Jiutel sich wiegen unter den fröhlichen Geigenklängen, die der Gast meisterlich, wie irgend einer vom fahrenden Volke, hervorlockte.

»Ei ja!« rief er spöttisch, »hab' ich's nicht immer gesagt? Meine Jiutel will den Hoppaldei 38 tanzen, denn sie ist noch jung und wohlgemut und blüht wie ein Maienröslein. Das ist Weibesart, die niemals merkt, daß ihr das Alter über den Buckel gekrochen ist, auch wenn der Zopf grau geworden ist. Potz Daus! Sehe einer, wie sie so lieblich die Füße zum Tanze setzt, meine Jiutel! bin ich nicht ein seliger Mann um ihretwillen? Nun, mein Engel mit dem Altweibergesicht, willst du auch mit mir den Reigen tanzen? Ich bitte dich! Sträube dich ein klein wenig ja zu sagen, da dies eine holde Frau immer thut, wenn ihr das Nein zuwider ist, und dann hoppaldei, Jiutel! springen wir, daß die Röcke fliegen, und der Gast spielt auf.«

Diesmal war Frau Jiute so erzürnt, daß sie, ohne ein Wort zu sagen, die Stube verließ, welcher Rückzug den Spott ihres Ehewirtes noch mehr herausforderte. Er erging sich darin mit Herzenslust, bis ihm der Gast Einhalt gebot und über sein Begehren mit ihm zu Worte kam, nämlich das edle Fräulein wieder zu sehen. Meister Matthie, dem der vornehme Stand seines Gastes nicht mehr verborgen war, erklärte sich 39 zu allem bereit, überließ ihm willig Joppe und Geige und wünschte ihm überdies Glück auf die Spielmannsfahrt.



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