Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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VII.

Nach diesem Zwischenspiel nahm das Mahl seinen gedeihlichen Verlauf bis zum Nachmittagssegen, der sie wieder in die Kirche rief. Da alle nicht darin Raum fanden, so standen sie andächtig vor der Pforte auf dem kleinen Friedhofe, dessen Hügel rings um die Kirche blühten. Die Musikanten aber sagten sich: Ist ohnehin der Platz dort enge, so wollen wir ihn nicht noch schmälern, und bleiben, wo wir sind. Wir gelten 51 so wie so nicht als Kirchenvolk, weil der freie Himmel das einzige Dach unseres Gotteshauses ist. Laßt sie denn noch beten, dann kommen wir daran.

So geschah es auch.

Nach dem Kirchgange ging es alsbald zum Reigen auf den Dorfplatz unter der großen Linde. Im Gezweige war oben ein wohlgefügter Tisch mit Bänklein angebracht, zu welchem Stufen hinan führten. Das war der luftige Saal der Musikanten im Wipfel, von wo aus sie ihre hellen Weisen ertönen ließen, als ob sie vom Himmel selber herab kämen, um das Volk zu ehrbarer Fröhlichkeit zu führen. Das geschah denn auch weidlich, als jene oben zurecht saßen und die Weise anstimmten. Hand in Hand traten die Paare der jungen Dorfgenossenschaft den Reigen an und bewegten sich jauchzend in gemessenem Tanzschritt um die Linde. Zur Seite saßen die Alten an den Tischen bei den Krügen und erlabten sich noch bedächtig an einem guten Trunk, während das Bild des bunten Reigens vor ihren Blicken vorüber glitt. Sie lauschten zuweilen erstaunt 52 zum Wipfel der Linde auf. Denn ein ungewöhnlich süßes Geigengetön kam von dort oben herab, wie sie es noch nicht gehört hatten. Das war der fremde Gast, der mitten unter den Gesellen saß und sich vernehmbar machte, so daß diese selbst ihm verwundert mit ihrem Spiele folgten. Er aber blickte wohlgemut von seinem luftigen Sitze in die sonnig blühende Weite hinaus. Der Strom wand sich schimmernd durch die grüne Aue an dem grauen Mauergürtel der fernen Stadt vorbei, die ein getürmter Berg herrlich überragte, und in noch weiterer Ferne blauten Berge mit leisem Duft in den klaren Äther.

Wenn er das Haupt zur Seite wandte, sah er die feste Burg Stadeck mit ihrem Bergfried ragen. Von dort mußte sie herab kommen, um deretwillen er nun im Gezweige als musizierender Vogel saß. Er lachte in sich hinein und lauschte eifrig den Tönen seiner übermütigen Fiedel, die er nun so freudig in der Hand hielt, wie sonst den ritterlichen Speer im Turniere. Und als der Abend rötlich warm zwischen den Tannen am Berghang hindurch schien, sah er auch zwei 53 weibliche Gestalten mit einem Knaben herab kommen. Da begann seine Fiedel schwächer zu klingen, weil sein Herz jähe stärker schlug. Doch das dauerte nur einen Augenblick, dann strich er den Bogen über die Saiten, daß es einen freudig hellen Klang gab. Die zwei weiblichen Gestalten waren Brechtel und ihre Schwester, Frau Elsabecht.

Schlank und anmutig schritt Brechtel neben der stattlichen Schwester einher und führte deren Söhnlein, einen schönen blondhaarigen Knaben an der Hand. Sie trug weiches weißes Gewand, das mit jedem Schritte in edlen Falten bis zur Fußspitze hinab floß, und ihr Antlitz schien den Sommerabend anzulachen, wenn sie die Stirne nicht zu dem Kinde hinab neigte. Der Althuber des Dorfes empfing die Frauen mit tiefem Neigen und dankte der Ehre des Besuches mit ziemender Rede. Dann wurden sie zu einem Tische geleitet, wo sie nieder saßen und von dem Weine zu kosten geruhten, der ihnen zum Willkomm gereicht wurde. Auch brachte man ihnen auf einem blinkenden Zinnteller weißes Weizenbrot und Honigküchlein als Zukost, was sie freundlich annahmen.

54 So ehrten sie das Fest mit ihrer Gegenwart, während sich der Reigen in ungehemmter Fröhlichkeit erging und sein buntes Bild unter der Linde im roten Abendschimmer entwirkte.



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