Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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II.

Frau Jiute hatte dem allen zugesehen; aber die Buchstaben, die sich aus den Blüten entwirkten, waren ihr fremd, denn sie konnte nicht lesen. Das war damals nur der Erziehung vornehmer Frauen vorbehalten. Nun raffte sie eilends das gereinigte Grünzeug zusammen; und ohne auf die Frage des Gastes, wer um Gottes willen die Magd sei, anders zu antworten als »das möge sie Euch selbst sagen«, folgte sie der jugendlichen Genossin ins Haus. So stand Herr Ulrich von Liechtenstein einsam in dem Paradiesgärtchen.

14 Nun begann ihm eine seltsame Zeit zu tagen. Während früher einzig und allein eine Gestalt sein Sinnen erfüllte, drängte sich nun eine zweite in sein Herzkämmerlein und hatte dort gute Lagerstatt. Dagegen konnte er nichts thun; das kam so mit heimlicher Gewalt, wie ein Sonnenstrahl sich in einen verschlossenen Raum stiehlt. Die zweite Gestalt war jene, die sich Brechtel nannte, und die er nicht mehr im Hause Meister Matthies mit leiblichem Auge sah. Sie war entschwunden; aber er mußte sich mit ihrem Bilde tragen, obgleich er sich der Sünde bewußt war, die er damit an seiner hohen Herrin verübte. Nach dem strengen Minnedienst jener Zeit durfte er neben der Einen, zu der er als zu dem Hort aller seiner Wünsche aufblickte, das Bild keines zweiten Weibes in seinem Herzen aufnehmen. Und nun mußte er, gläubig wie er in diesem Frauendienste war, es klagen, daß dieses selbe Herz, das sein eigen war, noch für eine andere Raum hatte. Wie sollte das nicht ein schwerer Kampf sein für einen Ritter jener von der Minne festtäglich geschmückten Zeit! 15 Denn wie oft hatte er vor ihr, der Einzigen es gesagt und geglaubt: sie muß mir wegen Rittersthat noch Dank schenken, oder Leib, Gut, Sinne und Leben, das alles geht verloren. – Das sollte doch eine Liebe sein, stärker als Tod und Hölle. Und nun hatte es ihm auch eine Zweite angethan, von der er sich sagen mußte, klagend, wie er meinte: Sie – Brechtel! Als sie mich so gütig ansah, ließen meine Augen ihren lichten Schein gleich mitten in mein Herz eindringen.

Seine Augen, das waren treulose Wächter, die er verwünschte. Und das war ein harter Kampf für einen, der um Gunst diente bei der einzigen Frau in selbst zu jener Zeit seltener Hingebung. Denn sie hatte ihm jede Hoffnung abgesprochen, jemals solche Gunst von ihr zu erlangen. Aber gerade dies war die selig-traurigste Würze seines liebereichen Sehnens, daß sie ihm angekündigt hatte, die einzig Hohe, sie wollte alt werden, ohne je das kennen zu lernen, was sie heimliche Minne nennen. Dies gerade hatte auf seine Sehnsucht wie die Lebenslust 16 gewirkt, in welcher sie nur gedeihen konnte; und er hatte immer ernstlich zu Gott gehofft, daß er ihm als höchste Tugend die Treue anrechnen werde, die er gegen das hohe Weib ohne Falsch einzig und allein im Herzen trage. Und diese Treue ward nun so ernstlich bedroht. Das war Ursache genug, daß er sich nicht mehr in seinem Wesen gefestigt fühlte, wie früher, und schwankender Mut galt ihm als eines von den bösesten Dingen auf Erden: das hatte ihm alles Brechtel angethan mit ihren spielenden, süßen Augen, die rätselhafte Magd, wie er sich sagte. Sie kannte ihn, sie wußte, wer er war, und ihm war sie fremd, vertraut, aber doch fremd. Welche Ungleichheit, wo der Vorteil nicht auf seiner Seite war! Und unter dem Tuche, welches noch immer seine Wangen umhüllte, fühlte er die Röte des Unmutes aufsteigen.

Er nahm es auf sich, Frau Jiute um ihre junge Magd zu befragen. Sie neigte höflich das Haupt und sprach:

»Der gute Gott grüße mir diese Magd auf ihrem Wege, wo sie geht und steht; aber ich kann 17 Euch nichts über sie verkünden, was sie nicht selbst sagen will.«

Mit dem mußte er sich zufrieden geben, fand aber wenig Genügen daran. – Endlich geschah es, daß es Meister Matthie hörte, wie er wieder mit bedachter Wendung sich der Frage näherte, ob Frau Jiute, eine wackere Hauswirtin, nicht wissen sollte, wo Brechtel, ihre Magd, weile. Sie ward in der Gegenwart ihres Eheherrn zwar ein wenig betroffen, antwortete aber listig:

»Es giebt hier nur eine Magd, die hat Meister Matthie und die Magd bin ich. Er muß alles dessen gewaltig sein, was ein Weib an Dienstbarkeit leistet, das Frau Jiute heißt. Doch will es mir eitel Herzleid machen, daß er immer wider mich dräuend steht wie eine Donnerwolke über einem Pfingsttage.«

»Ei ja! Du bist ein Pfingsttag, nicht wahr Jiutel?« fing jener an. »Gott sei mir gnädig und streiche diesen Festtag aus dem Kalender, wenn du es bist. Freilich, die Rede ist ihrer Zunge immer so nahe, wie das Wasser dem Mühlrade. Aber der Weibersinn sitzt thöricht im 18 Oberstübchen und mahlt schlechtes Korn. Meinst du, das soll mich nähren? Ich will mir meine Halme selber schneiden und einen Strohwisch für dich zum Kranze übrig lassen. Wie sie guter Dinge ist, meine Jiutel! Woher? Eija! hoppaldei! Willst du tanzen, Jiutel? Ich lass' dir einen Fiedler kommen. Denk' an das Tanzen fleißiglich alle Tage, so lange du heut sagen kannst, und deine jungen Haare noch auf dem alten Kopfe wachsen. Ei ja!«

In diesem dicken Tone ging es fort, und die Frau hörte ihm geduldig zu, bis er fertig war. Der Gast verbarg ein Lächeln unter dem Tuche, das er trug. Daß Meister Matthie seiner Hausfrau so ungebührlich begegnete, erschien ihm nicht seltsam; denn das Vorrecht, dem Weibe zu dienen und sie über sich in den Äther zu erheben, lag nur bei dem ritterlichen Manne, dachte er sich. Doch gebot er ihm Einhalt und nahm Frau Jiute in Schutz: er hatte eine Frage an sie gerichtet, der sie sich mit ihrer Anrede an Meister Matthie entzog. – Warum hatte sie sich der Frage entzogen? warum hatte sie ihn so 19 lustiglich wie zum Kampfe bereit angeredet? tönte seine eifrige Gegenrede, und der Gast erzählte ihm, was er vergeblich von ihr erfahren wollte. Nichts als dies? Das wollte er ihm gleich mitteilen.

Sie versuchte eine Einrede, aber er kehrte sich nicht daran und sprach:

»Die Ihr im Hause gesehen habt, ist unser edles Fräulein Berchta von Weißenstein. Sie wohnt auf Stadeck bei ihrer Schwester. Und Jiutel hier war ihre Amme, als sie noch Weibeskraft besaß, ein solches Amt auszuüben, zu welchem sie nun längst unbrauchbar geworden ist. Aber was rede ich darüber! Die Lieblichkeit, die ihr Gott stets mit sparsamem Maß zugemessen hat, ist ihr nun so geblieben, wie die Maienblüte dem Eismonat. Ja, das ist mein Herzenskleinod Jiutel!«

Sie nahm die Rede gelassen auf, wie sie es gewohnt war und sagte nur.

»Mein Fräulein Berchta wollte es nicht leiden, daß ihr Name genannt werde, und du hast es nun gegen ihren Willen gethan, Mann!«

20 »Das nehme ich auf mich,« erwiderte er, »und du, meine Königin, begieb dich getrost in dein Reich, das ist die Küche, und laß dir von den Töpfen, die dort stehen, die Ehrerbietung erweisen, die deiner Holdseligkeit gebührt.«



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