Wilhelm Fischer
Frauendienst
Wilhelm Fischer

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IX.

Als Brechtel wieder nach einiger Zeit in Meister Matthies Hause abstieg, um mit Frau Jiute traulich zu reden, da war das Haus bereits vom Gaste geräumt. Jiute erzählte, daß er am Morgen nach seiner Spielmannsfahrt dem Wirte Heilung und Pflege mit freigebiger Hand gelohnt und dann mit Urlaub sein Roß bestiegen hatte und von dannen geritten war. Meister Matthie, ein gröblicher Mann, wie sie seufzend sagte, hatte seiner Kunst fein gewaltet und ihn von dem Gebrechen an der Lippe gänzlich erlöst. Dessen 63 waren beide froh: er, der Heilung gefunden, und der Meister, der sich am reichen Lohn erfreute.

Nun rügte es aber Brechtel halb scherzhaft, halb zornig, daß sie dem Gaste den Weg nach Gabriach gewiesen hatte zur Kirchweih; denn sie dachte sich, daß er den Rat dazu von niemand andern empfangen hätte als von Jiute. Diese leugnete es auch nicht und sprach:

»Mein trautes Kind, ich that es nur, weil ich sah, daß er dich im Herzen und Sinne trug. Willst du mir oder ihm darob gram sein? Ist er doch ein wohlgemuter Mann und von edler Herkunft! Wie sollte er nicht um dich freien dürfen, da ihm der Sinn danach steht? Ich will es noch um dich verdienen, daß du mir dafür Dank sagst. Sprach er mir doch immer nur von dir und rühmte dein ganzes Wesen, wie ein guter Mann es thut, dem etwas zu jüngst im Herzen geschehen ist, was er nicht verwinden kann. Sag' mir, willst du es ihm gar nicht lohnen?«

»Das lohne ihm der Wind, dem er 64 entgegenreitet, er thörichter Mann,« sagte Brechtel lachend und unmutig. »Er soll meiner billig entraten, so lang ich Witz genug habe, um ihm den Spott zu schenken, den er verdient.«

»Um Gottes willen, trautes Kind, hätte ich doch nie gedacht, daß dir so zu Mute ist wider ihn, den jungen edlen Herrn! Wenn mir männliche Art gegen das Weib nur halbwegs bekannt ist, so begehrt er dein mit aller Liebe eines treuen Herzens.«

»Seine Liebe trag' er in die Ferne, auf daß sie mir nicht nahe sei; sie ist eine Ware, die er jedem Weibe zuschlägt, das auch nicht den geringsten Anbot darauf macht.«

»Das kann nicht sein, Kind! er meint nur dich.«

»Und eine andere, und vielleicht noch eine andere. Was weiß ich!«

»Wie? freit er noch anderswo, Kind? Nein! was sagst du?«

»Und weißt du es nicht, Jiutel? Du hast es wohl selbst gehört, als wir unter dem Apfelbaum saßen und davon sprachen.«

65 »Was sagst du? Er will ein anderes Weib nehmen?«

»Nein, das meinte ich nicht. Zum Weibe nehmen kann er sie nicht. Da steht ihr eigener werter Eheherr dagegen.«

Frau Jiute machte ein erstauntes Gesicht und sagte: »Er wirbt um Minne? Das ist die Sitte der Zeit bei ritterlichen Männern, hört' ich sagen.«

»Ja. Er dient ihr auf solchen Wahn. Aber auch wenn sie ledig wäre, wollte sie ihn nicht, denn sie ist zu hoch dazu.«

»Kind, laß mich dir noch vermelden: Mag jener einer andern dienen, weil es der Brauch so will, aber ich halte daran fest, daß er nur dich zum Weibe begehrt und keine andere. Das habe ich an ihm erprobt und gesehen, wie seine Augen aufleuchteten, wenn er deinen Namen nannte.«

»Halte fest,« sagte Brechtel spöttisch, »und laß mich los. Dann ist es auch gut.«

Mit ihrer Schwester kam sie auch auf das Ereignis mit dem seltsamen Spielmann zu reden, 66 der auf der Linde saß und seinen Gesellen plötzlich entschwand. Frau Elsabecht unterließ es nicht, sie um alles zu befragen, was sie über ihn zu wissen wünschte und war höchlich verwundert, als ihr Brechtel mitteilte, wer da mit der Fiedel kam und wieder ging. Einer mit edlem Namen, der im Oberlande drei Burgen besaß und reiches Land, alten Salboden, neue Stadel und genug Schwaighöfe. Sie staunte in weiblicher Art höchlich, daß ein solcher sich in ärmlicher Tracht unter das fahrende Volk mengte, obgleich er die Geige trefflich zu meistern wußte, wie je einer. Welche Absicht in dieser Mummerei lag? Das wollte sie wissen. Und der Gedanke erleuchtete sie ohne Säumen: Brechtel! er hat es um deinetwillen gethan!

Es schien ihr wunderlich, doch ward ihr Herz davon gerührt. »Wie!« sagte sie, »ein Mann, wie dieser, mild, treu und wohlgezogen, zieht mit der Geige über Land, einer nahe zu sein, die du bist, Schwesterlein! Und will es Gott, so darfst du ihm nicht herb sein darob und sollst ihm vielmehr Gunst erweisen, wie er es in Ehren begehrt.«

67 Das sagte sie, weil sie ihre junge Schwester zärtlich liebte; denn diese, deren Anblick viele erfreute, galt ihr zumeist wert. Aber Brechtel lehnte jede Zumutung ab, den fahrenden Ritter und Spielmann anders als scherzhaft zu nehmen. Den Ernst spare sie auf künftige Zeiten; für diesen sei es gleiche Münze, wenn sie den Schalk mit Scherz bezahle. Und davon brachte sie auch Frau Elsabecht mit aller Einrede nicht ab. So begann sie denn die Schwester ob ihres Hochmuts auszuschelten, was aber aus liebevollem Herzen so lauter und zärtlich floß, daß ihr Brechtel nun auch das mitteilte: wie Jener sich dem Dienste einer andern Frau gebunden habe, und daß sie einem solchen zwiespältigen Wesen niemals hold sein werde.

Auch dagegen brachte Frau Elsabecht ihren Einwand vor: »Wie viele ritterliche Männer dienen einer Frau und freien doch die Maid, die die Herrin des Hauses und die Mutter des künftigen Geschlechtes wird! Sollte jener davon abstehen, was die Meisten thun, und nicht höfisch sein? Wenn er dein begehrt und um deine 68 Neigung aus Liebe wirbt, so lass' es ihm nicht zu dauerndem Spotte geschehen, daß er einer andern nach höfischer Sitte dient, die Herzogin von Belrepeire heißt, obgleich ich von dem Geschlechte im Lande nie gehört habe.«

Brechtel lächelte verstohlen und sagte:

»Nein, Schwester, da bringst du mich nicht ab. Er mag ziehen, wohin er will und Minnelieder singen und Speere verstechen, in wessen Dienst er will: mir soll er nicht kommen. Ich will dieses Freiers gänzlich entraten, so lang ich Witz und Verstand habe.«

Dabei blieb es, und Frau Elsabecht vermochte nichts gegen Brechtel auszurichten, deren Einsicht sie sich auch sonst willig unterordnete, obgleich sie die Ältere war und als erfahrene Hausfrau mit dem Schlüsselbund am Gürtel einher schritt.



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