Egid Filek
Wie Dieter die Heimat fand
Egid Filek

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

X.

»Gelobt sei Gott, der uns gerettet aus großer Gefahr«, so beteten die Iglauer in der Jakobskirche und sie hatten Grund zur Dankbarkeit. 151

Schwärmende Vorposten des Feindes hatten so manchen Frachtwagen geplündert und Landhäuser in der Umgebung verbrannt; die Besitzer, reiche Stadtbürger, jammerten um verlorenes Hab und Gut, die Tore wurden in Verteidigungsstand gesetzt, ein allgemeines Aufgebot ausgetrommelt und Meister Schimke mußte mit vielen seiner Zunftgenossen wieder Wachdienst auf der Mauer leisten; er tats nicht gern und berief sich auf sein gesetztes Alter, aber spottend meinte der Stadthauptmann, wer zum Freien tauge, der tauge auch zum Waffentanz.

Als daher Godeschalk mit den Seinen ein paar Wochen später zu kurzer Rast zum Tore hereinritt, fand er den freundlichsten Willkomm. Unter großem Zulauf des Volkes und vielen Heilrufen landete sein Haufen vor dem Rathaus; zwei Ratsherren schritten würdig die Treppe hinab und begrüßten ihn feierlich im Namen der Stadt, ein Diener reichte ihm die übliche Weinspende und Godeschalk tat einen gewaltigen Tieftrunk, vergaß auch nicht genau nachzuzählen, ob jeder Reisige aus seinem Gefolge das ihm gebührende Maß erhielt; denn Godeschalk schenkte niemandem etwas und war der Meinung, nur strenge Rechnung erhalte gute Freundschaft.

Dieweil sie aber im Rathauskeller zechten, ging ein junger Rittersmann durch Gassen und Gäßchen seinen stillen Weg nach einem wohlbekannten Hause, schritt durch das Gärtchen und klopfte bescheidentlich an die Tür.

Ein kleines Fenster öffnete sich, ein Mädchenkopf guckte heraus und fuhr wieder zurück – und dann knarrte das Türchen und auf der Schwelle stand das liebe, frische Ding, dem seine Träume und seine Sehnsucht galten; sie bot ihm die Hand und errötete vor Freude und Glück. 152

»So habt Ihr mich erwartet, liebe Jungfer?«

Sie schlug die Augen zu Boden:

»Mein Herz erwartet Euch stets.«

»Es muß wohl so sein,« sprach er sinnend, »in all der Zeit, da ich fern von Euch war und in mancher Not und Gefahr, ist mir gewesen, als ginget Ihr unsichtbar neben mir. Und in der Nacht, die jenem herrlichsten Tage meines Lebens folgte, da mich der Herzog Albrecht zum Ritter schlug . . . .«

Staunend wich sie einen Schritt zurück:

»So kehrt Ihr als Ritter heim? Mein Gott, nun sehe ich erst . . . die schöne goldene Kette! Wer gab Euch die?«

»Unser gnädiger Herzog.«

Da trat die Muhme Ursula ein.

Wirkte auch hier der Glanz des Goldes oder war es dem Vetter Schlick beim Abschied gelungen, ihr Mißtrauen zu besiegen? Oder empfand sie unbewußt Dankbarkeit gegen ihn, der einer von jenen war, die schweres Unheil von der Stadt abgewendet?

Jedenfalls war ihr Benehmen anders als früher; sie streckte ihm die runzlige Hand entgegen und tat so freundlich, als es bei ihrem trockenen und herben Wesen möglich war.

»Und wie lange habt Ihr Urlaub, Herr Dieter?«

»Leider nur drei Tage. Dann muß ich mit Godeschalk wieder zum Herzog stoßen, der gen Pilsen reiten will, um es zu befreien von der Hussitennot.«

Drei Tage sind eine karge Frist; aber sie können sich zu langen Zeiträumen dehnen und mit köstlichem Inhalt erfüllen, wenn zwei junge Menschenkinder, die sich von 153 Herzen gut sind, einander ihre lieben Gedanken und Wünsche mitteilen, von den kleinen und großen Ereignissen berichten, die sie fern voneinander erlebt, und endlich auch allerlei Pläne und Vorhaben für die Zukunft besprechen, die ihnen, wie es die Weise der Jugend ist, in rosigem Licht erscheint.

Freilich, der arme Dieter nannte nichts sein eigen; seiner Väter Burg lag in Trümmern, an einen Wiederaufbau war in jener unruhigen Zeit nicht zu denken – und woher hätte er die Geldmittel dazu nehmen sollen?

Da hieß es denn sich in Geduld fassen und seinem Herrn in Treue dienen; einmal kam wohl der Tag, da er ihn belohnen würde mit einem Lehen, einem Gütchen, einem Landbesitz – der Herzog war dankbar und vergaß keinen von denen, die seiner Sache zugetan waren.

»Wäre nur erst der Krieg vorbei,« seufzte Margaret. Aber solcher Wunsch paßte nicht zu Dieters Seelenstimmung; sein Ehrgeiz war geweckt, er sprach von neuen Taten und Erfolgen, die er erringen wollte, um der Geliebten würdig zu sein.

»Und was macht mein alter Nebenbuhler, Meister Schimke?«

»Oh, der wird unsere Ruhe nimmer stören«, lachte Margaret und gab Kunde, wie sie von einer Nachbarin vernommen, daß der Meister im Anfang gar sehr über seine Dienstpflicht geseufzt und gemurrt, dann aber plötzlich still geworden sei; und die Ursache sei des Stadtkommandanten Schwester gewesen, eine Witwe in den besten Jahren, der ihr Seliger ein namhaftes Vermögen hinterlassen; die hätte Gefallen an dem strebsamen Meister gefunden und ihm bei ihrem Bruder manche Erleichterung 154 im Dienste ausgewirkt und die zwei verstünden sich so gut, daß es wohl bald eine Hochzeit geben werde.

Aber während den Gücklichen die Zeit im Fluge dahinschwand, wenn sie im traulichen Gespräch in Margaretens Stübchen beisammen saßen oder vor dem Stadttor lustwandelten, wo der Herbst schon seine bunten Fackeln anzündete, wurde im tiefen Walde drinnen ein Wiedersehen von ganz anderer Art gefeiert.

Müde und verdrossen hatte sich Jaromir von seinen Gefährten getrennt.

»Grüßt mir den Twaroh, wenn er noch am Leben ist – ich kehre nicht mehr zu ihm zurück,« sprach er finster.

»Was willst du denn tun?«

Da gedachte der Wlk mit leiser Wehmut seines Kohlenmeilers und erwiderte:

»Mein ehrliches Handwerk will ich wieder treiben und nimmer verlassen.«

Und er wandte sich dem Walde zu. Das Hohngelächter der andern schallte hinter ihm drein.

Einsam schweifte er in der Wildnis des Urwaldes; ein Trunk aus der kalten Quelle, ein Eichhörnchen, das er mit seiner Armbrust schoß, Wurzeln und Waldbeeren – das war ihm genügende Atzung.

Aber dann trieb es ihn doch zu seiner alten Hütte.

Er fand einen Trümmerhaufen. Rauchgeschwärzte Pfosten, ein Berg von Schutt und mitten drin, als hätten es die Plünderer in scheuer Ehrfurcht verschont, das Kruzifix – das war alles, was von seinem Heim geblieben war.

Da stand er und sann. Dann nahm er das Kruzifix, küßte die Füße des Heilands und hing es an einen Baum; 155 weiß wie der Mond durch die Wolken schimmert, leuchtete das ewige Symbol der Erlösung von dem dunklen Stamm – und Jaromir warf sich auf die Knie und dankte Gott für seine Rettung.

Er wußte nicht, wie lange er so gelegen hatte, als er in der Ferne Hundegebell vernahm. Er richtete sich auf und lauschte.

Näher und näher kam's. Eine Jagd? Aber nein, so bellt ein Jagdhund doch nicht.

Und da brach es durch das Unterholz und stürzte sich auf ihn und legte zwei mächtige Tatzen auf seine Schulter – und der Wald widerhallte von freudigem Bellen und Gewinsel.

»Triglaff . . . mein guter, treuer Triglaff . . .«

Der Wlk umarmte das zottige Tier wie einen lang entbehrten Freund. War es Lust oder Weh, was seine Brust zusammenschnürte, seine Hände, die das Fell des Hundes streichelten, so heftig zittern ließ und das Wasser in seine Augen trieb, die seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geweint hatten?

Er empfand nur eine stille, demütige Freude, einen tiefen Trost bei dem Gedanken, daß er nicht einsam war, daß es ein Wesen gab, das an ihm hing und ihn nicht verlassen wollte trotz Elend und Entbehrung.

»Ja, ja, Triglaff, wir bleiben beisammen, wir bleiben beisammen,« murmelte er.

Es raschelte im Gebüsch. Jaromir griff nach seinem Schießzeug.

Was war das?

Ein junger Mensch war dem Hunde gefolgt; kaum zwanzig mochte er zählen, seine Schritte waren rasch und 156 leicht; oft hielt er an und sah sich um – breitspurig stand er da, wie ein Schiffer auf dem schwankenden Boden seines Schiffes; jetzt bemerkte er den Köhler:

»Heda, guter Freund, könnt Ihr mir sagen, wo hier der Jaromir Wlk haust?«

Mißtrauisch blickte der Alte den Fremden an.

»Was wollt Ihr denn von ihm?«

»Das brauch' ich doch Euch nicht zu sagen,« war die trotzige Antwort. »Hier in der Nähe muß die Hütte stehen – aber es ist alles rundum zerstört und verwüstet.«

»Das haben die Hussiten getan,« erwiderte Jaromir.

»Seid doch nicht am Ende selbst einer von den Wilden?« fragte der Jüngling mit einem forschenden Blick auf den zerrauften Bart und das struppige Haupthaar des Mannes.

Triglaff, der eine Zeitlang unschlüssig gestanden, sprang jetzt von neuem mit stürmischer Liebkosung an Jaromir hinauf.

»Ruhig, Triglaff, ruhig,« brummte er.

Da flog es wie grenzenloses Staunen über das junge Gesicht.

»Ihr kennt den Hund?«

»Sollt' ich meinen Hund nicht kennen?«

»Was, Euren Hund? So seid Ihr am Ende selbst . . .«

»Ja, ich bin der Wlk und dies ist mein treuer Triglaff und . . . und . . .«

Plötzlich zuckte der Alle zusammen; seine Brust arbeitete, seine Lippen stießen ein Wort heraus:

»Jodok!«

»Vater!« Und der junge Mensch warf sich vor ihm nieder und küßte seine Hand. »Vater – verzeiht!« 157

»Steh auf, Kind,« murmelte Jaromir, »sollst nicht knien vor deinem Vater . . . Ja, er ist's; das sind seine Augen, das ist sein blondes Haar . . . seiner Mutter Haar . . . das ist seine Stimme . . .«

Er fuhr mit der Hand über die Augen.

»So haben sie uns das Haus verbrannt,« klagte Jodok. »Doch Ihr lebt, Vater, wenn Ihr auch übel und traurig genug ausseht. Sagt, wo ist die Mutter?«

»Da droben – bei den lieben Engeln, mein armer Jodok.«

»Mutter ist tot?«

Es klang wie ein Schrei.

Langsam und traurig nickte Jaromir mit dem Kopfe.

Eine seltsame Gruppe war das im Dämmerlicht des Waldes: der Köhler in seinem zerrissenen Wams, im verwitterten Gesicht die Spuren harter Gefangenschaft; der hübsche, junge Mensch in schmucker Matrosentracht, den scharfen Blick immer in weite Fernen gerichtet, wie Seeleute tun, und zu ihren Füßen Triglaff, der den Kopf auf die Vorderpranken legte und bald zu einem, bald zum andern herübersah; um sie herum die öde Trümmerstätte, in deren Mitte sie auf verkohlten Balken saßen wie in behaglichem Wohnraum, Zeit und Ort vergessend.

»Und wie bist du hiehergekommen, Jodok?«

»Beim Torwart war ich; der hat gesagt, er wisse nichts mehr von Euch seit jenem Tage, da Ihr ihm den Hund gebracht, und ich müsse wohl auf eigene Faust suchen gehen. So nahm ich mir den Triglaff mit, der bellte und zerrte gewaltig an der Schnur und freute sich unsinnig, als er sah, daß es zum Walde ging. Der Torwart 158 erzählte, er habe die ganze Zeit nicht fressen wollen und oft schmerzlich geheult und gewinselt, die arme Kreatur.«

»Und was hast du erlebt da draußen in der Fremde? Erzähle!«

Ach, da war gar viel zu erzählen!

Dem Jodok wars gut gegangen auf dem Portugiesenschiff; sie hatten den anstelligen Jungen gern, er lernte rasch die fremde Sprache, brachte es vom Schiffsjungen zum Matrosen, befreundete sich mit dem Steuermann und trieb allerlei kleine Handelsgeschäfte. In den Hafenstädten kaufte er bunten Tand, Spiegel und Glasperlen, Messer und Armspangen, Ketten und derlei, dafür tauschte er von den Wilden geflochtene Matten und Körbchen, Kokosnüsse, seltsame Muscheln aus der Tiefe des Meeres und sogar Goldstaub ein; das verkaufte er wieder an geeigneter Stelle mit gutem Gewinn – oh, er war ein Geschäftsmann geworden, der Jodok! Die Mährer sind pfiffige Leute und verstehen ihren Vorteil.

Von den Inseln des grünen Vorgebirges erzählte er, von den Schwarzen an den Küsten Afrikas, von Palmenwäldern auf Madeira, vom Pik von Teneriffa, von duftenden Hölzern und bunten Vögeln; einmal hatten sie auf den Azoreninseln den Leichnam eines kupferroten Mannes gefunden, den die Strömung aus dem fernen Westen gebracht, gar seltsam tätowiert und geschmückt mit goldenen Arm- und Beinringen; und die alten Seeleute hatten geflüstert, der käme wohl von der Zauberinsel Antilia, die mitten im Weltmeer liegt und unermeßlich reich ist an Gold und edlem Gestein – aber niemand wagte die Überfahrt; denn in jener Gegend drohte der Magnetberg 159 und das furchtbare Lebermeer, wo alle Schiffe stecken blieben – und doch zog es die gierigen Herzen weiter, immer weiter nach dem heißersehnten Goldland.

Und endlich, als die Reise beendet und der Portugiese wieder glücklich im Hafen von Lissabon eingelaufen war, erbat sich Jodok Urlaub zum Besuch in der Heimat. Da war er mit einem Hansaschiff nach Rotterdam gefahren und dann langsam den Rhein stromaufwärts bis Basel – durch Böhmen konnte er nicht, weil der Krieg dort wütete, aber in Basel war er einige Tage geblieben und hatte das Treiben des großen Konzils betrachtet. Den Prokop hatte er gesehen und den Magister Rokyzana, das Haupt der Utraquisten; den edlen und verständigen Kardinal Julian Cesarini und viele geistliche und weltliche Fürsten; auch den berühmten Geschichtsschreiber Thomas Ebendorfer von Haselbach, der die Beschlüsse des Konzils nach Prag brachte, wo sie sich endlich darüber einigten, daß in Böhmen und Mähren das Abendmahl unter beiden Gestalten gereicht werden dürfe.

So erzählte der Jodok und schmückte alles noch ein wenig aus mit bunten Farben aus dem Malkasten einer jugendlichen Phantasie – wo ist der Reisende, der nicht gerne ein wenig übertreibt!

Auch der Vater mußte erzählen – aber er faßte sich kurz; es war wenig erfreulich, was er zu sagen hatte. Mitleidig hafteten Jodoks Blicke an der Gestalt des armen, vor der Zeit gealterten Mannes; er nahm sich vor, an ihm zu handeln als dankbarer Sohn und guter Mensch, damit er die Zeiten seines Leidens bald vergesse wie einen bösen Traum. 160

Die Sonne sank; Abendwind rauschte in den Tannenwipfeln. Und noch immer saß der Wlk da und konnte sich nicht satthören an den Geschichten, die ihn anmuteten wie eine Kunde aus fremder Welt.

»Weit, weit im Westen, wo die Sonne untergeht, liegt die Insel des heiligen Brandanus,« erzählte Jodok. »Wir haben sie selber nicht gesehen, aber den Bericht glaubhafter Männer darüber vernommen, an dem nicht zu zweifeln ist. Da hat sich einmal vor vielen Jahren der fromme Abt Brandanus aus Irland mit vierzehn Gefährten aufgemacht, die Insel zu suchen. weil dort nach dem Zeugnis der Alten das Paradies gelegen ist. Sieben Jahre trieben sie umher auf den Fluten des Westmeeres, von Insel zu Insel, unter mannigfachen Abenteuern; endlich kamen sie eines Abends auf ein Eiland, das war gar spärlich bewachsen und ohne schlammigen Strand. Da befahl der Heilige, das Schiff mit Tauen festzubinden, er selbst aber blieb während der Nacht an Bord. Am nächsten Morgen nun trugen die Gefährten, nachdem sie Messe gelesen hatten, Fleisch und Fisch aus ihrem Schiff ans Land und zündeten ein Feuer an, um ihre Mahlzeit zu bereiten; aber o Schrecken, kaum glühten die Kohlen, da ward der Boden unter ihnen lebendig wie eine gewaltige Welle, mühselig nur konnte der Heilige die entsetzt fliehenden Gefährten in sein Boot retten; die Insel aber trieb von dannen ins Weltmeer hinaus und noch auf zwei Meilen Entfernung sahen die Mönche ihr Feuer glimmen; dem heiligen Brandanus aber offenbarte die Gnade des Herrn das Wunder jener Insel: was sie für Land gehalten, war in Wirklichkeit der Riesenfisch Jasconius.« 161

»Wie, ein Fisch?« rief der Alte im höchsten Erstaunen.

Mit ernsthaftem Kopfnicken bestätigte Jodok . . .

Und da seine Zunge gelöst war, berichtete er dem gierig Lauschenden eine Wundermär nach der andern – Geschichten, die wir heute belächeln und die in jenen Tagen von den größten Gelehrten unbedenklich geglaubt wurden; Geschichten, ohne die nun und nimmer die großen Entdeckungsfahrten möglich geworden wären, die neue Weltteile aus dem Meere hoben und der Menschheit zu eigen gaben.

Dann sprachen sie wieder von den Dingen des Heute und Morgen.

»Und bleibst du nun in der Heimat, Jodok – bei deinem Vater?«

»Einstweilen schon,« erwiderte der braune Junge mit einigem Zögern, »aber für immer mich an die Scholle ketten, mag ich nicht. Bin doch noch jung und das Blut treibt in die Ferne – kann der Vater das begreifen, wie?«

Nun ja . . . das begriff der Alte schon; aber seine harten Finger klammerten sich doch angstvoll um die Hand des Wiedergefundenen.

»Will Euch einen Vorschlag machen, Vater,« sagte Jodok, »wir bauen fürs erste Eure niedergebrannte Hütte wieder auf und statten uns aus mit Hausrat und Notdurft des Lebens; dann hausen wir eine Zeitlang miteinander und für das Weitere wird der Herrgott schon sorgen.«

»Du dummer Bub,« fuhr der Wlk auf und seine Hand hätte beinahe wie in alten Zeiten, da der Jodok noch klein war, zu einem Kopfstück ausgeholt – doch ließ er sie noch zur rechten Zeit sinken. »Woher sollen wir denn das Geld dazu nehmen?« 162

Der Jodok lächelte pfiffig.

»Ei, ei, denkt der Herr Vater, daß ich mit leeren Händen von meiner großen Reise komme? Hab' mir manchen guten Groschen erspart und in Iglau angelegt – der Meister Schlarbaum, der Harnischmacher, ist mein Geldmann und verwahrt's gegen Schein und Brief in seiner gepanzerten Truhe, da ist's doch in Sicherheit, nicht?«

Nun war der Wlk wieder beruhigt.

»Ein Scherflein kann ich auch dazu geben. In meinem Wams da, so zerrissen es ist, sind auch ein Dutzend Goldstücke von der Beute, die sie gemacht haben . . .«

»Blutgeld?« fragte Jodok schaudernd.

»Nein, gottlob, kein Blutgeld. Sie gaben mir's für die Arbeit meiner Hände . . . In meinem ganzen Leben hab ich keinen erschlagen um seines Glaubens willen. Und doch ist mir's, als sollte uns das Geld keinen Segen bringen.«

Der Sohn dachte praktischer als der Vater. »Laßt das Vergangene vergangen sein. Bringt es uns doch auch keinen Fluch, wenn wir's mit reinen Fingern angreifen. Nun aber wollen wir an das Nächste denken. Diese Nacht müssen wir wohl noch im Walde zubringen, bis wir nach Iglau kommen, ist das Tor zu – aber morgen geh' ich in die Stadt und kaufe das Nötigste ein und bald steht unsere Hütte wieder auf dem allen Fleck und der alte Gott beschützt uns wieder – gell Vater?«

Die Dunkelheit brach herein; silbern und bleich floß das Mondlicht vom Himmel, aber die zwei, die da beisammen lagen, in ihre Mäntel gehüllt, fürchteten die Nacht nicht; bald gingen ihre Atemzüge ruhig und tief und zwischen 163 den Tannenästen kam ein breiter Lichtstreifen herab und umspielte die Glieder des Gekreuzigten, daß es schien, als wolle er ihren Schlaf segnen und sie stärken zu dem Werke des neuen Tages.

 


 << zurück weiter >>