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Das Vermächtnis

Aus dem Entwurfe zu einer politischen Schrift im Frühling 1813 Unmittelbar nach dem Aufrufe des Königs von Preußen »An mein Volk« und mit Bezug auf diesen geschrieben.

Zur Vorrede: Es ist mir mit gegenwärtiger Schrift gar nicht zu tun um irgend einen unmittelbaren Erfolg in der wirklichen Welt. Es ist mir nur zu tun um Klarheit der Einsicht; dazu will ich den Moment benutzen, der zum Ernste mahnt und zur Wahrheit gegen sich selbst. Wann diese Klarheit Kraft in der Sinnenwelt gewinnen möge, geht mich durchaus nichts an. Nur jene Klarheit zu wecken, fühle ich mich berufen. Der Leidenschaftslosigkeit wird man hoffentlich nicht mit Leidenschaft antworten? – Man spricht diese Grundsätze oft nur aus, um zu ärgern. Hier werden sie ausgesprochen, damit sie nicht untergehen in der Welt.

Was also will ich? Das Volk anfeuern durch die vorausgesetzte Belohnung, politisch sich frei zu machen? Es will nicht frei sein, es versteht noch nichts von der Freiheit. – Die Großen erschüttern? Dies wäre unpolitisch im gegenwärtigen Momente. Aber die Gebildeten, bis zur Idee der Freiheit Entwickelten auffordern, daß sie die Gelegenheit brauchen, um wenigstens theoretisch ihr Recht geltend zu machen und auf die Zukunft zu weisen. – Der Stil des Ganzen ist deliberativ zu halten; die höchste lebendige Klarheit, nicht etwa bewegend, noch weniger aufreizend.

Jetzt zur Sache. Die tiefste Bedeutung des gegenwärtigen Kampfes ist der Krieg gegen die Willkür. Ist denn nun durch freie Wahl das Volk gegen Willkür gesichert? Dagegen hilft auch schon die Mehrheit der Herrscher. Mehrere sind nie so grillenhaft; sie folgen mehr dem naturgemäßen Gange. Das einzelne Genie will überspringen. Die geniale Wirksamkeit soll aber ganz wo anders sein, in der Lehre nämlich. Da soll der allgemeine Wille der Gebildeten erst herauferzogen werden, für den allgemeinen Fortschritt. Aller Alleinwille und alle Alleinherrscher muß eben weg. (Jetzt hat Frankreich eben keine allgemeine Meinung mehr. – Es ist wesentlich für einen Staat, daß es eine solche gebe, und daß politisiert werde nach allen Richtungen. Dies inkommodiert sie, drum möchten sie es verstreiten. Aber es ist widersinnig, dem Bürger den Mund über seine Angelegenheiten zu verbieten.)

Für den vorliegenden Fall: – Liegt in der freiwilligen. Bewaffnung eine solche Anforderung von selten der Bürger, im Aufrufe ein solches Versprechen von seiten der Fürsten? – Von seiten der Freien hieße dies zuletzt wohl kämpfen für die eigene Fessel, vorausgesetzt, daß dieses neue Mittel, sich zu rekrutieren, wiederholt werden sollte. (Man hat neuerlich überhaupt Sätze aus der Philosophie, die für den Vernunftstaat gelten, angewandt auf die Landesherrschaft, und sogar zur Unterstützung der Privilegien des Adels; dies ist insidiös, oder von den Gläubigen dumm!)

Die allgemeinere Frage ist: welches ist ein Landesherrnkrieg, was ein Volkskrieg, und was verlangt das Volk im letzteren?

Ich muß da gründlich gehen. Das Reich ist der Bund der Freien, dieses auch allein ist bewaffnet: der Landesherr darf sich nicht waffnen. (Da wird mir freilich ganz klar, daß es zu einem deutschen Volke gar nicht kommen kann, außer durch Abtreten der einzelnen Fürsten. – Überhaupt ist Erblichkeit der Repräsentation ein völlig vernunftwidriges Prinzip; denn die Bildung, zumal die höchste, hier erforderliche, hängt durchaus von individueller Anlage und Bildung ab und führt gar nichts Erbliches bei sich. In dem patriarchalischen Staate äst die Erblichkeit richtig, wo der Souverän Herr des Landes ist und diesen Besitz wie ein Privateigentum hinterläßt.)

Der terminus ad quem ist überhaupt: durchaus kein Landeigentum, sondern lebenslängliche Nutznießung gegen die nötigen Abgaben; der terminus a quo ist Landeigentum, als Erbe einzelner Stämme, und zwar das komplizierte der Fürsten und des Adels. (Wie soll doch ein Mensch das Recht haben, einen anderen zu hindern, einen Acker zu bebauen, außer dadurch, daß er ihn selber bebaut? – Die Bedingungen können nur vorgeschrieben sein durch die Gesellschaft überhaupt.)

Die Aufgabe ist nun, allmählich und unter rechtlichen Formen den zuletzt bezeichneten Zustand in den ersten überzuführen. Welches das angemaßte Recht des Landesherrn ist, ist aus der Formel klar: einen Teil der Arbeit der Naturkräfte unter menschlicher Arbeit an sich zu ziehen gegen die Erlaubnis, die Natur zu bearbeiten. Dies der Charakter der Abgaben an den Landesherrn. Darüber beruft er sich nun auf das bisher gegoltene Recht. Der Besitz des Menschen ist, was der Boden unter seiner Bearbeitung erarbeitet. Davon kann ein Abzug gemacht werden nur für gesellschaftliche Zwecke, nicht für Personen.

Womit wird jener nun entschädigt werden? Innerlich kann er es durch die Befreiung und Beglückseligung aller; übrigens sind seine Rechte und Zwecke nicht mehr garantiert als die der anderen. Äußerlich hat er das Recht auf ein Äquivalent des Aufgegebenen, als Pension.

Die Menge sieht nun dies alles nicht ein; die es einsehen, sind die Schwächeren. Die eigentliche Macht, welche die Menschen unterjocht, ist ein falscher Wahn. – Aber das Korrektiv hat sich von selbst eingestellt: der Fürst wird, allmählich, Vernunftstaat; nur die Privilegien des Adels muß er abschaffen.

Aber dadurch werden wir nicht Deutsche, und unsere Freiheit bleibt auch außerdem wegen der kleinlichen, eigennützigen Interessen ungesichert. Alle Kriege der Deutschen gegen Deutsche sind dafür schlechthin vergeblich gewesen, auch fast immer für die Interessen des Auslandes gefochten worden, dessen einzelne Provinzen wir wurden.

In Deutschland wird eigentlich nach der Universalmonarchie gestrebt, weil es auch da am leichtesten geht wegen der Urverwandtschaft aller Stämme: daher das Gegenstreben der einzelnen, besonders kleineren Fürsten. – Setze, ein Staat, z. B. Preußen, erbaute sich nach diesem Muster: so wird es doch immer Kriege geben. Föderativ-Verfassung? Wo soll der stärkere Richter herkommen? Wer will Österreich oder Preußen zwingen? Auch welche vergebliche Kraftanstrengung! – Es bleibt gar nichts übrig, als daß die Fürsten selbst resignieren und zusammentreten, als ein konstituierender Rat. Aber das werden sie nicht wollen, und so ists denn aus! Es bleibt drum ganz beim Alten. Die Deutschen scheinen bestimmt, sich aufzulösen in Franken, Russen, Österreicher, Preußen, si diis placet! –

Man könnte sagen: es wird nach und nach zu einem deutschen Volke kommen. Hierüber: wie kann es überhaupt zu einem Volk in seinem Begriffe kommen? (Griechenland wurde ebensowenig eins. Was hinderte dies? Antwort: der schon zu feste Einzelstaat.

Es muß ein Gesetz geben, bis zu welcher Stufe der Bildung sich Menschen nicht mehr zu einem neuen Volke gestalten? Könnte ich dies finden? Wenn das Volksein schon in ihr natürliches Sein und Bewußtsein eingegangen!

Hier ist jedoch ein Doppeltes zu unterscheiden: Die Menschen sollen mit einem anderen Volke verschmelzen, (wie etwa den Polen angemutet wird), oder sie sollen aus sich selbst ein neues, nie dagewesenes Band bilden: – das ist die Aufgabe der Deutschen.

Es ist da viel Dunkles. Der Staat selbst ruht auf allgemeinen Vernunftbegriffen; ist allenthalben der gleiche oder ähnliche. Was ist nun das eigentliche Nationale? Ich denke: gegenseitiges Verstehen zwischen Repräsentierten und Repräsentanten und darauf gegründetes Wechselvertrauen! – Nun gibts etwas, worüber ganz gewiß Einverständnis herauszubringen ist: die bürgerliche Freiheit. Diese wollen alle; kein Volk von Sklaven ist möglich. Nicht mehr umzubilden daher wäre ein Volk, noch zum Anhange eines anderen zu machen, wenn es in einen regelmäßigen Fortschritt der freien Verfassung hineingekommen. Dazu also ist es fortzubilden, um seine nationale Existenz zu sichern. Dies ein Hauptgedanke!

Gibt es noch ein anderes Gesetz, wonach Menschen sich nicht mehr zu einem Volke bilden ließen? ich glaube nicht; in eine freie Verfassung wollen alle treten, – wenn nämlich alle gefragt werden. Der Aristokrat will es freilich nicht; dieser ist über die Freiheit hinaus, herrschend. (Drum wollen die Polen nicht Preußen werden.) Im Grunde wollen nicht: alle Reichen und die aus den höheren Ständen. Nur der in der Idee sich selbst Aufopfernde will. – Die Aufgabe des Freistaates ist eigentlich die der Tugend, das Halten an der Ungleichheit ist die des Egoismus: Eigennutz bei den Höheren, Feigheit bei den Niederen. (» Ungleichheit muß sein«, sagen sie, als ein Axiom. – Dies ist, wenn von der durch die Geburt, durch die Abstammung geredet wird, schlechthin nicht wahr. Das Christentum hat diesen Wahn praktisch, durch sein großes Experiment, vernichtet. – Die die Natur macht, muß freilich sein, diese richtet sich aber nicht nach Stämmen, oder ist Sache des Erbes.)

Nun ist aber hier nicht eigentlich die Frage von dem Grundgesetze, sondern von seiner Anwendung. Wenn nun eine mächtige Republik in Deutschland entstände, würde diese das übrige Deutschland zur Freiheit vereinigen? (Tut dies die Schweiz?) – Ich glaube kaum: die herrschen und dienen Wollenden würden jene nicht aufnehmen. Die deutschen Stämme müßten sich daher vereint zur Freiheit bilden, keiner dem anderen voreilen. (Stehen denn jetzo die deutschen Stämme sich gleich in Beziehung auf Freiheit? Sind nicht die Protestanten Norddeutschlands weiter?)

Aber auch im Kriege und durch gemeinschaftliches Durchkämpfen desselben wird ein Volk zum Volke. Wer den gegenwärtigen Krieg nicht mitführen wird, wird durch kein Dekret dem deutschen Volke einverleibt werden können.

Dies führt auf den Begriff des wahren Krieges: des Volkskrieges, zum Unterschiede vom Kriege der Landesherrn. Jener ist durchaus auf Sieg und volle Wiederherstellung gerichtet; das ganze Volk kämpft, und kein Teil desselben darf ihm verloren gehen, kann aufgegeben werden. Wenn alle so denken, so ist nichts zu erobern als ein leeres Land. (Bei der Verwüstung: »ich tue bestimmt auf dieses Land Verzicht; was geht seine Kultur mich an? Sie wird des Feindes. Erobere ich es wieder, so ist es Friedensbedingung, daß er mir den Schaden ersetze«. Auch dies muß ausgesprochen werden, und eher sind die Waffen nicht niederzulegen: dies ist zugleich ein Kriterium des; entscheidenden Sieges.)

Das letztere ist Krieg für die Landesherrschaft und die daran hängende Herrschaft über die Adskripten. Es ist ein Krieg des Interesse, des Mein und Dein. (Landesherr und Fürst ist zweierlei: Fürst ist Anführer, Herzog der Freien. Wo es einen eigentlichen Landesherrn gibt, da gibt es kein Volk. Wenn aber die Fürsten selbst Sklaven werden, lernen sie die Freiheit ehren.) Drum die Kraft des »Untertanen«, sein Blut, ist des Landesherrn; er kann sie mit einem anderen teilen: da gibt er im Frieden Teile ab, um das Ganze zu erhalten, tauscht, arrondiert sich; oder verkauft auch wohl seine Heere an fremde kriegführende Mächte, was ganz in der Konsequenz dieses Prinzips liegt. Daß bei jenem Tausche die Untertanen schärfer angegriffen werden, weil sie unter eine begehrendere Herrschaft kommen, ist möglich, kann ihn aber nicht abhalten; denn es ist nicht gegen das Recht. (So ganz eigentlich steht es im Napoleonischen Codex.) Tribut- und Soldatengeben, was ist Sklaverei, wenn dies keine ist? Der Boden kann unterjocht werden, nicht der Mensch.

Wenn nun der unterjochte Fürst an sein Volk appelliert, heißt das: wehrt euch, damit ihr nur meine Knechte seid, und nicht eines Fremden? Sie wären Toren. »Ich trage meine Säcke«, sagt die Fabel. (Freilich ist das Geheimnis des gegenwärtigen Krieges, daß die Bürde zu schwer ward, und wir sind entbrannt nur um die Erleichterung; auch, um die Schmach der fremden, vom verächtlichen Volke in widerlichen Formen sich uns aufdringenden Dienstschaft zu tilgen.)

Dies also könnte im vorliegenden Falle der Zweck sein, Maß der Last und bestimmte Formen derselben zu erringen: – also ein Traktat mit dem Landesherrn? Dann will man sich auf seine und seiner Nachkommen Großmut und Stärke verlassen.

Auf alle Fälle fiele auch da eine Art von Oberaufsicht dem Volke zu, daß er es nicht wieder in Sklaverei fallen ließe, weder in fremde noch innere. – Wie wäre dies zu erschwingen? Wie dergleichen Rechte ehemals gesichert worden sind, durch beschworene Traktaten! – Wie nun solche festzusetzen wären, und darüber zu halten, das ergibt sich nicht unmittelbar aus der Bewaffnung; wiewohl, wenn der Gedanke außerdem kommt, dieselbe seine Ausführung veranlassen kann.

– Die ganze Abhandlung, welche ich beabsichtige, müßte daher nur eben Prämissen enthalten, aus denen das jetzt nicht zu Sagende nur gefolgert würde, aber als die letzte, zwingende Notwendigkeit.

Im Volkskriege will das Volk nur tragen und geben für sein eigenes Interesse: für den Zweck, den es haben muß, nicht gerade, den es hat. Die Praxis scheint nun, wie ich oft bemerkt habe, damit zusammenzufallen; denn was kann selbst ein Landesherr anderes wollen, denn das? Seine persönlichen Genüsse scheinen beschränkt; er kann sie nicht geradezu zum Leitenden seiner Regierungsmaximen machen; wenn er indes Wert legt auf ein Volk gleichfalls höher Genießender um ihn her, auf den Adel, so kann auch dies sehr drückend werden. Sodann kann er seine Familieninteressen, Grillen, für die Bedürfnisse des Ganzen setzen. (Deß Zeuge ist Napoleon, der uns die » Freiheit der Meere« aufdringt als den ersten Zweck, dem alles andere nachgesetzt werden müsse, weil sich dies vereinigt mit seiner Rachsucht und Lugsucht. Er würde eine neue Religion stiften, wenn er keinen andern Vorwand hätte, die Welt zu unterjochen.) Nur schwache, unselbständige Monarchen sind erträglich: diese hören; die starken haben ihre Grillen. Darum eben Verfassung. Ließe sich wohl den Engländern ein so ganz fremdes Interesse aufbinden? ( Der Starke, in dem das Ideal herrschend geworden, soll auch auf den Thron kommen; wie sollte sich indessen dieser Wurf vereinigen?) – Dasselbe, was die Regierung unserer deutschen Fürsten erträglich gemacht hat, ihre Biegsamkeit, hat uns eben auch der Herrschaft des Ausländers überliefert.

Also im eigentlichen Volkskriege kämpft für sein eigenes Ermessen des Zweckes das Volk, nicht für das Interesse oder die Einbildung eines solchen, der abgesondert von ihnen geboren wird und stirbt, durchaus nicht der ihrige ist. Aber der eigentliche Zweck ist ein Unendliches, dem man sich nur annähern kann. Das ist Sache einer Konstitution, die sich mitentwickelt: Republik, nicht Willkür, in keinerlei Hinsicht.

Jetzt aber ist von keiner Republik die Rede, sondern von dem Zustande, der wahrscheinlich aus dem bevorstehenden Kriege zu erwarten ist. Dies ist eine Hauptuntersuchung, die ich nicht vorübergehen lassen sollte. – Die deutschen Fürsten in ihren alten Zustand wiederhergestellt: – ich hoffe, innerer Friede ist Hauptbedingung. Wie aber in Absicht auf auswärtige Staaten?

Vorherrschender Einfluß ist bei England und Rußland. Des letzteren Interesse, als das einfachere, zuerst. Dieses will eine Vormauer haben, um ungestört seine Pläne gegen die Türkei und Persien auszuführen. Das wollen auch seine Großen, das wollen alle: neue barbarische Nationen unterjochen. An Österreich hat es einen Nebenbuhler; von Deutschland will es Deckung seiner Linie; übrigens hat es gar kein Interesse, freie Völker zu unterjochen; es muß die Gefahr dieser Verbindung für seine alten Beherrschten erkennen. Davon wird sein richtiger Instinkt ihn abhalten. (Muß aber nicht Rußland, um der Mongolen willen, mit China zusammentreffen? Ich denke, China wird nach außen kaum widerstehen. Innerlich hätte Rußland kein Interesse, es zu unterjochen; könnte es auch nicht. So Japan. Ebensowenig, sich Einfluß dort zu öffnen, da es keine Fabriknation ist.) – Österreich dagegen hat zum Teil Völker und Provinzen, die Rußland dienen könnten: nicht die Ungarn, aber die anderen slavischen Völkerschaften. Dies bleibt der Zankapfel, Rußland muß Deutschland so mächtig wollen, als es sein kann; hat alles Interesse für seine Macht. England will die Fortdauer seiner Handelsherrschaft; es will von Deutschland aus Krieg gegen Frankreich, wenn dieses jene stört: es will nicht eigentlich die Gerechtigkeit.

Allgemeiner Satz: – Ein deutscher Kaiser, der ein Hausinteresse hat, hat zugleich eines, deutsche Kraft zu brauchen für seine persönlichen Zwecke. Hat Österreich ein solches, hat es Preußen?

Österreich allerdings: Italien, die Niederlande, seine «Provinzen nach der Türkei zu, ziehen es in fremde, undeutsche Konflikte. In Italien fordert sein Interesse kleine unbeholfene Staaten; die Eifersucht Frankreichs bewacht es da. – Die Niederlande; dieser Stein des Anstoßes muß durchaus gehoben werden! – Die Türkei endlich will es teilen, Rußland will sie allein haben, hat dazu auch mehr Geschick. Darüber sind Kriege unvermeidlich. Also – Österreich kann nicht Kaiser sein, und es ist Rußlands Interesse, es nicht dazu zu machen.

Preußen? Gegen Rußland bleibt es in natürlicher Neutralität und ohne Berührung. Es ist ein eigentlich deutscher Staat; hat als Kaiser durchaus kein Interesse zu unterjochen, ungerecht zu sein, vorausgesetzt, daß ihm beim künftigen Frieden seine angestammten, zugleich durch Protestantismus ihm verbundenen Provinzen zurückerstattet werden. Der Geist seiner bisherigen Geschichte zwingt es aber, fortzuschreiten in der Freiheit, in den Schritten zum Reiche; nur so kann es fortexistieren. Sonst geht es zugrunde.

Hauptsache ist aber die Verfassung des Reiches; nach ihren Prinzipien. Die Bürger sind alle gleich geboren und werden durch gemeinschaftliche Erziehung und die darin bewirkte Entwickelung aller ihrer Anlagen erst gesondert nach Ständen und Berufen. Jeder kann, wie sich versteht, jedes werden; ist dadurch in das Recht des Geistes eingesetzt.

Das Reich ist Herr des Bodens, der an die Ackerbauer als lebenslängliches Lehn ausgeteilt wird: ich habe Ackerbauer, Fabrikanten und Beamte; der Handel wird als Sache des Staates geführt.

Der freie Bewohner innerhalb eines Fürstenlandes ist etwas dem Edelmanne Gleiches. – Wie soll aber dieser letztere stehen? Hat er Untertanen und will diese nicht freilassen, (versteht sich, gegen eine vom Reiche festzusetzende Entschädigung), so zeigt er dadurch faktisch sich des Begriffes der Freiheit unfähig; er kann selbst nicht Anteil haben an dem Bürgerrechte des Reiches; auch daher nicht an der gemeinsamen Erziehung, an den Staatsämtern usw. (Wie wird es aber der Kaiserfürst mit seinem Adel halten? Da sind die alten Vorurteile zu fürchten! Wie mit seiner eigenen Familie? Bleibt ihm die spes successionis, so ist in dieser Beziehung auf seine Klugheit und sein Wohlwollen zu rechnen! Die schlechte Prinzenerziehung, wie wir sie bisher erlebt, hängt ganz mit den alten Vorstellungen vom Landesherrn zusammen und sinkt dahin, wenn die gründlicheren Begriffe gelten. – Wenn er nun dennoch gegen die Reichsgesetze handelt? Da gibt es kein Zwangsmittel, als Vorstellung und Publizität. (Andere werden gerichtet durch Exekutionen und Acht.) Es muß ihm auch freistehen, bei seinen Lebzeiten einen Nachfolger zu ernennen.) –

In Betreff der Geistlichkeit: – gäbe es nicht eine Reichsreligion, ein einfaches Christentum? Damit befriedigt sich der Katholizismus durchaus nicht; was man nicht bekennt, das leugnet man nach ihm! Gibt es denn da durchaus keine Auskunft? Könnte man des Disputierens kein Ende machen? Z. B. die Lehre von der Kirche läßt sich erklären. Das Abendmahl unter einer Gestalt ginge allenfalls auch. Aber das Primat des Papstes hebt alles auf; dieser läßt die Gewissen nicht frei. Es scheint, an diesem Punkte scheitert alle Staatsklugheit: (weil es Prinzip reiner Unvernunft ist!)

Gibt es denn da kein durchgreifendes Mittel? Allerdings; der Staat hat das Recht (und die Pflicht), die Freiheit des Gewissens zu garantieren. Es wird drum eine Religion festgesetzt, über die alle ohne Zwang und aus freier Einsicht einig sein können. Diese ist die Staatsreligion. Jenes ist das Besondere, innerhalb jenes gemeinsamen Einverständnisses. (So verhält es sich eigentlich schon mit der Religion der wissenschaftlich Gebildeten; sie ist nur nicht anerkannt und ausdrücklich ausgesprochen als die allverbindende Grundlage.) Jeder kann daher in seinem Glauben weitergehen auf Besonderes, und im Herzen kann die Kirche verdammen, wenn sie will. Wenn sie es aber äußerlich tut, so wird sie strafbar. Dies liegt darin, daß die Kirche kein Primat hat über den Staat. (Durch den Religionsfrieden und die gleichen Rechte der Protestanten ist dies in der Tat gewonnen; es ist nur noch nicht durchgesetzt.)

Nebenfrage: Was ist äußerlich? Antwort: Wo es zum Gebrauche und zum Bewußtsein aller kommt; z. B. nicht in der Kirche, denn da gehen nur die Glaubensgenossen hinein. Ebenso nicht in Konfessionsschriften, die ausdrücklich unter diesem Titel stehen; anders in Schriften, die sich an das allgemeine Publikum richten. – Den Artikel, daß die Akatholiken Bürger von gleichen Rechten sind und in diesem Leben durchaus also behandelt werden müssen, müssen sie auch aufnehmen in ihre dogmatischen und kanonischen Schriften. –

Nach diesen Prinzipien nun, wie wäre die Religion einzurichten?

1) In dem öffentlichen Unterrichte ist allerdings an die Philosophie anzuknüpfen, an die populäre Form der Wissenschaftslehre, als die Seinslehre: – ferner an die darauf gebaute Sittenlehre, während beide Wissenschaften ihren szientifischen Weg für sich fortgehen. Darauf gebauter historischer Unterricht im Christentume und Bekanntschaft mit der Bibel. Der Inhalt dieser Religionserziehung wäre dann auch der der allgemeinen Religion.

2) Wohin nun das andere? –

a) Haben die Protestanten noch etwas hinzuzutun? Nur die Sakramente. Aber die meisten lassen sie schon fallen. Es läßt sich erwarten, daß der Protestantismus eben verschmelzen werde mit der allgemeinen Religion.

b) Der Hauptgegensatz wäre der der positiv Offenbarungsgläubigen. Es würde ihnen drum als Behauptung der Inhalt der allgemeinen Religion vorzutragen sein; wollen sie nun, so lassen sie sich weiter darauf ein und entscheiden nachher sich frei. Die Kirchen, d. h. alle noch jetzt bestehenden, mögen ihr Interesse besorgen und sich rekrutieren, so lange sie können. (Es kann indes gar nicht fehlen, daß, besonders bei einer durchgreifenden, den Kern der Sittlichkeit weckenden Erziehung, das Positive und Abscheidende der einzelnen Kirchen bald aussterben werde.)

3) Wie wäre nun hiernach die Lehre zu besorgen? Also: – der allgemeine Religionslehrer geht durch; alle ohne Ausnahme haben ihn, aber es werden auch besondere gesetzt, und jedem freigestellt, sich ihrer zu bedienen. Wenn nur erst volle Freiheit gestattet und die Begriffe über den Wert der konfessionellen Unterschiede berichtigt sind, wird sich alles von selbst gestalten ohne Gewaltsamkeit, und viel unnötiger Haß und Aufregung dadurch verschwinden. – Die Sache wäre hiermit wohl abgetan. –

Vor allen Dingen wäre jedoch der Unterschied zwischen Bürgern und Untertanen, der nicht so leicht ist, wie es anfangs schien, noch schärfer zu fassen.

»Der erste lebt nur für selbstgesetzte Zwecke« – meinte ich oben: dies kann man aber nicht sagen. Keiner vermag nur dafür zu leben, und keinem kann man dennoch das Vermögen ganz entziehen, in irgend einem Bereich sich eigene Zwecke zu setzen.

Ist die Dienstbarkeit, das Arbeiten für andere ohne Äquivalent, ein sicheres Kennzeichen des Untertanen? Dies paßt kaum auf das Verhältnis zum Fürsten, sondern nur auf das zum Adel. – Ein sicheres Kennzeichen scheint zu sein die Ungleichheit der Geburt. – Ganz richtig; denn nur die Menschheit ist Quell der Rechte und Pflichten! Wen nun nichts bindet, als daß überhaupt ein Rechtszustand sei, der ist eben Bürger. Wen noch etwas anderes bindet (dies kann nur Gewalt sein), der ist Untertan, unterworfen der stets über ihm brütenden, selbst außer dem gleichen Gesetze stehenden Gewalt.

So der Fürst; – aufs allermindeste sagt er: »du mußt mich und meine Erben und Erbnehmer als den höchsten Interpreten deines rechtlichen Willens annehmen; außerdem darfst du dieses Land nicht bewohnen.« (Sagt dies nicht klar der Huldigungseid?)

Über das Recht überhaupt hinaus ist darum er der souveräne Aussprecher des Rechts, macht noch dazu seine Domäne daraus; darum ist er einem anderen unterworfen, als dem Rechte. Es ist daher allerdings, wenn einmal Recht sein soll, die Stelle des Fürsten die beste. Er allein ist frei: gegen seine Einsicht und seinen Willen muß er nie; was er nicht will, ist nie Recht; er darf durch das Recht nie inkommodiert werden. (Dagegen in einer Republik ist keiner frei, weil über allen gleichmäßig das Recht: unter schwachen Fürsten nähert sich die Verfassung der republikanischen.)

Da der Fürst nur einer, die Untertanen alle sind, so würden sie nicht gehorchen, wenn es nicht mehr Vorteil wäre, für den einen zu stehen, als für alle. Deshalb bedarf der Fürst Mitteilnehmer an seiner Gewalt, welche Vorteil darin finden, ihm die Menge in Gehorsam zu halten; der Fürst wird ihnen dafür das Recht auf gewisse Dienstbarkeit der anderen bewilligen (denn die absolute, die Souveränität, behält er sich selber vor); und zwar zu gegenseitiger Sicherheit und dauerndem Vorteil, am besten erblich. So muß in solchen Staaten ein Erbadel sein mit Privilegien, d. i. mit umsonst ihnen geleisteter Arbeit. (Montesquieu hat recht.) Man hört wohl von Theologen lehren: es sei Gottes Wille, den Fürsten zu gehorchen. – Dem Rechte wohl; in dieser Behauptung erhebt man sich nicht einmal zur Idee desselben, sondern verwechselt den Willen des Fürsten geradezu damit. Aber wo steht denn diese Interpretation? – Es ist des Teufels positiver Wille; Gottes nur zulassender, damit wir uns befreien. –

Die Naturkraft überhaupt, (am unmittelbarsten am Boden repräsentiert,) gehört der menschlichen Freiheit, und diese muß über dieselbe sich vertragen: sie unmittelbar. Es tritt kein Halbgöttergeschlecht dazwischen. – Ja die Waffen! Sind denn diese ein Rechtsprinzip? Hier Aristokratie der Faust, dort des Verstandes.

Jetzt den entgegengesetzten Begriff geschärft: – Der Bürger ist nur durch das Recht überhaupt gebunden. Nun ist das Recht nicht bloß Recht überhaupt, sondern es ist bestimmtes; es muß ausgesprochen werden. Wer hat nun das Recht, es auszusprechen? Wie läßt dieser Zirkel sich lösen?

Vorläufig:

1) bekomme ich nun allerdings zwei Grundstände, solcher, die das Recht souverän aussprechen, und solcher, die es nicht aussprechen. Diese Ungleichheit muß nur nicht durch Erbe bestimmt werden, sondern erst im Leben sich entwickeln. Keine Erbaristokratie; also freie Erziehung aller.

2) Kann vielleicht das Recht nur durch eine Übereinstimmung, also durch einen republikanischen Senat ausgesprochen werden? Wenn dieser Satz zu erweisen wäre, so wäre er sehr bedeutend.

a) Nur durch das Überzeugen anderer, die vorher noch nicht so dachten, durch logischen Zwang, beweist man die Objektivität seiner Einsicht. Diese sollte hier, beim Rechte, denn doch erwiesen werden. Diejenigen, denen der Bürger ohnehin die höhere Einsicht zugesteht, sollen für ihn wählen. Dies sind: seine Lehrer. Dies wäre daher die sich selbst machende Aristokratie. – Haec hactenus!

b) Suche ich jetzt den Begriff von einer anderen Seite: – nur dem Rechte soll er unterworfen sein, das er als solches entweder einsieht, oder glaubt, glauben kann. Wann kann ers glauben? Das Entehrende ist, der Gewalt zu gehorchen. Nun kann aber Zwang auch bei der rechtlichen Verfassung nicht wegfallen; aber jeder muß in der Lage sein, das rechtmäßige desselben einsehen zu können, – wenn auch nicht aus inneren, doch aus äußeren Gründen. Welche wären dies? á) Mehrere haben es beschlossen; â) diese haben durchaus kein Recht Gemeint ist hier: Interesse. beim Beschlusse, ob er so oder so ausfällt; ?) sie sind, unserem eigenen Geständnisse nach, weiser als wir; denn sie sind weiser als unser Lehrer: unser Pfarrer hat sie wählen helfen. Diese Stelle bedarf in diesem Zusammenhange und als ein Wort Fichtes hoffentlich keines Schutzes vor grober Mißdeutung im heutigen klerikalen Sinne.

Die unmittelbare Wahl fällt weg und liegt in dem Ergebnisse, was die allgemeine Erziehung an den Tag gebracht, wonach die Kräfte und Berufe sich entscheiden: (daß der gesamte Nationalgeist in dieser Bildung geweckt und probiert werden muß, versteht sich von selbst).

(Ich bin da sehr ins Konstituieren hineingeraten; dies ist eigentlich nicht die Sache. – Ich setze eben da so sicher voraus, daß der vorzügliche Kopf sich schon in dem Schulunterrichte entscheide. Aber es gibt langsame Köpfe, andere, die zurücksinken. – Halt: dies ist bei verständigem Unterrichte und guten Lehrern nicht zu befürchten. Bei uns ist diese Erscheinung Folge des unzweckmäßigen Unterrichtes und der falschen Beurteilung der Gemütskräfte.)

Nun zurück zu dem angehobenen Beweise: – Der Bürger ist unterworfen nur dem Rechte. Daß er nun bevormundet wird in Absicht seines Rechtes, ist gleichfalls durch das Recht geboten. Auch muß er dies so einsehen: diese Einsicht gehört zu seiner Freiheit, zu seiner Würde, zu seiner Mündigkeit. Auch muß eine solche Regierung bei allem Gesetzgeben und allem Rechtsprechen mit der höchsten Publizität verfahren; einmal, weil nur das allgemein erkannte Recht eigentlich Recht ist, sodann, weil alle mündig werden sollen. – Sie dürfen sich auch dagegen äußern: gegen den Rechtsspruch ist es das Recht der Apellation; gegen das gegebene Gesetz ist es die freie Äußerung der Gemeinde. Der Geistliche ist das Zwischenglied Vergleiche die vorige Anmerkung..

( Würde, Ehre, was ist dies? Eben sich ansehen als ein selbständiges Glied des göttlichen Zweckes, nicht als Anhängsel eines anderen: – Mitglied der Klarheit. Dies ist ein sehr großer Gedanke!)

Episodisch über den Eid: – den juristischen habe ich sonst schon abgehandelt. Er kann gar nicht mehr denn eine wohlbedachte Versicherung sein. So ist auch der Angelobungseid (z. B. des Untertanen) ein wohlbedachtes Versprechen. Nun kann aber der Mensch nichts versprechen, er kann sich in nichts binden, was gegen seine Bestimmung ist. Versprechen der Sklaverei ist durchaus widerrechtlich. – Gründlich: es gibt nach mir keine geltenden Verträge, als die durch das Recht geforderten. Nun stößt es sich da eben an der Deklaration des Rechts, und es scheint gefährlich, der Klügelei der Menschen über die Natur ihrer Verträge da einen Spielraum zu lassen, die Wandelbarkeit ihrer Einsicht oder ihrer Wünsche da mit hineinzuziehen. Da soll eben der Eid das Abschließende und definitiv Bindende sein; auch bleibt er, einmal abgelegt, für den Freien und Sittlichen schlechthin bindend: aber es ist unsittlich und unrechtlich, einen Eid aufzuerlegen, der nicht durch das Recht gefordert ist. –

Indes erhält dies alles historisch ein entschuldigendes Licht. Der Mensch muß zur Rechtsverfassung gezwungen werden. Das tut denn der vermeinte Grundherr, d. h. der Zwangsherr überhaupt. So entsteht eine mildere Ansicht. Die Menschheit steht unter dem Zwange. Die Menschheit entbindet sich des Zwanges. Das letztere durch Einsicht des Rechtes: das Recht muß schlechthin sein, und wer es nicht durch sich selbst einsieht, muß gezwungen werden. So lassen sich auch alle die Verhältnisse beurteilen, die vom schon ausgebildeten Vernunftstaat aus beurteilt, hart und unrechtmäßig erscheinen: sie sind Vorstufen desselben und Bedingungen, ohne welche es niemals zu ihm kommen könnte. – Nur die Erziehung zu hindern hat der Fürst kein Recht (alle Hinderungen der Aufklärung waren solche Verhinderungen der Erziehung); denn da wäre klar, daß er in jenen Veranstaltungen zum Zwange nicht das Recht, sondern seine Gewalt im Auge habe. –

Dies knüpft nun an die gegenwärtige Frage an: Krieg für Selbständigkeit ist zugleich Kampf für den Fortgang in der hergebrachten Weise der Erziehung und Entwicklung. Französische Herrschaft über die Deutschen müßte suchen uns erst zu Franzosen zu machen, sie muß uns erst jene unbesonnene Phantasie geben. Nun wird der Deutsche nie zum Franzosen; also er ist ganz zum Sklaven gemacht, (zum Selbstlosen). Dies ist der Unterschied; die Ansichten werden dadurch um so viel milder.

( Die gewöhnliche Adelsehre, Treue gegen einen Herrn, ist Tugend des Hundes: nur ein Bild und Symbol der Treue gegen das innere Gesetz: – politischer Köhlerglaube aus Faulheit! Die Menschen sind nicht so gewissenlos, sie suchen aber allenthalben Ruhekissen.) –

Die gebildeten Stände sind in der Regel schlechter, als die ungebildeten. Es kommt daher, weil bei den ersten zum Christentume ein Unterricht in der schlechten Klugheit hinzukommt: – auch aus Frankreich her. (Eine Liebenswürdigkeitslehre ist vom Teufel!)

Point d'honneur, aus dem Tacitus erklärt, ist ein durchaus neues Element der modernen Zeit: – dies dürfte eine sehr wichtige Untersuchung werden. Es heißt: gebunden sein durch sein freies Wort, durch Freiheit, nicht durch Zwang, knechtische Geburt u. dgl., – eine persönliche Sklaverei allerdings, nur eine frei gewählte. (Daß nun alle diese Unterwürfigkeit unter Person, Willkür, nicht unter die Form des Begriffes, unter das Gesetz, den Alten, die nur das Letztere kannten, durchaus unbekannt und höchst niederträchtig ist, daran ist kein Zweifel.) Nun kam es ferner, – dies ist gleichsam der transzendentale Reflex, – darauf an, dies Ehrenprinzip zu verteidigen, d. i. zu beweisen, daß man nicht durch Furcht, sondern durch persönliche Freiheit sich unterworfen habe: daher nichts dieser Klasse schrecklicher, unausstehlicher als der Vorwurf der Feigheit (weil in der Tat ihr ganzer Zustand sie der Feigheit immerfort anklagte, ihr blinder Gehorsam). Warum waren denn Spartaner, Römer nicht so zart, die doch auch nicht feig waren? Ehre, point d'honneur ist das Bestreben, im Widerspruche seines ganzen Zustandes die Meinung, daß man kein Feiger sei, aufrechtzuerhalten. (Je feiger jemand, desto härter. »Man halte mich für einen Ungerechten, Fresser, Säufer, Unzüchtigen, Mörder, Dummkopf, – dies alles verletzt meine Ehre nicht im geringsten, – nur nicht für einen Feigen.« – Was macht dies so gefährlich? Das Gewissen!)

Daher die Sorgfalt, nicht in der Behandlung mit denen, die wirkliche Sklaven sind, verwechselt, nicht durch Schläge behandelt zu werden. – Das gewöhnliche Duell hat mit dem gerichtlichen Zweikampfe des Mittelalters gar nichts zu tun. Die Ansichten sind nur durch die Vergleichung dieser beiden verschoben worden. Dieser gehörte zu den Gottesurteilen: es sollte dadurch ein Faktum ausgemittelt werden. – In dem gewöhnlichen Duell soll eine geständige Unbill gerächt werden, und zwar allemal ein Angriff auf den Zustand der Freiheit.

Der Klerus ist durchaus über das Duell weg: – so auch der Gelehrte; denn seine persönliche Freiheit kann gar nicht bezweifelt werden. Durch die Reformation ist dies alles durcheinandergeworfen; doch bleibt es ewig dabei: ein Gelehrter ist wohl des Staates Diener, nicht aber des Fürsten. – – –

Bei Lesung der politischen Schrift. Des »Aufrufs an mein Volk«. – Ich gebe historisch zu den Zwingherrn. Was aber sollen die anderen, die dies erkennen, tun? Durchaus nichts gegen ihr Gewissen, lieber sterben. (Man denke an die Mennoniten, die es ja durchgesetzt haben.) »Aber das Recht, den Staat zu unterstützen, sollen sie behalten und mitkämpfen,« habe ich sonst wohl gesagt. Ist das richtig? – Nein, das heißt Böses tun, damit Gutes daraus entstehe. Aber z. B. Preußens Staat wäre zugrunde gegangen, wenn wir damals die französische Allianz nicht geschlossen hätten? Wie es jetzt ist, ist es wenigstens weit besser. Nach strenger Moral war dies durchaus verboten, dem Könige wie seinem Volke. Er spielte eine falsche Rolle, und dies mit ihm. Siegen oder sterben, wie jetzt, sollte er, und zu der Schlechtigkeit sollte niemand ihm die Hand leihen!

»Damit ein Volk möglich sei, wurden Gesetze gegeben,« usf. Ganz richtig: die bloße Rechtsform ist nur negativ, bloße Formalität. Mit und in dieser soll nur der Vernunftzweck befördert werden. Aus Übersehen dieses Punktes rührt die Schmalzische Polemik gegen die, welche hoch denken vom Staate. – Die Volksform selbst ist von der Natur oder Gott: eine gewisse hoch individuelle Weise, den Vernunftzweck zu befördern. Völker sind Individualitäten, mit eigentümlicher Begabung und Rolle dafür.

S. 15 und 16 treten die Irrtümer ans Licht: – »der Fürst sei ein Beamter.« Dies lügen sie! (Von einem Könige, wie Friedrich dem Zweiten, eine freundliche und ehrenvolle Lüge.) Ein Beamter wird gewählt, ernannt usw. Wo sind seine Wähler? Oder ist ihr Berufer Gott, wie dies sein kann, so ist es ihre erste Pflicht, nicht weiter zu vererben. – Kein Amt läßt sich erben, und das Fürstenamt ließe sich's? – Pflichten der Fürsten? Sie denken Wunder, wie Großes sie sagen! Die erste wäre die, in dieser Form nicht dazusein. – Wenn sie die Pflicht nicht tun, so soll man ihnen nicht gehorchen? Wer soll denn richten? Da haben wir den Widerspruch. –

Um einen gewissen Gegensatz zwischen historisch und philosophisch leichter zu machen: –

Ein Fürst soll nicht sein; es soll keiner sich zutrauen, daß er der Ausspruch des Rechts sei.

Wiederum: die Menschen müssen zum Rechte gezwungen werden; das kann jeder tun, der es eben leistet: dieser sodann der Zwingherr und Fürst; für ihn ist auf diesem Boden das Faktum der Leistung und der Glaube, den er findet, der Rechtstitel. (Die Alten kommen mit Begriffen von rechtlicher Verfassung in die Geschichte: sie sind vom Beginne an im Staate. Nicht so die Neueren; für sie mußte daher der Zwang sein. Der scheint nun, ohne die Verfassung der Komitate kaum möglich gewesen zu sein.)

Aber der wahre Rechtstitel kann nur das allgemeine Recht sein; die erste Absicht des Fürsten muß daher sein, sich selbst, als Zwingherrn, überflüssig zu machen. Erblichkeit der Zwingherrschaft kann gar nicht eingeführt werden. Weder faktisch das Talent, noch begriffsmäßig das Recht zu herrschen läßt sich vererben.

Die Maxime von dem Forterben der Herrschaft ist darum die wahrhaft unrechtliche, begriffswidrige. Jenes kann sich nur auf das persönliche Eigentum, den äußeren Besitz erstrecken, den die Kinder erben, als codomini, wie man sagt. Ist aber das Vermögen zu herrschen ein zu vererbender Besitz?

Streng: Jeder gebietet nur durch sein eigenes Selbst (Person – deutsch: Selbst; der Sklave ist kein rechtliches Selbst, – kein Selbst vor Gericht, ohne Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit) dem anderen sein Recht, keiner kann es stellvertretend für einen anderen. Hierdurch fällt das Erben ganz weg. Jedes Bürgerkindes Vater ist der ganze Staat, – in jenem Systeme wird die Zwangsherrschaft ein Besitz: dies nun ist die Tyrannei; – Zwang um sein Selbst willen, – aus dem bekannten Vorteile, daß man, indem man allen das Gesetz gibt und Recht verleiht, selber sich dem Rechte nicht unterwirft.

Also: – Erziehung zur Freiheit ist die erste Pflicht des Zwingherrn; Vererbung der Gewalt geht gar nicht. Bei solchen Aussichten nun, wie kann es von dem jetzigen Punkte aus zur Freiheit kommen? Wollte irgend ein Fürst, so will der Adel sicher nicht. (Zu verschmelzen, unterzugehen in die Deutschheit, seine Standesinteressen aufzugeben, dazu sind sie zu beschränkt.) Also her einen Zwingherrn zur Deutschheit! Wer es sei: mache sich unser König dieses Verdienst. Nach seinem Tode einen Senat; da kann es sogleich im Gange sein. (Die deutsche Legion gerade soll das Deutschtum anfangen.)

Über die Einkleidung des Ganzen: – An die Deutschen, die sich zum Begriffe der Freiheit erhoben haben. – Ist ein deutsches Reich möglich, ein Bürgertum, im Gegensatze mit der Konföderation? Beweis, daß es ein deutsches Bürgertum nie gegeben habe, noch gebe, noch auch ohne eine gänzliche Umschaffung aller öffentlichen Verhältnisse geben könne. Wenn die Stärkeren es wollen, oder wenn die, so es wollen, wie ich es denn aufrichtig will, die Stärkeren sind, dann geht es. Aber diese Vereinigung bezweifle ich durchaus.

Dennoch wäre es Gott zu erbarmen, wenn es nicht ein deutsches Volk geben sollte! Denn es gibt, außer dem Bewußtsein der einzelnen Völker, für den Beobachter allerdings einen gemeinsamen Charakter. (Und das ist eben die Merkwürdigkeit: der Charakter anderer Völker ist gemacht durch ihre Geschichte. Die Deutschen haben als solche in den letzten Jahrhunderten keine Geschichte; was ihren Charakter erhalten hat, ist darum etwas schlechthin Ursprüngliches; sie sind gewachsen, ohne Geschichte. Die Literatur, als das Vereinigende, ist noch jung.)

Der Unterschied zwischen Konföderation und Reichseinheit ist scharf zu fassen. Haben die einzelnen deutschen Völker, (Sachsen, Bayern) Nationaleinheit in sich, oder ist ihr Interesse bloß das Hausinteresse ihrer Fürsten? Dies ist bedeutend. – Ein Volk begreift sich nur als solches durch seine Geschichte, so die Sachsen durch gemeinschaftliche Reformation und Kämpfe dafür: nicht so die neu zivilisierten und äußerlich verbundenen Bayern. Den Neuwestfalen wird gesagt: sie hatten früher sogar Kriege gegeneinander geführt. Im siebenjährigen Kriege waren Hannover, Braunschweig, Kassel bei der preußischen Partei: Münster, Osnabrück, das eigentliche Westfalen größtenteils bei dem Reiche. Dies spricht sich im Volksbewußtsein nun so aus: » Gegen die verdammten Kerls, die Westfalen, haben wir Krieg geführt,« sagt der Hesse, nicht: » gegen uns selbst.« »Nun aber sollen wir Krieg führen gegen unsere alten Landsleute, die Preußen? Diese sind nicht mehr wir?« Also in dem Umfassen und im Ausschließen in und von einem geschichtlichen Selbst besteht die Volkseinheit! Also: die Neuwestfalen sollten auf das Gebot sich als Eins, als Wir begreifen und alle die vorher darin Eingeschlossenen aufgeben? Das läßt sich befehlen? Ein Charakterzug des französischen Despotismus: durch Lüge, durch angeregte Einbildungskraft die Natur und Bildung zu überspringen. Bei dem Franzosen geht es; warum? davon sogleich. Der Deutsche denkt sodann: sie lügen, da doch in ihnen der Unterschied der Wahrheit und Lüge in solchen Dingen gar nicht ist. Bei dem Deutschen geht es nicht: redet und prediget was ihr wollt; das Höchste, das ihr gewinnt, ist: sie predigen nach, um zu zeigen, daß sie es begriffen haben. Zum Tun bringt ihr sie nicht, außer durch Angewöhnung, durch Erziehung, allenthalben gründlich verfahrend. – Wie ist es dagegen bei den Franken möglich? Sie denken, die anderen glauben es; sie haben gar kein eigen gebildetes Selbst, sondern nur, durch die allgemeine Übereinstimmung, ein rein geschichtliches; dagegen hat der Deutsche ein metaphysisches. (Es liegt im deutschen Nationalcharakter, daß man dies uns nicht recht glaubt, noch es für möglich hält. – Jene lügen darum nicht, denn das Wort wird ihnen, durch die allmähliche Übereinstimmung, nach und nach zur Sache. Es fehlt ihnen die eigentlich praktische, von der Rede unabhängige Wurzel. – Daher die gute Schreiberei der Franzosen; es ist die Fortsetzung des Gespräches, der gesellschaftlichen Bildung. Den in ihr abgebrochenen Prozeß setzt der Franzose fort. Der Deutsche schöpft für sich aus der ursprünglichen Quelle. Daher seine Unbeholfenheit. Jene Methode der Phrasenbildung daher, auf die Deutschen angewandt, ist ihnen durchaus abscheulich.)

Gemeinschaftliche Geschichte oder trennende entscheidet also für die Bildung zum Volke. Aber sie können beide auch nebeneinander einwirken, wie zwischen Preußen und Sachsen die gleiche Konfession, der bayrische Erbfolgekrieg, die Unterstützung Friedrichs in der Teuerung mag jene Wirkung gehabt haben: trennend war der siebenjährige Krieg, auch der vom Jahre 1806. Schlechte Aufführung der Truppen: man erträgt sie eher vom Landsmanne, als vom Fremden. Da wird sie dem fremden Volke aufgebürdet.

Gemeinschaftliche Geschichte besteht in gemeinschaftlichen Taten und Leiden (der Sachse, als solcher, tat es und litt es; dies gibt die Einheit des Begriffes); auch im gemeinsamen Regentenhause, welches sinnlich die Einheit repräsentiert: Vaterlandsliebe und Liebe des Regenten vereinigen sich sehr oft.

So begreift ein Volk sich als Eins durch gemeinschaftliche Geschichte, wozu das Regentenhaus, unter anderem auch als der sichtbare Ausdruck des letzten Gesetzes und seiner Einheit, gehört. (Zur Beurteilung der inneren Einheit des Gesetzes erhebt sich das Volk nicht leicht.) So konnten die Kottbuser nicht füglich Sachsen werden.

Eine reichere und glänzendere Geschichte gibt einen haltsameren Nationalcharakter, (dies erhebt den Preußen über den Sachsen), ebenso, wenn man dem Volke mehr Anteil an der Regierung gibt, es zum freien Miturteilen läßt; es nicht als stumme Maschine, sondern als bewußten und gerühmten Mitwirker gebraucht, (das hebt Preußen über Österreich).

Nationalstolz, Ehre, Eitelkeit haftet sich daher, wie bei dem Individuum, an alles und dient, das Band zu befestigen. Der Einzelne will es brauchen, um sich als Einzelnen vor sich selber, und unter den Ausländern, zu erheben. »Ich bin ein Sachse, Preuße;« das soll ihm Teil geben an den bekannten Vorzügen des Volkes. Man wirft den Deutschen vor; sie hätten keinen Nationalstolz! Wie können sie doch ihn haben, da sie Deutsche nicht sind? Aber die Preußen, die Sachsen haben ihn. Ein Leipziger Student, ein Berliner Gelehrter aus den Zeiten der Aufklärung, ein preußischer Werbeoffizier! Oder habt ihr einen österreichischen Wachtmeister sein: »Unser Kaiser« aussprechen hören? Freilich war es versessener Bauernstolz, und dieser, mehr als jeder andere Umstand, hat die Herzen der Deutschen unter sich entvölkert. Jetzt, da ihr sie untereinander laßt, werden angefeuerte, von Volksgefühl erhobene Jünglinge bei den sich darbietenden Gelegenheiten zur Vergleichung diese Unart lassen? Ich fürchte, ihr säet neuen Haß! – Ihr Fürst, sein glänzender Hof, sein Ansehen und äußere Würden, – und kurz, was es sei, – alles dient ihnen zur Erregung der Eitelkeit. Die glänzenden Sklavenketten sogar. Wer hochmütig sein will, findet immer Grund; der gemeine Bauernkerl in seinen ledernen Hosen. Aber ein Volk will es immer und kann es gar nicht lassen; außerdem bleibt die Einheit des Begriffes in ihm gar nicht rege.

Deutscher Nationalstolz jedoch, – worauf hätte doch dieser sich gründen sollen? Welches Band haben wir denn gehabt und welche gemeinschaftliche Geschichte? Seit der Reformation gewiß keine. Im Türkenkriege waren die Brandenburger, Sachsen u. a. Hilfstruppen. In französischen Kriegen, in den Sukzessionskriegen, getrennt. Der Revolutionskrieg endlich wurde durchaus als Krieg für die Fürsten, nicht als Volkskrieg betrachtet; auch hier teilte sich das deutsche Reich alsbald. Die weiteren zerstörenden Folgen desselben für Deutschland liegen vor Augen. So lösten sich die Bande.

Literatur als Nationalverband? Wer kennt denn die Literatur, als der Gelehrte selbst! Wir verachten uns untereinander. Der Vornehme zieht unbedingt die französische oder englische Literatur vor. Und dann – welcher Protestant erstreckt so leicht seinen Begriff von deutscher Literatur auch über das Katholische? – Der Gelehrte hat seinen Begriff vom Deutschen aus der Geschichte, oder aus neueren Erregungen durch die Klopstocksche Epoche. Da existiert er eigentlich nur. Was geht dies das Volk an? Wie kann der so ganz veränderten Nachwelt ein vereinendes Band aus der Hermannsschlacht stammen? Jener Geist ist ausgestorben, und wer weiß, wo die Nachkommen jener Kämpfer sind?

Der Krieg für Napoleon ist nun zwar nicht populär gewesen; aber die kleinliche Nationaleitelkeit und die alten Gefühle der Rache hat er sehr aufgeregt. Sachsen, die alten, vor Feigheit sich schützend, haben endlich siegen gelernt: Bayern, die neuen, und darum erpicht zu werden, eine rühmliche Geschichte zu bekommen, haben eine Art Volkseinheit, weil sie einen deutschen Fürsten behalten hatten und auch von keiner bedeutenden Volkseinheit losgerissen wurden. Mit den Westfalen, die als Hessen, Preußen, Braunschweiger von einer besonderen Geschichte getrennt wurden, wollte es nicht so gehen.

(Mit dem Rheinbunde wollte Bonaparte bloß das, was vorher schon da war und sich gezeigt hatte, aussprechen und für immer befestigen. – Was liegt darin? Ein Naturgesetz verfestigen, unter die Kunst bringen. Warum nämlich war es so, daß die kleineren Rheinfürsten sich an Frankreich wenden mußten? Weil sie dasselbe für ihre Erhaltung interessieren mußten, indem die Reichsföderation sie nicht zu schützen vermochte. Alle Föderationen werden nur durch den Vorteil oder die Übermacht erhalten, ein nachhaltiger Begriff der Volkseinheit kann nicht aus ihnen hervorgehen. – Wenn wir daher nicht im Auge behielten, was Deutschland zu werden hat, so läge an sich nicht so viel daran, ob ein französischer Marschall, wie Bernadotte, an dem wenigstens früher begeisternde Bilder der Freiheit vorübergegangen sind, oder ein deutscher aufgeblasener Edelmann ohne Sitten und mit Roheit und frechem Übermute über einen Teil von Deutschland gebiete.)

Was nun bildet ein Volk zum Volke – eben im Gegensatze der Föderation? Die letztere ist nie Volkssache gewesen, sondern nur eine der Regierungen, wie jedes andere Bündnis; weil das Volk mit dem Bunde nie unmittelbar, nur durch den Willen seines Fürsten zusammenhing: (ausgenommen davon sind etwa Reichsritter, Reichsstädte u. a.) Wäre nun aber auch die Föderation nur dauernd und fest genug, um die absolute Unmöglichkeit herbeizuführen, eine verschiedene Geschichte zu haben, das Schicksal des einen deutschen Staates von dem aller anderen zu trennen: – so gäbe dies fürs Erste ein politisches Band; einerlei Krieg und Frieden, Sieg und Verlust. Treten nun noch weitere Vereinigungen hinzu, Handelsverbindungen, Gleichheit des Rechts und der Gesetze, übereinstimmende Grundsätze der Verwaltung, usw.: so entstände aus der Unmöglichkeit, daß mein Wohl sein Wehe sei, und umgekehrt, allmählich das innere Band: dies nun wäre ein deutsches Reich und so wären sie Eins.

Wenn nun z. B. Österreich oder Preußen Deutschland eroberte, warum gäbe dies nur Österreicher, Preussen, keine Deutsche? – Wie ist eine österreichische, preussische, und wie eine deutsche Geschichte verschieden? Dies ist gründlich zu behandeln; darauf kommt alles an, denn eben hier stehen die Deutschen. (Auch stehen sie, wie bekannt, in der Teilung zwischen Österreich und Preußen. Hierbei würde Österreich weit mehr Mühe haben, Bayern z. B. unter sich zu bringen, als Preussen seinen Anteil. Auch paßt die Teilung der Konfessionen nicht recht zu einer völligen Verschmelzung. Dadurch wäre der Krieg zwischen beiden auf ewige Dauer gesetzt, und es wäre keine Ruhe, bis sie eins wären.) –

Ich müßte überhaupt da tiefer. Welches ist der Nationalcharakter der Deutschen, den ich oben versprach? Welches dagegen der der einzelnen Staaten, Österreich, Preußen, usw.?

1) Ihre Regentenhäuser haben auswärtige Familienverbindungen, wahres oder vermeintes Interesse zu fremden Bündnissen, die Völker Nationalhaß oder Liebe. Deutschland hat dies alles nicht, noch soll es dies haben, es muß für sich und selbständig dastehen. Dies fremde Interesse würde nun müssen den neu Akquirierten aufgedrängt werden. Kurz, sie werden aus dem regelmäßigen Fortgange ihrer Bildung herausgerissen, – in den Bildungsgang eines fremden Volkes. (Beispiel kann die preußische Verwaltung von Südpreußen sein).

2) Die Gesetzgebung und der Ton der Verwaltung stimmt nicht überein: der österreichische ist zu roh, der preussische zu liberal. Wenn nun die Sachsen mit ihrer Prätention auf den gnädigen Herrn kommen? (Dies trifft freilich auch mich.)

3) Dazu noch die besonderen Züge im Bilde eines deutschen Fürsten, – welche einen anderen Monarchen nie so treffen können: Fechten für ein fremdes Interesse, lediglich um der Erhaltung seines Hauses willen: – Soldaten verkaufen; – Anhängsel sein eines fremden Staates. Seine Politik hat gar kein Interesse, als den Flor und die Erhaltung des lieben Hauses; alles übrige läßt man sich selber machen. Was wäre das nun für ein Unglück, wenn das liebe Haus nicht erhalten würde, wenn ein anderes an seine Stelle käme? Dies ist ja schon passiert! – Was tragen denn nun die Untertanen die Kosten zur Erhaltung ihres Hofes? So werden sie doch lieber geradezu Provinzen des herrschenden Staates. Bonaparte, der es liebt, auszusprechen, was ist, hat es getan, und würde fortgefahren haben, es zu tun.

Dies alles hat die Deutschen bisher gehindert, Deutsche zu werden: ihr Charakter liegt in der Zukunft: – jetzt besteht er in der Hoffnung einer neuen und glorreichen Geschichte. Der Anfang derselben: – daß sie sich selbst mit Bewußtsein machen. Es wäre die glorreichste Bestimmung!

Grundcharakter der Deutschen daher:

1) Anfangen einer neuen Geschichte;

2) Zustandebringen ihrer selbst mit Freiheit. – Kein bestehender Landesherr kann Deutsche machen; es werden Österreicher, Preußen usw. Ein neuer müßte entstehen? Etwa wie Bonaparte? – Dieser träte, durch Erblichkeit gewiß, sogleich in das Fürstensystem, und es würde wieder nur ein europäisches Volk anderen Schlages. Das sollte es gar nicht sein, Familieninteressen gar nicht kennen, in die inneren Angelegenheiten fremder Länder sich gar nicht mischen. (Fremder Bündnisse und Hilfstruppen bedarf es nicht, weil es, einmal Eins geworden, für sich selbst stark genug ist.) Aber durch seine geographische Lage kann es die anderen Nationen zum Frieden zwingen; darum auch die erste dauernde Stätte der Freiheit sein.

3) Deshalb sollen die Deutschen auch nicht etwa Fortsetzung der alten Geschichte sein: diese hat eigentlich für sie gar kein Resultat gegeben, und sie selbst existiert eigentlich nur für die Gelehrten. Und bisher haben eigentlich nur diese, die Gelehrten, die künftigen Deutschen vorgebildet: durch ihre Schriftstellerei; sodann durch ihr Wandern. Sie sind, wenigstens die durchgreifenden, nicht Glieder einer besonderen Völkerschaft, sondern, sind sie überhaupt etwas, so sind sie eben Deutsche. (Also gab es wohl Deutsche, nur nicht als Bürger, sondern über das Bürgertum hinaus, und dies ist ein großer Vorzug. Alle großen Literaturen sind gewandert, keiner ist in seinem Geburtslande zu etwas gekommen. Dies lag teils in der Anlage: der erste Zug des besseren Deutschen ist ein Sträuben gegen die Enge des Geburtslandes. – Sodann – konnte auch nur im Auslande das Talent sich entwickeln, von seiner Volksunmittelbarkeit sich losschälen und zu einer höheren Allgemeinheit kommen. So Leibniz, Klopstock, Goethe, Schiller, die Schlegel. Nur Kant macht hier eine Ausnahme. – Man gehe ferner die Lehrer der berühmten deutschen Universitäten durch. Dazu kommt, daß die großen Schriftsteller meist Sachsen sind. Auch von ihnen eben, und von den in ihnen niedergelegten Ansichten soll die neue Geschichte ausgehen.

Also der merkwürdige Zug im Nationalcharakter der Deutschen wäre eben ihre Existenz ohne Staat und über den Staat hinaus, ihre rein geistige Ausbildung. (Daher haben die Deutschen auch eine so gewaltige Assimilationskraft für den Ausländer, der nur Gelehrter, Denker, Dichter wird: Fouqué, Villers. Der Fremde bedarf gar nicht sich umzuwandeln, er bedarf nur sich zu erheben.)

Da wird nun tiefer zu unterscheiden sein das Nationale, was nur durch den Staat gebildet wird (und seine Bürger darin verschlingt), und dasjenige, welches über den Staat hinausliegt. Es ist dabei nicht zu vergessen, daß alles Gemeinsame der europäischen Völkerrepublik und alles, was diesen Bürger allenthalben auszeichnet, Großmut, Humanität, Rittersinn, Galanterie, – ursprünglich deutsche Nationalzüge sind. Erst in späterer Zeit trennten die Deutschen sich in einzelne Völker und versumpften in sich: die inneren Kriege, die Eifersucht ihrer kleinen Fürsten gegeneinander, das Verbot der Auswanderungen usw. vollendete ihre Trennung und Entartung: aus dem Adel wurden Krämer. Lebt wohl, Freisinn und Edelmut!

Und so wird es auch, vom Bisherigen aus betrachtet, bleiben: der Einheitsbegriff des deutschen Volkes ist noch gar nicht wirklich, er ist ein allgemeines Postulat der Zukunft. Aber er wird nicht irgend eine gesonderte Volkseigentümlichkeit zur Geltung bringen, sondern den Bürger der Freiheit verwirklichen. – Dieses Postulat von einer Reichseinheit, eines innerlich und organisch durchaus verschmolzenen Staates, darzustellen, sind die Deutschen berufen, und dazu da im ewigen Weltplane. In ihnen soll das Reich ausgehen von der ausgebildeten persönlichen Freiheit, nicht umgekehrt: – von der Persönlichkeit, gebildet fürs erste vor allem Staate vorher, gebildet sodann in den einzelnen Staaten, in die sie dermalen zerfallen sind, und welche, als bloßes Mittel zum höheren Zwecke, sodann wegfallen müssen.

Und so wird von ihnen aus erst dargestellt werden ein wahrhaftes Reich des Rechts, wie es noch nie in der Welt erschienen ist, in aller der Begeisterung für Freiheit des Bürgers, die wir in der alten Welt erblicken, ohne Aufopferung der Mehrzahl der Menschen als Sklaven, ohne welche die alten Staaten nicht bestehen konnten: für Freiheit, gegründet auf Gleichheit alles dessen, was Menschengesicht trägt. Nur von den Deutschen, die seit Jahrtausenden für diesen großen Zweck da sind und ihm langsam entgegenreifen; – ein anderes Element für diese Entwickelung ist in der Menschheit nicht da.


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