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Volk

Grundsatz

Wer nicht arbeitet, darf wohl essen, wenn ich ihm etwas zu essen schenken will, aber er hat keinen rechtskräftigen Anspruch aufs Essen. Er darf keines anderen Kräfte für sich verwenden; ist keiner so gut, es freiwillig für ihn zu tun, so wird er seine eigenen Kräfte anwenden müssen, um sich etwas aufzusuchen oder zuzubereiten, oder Hungers sterben, und das von Rechts wegen.

Falsche Sentimentalität

Man hat unter uns wehmütige Gefühle gesehen und bittere Klagen gehört über das vermeinte Elend so vieler, die aus dem größten Überflusse plötzlich in einen weit mittelmäßigeren Zustand herabsanken, – von denen sie beklagen gehört, welche in ihren glücklichsten Tagen es nie so gut hatten als jene in ihrem größten Unsterne, und welche die geringen Überbleibsel vom Glücke jener für ein beneidenswertes Glück hätten halten dürfen. Die ungeheure Verschwendung, die bisher an der Tafel eines Königs geherrscht hatte, wurde in etwas eingeschränkt, und Leute, die nie eine Tafel hatten noch haben werden wie jene eingeschränkte, bedauerten diesen König; eine Königin hatte eine kurze Zeit lang Mangel an einigen Kleidungsstücken, und diejenigen, welche sehr glücklich gewesen wären, wenn sie diesen Mangel hätten teilen dürfen, beklagten ihr Elend Geschrieben 1793!. Fehlt es auch unserem Zeitalter an manchen lobenswürdigen Eigenschaften, so scheint wenigstens die Gutmütigkeit nicht darunter zu gehören! – Setzt man etwa bei diesen Klagen ganz unbedingt das System voraus, daß nun einmal eine gewisse Klasse von Sterblichen, ich weiß nicht welches Recht habe, alle Bedürfnisse, die die ausschweifendste Einbildungskraft nur irgend sich erdichten könne, zu befriedigen; daß eine zweite nur nicht ganz so viele als diese, eine dritte nur nicht ganz so viele als die zweite usw. haben müsse, bis man endlich zu einer Klasse herabkomme, die das Allerunentbehrlichste entbehren müsse, um jenen höheren Sterblichen das Allerentbehrlichste liefern zu können? Oder setzt man diesen Rechtsgrund bloß in die Gewohnheit und schließt so: weil eine Familie bisher das Unentbehrliche von Millionen Familien verzehrt hat, so muß sie notwendig fortfahren, es zu verzehren? Eine auffallende Folgenlosigkeit in unserer Denkungsart ist es immer, daß wir so empfindlich für das Elend einer Königin sind, die einmal kein frisches Linnen hat, und den Mangel einer anderen Mutter, die dem Vaterlande auch gesunde Kinder gebar, welche sie, selbst in Lumpen gehüllt, nackend vor sich herumgehen sieht, indes in ihren Brüsten aus Mangel an Unterhalt die Nahrung austrocknet, die das Jüngstgeborne mit entkräftetem Wimmern fordert, – daß wir diesen Mangel sehr natürlich finden. – »Solche Leute sind es gewohnt, sie wissen's nicht besser«, sagt mit stickender Stimme der satte Wollüstling, während er seinen köstlichen Wein schlürft: aber das ist nicht wahr; an den Hunger gewöhnt man sich nie, an widernatürliche Nahrungsmittel, an das Hinschwinden aller Kräfte und alles Mutes, an Blöße in strenger Jahreszeit gewöhnt man sich nie. Daß nicht essen solle, wer nicht arbeitet, fand Herr Rehberg naiv: er erlaube uns, nicht weniger naiv zu finden, daß allein der, welcher arbeitet, nicht essen oder das Uneßbarste essen solle.

Das Minimum

Nicht die Gewohnheit entscheidet über das an sich Entbehrliche und das an sich Unentbehrliche, sondern die Natur. Eine dem menschlichen Körper zuträgliche Nahrung in der zur Ersetzung der Kräfte nötigen Quantität, eine nach Verhältnis des Klimas gesunde Kleidung und feste und gesunde Wohnung muß jeder haben, der arbeitet: das ist Grundsatz.

Freihandel als Krieg

Es entsteht ein endloser Krieg aller im handelnden Publikum gegen alle, als Krieg zwischen Käufern und Verkäufern; und dieser Krieg wird heftiger, ungerechter und in seinen Folgen gefährlicher, je mehr die Welt sich bevölkert, der Handelsstaat durch hinzukommende Akquisitionen sich vergrößert, die Produktion und die Künste steigen und dadurch die in Umlauf kommende Ware an Menge und mit ihr das Bedürfnis aller sich vermehrt und vermannigfaltigt. Was bei der einfachen Lebensweise der Nationen ohne große Ungerechtigkeit und Bedrückung abging, verwandelt sich nach erhöhten Bedürfnissen in das schreiendste Unrecht und in eine Quelle großen Elendes. Der Käufer sucht dem Verkäufer die Ware abzudrücken; darum fordert er Freiheit des Handels, d. h. die Freiheit für den Verkäufer, seine Märkte zu überführen, keinen Absatz zu finden und aus Not die Ware weit unter ihrem Werte zu verkaufen. Darum fordert er starke Konkurrenz der Fabrikanten und Handelsleute, damit er diese durch Erschwerung des Absatzes bei der Unentbehrlichkeit des baren Geldes nötige, ihm die Ware um jeden Preis, den er ihnen noch aus Großmut machen will, zu geben. Gelingt ihm dies, so verarmt der Arbeiter, und fleißige Familien verkommen im Mangel und Elende oder wandern aus von einem ungerechten Volke. Gegen diese Bedrückung verteidigt sich oder greift auch wohl auf den Vorrat an der Verkäufer durch die mannigfaltigsten Mittel, durch Aufkaufen, durch künstliche Verteuerung und dergleichen. Er setzt dadurch die Käufer in die Gefahr, ihre gewohnten Bedürfnisse plötzlich zu entbehren oder sie ungewöhnlich teuer bezahlen und in einer anderen Rücksicht darben zu müssen. Oder er bricht an der Güte der Ware ab, nachdem man ihm am Preise abbricht. So erhält der Käufer nicht, was er zu erhalten glaubte, er ist betrogen; und mehrenteils entsteht bei schlechter, leichter Arbeit noch überdies ein reiner Verlust an der öffentlichen Kraft und Zeit und den Produkten, die so übel verarbeitet werden.

Kurz, keinem ist für die Fortdauer seines Zustandes bei der Fortdauer seiner Arbeit im mindesten die Gewähr geleistet; denn die Menschen wollen durchaus frei sein, sich gegenseitig zugrunde zu richten.

 

Die Parias Bei Fichte sind allerdings nicht nur Proletarier gemeint, sondern alle, deren Eigentum oder Verdienst nicht garantiert ist.

Zu sagen: »das wird sich alles schon von selbst geben, jeder wird immer Arbeit und Brot finden«, und es nun auf dieses gute Glück ankommen zu lassen, ist einer durchaus rechtlichen Verfassung nicht anständig. Redet man etwa von einem Sperlinge, der, solange er dem Netze entgeht, sein Körnchen freilich auch findet, auf den man aber keineswegs rechnet, und noch weit lieber sähe, er fände sein Körnchen nicht? Überläßt der Staat diese Volksklassen dem Ohngefähr, so gibt er ihnen durchaus nichts. Ihr Fortkommen ist ebenso durchaus ihr eigenes Werk, als ihre Kunst oder Kenntnis es ist. Sie haben sonach gar nicht Verzicht auf das Eigentum anderer geleistet. Der Staat kann mit keinem Rechte sie in Absicht ihres Gewerbes unter Gesetze und ein bestimmtes Verhältnis gegen die übrigen Volksklassen bringen. Sie sind in jeder Rücksicht frei, sowohl vom Gesetze als dem Rechte entblößt, ohne Regel wie ohne Garantie, halbe Wilde im Schoße der Gesellschaft. Bei der völligen Unsicherheit, in welcher sie sich befinden, bevorteilen und berauben sie, – zwar nennt man es nicht Raub, sondern Gewinn, – sie bevorteilen und berauben so lange und so gut, als sie es können, diejenigen, welche hinwiederum sie bevorteilen und berauben werden, sobald sie die Stärkeren sind. Sie treiben es so lange, als es geht, und bringen für den Notfall, gegen welchen ihnen nichts bürgt, in Sicherheit, so viel sie vermögen. Und an diesem allen tun sie nichts weiter, als wozu sie das vollkommenste Recht haben.

Kein Eigentum am Boden

Ein Eigentum des Bodens findet nach unserer Theorie gar nicht statt. – – Die Erde ist des Herrn; des Menschen ist nur das Vermögen, sie zweckmäßig anzubauen und zu benutzen.

Das Erste

Es sollen erst alle satt werden und fest wohnen, ehe einer seine Wohnung verziert, erst alle bequem und warm gekleidet sein, ehe einer sich prächtig kleidet. Ein Staat, in welchem der Ackerbau noch zurück ist und mehrerer Hände zu seiner Vervollkommnung bedürfte, in welchem es noch an gewöhnlichen mechanischen Handwerkern fehlt, kann keinen Luxus haben. Es geht nicht, daß einer sage: »ich aber kann es bezahlen«. Es ist eben unrecht, daß einer das Entbehrliche bezahlen könne, indes irgend einer seiner Mitbürger das Notdürftige nicht vorhanden findet oder nicht bezahlen kann; und das, womit der erstere bezahlt, ist gar nicht von Rechts wegen und im Vernunftstaate das Seinige.

Unerläßliche Forderung

Es ist nicht ein bloßer frommer Wunsch für die Menschheit, sondern es ist die unerläßliche Forderung ihres Rechts und ihrer Bestimmung, daß sie so leicht, so frei, so gebietend über die Natur, so echt menschlich auf der Erde lebe, als es die Natur nur irgend verstattet. Der Mensch soll arbeiten; aber nicht wie ein Lasttier, das unter seiner Bürde in den Schlaf sinkt und nach der notdürftigsten Erholung der erschöpften Kraft zum Tragen derselben Bürde wieder aufgestört wird. Er soll angstlos, mit Lust und mit Freudigkeit arbeiten und Zeit übrig behalten, seinen Geist und sein Auge zum Himmel zu erheben, zu dessen Anblick er gebildet ist. Er soll nicht gerade mit seinem Lasttier essen, sondern seine Speise soll von desselben Futter, seine Wohnung von desselben Stalle sich ebenso unterscheiden, wie sein Körperbau von jenes Körperbaue unterschieden ist. Dies ist sein Recht, darum weil er nun einmal Mensch ist.


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