Gustav Theodor Fechner
Die Tagesansicht gegenüber der Nachtansicht
Gustav Theodor Fechner

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XXIII. SpiritistischesDaß ich mit den folgenden Betrachtungen weder Antispiritisten noch Spiritisten befriedigen werde, weiß ich wohl; erstere nicht, weil ich spiritistische Tatsachen überhaupt anerkenne, letztere nicht, weil ich den Charakter und die Tragweite derselben in gewisser Beziehung gegen die, ihnen von den Spiritisten beigelegte, herabsetze. Inzwischen gibt es außer Spiritisten und Antispiritisten noch ein bis jetzt parteiloses Publikum, an das man sich wenden kann, und außer Leidenschaftlichen Leidenschaftslose, mit denen eine Unterhaltung über ein Gebiet möglich ist, über das doch bis jetzt niemand, sei es in positivem oder negativem Sinne, ganz im reinen zu sein behaupten darf; und als ein Wort zu dieser Unterhaltung meinerseits mag man die folgenden Betrachtungen nehmen. – Spiritismus ist dabei im weiteren Sinne mit Inbegriff des sog. Spiritualismus verstanden..

(Stellung der Tagesansicht zum Spiritismus. Stellung des Spiritismus zur Religion. Persönliche Bemerkungen.)

1. Stellung der Tagesansicht zum Spiritismus.

Ignorieren läßt sich der Spiritismus nun einmal nicht mehr, es gilt Stellung dazu zu nehmen und sich darüber zu erklären. Zwar, solange sich die Betrachtung in Gebieten hält, die von der Frage des Spiritismus nicht berührt werden, warum sich um denselben kümmern; aber die Tagesansicht wird mehr als bloß davon berührt.

Aus dem Gesichtspunkte derselben nun meine ich: das ganze spiritistische Gebiet gehört zu den Schattenseiten der Welt; aber hat die Welt keine Schattenseiten und nutzt es, von denselben zu abstrahieren. Nur hat der Schatten unrecht, Licht selbst bedeuten zu wollen, wenn er mit seinen wunderlichen Verzerrungen in den Tag hineinbricht. Aber anstatt in Bildern fortzufahren, lassen wir uns auf die heikle Sache selber ein, mit dem Gefühle freilich, in ein Wespennest zu greifen.

Der Spiritist wird von vornherein sagen: du hast dir sehr viel überflüssige Mühe gegeben (V. 5 und XIII), das Jenseits aus dem Diesseits heraus zu beweisen und zu konstruieren; jetzt ist die Tatsache, daß es Geister des Jenseits gibt, durch ihr Erscheinen selbst bewiesen und weiß man direkt mit ihnen zu verkehren.

Nehmen wir einmal an, es sei wirklich so, was kann unsern Schlüssen mehr zustatten kommen, als daß die spiritistische Erfahrung Bestätigungen dafür bietet? Und tut sie es nicht wirklich? In der Tat, sehen wir näher zu, so stimmen die spiritistischen Erfahrungen nicht nur im allgemeinen, sondern auch nach den wichtigsten Besonderheiten, zur Lehre der Tagesansicht vom Jenseits, als wie: daß der Mensch schon im Diesseits von einer Welt jenseitiger Geister umgeben ist, daß es ein Hineinwirken dieser Geister in die diesseitigen Menschen und einen Gedankenverkehr mit ihnen gibt (Kap. V.5.), daß die Geister des Jenseits nicht mehr an dieselben räumlichen Schranken gebunden sind als diesseits, daß ihnen ohne Augen und Ohren doch ein weiter reichendes Wahrnehmungsvermögen als uns zusteht, daß sie noch mit der früheren leiblichen Gestalt (ausnahmsweise sogar ins Diesseits hinein) zu erscheinen vermögen (Kap. V.5. und XII), daß aber bei all dem das Dasein und Wirken dieser Geister normalerweise so in unser diesseitiges Dasein und dessen Gesetzlichkeiten verwebt und verrechnet ist, daß wir unter gewöhnlichen Verhältnissen gar keinen Anlaß haben, an die Gegenwart und das Hineinspielen einer jenseitigen Geisterwelt in unsre diesseitige Welt zu denken. Noch ehe das Wort Spiritismus erfunden war, war diese Lehre als Folgerung und Bestandstück der Tagesansicht in zwei SchriftenBüchlein v. Leben n. d. Tode 1836 und dritter Teil des Zenavesta 1851. aufgestellt. Rücksichtslos auf diese unbeachtet gebliebene Lehre haben sich die spiritistischen Tatsachen entwickelt, und das Zusammentreffen beider in jenen Hauptpunkten läßt sich immerhin zugunsten der Wahrheit beider geltend machen.

Nun freilich, der Spiritismus hat auch Tatsachen zum Vorschein gebracht, die nicht in jener Lehre vorausgesehen waren; wonach sich erstens fragt, ob es auch Tatsachen sind, und zweitens, ob sie, als solche anerkannt, jener Lehre widersprechen, nicht vielmehr nur insofern ergänzend hinzutreten, als sie zu den, von der Tagesansicht ins Auge gefaßten, normalen Verhältnissen zwischen Diesseits und Jenseits auch abnorme zum Vorschein bringen, die eben deshalb sich den, von uns als gültig angesehenen, Gesetzen nicht fügen, weil diese selbst nur aus den normalen Verhältnissen abstrahiert sind. Und da ich mich gezwungen finde, Tatsachen jener Art gelten zu lassen, so ist letzteres die Ansicht, die ich davon hege, womit nicht sowohl eine Erklärung derselben aus den uns bekannten Gesetzen gegeben, als ein Gesichtspunkt ihrer Nichterklärbarkeit daraus aufgestellt ist.

Nach spiritistischen Berichten sollen unter Vermittlung durch ein sog. Medium jenseitige Geister, die sich selbst für solche erklären, nicht nur durch Klopfen, Psychographen, sondern bei kräftigem Einflusse des Medium sogar durch lesbare Schrift und hörbare Rede sich mitteilen, nicht nur sichtbar, sondern auch fühlbar (in den sog. Materialisationsphänomenen) erscheinen und bleibende Wirkungen als von sichtbaren und fühlbaren Wesen hinterlassen können. Auch ohne sichtbare Gegenwart derselben sollen durch sie körperliche Gegenstände gehoben, geworfen, geschoben werden können, ohne daß eine hebende, werfende, schiebende Hand dazu nachweisbar ist, ja gar Leistungen hervorgebracht werden, die auf das Hineinwirken von Kräften aus einer vierten Raumdimension weisen. Und vergessen wir nicht hinzuzufügen, daß all das, selbst das unglaublichst Scheinende davon, durch die sorgfältigsten, mit ängstlichen Vorsichten angestellten, Beobachtungen strenger Forscher, von denen die meisten, wenn nicht alle, mit dem entschiedensten Unglauben an dies Gebiet herangetreten sind, bewährt erscheintAbgesehen von den erst neuerlich hinzugekommenen Beobachtungen deutscher Forscher, worüber Zöllners "Wissensch. Unters." zu vergleichen und unter Nr. 3 dieses Abschnitts einige Bemerkungen folgen, beziehe ich mich hierbei insbesondre auf die Beobachtungen der englischen Forscher, wie Crookes, Wallace, Huggins, Varley, sämtlich, Mitglieder der königl. Soc. zu London. Auch wissenschaftliche Autoritäten in Rußland und Amerika wären zu nennen. Der bestätigenden Beobachtungen seitens Laien gibt es unzählige, von denen doch gar manche einen Zutrauen erweckenden Eindruck machen. Die seit 1874 monatlich erscheinenden "Psychischen Studien" (Leipzig, Mutze) registrieren überhaupt das meiste, was in diesem Felde namentlich deutscher- und englischerseits zum Vorschein kommt.. Während sonst Irrtümer um so sicherer erkannt werden, je eingehender, genauer die Untersuchung, muß man sagen: je mehr sie es bezüglich der spiritistischen Tatsachen gewesen ist, desto sicherer haben sich solche in den als beweisend anzusehenden Fällen als nicht durch Selbsttäuschung noch Betrug erklärbar herausgestellt; und es ändert hierin nichts, daß es auch an unzulänglichen Beobachtungen und nachgewiesenen Betrügereien in diesem Felde nicht gefehlt hat.

Jedenfalls finde ich nach all dem keine zwingenden theoretischen Gründe, die Möglichkeit spiritistischer Erscheinungen überhaupt zu bestreiten, hingegen zwingende empirische Gründe, die Tatsächlichkeit solcher Erscheinungen anzuerkennen, obschon ich mich diesem Zwange insbesondere bezüglich der sog. Materialisationserscheinungen und was damit zusammenhängt, nur mit Widerstreben fügeMuß man einmal anerkennen, daß hier ein Gebiet vorliegt, dessen Phänomene nach den uns bekannten Prinzipien nicht erklärbar sind, so würde es selbst; prinziplos sein, die Grenze dessen bestimmen zu wollen, was nach den noch unbekannten Prinzipien möglich ist, und im Grunde ist es nicht weiter von der einfachsten spiritistischen Tatsache, die man nicht abweisen kann, ohne sie erklären zu können, zur hatie hing von Crookes (Psychische Stud. Band I), den Hand- und Fußabdrücken von Zöllner usw. usw., als vom Fünkchen ohne Feuerzeug aus dem Bernstein bis zum Blitz und Donner aus den Wolken und dem atlantischen Telegraphen, an welchem Gedanken hin und wieder durch das Meer laufen. Gewiß ist die Unwahrscheinlichkeit der spiritistischen Materialisationsphänomene von vornherein haarsträubend, und bleibt doch schließlich zurück gegen die"Brutalität" der beobachteten Tatsachen. Um darüber zu urteilen, muß man freilich die Literatur darüber kennen.. Ein Fundament aber für die Tagesansicht kann ich im Spiritismus überhaupt nicht suchen, und selbst nur eine zweideutige Hilfe darin finden.

Einmal aus dem formalen Grunde, daß der Spiritismus dem Unglauben noch in weitesten Kreisen begegnet, und es mißlich wäre, die Glaubenssachen der Tagesansicht mit der Fraglichkeit von Tatsachen zu vermischen, zweitens aus dem viel wichtigeren sachlichen Grunde, daß sich gesunde Ansichten vom Jenseits und seinen Beziehungen zum Diesseits nicht aus abnormen Verkehrsverhältnissen zwischen beiden gewinnen lassen. Für den abnormen Charakter des spiritistischen Verkehrs zwischen Jenseits und Diesseits aber sprechen Umstände wie folgt.

Nicht nur, daß der Charakter des Ausnahmsweisen selbst an sich zugleich diesem Charakter entspricht, ist auch der Zustand und das Verhalten der die spiritistischen Erscheinungen vermittelnden Medien während der spiritistischen Manifestationen mehr oder weniger abnorm, um so mehr (vom krampfhaften Zucken bis zur halben oder völligen Bewußtlosigkeit) je wunderbarer die Manifestationen sind; die Medien fühlen sich im allgemeinen davon angegriffen, und zumeist ist wohl ihr Nervensystem überhaupt außer Gleichgewicht. Was die jenseitigen Geister, sog. Spirits, tun, oder was als Tun derselben angesehen wird, weil es in Zusammenhang mit entschiedenen Äußerungen einer Intelligenz auftritt, von der man sonst keinen Quell anzugeben weiß, ist meist nur vergeblicher oder läppischer Spuk; Tische, Stühle, Sofas, Bettstellen Werden gehoben, umgestoßen, verrückt, zerbrochen und damit Gesetze aufgehoben, umgestoßen, verrückt, gebrochen, die unser normales Leben und hiermit auch unstreitig das jenseitige regeln, soweit es mit dem diesseitigen zusammenhängt und in dasselbe eingreift. Ein Zusammennehmen spiritistischer Kräfte zu einer praktisch nützlichen Leistung ist meines Wissens noch nicht vorgekommen, und so stark die physischen Kraftäußerungen der Spirits mitunter erscheinen, so zwecklos und kunststückähnlich erscheinen sie zugleich. Auch ist aus allem, was die Spirits klopfen, schreiben und sprechen, bisher noch keine Förderung, sei es unsres höheren oder historischen Erkenntnisgebietes hervorgegangen.

So gut es nun eben gehen mag, erläutere ich mir hiernach das in den spiritistischen Tatsachen zum Vorschein kommende Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits, insoweit ich nicht umhin kann, ein solches als im Spiele dabei zuzugestehen, durch folgende aus dem Diesseits selbst geschöpfte Analogie, womit ich dem, überall in der Lehre vom Jenseits befolgten, Prinzipe treu bleibe, in den Verhältnissen des Jenseits nicht sowohl einen Abbruch der Verhältnisse des Diesseits als eine kausal daraus hervorgegangene Erweiterung und Steigerung derselben zu erblicken. Diese aber kann nun ebensowohl auf die abnormen als normalen Verhältnisse des Diesseits bezogen werden.

Es gibt Gesetze gesunden geistigen Lebens in uns, aber sie werden mitunter durchbrochen. Erinnerungsgestalten, noch häufiger Phantasiegestalten, gewinnen mitunter die Kraft sinnlicher Wirklichkeit, und spielen störend, verwirrend ins Reich der Anschauungen hinein. Wir nennen es Halluzinationen, Phantasmen; oft sind sie bei Verrückten mit Bewegungen, die nicht minder aus den Gesetzen körperlich und geistig gesunden Lebens heraustreten, verbunden. Es ist ein krankhaftes Verhältnis zwischen dem kleinen Diesseits und Jenseits, was wir als Anschauungs- und Erinnerungsleben schon diesseits in unserm kleinen Geiste tragen (Kap. V.5. und XII); also liegt es nahe, auch an die Möglichkeit eines solchen zwischen dem großen Diesseits und Jenseits in dem allgemeinen Geiste, der im Sinne der Tagesansicht beides zugleich einschließt, zu denken; nur daß es stets bloß als eine partielle Störung auftreten wird. Können nicht also wirklich mitunter Geister und phantastische Geistergebilde des Jenseits mit der Kraft sinnlicher Wirklichkeit in die diesseitige Welt hineintreten und mit der Möglichkeit abnormer Erscheinungen die Möglichkeit abnormer Bewegungen sich verbinden? Gibt es aber etwas dergleichen, so ist es ein Verhältnis, was weder dem Diesseits noch dem Jenseits frommen kann; schlimm stände es um den religiösen Glauben, hätte er nichts andres, worauf sich zu stützen, woraus sich zu erbauen; und gern wendet solchen Störungen der, wer gewohnt ist, die Gesetzlichkeiten gesunden Lebens und Geschehens in sich und über sich hinaus zu verfolgen und des Fortschrittes der Erkenntnis darin sich zu erfreuen, den Rücken zu. Nur kann hinter einem exakten Rücken manches vorgehen, was derselbe nicht sieht, und die Krankheit hat wie die Gesundheit ein Recht der Erforschung. Leichter freilich, Tatsachen der Krankheit zu registrieren und zu gruppieren, als Gesetze derselben zu finden, die sich mit denen der Gesundheit unter allgemeinerem Gesichtspunkte vereinigen, und bis jetzt haben sich solche für das Gebiet des Spiritismus so wenig finden lassen, daß der Widerstand, auch nur Tatsachen des Spiritismus anzuerkennen, erklärlich ist.

Die Physiologie kann von der Pathologie, die Psychologie von der Krankheitslehre des Geistes etwas lernen; nur können sich erstere nicht auf letztere begründen wollen, und bloß insofern davon lernen, als sie zugleich lernen, wie Körper und Geist nicht sein sollen. In ähnlichem Verhältnisse steht eine gesunde Ansicht von den Beziehungen zwischen Diesseits und Jenseits zum Spiritismus.

Vor Zeiten hielt man geradezu alles, was in den Kreis der spiritistischen Erscheinungen fällt – denn ohne den Namen spielten solche von jeher eine Rolle –, für Werk oder Blendwerk des Teufels und verbrannte die Personen, welche solche Erscheinungen vermittelten, heutzutage Medien genannt, als Hexen oder Zauberer. Und unstreitig hat man darin einen richtigen Instinkt, doch auch zugleich eine Übertreibung zu erblicken. Selbst die heutigen Antispiritisten sehen die Sache des Spiritismus milder an, verlangen nicht mehr, daß die Medien verbrannt, sondern höchstens, daß sie als Betrüger ausgewiesen werden und setzen den Gelehrten, die sich davon foppen lassen, statt einer Teufelsmütze eine Narrenmütze auf. In der Tat lassen sich einem zu harten Verdammungsurteile des Spiritismus gegenüber Punkte wie folgende geltend machen.

Eigentümlich ist, daß die bei den spiritistischen Sitzungen Anwesenden, während sie von Geisterspuk umgeben sind, doch nichts von dem Gespenstergrauen empfinden, was wohl jeder aus Anwandlungen davon kennt; vielmehr hat man bei den wunderbarsten Stücken, welche die Spirits ausführen, nur das Gefühl, als ob man in einer Taschenspielerbude säße. Auch verkehrt sich’s im allgemeinen recht harmlos mit den Spirits. Sie verraten keinen Unmut darüber, aus dem Jenseits aufgestört zu werden; meist scheint es ihnen eher Unterhaltung und Vergnügen zu gewähren, den Anwesenden etwas vorzumachen oder sich mit ihnen durch die spiritistisch hergebrachten Verkehrsmittel auf Unterhaltung einzulassen; sind sie wieder weg, so ist man freilich danach so klug oder dümmer wie vorher. Sehr allgemein geben sie selbst ein Interesse an Förderung des Spiritismus zu erkennen, sprechen von ihm als von einer Sache, die eine große Zukunft habe, und geben sich gern zu beweisenden Experimenten dafür her, indes sie gegen Zweifler und Leugner schlecht gestimmt sind. Alles das klingt und ist nun freilich sehr kurios und verdächtig; indes kann man wohl denken, daß den ernsthaften und gewissenhaften Beobachtern in diesem Felde die Verdachtsgründe gegen dergleichen eben so nahe gelegen haben, als den Nichtbeobachtern, welche sich durch den Verdacht gleich mit der Sache abfinden, daß sie aber auch von ihnen berücksichtigt worden sind. Wonach es sich doch nicht möglich zeigt, all das auf bewußte Täuschungen seitens der Medien oder Halluzinationen der Beobachtenden zu schieben. Wie dem auch sei, so spricht jedenfalls die Weise, wie sich die spiritistischen Sitzungen gestalten, gegen einen zu bedenklichen Charakter derselben; und wenn ich noch hinzufüge, daß die Gesundheit der Medien durch solche Sitzungen, falls sie nicht übertrieben werden, nicht nachhaltig zu leiden scheint – obwohl das doch noch eines näheren Zusehens bedürfen möchte –, so dürfte gegen Beobachtungen und Versuche im Felde des Spiritismus zu wissenschaftlicher Feststellung seiner Tatsachen und Verhältnisse seitens Berufener nichts einzuwenden sein, und es selbst niemand überhaupt verdacht werden können, wenn er eine Gelegenheit zur eignen Beobachtung in diesem Felde ergreift, um sich selbst ein Urteil darüber zu bilden oder das Urteil andrer zu kontrollieren. Über diese Zwecke hinaus aber den Spiritismus zur bloßen Befriedigung der Kuriosität auszubeuten, dürfte immer viel gegen sich behalten.

Die Spiritisten selbst versprechen dem Spiritismus noch eine große Zukunft und der Zukunft noch große Dinge vom Spiritismus. Meines Erachtens aber ist für die Zukunft nicht sowohl eine weitere Entwicklung des Spiritismus als nur Feststellung seiner Tatsächlichkeit und Klärung seiner Verhältnisse zu wünschen; denn soweit der Spiritismus bisher gediehen ist, hat die Erkenntnis durch ihn nur ein Rätsel mehr gewonnen, dessen weitere Fortführung schwerlich zu seiner Lösung helfen wird, die Praxis aber überhaupt durch ihn nichts gewonnen, auch wüßt’ ich nicht, welche Aussichten sie durch ihn gewonnen hätte.

Zunächst zwar bietet sich folgender Gedanke dar. Solange die Sprache noch nicht erfunden war, gab es noch keinen geistigen Verkehr zwischen den Menschen, sie konnten sich nicht miteinander unterhalten, waren wie gegeneinander verschlossene Häuser; wie offen sind sie jetzt gegeneinander; es kommt bloß darauf an, wie offen sie gegeneinander sein wollen. So gab es auch keinen Verkehr zwischen diesseitigen und jenseitigen Geistern, bevor der Spiritismus die Sprachmittel dazu geboten hatte; nun, nachdem es der Fall ist, kommt es schon hie und da vor, daß sich verstorbene Eltern mit ihren zurückgelassenen Kindern unterhalten, jenseitige und diesseitige Freunde einander grüßen, diesseitige Forscher bei jenseitiger Belehrung suchen und finden. Doch ist das erst ein Anfang, sozusagen ein erstes Lallen, weil der ganze Spiritismus noch in seinen Anfängen begriffen ist; wenn aber mit seiner unaufhaltsam fortschreitenden Entwicklung auch die spiritistische Sprache zwischen Diesseits und Jenseits zur gleichen Entwicklung gelangt sein wird, als die heutige menschliche Sprache im Diesseits, so wird auch der Verkehr zwischen diesseitigen und jenseitigen Geistern eben so frei, leicht und entwickelt werden, als er es jetzt zwischen den diesseitigen Geistern ist, und eine bis jetzt noch ungeahnte Bereicherung und Steigerung des Lebens beiderseits daraus hervorgehen.

Und warum nicht das alles, wenn der Spiritismus wirklich ein Geschenk ist, wofür ihn die Spiritisten halten, was einen Fortschritt der Welt bedeutet und verspricht. Anders aber, wenn er eine Abnormität ist, wofür ich ihn halte, deren Wachstum und Entwicklung vielmehr zu fürchten, als zu fördern ist. Hat die Tagesansicht mit ihrem, nur auf das normale Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits gerichteten Blicke recht, so hat der geistige Verkehr dazwischen nicht erst auf die Vermittlung durch ein diesseitiges Medium zu warten, ist vielmehr und war von jeher ein so unmittelbarer, daß der diesseitige Geist für sein Eigentum hält, was zugleich Eigentum des jenseitigen GeistesAus d. Büchl. v. Leb. n. dem Tode S. 8 f.
"Schon während seiner Lebzeiten wächst jeder Mensch mit seinen Wirkungen in andere hinein durch Wort, Beispiel, Schrift und Tat. Schon als Goethe lebte, trugen Millionen Mitlebende Funken seines Geistes in sich, in denen neue Lichter entbrannten, schon als Napoleon lebte, drang seines Geistes Kraft in fast die ganze Mitwelt ein; als beide starben, starben diese Lebenszweige, die sie in die Mitwelt getrieben, nicht mit; bloß die Triebkraft neuer Zweige erlosch; und das Wachstum dieser, von einem Individuum ausgegangenen, in ihrer Gesamtheit. Ein Individuum wieder bildenden, Ausgeburten geschieht jetzt mit einem gleichen inwohnenden, von uns freilich nicht zu erfassenden, Bewußtsein, als früher ihr erstes Hervortreiben. Noch leben ein Goethe, ein Schiller, ein Napoleon, ein Luther unter uns, in uns als selbstbewußte, schon höher als bei ihrem Tode entwickelte, in uns denkende und handelnde, Ideen zeugende und fortentwickelnde Individuen, nicht mehr eingeschlossen in einen engen Leib, sondern ergossen durch die Welt, die sie bei Lebzeiten bildeten, erfreuten, beherrschten, und weit hinausreichend mit ihrem Selbst über die Wirkungen, die wir von ihnen spüren."
ist; und die Zwischeneinschiebung des Medium, anstatt den Verkehr erst zu schaffen, kann ihn nur aus den richtigen Bahnen lenken, und wenn nicht ganz in ein täuschendes Wesen übersetzen, doch mit täuschenden Elementen versetzen, indem das Jenseits durch das fremdartige Mittelglied nicht rein in das Diesseits durchzuscheinen vermag.

"Das größte Beispiel eines mächtigen Geistes, der in der Nachwelt sichtbar fortlebt und fortwirkt, haben wir an Christo. Es ist nicht ein leeres Wort, daß Christus in seinen Bekennern lebe; jeder echte Christ trägt ihn nicht bloß vergleichungsweise, sondern wahrhaft lebendig in sich; jeder ist seiner teilhaftig, der in seinem Sinne handelt und denkt, denn eben nur Christi Geist wirkt in ihm dieses Handeln und Denken. Er hat sich ausgebreitet durch die ganzen Glieder seiner Gemeine und alle hängen durch seinen Geist zusammen, wie die Äpfel durch die Zweige Eines Stammes, wie die Reben eines Weinstocks."

""Denn wie Ein Leib ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder aber Eines Leibes, wiewohl ihrer viele sind, sind sie doch Ein Leib, also auch Christus."" (l. Cor. 12, 12.)

"Aber nicht bloß die größten Geister, sondern jeder tüchtige Mensch erwacht in der folgenden Welt mit einem selbstgeschaffenen, eine Einheit unendlicher geistiger Schöpfungen, Wirkungen, Momente in sich befassenden, Organismus, der einen größeren oder kleineren Umkreis erfüllen und mehr oder weniger Fortentwicklungskraft haben wird, jenachdem der Geist des Menschen selbst bei Lebzeiten weiter und kräftiger um sich griff."
 
  Daß es sich aber wirklich so verhält, dafür kann insbesondere folgende Bemerkung sprechen.

Von vornherein sollte man meinen, die Geister, welche im Spiritismus eine Rolle spielen, müßten von den Zuständen und den Verhältnissen des Jenseits, worin sie leben, auch die sicherste und unzweideutigste Auskunft geben können. Aber faktisch ist das so wenig der Fall, obwohl sie sich durch Klopftöne (l für a, 2 für b usw. gerechnet) Psychographen, Schrift, und unter Umständen selbst direkt durch Rede mitzuteilen vermögen, daß man auch von dieser Seite zu einem sehr natürlichen Zweifel veranlaßt wird, ob man es wirklich mit Geistern des Jenseits zu tun habe, gäben sie sich nicht selbst dafür und wüßte man nur, wofür sie sonst nach Sachlage aller Umstände halten; intelligente Wesen können es doch nach ihren Mitteilungen nur sein. Aber die Anhänger des Spiritismus bekennen wohl selbst, daß auf die zum Teil unbestimmten, zum Teil nichtssagenden, zum Teil widersprechenden und phantastischen Aussagen über die Verhältnisse des Jenseits, die mitunter von den Spirits zu erlangen sind, nichts zu bauenEine vergleichende Zusammenstellung der in dieser Hinsicht vorliegenden Angaben und die Hervorrufung weiterer Angaben mit Berücksichtigung der Einflüsse, welche etwa auf dieselben mitbestimmend einwirken konnten, wäre in spiritistischem Interesse zu wünschen, sollte sie auch zu nichts weiter führen, als die Unsicherheit aller dieser Angaben um so sicherer darzutun., und entschuldigen es meist damit, daß es an sich schwer sein müsse, von einem, dem Diesseits ganz fremden, Zustande klar mit Ausdrücken des Diesseits zu sprechen, außerdem aber die Spirits großenteils gar nicht die Fähigkeit dazu haben möchten, indem sie mit ihrem Übertritt ins Jenseits keineswegs eine höhere Stufe der Intelligenz erstiegen; auch gäbe es selbst genug Lug- und Truggeister unter ihnen, von welchen natürlich nur ihrem Charakter gemäße Angaben zu erhalten. Da man indes doch auch mit den Geistern namhafter Gelehrten, Philosophen und Physiker in Verkehr gewesen sein will, so würde ja nichts gehindert haben, diese recht gründlich nach der Weise ihrer jenseitigen Existenz auszufragen und ihre Angaben durcheinander zu kontrollieren; es ist mir aber nicht bekannt, daß es geschehen ist, oder zu etwas geführt hat; und man sollte doch meinen, daß ein aus dem diesseitigen Zustande erwachsener Zustand, wie es der jenseitige ist, dem diesseitigen nicht so gar fremd sein könnte, um nicht seitens gescheiter Spirits für Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten zwischen beiden Ausdrücke, die dem Diesseits noch verständlich sind, finden zu können.

Meinerseits gestehe ich freilich, daß es mir bei dem, was ich von spiritistischen Mitteilungen überhaupt kenne, meist so erschienen ist, als wenn die Spirits sich irgendwelchen bekannten oder unbekannten Namen anmaßten und die Welt mit Mitteilungen äfften, die sie vielmehr aus dem Diesseits herauslesen, als aus dem Jenseits hineintragen. Denn, wenn schon die, durch das Medium vermittelten, Antworten auf Fragen, die an die Spirits gestellt sind, unzweifelhaft oft viel mehr und andres enthalten, als das Medium wissen konnte, scheinen sie doch im allgemeinen nicht mehr zu enthalten, als der Fragende oder die bei der Sitzung Gegenwärtigen wissen; wenn aber Fragen nach etwas gestellt werden, was diese selbst nicht wissen, ohne daß es an sich schwerer wißbar ist, bleiben die Spirits die Antwort schuldig oder gehen fehl. Derartige Tatsachen liegen jedenfalls wirklich vor, und es gälte die Beobachtungen darüber zu vervielfältigen. Doch sollen allerdings auch mitunter spiritistische Fernsichten vorkommen, die sich nicht durch ein Lesen von Gedanken der diesseits Lebenden oder als eine Komposition daraus erklären lassen würden, und ganz aufs reine ist in der Sache nicht leicht zu kommen.

Hiernach liegt folgender Gedanke nahe. Da die spiritistischen Manifestationen überhaupt nur durch Vermittlung eines diesseitigen Medium zustande kommen, und das Vermögen, in andrer Seelen zu lesen, zu den spiritistischen Vermögen selbst gerechnet wird, so mögen nicht nur Ideen des Medium selbst, sondern auch der an den spiritistischen Sitzungen Mitbeteiligten über das Jenseits sich den Mitteilungen darüber beimischen oder den Hauptinhalt davon bilden, womit man entweder nichts Klares oder Neues erfährt; und selbst das Interesse, was die Spirits an der Förderung des Spiritismus beweisen, läßt sich leicht so deuten, daß das Interesse derer, mit denen sie in den Sitzungen verkehren, sich in den spiritistischen Mitteilungen widerspiegelt. Manche Medien erklären sich geradezu für besessen von diesen oder jenen Geistern; umgekehrt werden diese Geister als vom Medium besessen zu betrachten sein. Wir verglichen das spiritistische Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits mit einer Art Verrücktheit, wie sie im Diesseits selbst vorkommt. Von Verrückten kann man auch nichts Zulängliches über ihren Zustand außer der Verrücktheit und überhaupt keine Wahrheit, auf die Verlaß ist, erfahren.

Endlich ließe sich an folgenden Gesichtspunkt denken. Der Somnambule erinnert sich wohl dessen, was außer seinem Somnambulen Zustande mit ihm vorgeht, doch in den gewöhnlichen Zustand zurückgekehrt nicht dessen, was ihm im Somnambulen begegnet. So könnten Geister des Jenseits, wenn sie abnormerweise in die Verhältnisse des Diesseits zurückkehren, die klare Erinnerung an die jenseitigen Verhältnisse verlieren, hiermit aber um so leichter diesseitigen Ansichten oder Phantasien, in denen solche mitspielen, verfallen; und es spricht hiergegen nicht, daß sie doch bei ihrem Wiedereintritt ins Diesseits Kräfte, welche nicht ins normale Diesseits fallen, fortbehalten, da die Äußerungen solcher Kräfte ebensowenig ins normale Jenseits fallen; denn sonst müßten sie alltäglich sein, sofern das Jenseits ja gar nicht abgesondert vom Diesseits besteht.

Man erspart sich nun freilich alle solche prekär bleibende Vermutungen, wenn man das ganze wüste Wesen des Spiritismus – und etwas andres ist es bisher doch nicht – einfach über Bord wirft, und das kann ja jeder tun, dem es nicht behagt, sich damit zu befassen; nur wird man damit, daß man es subjektiv tut, den Spiritismus objektiv nicht los.

Sollten die Beziehungen, in welchen nach Zöllners scharfsinnigen Betrachtungen gewisse, experimental von ihm genau konstatierte, spiritistische Phänomene zur Annahme einer vierten Raumdimension stehen, wirklich als streng beweisend dafür anzusehen sein, so würde unstreitig auch das jenseitige Dasein mit dieser vierten Dimension und umgekehrt diese mit jenem zu tun haben und sich neue Aussichten damit eröffnen; aber ich halte es noch für zu gewagt, auf eine Diskussion hierüber einzugehen, der sich auch der Vertreter der Ansicht von der vierten Dimension selbst bisher noch entzogen hat. In der Tat dürfte das Gelingen und die zulängliche Deutung einiger für die Frage wichtigen Experimente (Umkehrung linksgedrehter in rechtsgedrehte Formen, Deutung gewisser Wärmephänomene) erst noch abzuwarten sein, um der jetzt noch bestehenden Möglichkeit einer andern Hypothese zur Erklärung derselben Erscheinungen um so wirksamer zu begegnen, einer Hypothese, die jedoch für das Wunder der vierten Raumdimension nur ein andres, fraglich ob wahrscheinlicheres, Wunder in Anspruch nehmen würdeDie aus der Annahme einer vierten Raumdimension so schön im Zusammenhange erklärten Knoten- und Ringversuche sowie Phänomene des Eindringens von Körpern verschlossene Räume und Verschwindens daraus würden nämlich auch von vorübergehender Trennung und Wiedervereinigung materieller Kontinuität, teilweis auch von einer Durchgängigkeit der Materien durcheinander (unter Wärmeerzeugung) abhängig gedacht werden können, indes ich nicht wüßte, wie derartige Erklärungen auf das oben (einschaltungsweise) erwähnte Umkehrungsphänomen anwendbar sein sollten.. Meinerseits gestehe ich, die aus mathematischem wie metaphysischem Gesichtspunkte freilich hochinteressante Frage der vierten Raumdimension für mich selbst bisher weder aprioristisch noch empirisch hinreichend entschieden zu finden, und verzichte daher hier um so lieber auf eine nähere Inbetrachtnahme derselben, als diese Frage weder von den allgemeinen Gesichtspunkten der Tagesansicht aus eine Aufklärung gewinnen, noch ihre Entscheidung im einen oder andern Sinne in die hier aufgestellten Gesichtspunkte dieser Ansicht wesentlich ändernd eingreifen könnte; nur der Spielraum des jenseitigen Daseins würde für sie mit Annahme einer vierten Raumdimension wachsenVorlängst habe ich selbst in der kleinen Schrift: "Vier Paradoxa" (hieraus in Mises "kleinen Schriften"), das Dasein einer vierten Raumdimension vertreten, doch geschah dies mehr scherzweise und unter einer, von der Zöllnerschen abweichenden Form der Hypothese, wonach die vierte Dimension zwar nicht die Zeit selbst vorstellt, aber in der Zeit durchlaufen wird. Es fügt sich aber diese Form der Hypothese keineswegs so wie die Zöllnersche der Erklärung der spiritistischen Phänomene, und ich lege kein Gewicht darauf..

2. Stellung des Spiritismus zur Religion.

Wieviel sich auch im vorigen zu Ungunsten des Charakters spiritistischer Phänomene sagen ließ, so bleibt es nach den Spiritisten ein Hauptverdienst des Spiritismus, den Glauben an die künftige Fortdauer überhaupt nicht nur stützen, sondern selbst erst zwingend begründen zu können. Auch mögen zehn theoretische und praktische Beweisgründe für ein künftiges Leben manchem gegen eine wirkliche Geistererscheinung oder Mitteilung aus der Geisterwelt, oder was er dafür hält, wie zehn Sperlinge auf dem Dache gegen einen in der Hand erscheinen. Und warum sollten Tatsachen der Art, insoweit es Tatsachen sind, nicht in der Frage nach dem Jenseits als Momente dafür mitzählen, wären es nur eben nicht abnorme, nur ausnahmsweise vorkommende, willkürlich nicht herzustellende, daher immer dem Zweifel oder dem Gedanken an einen trüben Quell derselben – und bleibt er nicht nach allem ein trüber! – zugänglich bleibende Fälle, die, anstatt fest darauf fußen zu können, sozusagen selbst aller Anstrengung bedürfen, um festgestellt zu werden. Also habe ich auch mit Fleiß vermieden, eine Stütze des religiösen Glaubens der Tagesansicht darin zu suchen, bedaure vielmehr, daß eine Zeit da ist, für welche eine solche Stütze allerdings noch erwünscht scheint.

Nun macht der Spiritist in dieser Hinsicht als allgemeinen Vorteil des Spiritismus geltend und legt besonderes Gewicht darauf, daß der Spiritismus überhaupt das wirksamste, wenn nicht alleinige, Mittel sei, den überhand genommenen Materialismus aus der Zeit auszutreiben. Aber wenn er dazu helfen kann, wird es doch nur sein, wie eine Arznei gegen ein Übel helfen kann, die als Nahrungsmittel selbst ein Übel wäre, und nicht in den gefunden Lebensgang hinein fortzuführen ist. Der Materialismus widerspricht aller Religion, indem weder von Gott noch Jenseits darin die Rede ist; möchte ihn nun auch der Spiritismus mit handgreiflichen Beweisen für das Jenseits überwinden, so erscheint es doch als ein zweideutiger Vorteil, wenn sich das Jenseits danach unter unzutreffenden, das Diesseits irrenden, Gesichtspunkten darstellt, was faktisch der Fall ist, sofern es spiritistisch aus seinen normalen Verhältnissen dazu heraustritt. Nun werden zwar unstreitig die abnormen Verhältnisse mit den normalen etwas gemein behalten, es fragt sich aber, was und wieviel, und ein sicheres Kriterium beides zu scheiden, liegt nicht vor. Gesetzt man will wissen, was in einem verschlossenen Kabinett, worin geheime Dinge vorgehen, sich begibt und macht ein Loch in das Kabinett, so daß die geheimen Dinge heraus ans Tageslicht kommen, meint man denn, daß sie draußen offen noch ebenso wie drinnen im Geheimen vorgehen und man sicher vom Draußen auf das Drinnen schließen kann, wennschon man sicher daraus schließen kann, daß doch drinnen etwas vorgeht. In der Tat aber begründen die gesamten Manifestationen der, aus dem Jenseits ins Diesseits hineinbeschworenen, Spirits mitsamt ihren Äußerungen über das Jenseits selber, nur wirre Vorstellungen von dem Jenseits, die aller Erbaulichkeit, Klarheit und Festigkeit ermangeln. Und während sie hiermit über das eine Hauptstück der Religion nur einen verwirrenden Schein verbreiten, lassen sie das andre, das oberste, betreffend die Beziehungen des menschlichen zum göttlichen Geiste, ganz im Dunkel. Also wird eine, auf den Spiritismus gebaute, Religion, mag sie auch gar keiner noch vorzuziehen sein, stets nur ein halbes und mehr als halb in der Nachtseite der Dinge wurzelndes Wesen bleiben. Besser doch hiernach, sich einfach gläubig in höchsten und letzten Dingen an die heilige Schrift als an die Schieferschrift der Spirits und ihr handgreifliches Erscheinen zu halten. Wie sich das halbdunkle spiritistische Sitzungszimmer mit einem Medium drinnen, was halb oder gar nicht, bei sich ist, und dem dadurch vermittelten Spuk zur tageshellen Kirche mit dem Prediger auf der Kanzel und dem andächtigen Chorgesange der Gemeinde verhält, so die spiritistische zur christlichen Religion, deren Glaubenssätze in bezug auf höchste und letzte Dinge zugleich die der Tagesansicht sindVgl. Abschnitt VI und VII. Eingehender ist das Verhältnis der Tagesansicht zum Christentum in Zendavesta Abschn. XIII und XXX und in den drei Motiven und Gründen besprochen..

Nun wird auch das dem Spiritismus als Verdienst zugerechnet, daß der Glaube an die Quellen der christlichen Lehre selber dadurch um so sicherer gestellt werde; denn was seien die von Christo verrichteten Wunder und die Erscheinungen desselben nach seinem Tode andres als spiritistische Manifestationen. Durch die Tatsache, daß es noch jetzt solche Manifestationen gebe, werde die Unglaublichkeit von jenen gehoben, und gewinne das Christentum hiermit ein tatsächliches Fundament. Und einstreitig ist ganz allgemein gesprochen kein Grund, die Tatsächlichkeit der christlichen Wunder, um diesen kurzen Ausdruck zu gebrauchen, zu bestreiten, wenn man die der spiritistischen zugestehen muß, und mancher mag wirklich durch den Glauben an letztere zum Glauben an erstere bekehrt werden; nur läßt sich in der Bekehrung zu den christlichen Wundern als zu spiritistischen wieder eine arge Verkehrung sehen. Denn zwischen beiden besteht ein solcher Gegensatz im Charakter, daß es wie Blasphemie erscheint, beide unter dieselbe Rubrik bringen und dem Christentum damit aufhelfen zu wollen, daß man Christus für das begabteste Medium erklärt. Es ist ein Unterschied, wie aus dem Lichte und aus der Nacht geboren, wie abnorm gesteigerte gesunde und abnorm verrückte Kraft. Christus warf sich in Vollbringung seiner Wundertaten nicht unruhig umher, verfiel nicht in volles oder halbes Unbewußtsein, rief nicht fremde Geister herbei, erklärte sich nicht von solchen besessen, nahm nicht Dunkel oder Halbdunkel zu Hilfe, wie unsre Medien heutzutage tun, sondern ging bei hellem Tage als ein gesunder seiner Sinne, seiner geistigen und körperlichen Kraft vollkommen mächtiger, Mann umher und machte gesund. Er hob nicht Tische, warf nicht Stühle um, machte nicht Kunststücke, die sich mit Taschenspielereien verwechseln lassen, ließ sich nicht dafür bezahlen, sondern machte eben gesund mit einer Kraft, die noch kein Medium bewiesen hat. Er ließ nicht Gemeinplätze von Spirits auf Schiefertafeln schreiben, sondern lebendige Worte gingen aus seinem Munde, welche die Welt des Heidentums und Judentums überwunden haben; und wollte man alle während seines Lebens von ihm verrichteten Wunder als historisch nicht hinreichend verbürgt bezweifeln, dies Wunder einer übermenschlichen Wirkung, womit er noch heute nach seinem Tode in die Geschichte hineinragt, läßt sich nicht bezweifeln. Wohl aber läßt sich glauben, daß die kleine Gemeinde seiner Jünger, von der aus sich das Christentum in Zeit und Raum hinein ausgebreitet hat, nicht mit ihm durchs Leben und nach ihm für seine Lehre in den Tod gegangen wäre, ein Paulus nicht aus einem Saulus geworden wäre, wenn nicht wirklich ausnahmsweise wirkende Kräfte und Erscheinungen Christi ihn in ihren Augen beglaubigt hätten; aber es werden in anderm Sinne ausnahmsweise wirkende Kräfte, ausnahmsweise Erscheinungen gewesen sein, als die heut’ im Spiritismus spielen.

In der Tat auch die Erscheinungen Christi nach seinem Tode, wovon die biblischen Erzählungen berichten, lassen sich nicht als spiritistische deuten. Soll Christus ein Medium gewesen sein, so sind es ja nicht die Medien selbst, die nach dem Tode als Geister erscheinen; sie vermitteln bloß die spiritistischen Geistererscheinungen; aber Christus brauchte kein Medium, um nach dem Tode zu erscheinen; er erschien aus eigner Machtvollkommenheit, erschien am hellen Tage, indes, die spiritistischen Geistererscheinungen des Dunkels oder Halbdunkels bedürfen. Glaubt man also an die Erscheinungen Christi nach dem Tode, so kann man doch nicht daran als an Spiritistische glauben; wennschon es immer wahr bleibt, daß die Tatsache der letzteren den Glauben an die ersteren erleichtert.

Hiernach denke ich mir das Verhältnis zwischen den christlichen Wundern, oder sage ich lieber dem Wunder Christi und den Spiritistischen Wundern so, ohne freilich einen ganz klaren und sicheren Ausdruck dafür finden zu können. Aber wer vermag in diesen Dingen überhaupt einen solchen zu finden, wenn er doch nur ein unvollkommenes Einsehen darein hat.

Ausnahmsweise können die Beziehungen, welche normalerweise zwischen Mensch und Gott, Diesseits und Jenseits bestehen, unter Vermittlung durch eine erhabene Persönlichkeit eine, das gewöhnliche Maß übersteigende, Erweiterung und Steigerung erfahren, ohne damit zugleich eine Störung zu erfahren, und hiervon auch Wirkungen abhängen, welche den Kreis gewohnter Wirkungen in einer zugleich dem Diesseits und Jenseits frommenden Weise überschreiten. So mit Christus und seinen Wundern. Ausnahmsweise können aber auch jene Beziehungen unter Vermittlung durch ein Individuum, in dem das normale Gleichgewicht der Kräfte aufgehoben ist, in solcher Weise gestört werden, wie wir es nun eben bei den Medien und den durch sie vermittelten wunderlichen, für Diesseits und Jenseits unstreitig gleich nichtsnutzigen, Manifestationen beobachten. Die Ausnahmen erster Art sind säkulare und von säkularen Folgen, die Ausnahmen zweiter Art Sache einer Laune und Kuriosität des Tages, Christus aber eine Ausnahme über allen Ausnahmen, deren Wesen man ebensowenig nach oben nachkommen kann, als bisher dem Wesen der spiritistischen Ausnahmen nach unten.

Gar manchen Spirits ist nachzurühmen, daß sie, anstatt sich auf mechanischen Spuk einzulassen, die Religiosität dadurch zu fördern suchen, daß sie sich in erbaulichen Betrachtungen, christlichen Ermahnungen, Hinweisen auf Christi Lehre, gerade so wie es unsre Erbauungsbücher tun und als ob sie selbst aus solchen geschöpft hätten, ergehen. Oft sind es freilich nur Salbadereien, deren Quell man nirgends anders als im Geiste des Medium selbst zu suchen braucht. Aber sei es, daß man Betrachtungen jener Art von jenseitigen Geistern abhängig und nur durch das Medium vermittelt halten will, so fragt sich, was wir damit gewinnen, dasselbe, was wir unmittelbar aus Büchern, die jedem zugänglich sind, holen können, aus spiritistischen Sitzungen zu holen. Erfahren wir doch lieber durch jene Spirits, nachdem sie im Jenseits mit Christus und seinen Jüngern in nähere Beziehung getreten sind, etwas Genaueres über deren irdisches Leben, Leiden und Sterben, über die Ursprungs- und Echtheitsverhältnisse der Evangelien und neutestamentlichen Briefe, über die richtige Fassung und Deutung der Parabel vom ungerechten Haushalter usw. Damit wäre etwas Tatsächliches für unsre Erkenntnis gewonnen, und zugleich der Beweis geführt, daß mittelst des Spiritismus überhaupt etwas dafür zu gewinnen ist, den der Spiritismus bisher schuldig blieb. Hat die Tagesansicht recht, so müssen für alle jene und so viel andre historische Fragen die Erkenntniswege im jenseitigen Erinnerungsleben der Geister wirklich offen sein; aber nur denen, die ins Jenseits übergetreten sind, ohne die Möglichkeit, diese Erkenntniswege ins Diesseits zurückzuleiten; und der Spiritismus hat bisher in dieser Hinsicht nichts geändert.

3. Persönliche Bemerkungen.

Zu den bisherigen allgemeinen Betrachtungen über den Spiritismus finde ich mich veranlaßt, zur näheren Motivierung meiner Anerkenntnis seiner Tatsächlichkeit folgende mehr persönliche Bemerkungen zu fügen.

Zöllner hat in dem Berichte, den er in seinen "Wissensch. Abh." von den in Leipzig mit dem amerikanischen Medium Slade abgehaltenen spiritistischen Sitzungen gegeben, außer dem Zeugnisse von W. Weber und Scheibner auch meines Zeugnisses dafür gedacht; und ich entziehe mich diesem Zeugnisse nicht, nur daß es viel weniger weit reicht und sogar für mich selbst weniger ins Gewicht fällt, als das von Zöllner selbst und seinen andern Mitbeobachtern. Ich bin nämlich nur bei ein paar von den ersten jener Sitzungen, die nicht zu den entscheidendsten gehörten, gegenwärtig gewesen, auch das vielmehr nur als Zuschauer, denn als Experimentator, was keineswegs hingereicht haben würde, auch nur für mich selbst, dem Verdacht von Taschenspielerei gegenüber, von durchschlagender Beweiskraft zu sein. Nehme ich aber das, was ich doch selbst gesehen, ohne bei geschärftester Aufmerksamkeit eine Täuschung entdecken zu können, mit den Resultaten fortgesetzter Beobachtungen und wirklicher Experimente meiner wissenschaftlichen Freunde in den späteren Sitzungen und mit denen der englischen Forscher zusammen, nehme ich ferner hinzu, daß dieselben Phänomene, die man hier als Schwindel und Taschenspielerei verdächtigt, anderwärts auch durch Vermittlung von Medien, die jedem Verdacht in dieser Beziehung überhoben waren, von guten Beobachtern konstatiert sind, so übt das einen Zwang der Überzeugung auf mich, dem ich mich nicht zu entziehen vermag, so sehr ich es in betreff gewisser Phänomene auch möchte.

Ja, so unglaublich die spiritistischen Tatsachen von vornherein erscheinen mögen, hieße es doch meines Erachtens, den Glauben an Personen und die Möglichkeit, Tatsachen durch Beobachtungen zu konstatieren, überhaupt aufgeben, hiermit alle Erfahrungswissenschaft preisgeben, wollte man der Masse und dem Gewicht der Zeugnisse, die für die Tatsächlichkeit spiritistischer Phänomene vorliegen, nicht weichen. Ohne die Masse der Stimmen zu berücksichtigen, will ich hier nur von einigen Stimmen sprechen, auf welche Bezug zu nehmen nicht nur mir selbst am nächsten liegt, sondern auch dem Zeitinteresse am meisten entsprechen dürfte.

Wenn man Zöllner, der für Deutschland als Hauptvertreter der Tatsächlichkeit spiritistischer Phänomene gelten kann, so gut als mich, der keine selbständige Autorität als Beobachter in diesem Felde in Anspruch nimmt, aber seine Beobachtungen mit vertritt, für einen Phantasten erklärt, welcher sieht, was er sehen will, so möchte man doch erst zusehen, wo er sich je im Beobachtungsgebiete als solchen bewiesen hat, und ob seine schönen, für die exakte Naturwissenschaften fruchtbaren Erfindungen und Entdeckungen Phantasien sind. Sollte man doch darauf bestehen, die Kühnheit, mit welcher er Schlüsse auf Tatsachen baut, mit schlechter Beobachtung von Tatsachen zu verwechseln, und der Persönlichkeit seiner Kritik, die ich nicht vertreten will, mit Ächtung seiner Person zu begegnen, was heißt Schlag mit Totschlag erwidern, so steht ja das, was er von spiritistischen Tatsachen berichtet hat, nicht bloß auf seiner Autorität, sondern auch auf der Autorität eines Mannes, in dem sich sozusagen der Geist exakter Beobachtung und Schlußweisen verkörpert hat, W. Webers, dessen Ruhm in dieser Beziehung nie eine Anfechtung erfahren hat bis zu dem Momente, wo er für die Tatsächlichkeit spiritistischer Phänomene eintritt. Wenn man ihn aber von diesem Momente an für einen schlechten Beobachter, der sich von einem Taschenspieler hat düpieren lassen oder für einen Phantasten, der sich von einer Voreingenommenheit für mystische Dinge hat verführen lassen, hält, so ist das etwas stark oder vielmehr schwach und dennoch solidarisch mit der Verwerfung seines Zeugnisses. Meinerseits gestehe ich, daß, nachdem er in einer ganzen Folge von Sitzungen zusammen mit Zöllner und zumeist auch Scheibner, einem der Schärfsten und strengsten Mathematiker, den von Slade produzierten Experimenten nicht etwa bloß einfach zugesehen, sondern solche selbst in die Hand genommen und alle Mittel und Maßnahmen dazu in der Hand gehabt, ein Wort seines Zeugnisses für die Tatsächlichkeit der spiritistischen Phänomene mir mehr wiegt, als alles, was seitens solcher dagegen geredet oder geschrieben worden ist, die selbst nichts in diesem Felde gesehen, oder nur einmal so zugesehen haben, wie man Taschenspielern zusieht, und die sich hiernach berechtigt halten, von objektiven Taschenspielereien zu sprechen. Doch ist W. Weber nur einer unter einer Reihe achtbarster Forscher, die nach gleich sorgfältiger Prüfung für die Tatsächlichkeit dieser Phänomene einstehen, gegenüber der Menge solcher, die sozusagen aus der Ferne mit Steinen nach ihnen werfen, d. h. alle möglichen unbestimmten Verdachtsgründe gegen sie häufen, an die sich denken oder auch nach der Sachlage nicht denken läßt, und damit meinen, etwas getan zu haben. Die Oberflächlichkeit in diesem Felde liegt jedenfalls viel mehr auf seiten der Bestreiter als Vertreter des Spiritismus; wobei ich natürlich nur solche Vertreter zähle, die auch außerhalb des Spiritismus zählen. Ja, wäre der Spiritismus eine Verkehrtheit, so wären die Mittel, die man gegen ihn braucht, noch verkehrter; und daß man doch keine besseren gegen ihn findet, spricht selbst dafür, daß es überhaupt keine gegen ihn gibt.

Sonst zieht man Schlüsse nur ans gelungenen Versuchen und verwirft die mißlungenen eben weil sie mißlungen sind; in Beziehung auf den Spiritismus zieht man seitens der Antispiritisten Schlüsse nur aus mißlungenen Versuchen und verwirft die gelungenen, eben weil sie gelungen sind. Wäre der, unter den sicherstellendsten Maßnahmen angestellte Zöllnersche Knotenversuch in Leipzig und Breslau nicht gelungen, so würde man etwas darauf geben; da er gelungen ist, gilt er nichts; aber Taschenspielereien, nach denen ihn jeder nachmachen kann, der das Kunststück kennt, nur nicht unter jenen sicherstellenden Bedingungen, gelten. So mit allen, unter der Hand guter Beobachter gelungenen, Versuchen in diesem Felde. – Sonst untersucht man in einem neuen Beobachtungsfelde, unter welchen Bedingungen die Versuche gelingen; hier schreibt man ihnen die Bedingungen dazu von vornherein vor, und wenn z. B. ein Versuch unter sichernden Vorsichtsmaßregeln im Dunkel oder Halbdunkel gelungen istDaß Dunkel dem Gelingen spiritistischer Versuche günstig ist, darf nicht so sehr befremden, sofern die Störung durch einen diesseitigen Reiz dabei wegfällt; im allgemeinen aber hat sich gezeigt, daß bei einer kräftigeren Wirksamkeit des Medium dieselben Versuche auch im Hellen gelingen, welche bei schwächerer das Dunkel oder Halbdunkel fordern., so gilt er nichts, weil er nicht im Hellen gelungen ist; gelingt er aber unter günstigeren Bedingungen auch im Hellen, so gilt er doch nichts, weit er überhaupt gelungen ist. – Sonst hält man Reife der Erfahrung und des Urteils jeder Untersuchung günstig, hier gilt sie als Altersschwäche, wenn die Untersuchung zugunsten des Spiritismus ausfällt; und Eier halten sich hier für klüger als Hennen. – Sonst sieht man, wenn mit Fingern auf Dinge gewiesen wird, danach hin, ob sie auch da sind; hier hackt man gleich die Finger ab, die danach weisen, so braucht man nicht erst danach zu sehen, und schreibt Abhandlungen darüber, daß nichts zu sehen.

Warum nun schlägt man nicht statt solcher Wege, die in der Tat nur die Ohnmacht, dem Spiritismus beizukommen, beweisen, den einen ein, der allein dazu reichen könnte, d. i. den für den Spiritismus geltend gemachten Beobachtungen endlich wirklich einmal dagegen sprechende entgegenzustellen, die mit gleicher Umsicht, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Unbefangenheit, unter ebenso abgeänderten Umständen, mit nicht professionellen wie mit professionellen Medien angestellt sind, wie die besten der dafür sprechenden. Und gibt es gar nichts der Art? Doch! Nur daß dieser Weg, wo man ihn auch einschlug, vielmehr zur gezwungenen Anerkennung als beabsichtigten Widerlegung des Spiritismus führte. Denn wohl keiner der Physiker, die sich nach eingehender und ernsthafter Untersuchung für den Spiritismus erklärt haben, dürfte von vornherein etwas andres als dessen Widerlegung beabsichtigt haben.

Das Reden und Schreiben gegen den Spiritismus geht seinen Weg und der Spiritismus geht seinen Weg; der erstere Weg aber läuft gar nicht eigentlich gegen den letzteren, sondern bloß nebenher; und durch das Entgegenschreien von da aus läßt sich der Spiritismus im Fortschritt nicht hemmen; das hat sich bisher bewiesen und wird sich ferner beweisen.

Habe ich mich im vorigen der Tatsächlichkeit des Spiritismus angenommen, so geschah es, wie nicht minder aus dem vorigen ersichtlich, nicht aus Sympathie für ihn, sondern weil der Sache und den Personen ihr Recht zu geben ist; denn so gern man den ganzen Spiritismus um jeden Preis beseitigen möchte, ist doch der Preis der Wahrheit dafür zu hoch. Die Tagesansicht kann mit und ohne den Spiritismus bestehen; bestände aber doch lieber ohne als mit demselben; denn, wennschon sie in wichtigen Punkten mit ihm zusammentrifft und hierin eine Stütze suchen könnte, ja wie ich meine, bis zu gewissen Grenzen wirklich darin findet (s. o.), stört er doch mit seinen Abnormitäten nicht nur in sie, sondern das gesamte System unsrer bisherigen Erkenntnisse hinein; und nur eben dadurch weiß ich mich mit seiner Tatsächlichkeit abzufinden, daß ich zugleich diesem seinen abnormen Charakter Rechnung trage, wonach er sich weder in das gesunde Leben selbst noch die Wissenschaft um das gesunde Leben passend einfügt. Nun ist es für den Vertreter der Tagesansicht keine Freude, eine Schattenseite mehr in die Weltrechnung aufnehmen zu müssen. Daß ich mich überhaupt nicht gutwillig mystischen Phänomenen füge, könnte mein Schriftchen "Ueber die letzten Tage der Odlehre" beweisen; inzwischen zähle ich 78 Jahre, habe den Zendavesta und dies Buch geschrieben, was wird es für Gegner, welche den Spiritismus in obiger Weise bestreiten, mehr bedürfen.


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