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Ausklang

Spät ist der Sommer, nun heben, dicht vom Stengel, die Stockrosen ihre Köpfe. Streuen die Malven ihre matten Klänge, rings in die weichen Farben: blasses Gelb, Lila und weiches Rosa.

Als du klopftest, liebe Freundin, da rief der junge Lenz. Als du eintratest durch die schmale Pforte, in meiner Träume Garten, sangen den raschen Schwälblein Narzissen den Willkomm und gelbe Himmelschlüssel. Blau und gut waren deine Augen und deine Tage waren wie die schweren Trauben lichtblauer Glyzenen, tropften hinab zum weichen Teppich: da schritt mein Fuss weich dahin durch sonnenglitzernde Laubengänge –

Und die Schatten fielen. Und in den Nächten stieg die ewige Sünde hinaus aus dem Meer, kam von Süden her, aus der Sandwüsten Glut. Spie weit aus ihren Pesthauch, streute rings in meine Gärten ihrer brünstigen Schönheiten Schleier. Wilde Schwester, da wachte deine heisse Seele, aller Schanden froh, voll aller Gifte. Trank mein Blut, jauchzte und schrie, aus schmerzender Qual und aus küssenden Lüsten.

Zu wilden Pranken wuchsen deiner rosigen Nägel süsse Wunder, die Fanny manikurte, deine kleine Zofe. Zu mächtigen Hauern deiner blanken Zähne leuchtende Milchopale, zu einer Morddirne starrenden Zitzen deiner süssen Kinderbrüstchen schneeweisse Kätzlein. Feurige Vipern zischten deine Goldlocken und aus deinen Augen, sanften Steinaugen, die das Licht brechen wie meines stillen Goldbuddhas leuchtende Sternsaphire, rasten die Blitze, die allen Wahnsinns Fesseln in ihren Gluten schmelzen –

Aber Goldlotos wuchs in meiner Seele Teich, schob sich mit breiten Blättern auf die weite Fläche, deckte der Tiefen graue Wirbel und Strudel. Und die silbernen Tränen, die die Wolke weinte, lagen wie grosse Perlen auf den grünen Blättern, leuchteten durch den Mittag, wie geschliffene Mondsteine. Wo der Akazien blasser Schnee lag, warf Goldregen nun sein giftiges Gelb – da fand ich, Schwesterlein, die grosse Schönheit der keuschen Sünde. Und ich verstand die Lüste der Heiligen.

Vor dem Spiegel sass ich, geliebte Freundin, trank aus dem Spiegel die Ueberfülle deiner Sünden. Wenn du schliefest, am Sommermittage, in dünnem Seidenhemde auf weissem Linnen.

Eine andere warst du, blonde Freundin, wenn die Sonne lachte durch meiner Gärten Pracht – holdes Schwesterlein meiner traumstillen Tage. Und eine ganz andere, blonde Freundin, wenn sie sank im Meere, wenn die grause Finsternis leise kroch aus den Büschen – wilde, sündige Schwester meiner heissen Nächte. Ich aber schaute, bei des lichten Tages Schein, alle Sünde der Nacht, in deiner nackten Schönheit.

Aus dem Spiegel ward mir die Erkenntnis, aus dem alten Spiegel im Goldrahmen, der so manche Spiele der Liebe sah in dem weiten Erkerzimmer im Schlosse von San Costanzo. Aus diesem Spiegel kam mir die Wahrheit, wenn ich aufsah von den Blättern des Lederbandes: süsser als alles ist die keusche Sünde der Unschuld.

 

– Dass es Wesen gibt – keine Tiere – seltsame Wesen, die aus verruchter Lust absurder Gedanken entsprangen – du wirst es nicht leugnen, liebe Freundin, du nicht.

Gut ist das Gesetz, gut alle strenge Norm. Gut ist der Gott, der sie schuf und gut der Mensch, der sie wohl achtet. Der aber ist des Satans Kind, der mit frecher Hand hineingreift in der ewigen Gesetze eherne Fugen.

Der Böse hilft ihm, der ein gewaltiger Herr ist – da mag er schaffen nach eigenem stolzem Willen – wider alle Natur. In alle Himmel ragt sein Werk – und bricht doch zusammen und begräbt im Sturze den frechen Tropf, der es dachte –

 

Nun schrieb ich dir, Schwester, dies Buch. – Alte, längst vergessene Narben riss ich auf, mischte ihr dunkles Blut mit dem hellen und frischen der letzten Qualen: schöne Blüten wachsen aus solchem Boden, den Blut düngt. Sehr wahr, schöne Freundin, ist all das, was ich dir erzählte – doch nahm ich den Spiegel, trank aus seinem Glase der Ereignisse letzte Erkenntnis, früher Erinnerungen ureigenstes Geschehen.

Nimm, Schwester, dies Buch. Nimm es von einem wilden Abenteurer, der ein hochmütiger Narr war – und ein stiller Träumer zugleich –

Von einem, Schwesterlein, der neben dem Leben herlief –

Miramar – Lesina – Brioni

April – Oktober 1911


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