Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel, das zu wissen tut, wie Frank Braun den Geheimrat überredete, Alraune zu schaffen.

Sie sassen im Wagen, Professor ten Brinken und sein Neffe. Sie sprachen nicht. Frank Braun lehnte sich zurück, starrte vor sich hin, tief versunken in seine Gedanken. Still beobachtete ihn der Geheimrat, schielte lauernd zu ihm hinüber.

Kaum eine halbe Stunde dauerte die Fahrt. Sie rollten über die Landstrasse, bogen rechts ein, rappelten über das holprige Pflaster von Lendenich. Dort, mitten im Dorf, lag der grosse Stammsitz der Brinken, ein mächtiger, fast viereckiger Komplex, Garten und Park, und darin, nach der Strasse zu, eine Reihe kleiner unansehnlicher alter Gebäude. Sie bogen um die Ecke, vorbei an dem Schutzpatron des Dorfes, dem heiligen Nepomuk; sein Standbild, geschmückt mit Blumen und zwei ewigen Lämpchen war in eine Ecknische des Herrenhauses eingelassen. Die Pferde standen; ein Diener schloss das innere Tor auf, öffnete den Schlag der Kutsche.

»Bring uns Wein, Aloys,« befahl der Geheimrat, »wir gehen in die Bibliothek.« Er wandte sich zu seinem Neffen. »Willst du hier schlafen, Frank? Oder soll der Kutscher warten?«

Der Student schüttelte den Kopf. »Beides nicht. Ich werde zu Fuss zurückgehen zur Stadt.«

Sie schritten über den Hof, betraten das lange niedere Haus zur rechten Seite. Es war eigentlich nur ein riesiger Saal, dazu ein winziges Vorzimmer und ein paar kleine Nebengelasse. Rings an den Wänden standen die langen, ungeheuren Regale, dicht besetzt mit Tausenden von Bänden. Niedere Glaskasten standen hier und da, voll von römischen Ausgrabungen; viele Gräber waren hier ausgeleert, beraubt um ihre geizig bewahrten Schätze. Den Boden deckten grosse Teppiche; ein paar Schreibtische, Sessel und Sofas standen herum.

Sie traten ein, der Geheimrat warf sein Alräunchen auf den Diwan. Sie brannten die Kerzen an, rückten ein paar Sessel zusammen, setzten sich nieder. Und der Diener entkorkte die staubige Flasche.

»Du kannst gehen,« sagte sein Herr, »aber leg dich nicht nieder; der junge Herr geht wieder und du musst das Tor schliessen.«

– »Nun?« wandte er sich dann seinem Neffen zu.

Frank Braun trank. Er nahm das Wurzelmännchen auf und spielte damit. Es war immer noch ein wenig feucht und schien jetzt fast biegsam zu sein.

»Es gibt sich deutlich genug,« murmelte er. »Da sind die Augen – alle beide. Da quillt die Nase vor und da öffnet sich der Mund. Schau doch, Ohm Jakob, sieht es nicht aus, als ob es grinse? Die Ärmchen sind etwas verkümmert und die Beinchen zusammengewachsen bis zum Knie hinab. Es ist ein seltsames Ding.« Er hielt es hoch, drehte es nach allen Seiten. »Schau dich um, Alräunchen!« rief er. »Hier ist deine neue Heimat. Hier passt du her, zu Herrn Jakob ten Brinken, besser noch als in das Haus der Gontrams.

»Du bist alt,« fuhr er fort, »vierhundert, vielleicht sechshundert Jahre alt und noch mehr. Deinen Vater henkten sie, weil er ein Mordbube war, oder ein Rossdieb, oder auch, weil er Spottverse machte auf irgendeinen grossen Herrn im Panzer oder im Priesterhemd. Einerlei was er tat, er war ein Verbrecher in seiner Zeit, und sie henkten ihn. Da spie er sein letztes Leben hinein in die Erde, zeugte dich, du seltsames Wesen. Und die Mutter Erde empfing dieses Lebewohl des Verbrechers in ihrem fruchtbaren Schoss und geheimnisvoll kreisste sie und gebar – dich. Sie, die Riesige, die Allgewaltige – dich, du armseliges, hässliches Männlein! – – Und sie gruben dich aus, zur Mitternachtstunde, am Kreuzwege, zitternd vor Angst, unter heulenden, kreischenden Beschwörungen. Da sahst du, als du zum ersten Male des Mondes Licht erblicktest, deinen Vater hängen, oben am Galgen: brüchige Knochen und faulige Fleischfetzen. Und sie nahmen dich mit, sie – die ihn aufgeknüpft hatten dort oben: deinen Vater. Dich aber griffen sie, schleppten sie heim: du solltest ihnen Geld bringen ins Haus! Rotes Gold und junge Liebe.

»Sie wussten es gut: du würdest auch Qualen bringen, elende Verzweiflung und am Ende schmählichen Tod. Sie wussten das gut – und gruben dich doch aus, nahmen dich doch mit; tauschten alles gern ein um Liebe und Gold.«

Der Geheimrat sagte: »Du hast eine hübsche Art, das alles zu sehen, mein Junge. – Du bist ein Phantast.«

»Ja,« sagte der Student, »das bin ich wohl. Bin es – so wie du.«

»Wie ich?« lachte der Professor. »Nun ich denke, mein Leben ist real genug dahingelaufen.«

Aber sein Neffe schüttelte den Kopf. »Nein, Ohm Jakob, das ist es nicht. Nur nennst du das schon sehr real – was andere Leute Phantastereien nennen. Denk nur an all deine Experimente! Für dich sind es mehr wie Spielereien, sind es Wege, die vielleicht einmal zu irgendeinem Ziele führen werden. Nie aber, nie wäre ein normaler Mensch auf deine Gedanken gekommen: nur ein Phantast konnte das tun. – Und nur ein wilder Kopf, nur ein Mann, durch dessen Adern ein Blut fliesst, heiss wie das von euch Brinkens, nur der darf es wagen, das zu tun, was du jetzt tun sollst, Ohm Jakob.«

Der Alte unterbrach ihn, unwillig und doch wieder geschmeichelt.

»Du schwärmst, Junge. – Und du weisst ja gar nicht, ob ich überhaupt Lust dazu haben werde, das Geheimnisvolle zu tun, von dem du redest. – Und von dem ich noch immer keine Ahnung habe.«

Aber der Student gab nicht nach; seine Stimme klang hell, zuversichtlich, überzeugungsstark in jeder kleinen Silbe.

»Doch, Ohm Jakob, du wirst es tun. Ich weiss, dass du es tun wirst. – Wirst es schon darum tun, weil es kein anderer kann, weil du der einzige Mensch in der Welt bist, der es vollbringen kann. Gewiss, es gibt noch einige andere Gelehrte, die heute dieselben Versuche machen, mit denen du begannst, die ebenso weit sind wie du, vielleicht viel weiter noch. Aber sie sind normale Menschen, trockene, hölzerne – Männer der Wissenschaft. Sie würden mich auslachen, wenn ich ihnen mit meinen Gedanken käme, würden mich einen Narren schelten. Oder sie würden mich gar zur Türe hinauswerfen, weil ich es wagte, ihnen mit solchen Sachen zu kommen – solchen Gedanken, die sie unsittlich nennen, unmoralisch und verwerflich. Solchen Ideen, die es wagen, dem Schöpfer ins Handwerk zu pfuschen, die aller Natur ein Schnippchen schlagen sollen. Du nicht, Ohm Jakob, du nicht! Du wirst mich nicht auslachen und nicht zur Türe hinauswerfen. Dich wird es reizen, wie es mich reizt: und darum bist du der einzige Mensch, der es kann!«

»Aber was denn, bei allen Göttern?« rief der Geheimrat. »Was denn nur?«

Der Student erhob sich, füllte die beiden Gläser zum Rande. »Stoss an, alter Zauberer,« rief er, »stoss an! Es soll ein neuer junger Wein fliessen aus deinen alten Schläuchen. Stoss an, Ohm Jakob, es lebe – – – dein Kind!« Er stiess an des Onkels Glas, leerte das seine im Zuge und warf es hoch an die Decke. Oben klirrte es – aber lautlos fielen die Scherben hinab auf die schweren Teppiche.

Er rückte seinen Sessel näher heran. »Und nun hör an, Oheim, wie ich's meine. Wirst schon ungeduldig sein über meine langen Einleitungen – – nimm sie mir nicht übel. Sie helfen mir nur, die Gedanken zurechtzudenken, sie zu kneten, sie fasslich zu machen und greifbar.

»So aber fass ich's:

»Du sollst ein Alraunwesen schaffen, Ohm Jakob, sollst diese alte Sage zur Wahrheit machen. Was tut's, ob es Aberglauben ist, mittelalterlicher Gespensterwahn, mystischer Schnickschnack aus uralter Zeit? Du, du machst die alte Lüge zur Wahrheit. Du schaffst sie: sie steht da, klar im Lichte der Tage, greifbar vor aller Welt – – kein dümmster Professor wird sie leugnen dürfen.

»Gib acht, wie du es machen sollst!

»Den Verbrecher, Onkel, wirst du leicht finden. Es ist gleich, denk ich, ob er am Galgen starb und am Kreuzwege. Wir sind fortgeschrittene Leute; der Gefängnishof und unsere Guillotine sind ja viel bequemer. Auch für dich bequemer: dank deiner Verbindungen wirst du es leicht anstellen können, den seltenen Stoff zu bekommen, dem Tode selbst ein neues Leben zu entreissen.

»Und die Erde? – Greif das Symbol heraus, Oheim, das ist: die Fruchtbarkeit. Die Erde ist das Weib, sie nährt den Samen, der ihrem Schosse anvertraut wurde. Nährt ihn, lässt ihn keimen, wachsen, blühen und Früchte tragen. So nimm du das, was fruchtbar ist, wie die Erde selbst – nimm das Weib.

»Aber die Erde ist auch die ewige Metze, sie ist allen dienstbar. Sie ist die ewige Mutter, ist die immer feile Dirne für unendliche Milliarden. Keinem versagt sie den geilen Leib, jeder, der will, mag sie haben. Alles, was Leben hat, befruchtet ihren gebärfreudigen Schoss, durch die Jahrtausende hin.

»Und darum, Ohm Jakob, musst du eine Dirne wählen. Nimm die schamloseste, nimm die frechste von allen, nimm eine, die geboren wurde zur Metze. Nicht eine, die ihr Gewerbe treibt aus Not, eine die der Verführung erlegen ist. O nein, die nicht! Nimm eine, die schon Buhlerin war, als sie gehen lernte, eine, der ihre Schande eine Lust ist und das einzige Leben. Die musst du wählen. Ihr Schoss wird sein wie der der Erde. Du bist reich – o du wirst sie finden. Bist ja kein Schulbub in solchen Dingen, du magst ihr viel Geld geben, sie dir kaufen für deinen Versuch. Und wenn sie die rechte ist, wird sie sich winden vor Lachen, wird dich an ihren fettigen Busen pressen und dich abküssen vor Lust. Weil – du ihr etwas bietest, was ihr kein anderer Mann je bot – vor dir!

»Was dann kommt, weisst du besser als ich. Wirst das ja wohl auch mit Menschen zustande bringen, was du mit Affen machst und mit Meerschweinchen. Bereit sein ist alles, bereit für den Augenblick – in dem deines Mörders Kopf fluchend in den Sack springt!«

Er war aufgesprungen, lehnte sich an den Tisch, sah zu dem Alten hinüber mit starren, eindringlichen Augen. Und der Geheimrat fing seinen Blick, parierte ihn schielend. Wie ein schmutziger krummer Türkensäbel, der sich kreuzt mit schwankem Florett.

»Und dann, Herr Neffe?« sagte er. »Und dann? Wenn das Kind zur Welt kommt? Was dann?«

Der Student zögerte; langsam, tropfend, fielen seine Worte. »Dann – werden wir – ein Zauberwesen haben.« Seine Stimme schwang leise, schmiegsam und klingend, wie Saitentöne. »Dann werden wir sehen – was Wahres ist an der alten Geschichte. Werden hineinschauen können in den tiefsten Bauch der Natur.«

Der Geheimrat öffnete die Lippen, aber Frank Braun fiel ihm ins Wort, ehe er noch sprach. »Dann mag sich zeigen, ob es etwas gibt, irgendein Geheimnisvolles, das stärker ist als alle Gesetze, die wir kennen. Mag sich zeigen, ob es der Mühe wert ist, dies Leben zu leben – – auch für uns.«

»Auch für uns?« wiederholte der Professor.

Frank Braun sagte: »Ja, Ohm Jakob, – auch für uns! Für dich und für mich und die paar hundert Menschen, die – über dem Leben stehn. Und die doch gezwungen sind, die Strassen zu gehen, die alle Herden ziehen.« – Und plötzlich, unvermittelt fuhr er auf: »Ohm Jakob, glaubst du an Gott?«

Der Geheimrat schnalzte ungeduldig die Lippen. »Ob ich an Gott glaube? – – Was soll das hier?«

Aber der Neffe drängte ihn, liess ihn nicht überlegen: »Antworte mir, Ohm Jakob, antworte: glaubst du an Gott?« Er beugte sich nieder zu dem Alten, hielt ihn fest im Blick.

Und der Geheimrat sagte: »Was geht's dich an, Junge? – Mit dem Verstande – – nach alledem, was ich erkannt habe – glaube ich ganz gewiss nicht an einen Gott. Nur mit dem Gefühl – aber das Gefühl ist etwas so Unkontrollierbares, etwas so –«

»Ja, ja, Onkel,« rief der Student, »mit dem Gefühl also –?«

Der Professor wehrte sich noch immer, rückte hin und her in seinem Sessel. »Nun – wenn ich offen sein soll – manchmal – selten genug – in langen Zwischenräumen –«

Da schrie Frank Braun: »Glaubst du – glaubst du an einen Gott!! Oh, ich wusste das wohl. Alle die Brinkens taten es, alle – bis hinab zu dir.« Er warf den Kopf hoch, hob die Lippen und zeigte die blanken Zahnreihen. Und er fuhr fort, jedes Wort hart ausstossend: »Dann wirst du es tun, Ohm Jakob. Dann musst du es tun, und nichts wird dich mehr retten. Denn es ist dir etwas gegeben, was nur einem wird unter aber Millionen Menschen: es ward dir die Möglichkeit – – Gott zu versuchen! Wenn er lebt, dein Gott, so muss er dir Antwort geben auf diese freche Frage!«

Er schwieg, ging mit grossen Schritten hin und wieder durch den langen Saal. Nahm dann seinen Hut auf, trat hin zu dem Alten.

»Gute Nacht, Ohm Jakob.« sagte er. »Wirst du es tun?« Er streckte ihm seine Hand hin.

Aber der Alte sah es nicht. Starrte vor sich hin, brütete. »Ich – ich weiss es nicht,« antwortete er endlich.

Frank Braun nahm das Alräunchen vom Tisch, schob es dem Alten in die Hände. Seine Stimme klang höhnisch und hochmütig. »Da – berat es mit dem da!« Aber dann, im Augenblick, änderte sich der Tonfall. Still sagte er: »Oh, ich weiss es: du wirst es tun.«

Er schritt rasch der Türe zu. Blieb noch einmal stehen. Wandte sich, kam zurück.

»Noch eins, Ohm Jakob! Wenn du es tust – –«

Aber der Geheimrat fuhr auf: »Ich weiss nicht, ob ich's tue.«

»Gut,« sagte der Student. »Ich frage ja nicht darnach. – Nur – für den Fall, dass du es tun solltest – willst du mir etwas versprechen?«

»Was denn?« forschte der Professor.

Er antwortete: »Lade nicht – die Fürstin als Zuschauerin ein!«

»Warum denn nicht?« fragte der Geheimrat.

Und Frank Braun sprach, weich und sehr ernst: »Weil – weil diese Sache zu – heilig ist.«

Dann ging er.

 

Er trat aus dem Haus, schritt über den Hof. Der Diener öffnete das Tor, schloss es dann knarrend hinter ihm. Frank Braun trat auf die Strasse. Blieb stehn vor dem Bilde des Heiligen, schaute es prüfend an.

»O lieber Heiliger,« sagte er, »Blumen bringt man dir und frisches Öl für deine Lämpchen. Aber nicht dies Haus sorgt für dich, das dir Obdach gewährt: hier schätzt man dich höchstens als ein Altertum. Gut für dich, dass das Volk noch baut auf deine Macht.«

Und er sang, leise surrend:

»Johann von Nepomuk,
Retter vor Flutgefahr.
Schütze mein Haus!
Vor Fluten sollst du es hüten,
Lass Wasser anderswo wüten,
Johann von Nepomuk,
Schütze mein Haus!«

»Ach, alter Götze,« fuhr er fort, »du hast es leicht, dies Dorf zu schützen vor Flutgefahr – – seit es dreiviertel Stunden abliegt vom Rhein. Und seit der Rhein so hübsch reguliert ist und zwischen Steinmauern läuft. – Aber versuch es doch, du frommer Nepomuk, dies Haus zu erretten vor der Flut, die nun über ihm zusammenbrechen soll! Sieh, ich liebe dich, steinerner Heiliger, weil du meiner Mutter Schutzpatron bist: Johanna Nepomucena heisst sie – heisst dazu Hubertina, da wird sie nie von einem tollen Hund gebissen. Erinnerst du dich, wie sie zur Welt kam in diesem Hause, an dem Tage, der dir geweiht ist? Darum trägt sie deinen Namen, Johann von Nepomuk! Und weil ich sie liebe, mein Heiliger, will ich dich warnen – um ihretwillen.

»Da drinnen, weisst du, ist heute Nacht ein anderer Heiliger eingezogen – ein recht Unheiliger eigentlich. Ein kleines Männchen, nicht aus Stein, wie du, und nicht schön angezogen im Faltengewande – nur aus Holz ist es und jämmerlich nackt. Aber es ist alt wie du, und älter vielleicht, und man sagt, dass es eine seltsame Macht habe. So versuche es doch, Sankt Nepomuk, beweise deine Kraft! Einer muss fallen von euch, du oder das Männchen: da mag sich entscheiden, wer Herr sein wird über das Haus der Brinken. Zeig nun, mein Heiliger, was du kannst.«

Frank Braun grüsste und schlug ein Kreuz. Lachte kurz auf, zog mit raschen Schritten durch die Gassen. Kam hinaus auf die Felder, sog in vollen Zügen die frische Nachtluft ein, schritt auf die Stadt zu. Dann, in den Alleen, unter den blühenden Kastanien, verlangsamte er seinen Schritt.

Schlenderte träumend, leise summend daher.

Aber plötzlich blieb er stehn, zögerte einen Augenblick, wandte sich. Bog schnell links ab, hinein in den breiten Baumschuler-Weg. Blieb stehen, sah sich um nach beiden Seiten. Schwang sich hinauf auf die niedere Mauer, sprang hinunter an der anderen Seite. Lief durch den stillen Garten auf eine breite rote Villa zu.

Dort blieb er stehn, blickte hinauf, spitzte die Lippen. Und sein wilder kurzer Pfiff jagte durch die Nacht, zweimal, dreimal, rasch nacheinander.

Irgendwo schlug ein Hund an. Über ihm aber öffnete sich leise ein Fenster, zeigte in weissem Nachtkleide eine blonde Frau.

Ihre Stimme flüsterte durch das Dunkel: »Bist du's?«

Und er sagte: »Ja! Ja!«

Sie huschte ins Zimmer, kam gleich wieder zurück. Nahm ihr Taschentuch, band etwas hinein, warf es hinunter.

»Da, Lieber, der Schlüssel! – Aber sei leise – leise! Dass die Eltern nicht aufwachen.«

Frank Braun nahm den Schlüssel auf, stieg die kleine Marmortreppe hinauf. Öffnete die Türe, trat hinein.

Und, während er hinauftappte im Dunkeln, leise und vorsichtig, bewegten sich seine jungen Lippen:

»Johann von Nepomuk,
Retter von Flutgefahr,
Schütz mich vor Lieb!
Lass andere liebestoll werden,
Lass mir die Ruh auf Erden.
Johann von Nepomuk
Schütz mich vor Lieb!«


 << zurück weiter >>