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Der Dombaumeister.

Im Mattenburger Kloster Hessenl. Beschreib., II. Th. 3. Cap. S. 118: »Zunechst über obgedachter Statt Sanct Goar liegt das Schloß und die Festung Rheinfels auf einem hohen Steinfels, welches Graf Diether der Reiche genant, von Catzenelnbogen aus einem Kloster Mattenburg genant, im Jahre 1249 zu einem festen Schloß gemacht.«
Welch' froh bewegte Hast,
Einkehr hat d'rin gehalten
Ein selten hoher Gast,
Auftischt man Fisch und Braten
Herrn Conrad von Hochstaden,
Dem Erzbischof zu Cöln.
Der fuhr mit viel Gefolge
Aufwärts den breiten Rhein,
Zur Wahl des Eppensteiners
Zur Zeit in Mainz zu sein,
Doch ward die Fahrt gehemmet,
Der Rheinstrom eingedämmet
Von treibend Scholleneis.
Was sollte man beginnen?
Es wächst der Fluß und schwillt,
Um zack'ge Felsenklippen
Schäumt Wasser hoch und wild.
Da, von der Noth getrieben,
Ist man allhier geblieben
Im Kloster Mattenburg.
Herrn Conrad hat's gemundet,
Er liebet Pracht und Glanz,
Schlingt purpurn sich ums Leben
Den blüthenreichsten Kranz;
Der Wissenschaft zu nützen,
Die Künste zu beschützen,
Ist sein gesegnet Werk. –
So schweift auch jetzt behaglich
Sein Blick der Halle Rund,
Die Wände sind geschmücket
Mit frommen Bildern bunt,
Und schlanke Säulen ragen,
Die eine Decke tragen,
Kunstvoll in Holz geschnitzt.
Den vollen Humpen vor sich,
Zu Volpert er beginnt:
»Wie doch durch zierlich Kunstwerk
Ein jed' Gemach gewinnt,
Und wie doch Land und Leute
Am meisten durch Gebäude
Ein stattlich Ansehn ha'n!
Das naget mir am Herzen
Und quält mich Tag für Tag,
Was aus dem Cölner Dome
Wohl endlich werden mag;
Von Cöln kann man verlangen
Doch wahrlich ander Prangen
Am edlen Gotteshaus!
Herr Engelbert hat eifrig
Gepredigt schon die Pflicht,
Die Kirche auszubauen,
Doch fruchtete es nicht;
Ich aber will nicht ruhen,
Ich will den Hauptwurf thuen
Und bauen unsern Dom.
Wohl fanden sich schon Mittel
Durch Sammlungen im Land,
Die Kosten eines Neubaus
Zu decken vor der Hand,
Doch klag' ich aller Stunden,
Wenn doch erst wär' gefunden
Der Meister und der Plan!« –
Da rückt auf hohem Sessel
Herr Volpert hin und her,
Streicht sich das Kinn und hüstelt
Und sagt bedeutungsschwer:
»Darf meinen Herrn ich fragen,
Ob's Christen sollen wagen,
Zu trau'n auf Weissagung?«
Herr Conrad stutzt und zögert:
»Schwarzkunst ist Teufelssitt',
Propheten doch schickt Gott uns;
Was soll's? heraus damit!« –
»So laßt Euch Kunde sagen,
Was sich hier zugetragen
In diesem Kloster, Herr!«
Und Volpert winkt verständlich
Dem Sakristane zu:
»Hol' Haderad's Vermächtniß
Aus seiner Nußbaumtruh'.
Will Euch drauf vorbereiten:
Hier lebt' vor läng'ren Zeiten
Ein Mönch, hieß Haderad,
Den man annoch im Lande
Wie einen Heil'gen preist,
Denn groß war seine Tugend
Und mächtiglich sein Geist.
Er führt' das strengste Leben,
Kein'n Frömmern konnt' es geben
Im ganzen deutschen Land.
Oft hatte er schon Worte
In hellem Seherblick
Fürs Kloster ausgesprochen,
Verkündet sein Geschick,
Und in den Mußestunden
Hat man ihn oft befunden,
Daß er vor Plänen saß,
Wie er ein Haus wollt' bauen
Zu seines Herrgotts Ehr':
›Des Glaubens höchstes Denkmal
Uns strahlt von Cöllen her,
Wohl dem, der es vollendet, –
Heil uns! er wird gesendet
Von Gott zur Mattenburg!‹
Und als er kam zum Sterben,
Da rief er: ›Brüder mein,
Ich seh' ein seltsam Bildniß,
Ich blicke auf den Rhein,
Merkt wohl, was ich Euch sage,
Ich schau' in ferne Tage,
Mein Geist fliegt weit voraus …
Wenn einst allhier zum Kloster
Ein Erzbischof kehrt ein,
Dann wird's Zeit der Erfüllung
Für meine Worte sein.
Seht! seht! … Dort auf den Wellen,
Seht Ihr den Glanz, den hellen?
Dort schwimmt Unsterblichkeit!
Es steht ein Mönch im Nachen,
Trägt Ordensfarbe nur,
Ihn bindet an den Himmel
Annoch kein ew'ger Schwur,
Es liegt in Todesschmerzen
Ein Mägdlein ihm am Herzen,
Die trennet nie von ihm! –
Den Kahn, der Beide führet,
Erbaut' nicht Menschenhand,
Der hat sie nicht empfangen
Am heimathlichen Strand,
Hat Ufer nie berühret,
Nie andre Last geführet,
Kein Flecklein weist er auf!
Der Kahn ist nicht gezimmert
Aus Holz und Weidenband,
Nicht Stein, nicht Eisen ist er,
Er strahlet wie Demant!
Und den der Kahn wird bringen,
Dem soll ein Werk gelingen,
Das tausend Jahre steht!
Der wird zu Gottes Ehre
Ein Denkmal richten auf,
Das ragt in Himmels Wolken,
Hoch in die Luft hinauf, –
Heil, Cöllen Dir am Rheine,
Heil, Dom im Strahlenscheine,
Er wird Dein Meister sein!‹ –
Herr Volpert hat geendet,
Starr blickt der Bischof drein,
Man bringt ein Pergamentblatt
In braunem Nußbaumschrein,
Er rollt es auf – da steht es;
Und um die Häupter weht es
Wie überird'scher Hauch.
Da plötzlich klingt vom Fenster
Ein Schrei zum Saal herein:
»Barmherz'ger Gott! o eilet!
O, blickt herab zum Rhein!«
Und hundert Augen schauen,
Erzitternd, voller Grauen
Das Wunder, das sich beut!
»Der Kahn! die Eisesscholle,
Und Mönch und Jungfrau drauf!
Zu Hülfe! eilt hernieder
Und nehmt sie rettend auf!«
Welch' wirres Durcheinander,
Das hastet, rennt und flieht,
Direkt her zu dem Kloster
Das seltne Schifflein zieht.
Hinaus ins Wasser wagen
Die Mönche sich und tragen
Die Gäste an das Land. –
Als Gerhard sich und Guda
Gerettet endlich seh'n,
Da siegt das Fleisch, das schwache,
Die Sinne, sie vergeh'n;
Bewußtlos trägt man Beide
Im sorglichsten Geleite
Empor zur Mattenburg.
Und als sich Conrad neiget,
Zu schau'n den selt'nen Gast,
Das nasse Kleid zu lösen,
Die dunkle Kutte faßt,
Da sinken ihm behende
Zwei Rollen Pergamente
Als stumme Grüße zu.
Er schlägt sie auf: »Allmächt'ger!
Baupläne, köstlich fein!«
Es fluthet um die Blätter
Der gold'ne Sonnenschein
Und taucht in Strahlenwogen
Die hohen Münsterbogen,
Die traumesschöne Pracht.
Die Hände faltet Conrad
Und blickt zum Himmel auf:
»Du selber gießst, o Heiland,
Des Lichtes Segen drauf!
Wach' auf und laß Dich preisen,
Den Haderad verheißen,
Sollst Dombaumeister sein!«


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