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Katz' und Maus.

Einen langen, grauen Schleier
Hat das Himmelsrund, das weite,
Um die Schultern sich geworfen,
Und das blitzende Geschmeide,
Drin sonst so stolz gegleißet,
Sonnenstrahles güldne Spangen
Und das Diadem von Sternen,
Sorglich damit zugehangen.
Fröstelte das weite Erdrund,
Denn der Wind hob seine Schwingen,
Um ein kühles, fremdes Liedlein
Durch den stillen Forst zu singen.
Dunkle Tannen in dem Grunde
Schütteln ernst das Haupt. Es jagen
Ueber ihnen graue Wolken,
Die im Schooß den Regen tragen,
Und es knarrt und pfeift im Astwerk,
Und es streut die wilde Rose
Zitternd ihre Blumenblätter
Nieder zu dem Borkenmoose.
Tief im Wald, vorbei am Abgrund,
Wiesenplan und Waldesschneise,
Zieht der Rennstieg seine tiefen
Ausgewaschnen Fahrstraßgleise;
Wurzelwerk und loses Steinicht,
Gräben auch, und Schlehdornranken
Bauen ihm und seinen Wand'rern
Und der Eile üble Schranken.
Hat schon oft der dicke Kaufherr
Von den hochbepackten Wagen,
Die von Leipzig nach der Mainzstadt
Seinen bunten Tand getragen,
Ein gar wildes Ungewitter
Schwerer Flüche losgelassen
Ob des Wackelns, Schaukelns, Schwankens
Auf 'ner solchen Teufelsgassen;
Hat sich prustend angeklammert
Und gezetert: »Ich verspreche
Sanct Sebastian zwanzig Kerzen,
Wenn ich meinen Hals nicht breche!«
So auch heute. – Meister Gottfried
Saß, das Haupt zur Brust geneiget,
Nachdenklich auf hohem Sitze.
Auf dem planbespannten Wagen
Fuhr er an des Zuges Spitze,
Ihm zur Seite schritt Jung Peter,
Hoch und stramm, der Rosselenker,
Von Natur ein stiller Bursche;
Gottfried nannte ihn »den Denker«,
»Träumer« auch, und »stummer Peter«,
Aergerlich des ew'gen Schweigens, –
Doch zum Reden taugt nicht Jeder!
Jetzo auch sprach er verdrossen:
»Freundchen, ist das Abendzwielicht
Auf die Augen Dir gefallen,
Daß Du, schlafend, selbst vergissest
Deinen Gäulen mal zu knallen?
Oder blieb das Hagelwetter
Mit dem Donnern und dem Blitzen,
Das uns Mittags überraschte,
Lähmend in der Zunge sitzen?«
Peter wandte seinen Flachskopf
Und sprach langsam: »Nichts von Allem,
's ist mir nur zu einer Rede
Just nichts Schlaues eingefallen!« –
»Und wo sind wir?« fragte Gottfried.
»Auf der Höhe! – Gott zu preisen!
Hier den Berg mit freiem Ausblick
Thuen sie den Hirschstein heißen,
In nur wenigen Minuten
Sind wir an der ›hohen Sonnen‹,
An dem Kreuzweg, der verbindet
Liebenstein und Reinhardsbronnen;
Eh' die Nacht herein gebrochen,
Ist auch Eisenach erreichet.«
Und jung Peter knallt den Pferden,
Senkt das blonde Haupt und schweiget.
»Meister Gottfried!« ruft es plötzlich,
Und ein Knecht steht ihm zur Seite:
»Hinter uns, dicht auf den Fersen,
Naht ein ritterlich Geleite,
Wenig Mann nur; an der Spitze
In lang wallendem Gewande
Sprengt herzu gar eine Dame,
Sicherlich von hohem Stande!«
War vom Sitze aufgefahren
Meister Gottfried: »Blut und Eisen!
Fehlte noch, sich mit Gesindel
In der Nacht herum zu schmeißen.
Heda Burschen! Nicht gefackelt,
Faßt die Axt, und an die Posten!
Es gelüstet wohl die Strauchdieb'
Unsre Prügel mal zu kosten?«
Rief's mit Zorn und Löwenstimme,
Daß es weit die Nacht durchhallte,
Doch sein Angesicht ward farblos
Wie der Birkenstamm im Walde,
Und er setzte flugs sich nieder,
Denn er fühlt' die Kniee zittern:
»Sanct Sebastian! zwanzig Kerzen,
Schützt Du mich vor diesen Rittern!«
Peter schüttelt seinen Flachskopf:
»Unbesorgt nur, hier zu Lande
Steht im ganzen Rund kein Raubnest.
Streifte nie Buschklepperbande.
Seht doch! Einer aus dem Zuge
Sprengt an unsere letzten Wagen,
Scheint sich auch nach seinen Mienen
Aeußerst friedlich zu betragen.«
Kaum, daß Peter ausgesprochen,
Hören sie's auch näher traben,
Furchtlos spornt die Edeldame
Ihren Zelter durch den Graben
Und hält jählings neben Gottfried.
»Grüß Euch, Meister!« ruft sie heiter,
»Braucht Ihr wohl auf Euerm Wege
Ein paar friedliche Begleiter?
Gleich wie Euch ist uns die Nacht auch
Plötzlich über'n Hals gekommen,
Und ich dächt', in größrer Anzahl
Möcht' das Reisen besser frommen.
Wir sind hies'ge Edelleute
Von dem Ganschloß Etterwinden,
Wollen bis zum fernen Rheinland
Mühsam unsre Wege finden.
Nella heiß' ich, – Petronella, –
Bin aus adligem Geschlechte,
Die »von Eschwege« genießen
Hier zu Lande große Rechte.
Die Gefährten mir zur Seite
Sind gar biedre Streitcumpane,
Und ich reise unterm Schutze
Des Fuldaer Sakristanes.«
Ueber Meister Gottfrieds Antlitz
Zog es hell wie Morgensonne,
Und der Schrecken war verflogen
In behaglich sichrer Wonne.
»Ei Vieledle!« rief er eifrig,
Und er zwang den feisten Rücken,
Sich zu wiederholten Malen
Vor der holden Frau zu bücken,
»Wer wie ich mit Kram gehandelt
Auf so viel verschiednen Plätzen,
Weiß den Wohlklang Eures Namens
Wohl am freudigsten zu schätzen;
Hat doch jüngstens noch zu Hersfeld
Hans von Eschwege, der Ritter,
Für die tugendsame Hausfrau
Mir gehandelt bunten Flitter,
Schleierlein und blaue Seide,
Und zwei güldne Achselschnallen;
Hoffentlich, gestrenge Dame,
Haben sie Euch wohlgefallen?«
Lachte leise auf die Reit'rin:
»Diesmal habt Ihr Euch verzählet,
Jener Ritter ist mein Oheim,
Ich bin leider unvermählet
Und muß auf solch schöne Gaben
Wohl noch ein paar Jährlein lauern;
Jetzo, eingedenk der Spangen,
Muß ich's wirklich recht bedauern!«
– Meister Gottfried forschte eifrig,
Ob er nicht durchs Abenddunkeln
Könnte schauen ihre Züge
Und der Augen neckisch Funkeln,
Doch die Nacht war gar zu neidisch,
Außerdem fiel leiser Regen,
Und das Fräulein hob den Schleier,
Ihn vors Angesicht zu legen.
Meister Gottfried that von jeher
Zu den art'gen Männern zählen,
Ließ es drum an Schmeicheleien
Und an Galantrie nicht fehlen,
Sprach von Leipzig, seinen Reisen,
Was er hier und dort erlebte,
Was zur Zeit wohl an Gerüchten
Trüglich in den Lüften schwebte;
Und die Reiterin zur Seite
Lauschte ihm mit viel Behagen,
That gar manche kindlich heitre,
Rechte wissensdurst'ge Fragen.
»Seht!« sprach sie, »ich hab' zeitlebens
Still daheim im Schloß gesessen,
Wie es in der Welt rings ausschaut,
Hab' ich wahrlich fast vergessen!«
– Immer dunkler war's geworden,
Dicke Regentropfen fielen,
Und der Wind begann aufs Neue
In dem Waldeslaub zu spielen.
Steil hernieder fiel die Straße,
Und nur mühsam durch der Erde
Schlamm'ge Furchen schwankten vorwärts
Zaumgeleitet die Gefährte.
»Gott sei Dank«! sprach Fräulein Nella,
Bald ist's Schlimmste überstanden,
Und wir werden in dem Thale
Wie an sichrer Küste landen.
Hu! wie fallen die Geschichten
All' mir ein, so die Gesellen
Jüngst im Palas sich erzählten
Von der Landstraß Ueberfällen.
Wisset Meister, solche Strauchdieb',
Die aus lauter Armuth rauben,
Will ich immer noch für besser
Als die Plünderritter glauben!
Solche Herrn, die auf den Burgen
In dem Ueberflusse prassen
Und sich ehrlos noch bereichern
Durch den Raub auf offnen Gassen,
Solche Herrn kann ich als Ritter
Nun und nimmer mehr betrachten,
Kann sie nur als ein Gesindel
Niederigster Art verachten!«
Gottfried nickt und will entgegnen,
Doch ein Holpern ohne Gleichen
Schüttelt ihn auf seinem Sitze
Und benöthigt ihn zu schweigen.
In den Wiesengrund einschwenket
Jetzt der Zug. – Zur linken Seite
Grenzt der Tann ihn, doch zur rechten
Strebet auf das Breitgescheide
Mit der kahlen, steilen Felswand.
Plötzlich knatterts in dem Walde,
Und aus wilden Kehlen donnert's
Furchtbar drohend: »Halte! Halte!«
Und wie aus der Erd' gewachsen
Blitzt es rings von blanken Waffen.
Meister Gottfried fühlt die Glieder
Wie in Todesgraun erschlaffen. –
»Waffâ! Waffâ!« gellt es wieder,
– Kurzes – fürchterliches Ringen –
Hieb auf Hieb – in schnellen Stößen
Schwerter aufeinander klingen!
Doch die Uebermacht, sie sieget,
Und der Zug ist überwunden,
Leicht verletzt nur sind die Knechte,
Nellas Reisige gebunden.
Regungslos auf ihrem Rosse
Starrt das Fräulein, kampfumgellet,
Bis sie mit entsetztem Aufschrei
Fassungslos von dannen schnellet.
Doch umsonst! – Auf ihren Fersen
Folgt ein fremdes Roß dem ihren,
Ueberholt sie, und der Reiter
Läßt es neben ihr pariren,
Fällt ihr in die Zügel, rufet:
»Sorget nicht um Euer Leben,
Keine Schmach soll Euch geschehen,
Wollt Ihr willig Euch ergeben!«
»Willig!« murmelt Nella bitter,
Und mit zornesbleichen Wangen
Schleudert sie die Zügel von sich.
Petronella ist gefangen! –
Wilder braust es durch die Lüfte.
Dichter stürzt der Regen nieder,
Und die Eichenkronen rauschen
Tolle, unheimliche Lieder.
Durch den Wald auf steilem Pfade
Geht's bergan zu dem Gescheide,
Meister Gottfried schreitet zitternd
An des Sakristanes Seite;
Nella aber reitet neben
Ihrem seltsamen Gebieter,
Und sie fühlt es, seine Blicke
Glühen forschend zu ihr nieder,
Wenn der Wind, den Schleier fassend,
Ihr das heiße Antlitz kühlet
Oder in den blonden, langen
Flatternd losen Haaren wühlet.
»Eine Burg auf dem Gescheide?«
Ruft der Mönch, da er sie schauet,
»Wer hat die seit kaum fünf Tagen
Hier an steiler Wand erbauet?«
Keine Antwort. – Rastlos weiter
Strebt man nach der sichern Veste,
Und der Meister murmelt seufzend:
»Komm' ich aus dem Teufelsneste
Heil und mit gesunden Knochen,
Ohne jegliche Gebrechen,
Will ich hundert dicke Kerzen,
Sanct Sebastian, Dir versprechen!«

*

In der Halle, sturmumtobet,
Ist der Zug nun eingekehret,
Und das Aussehn der Besieger
Hat den Schrecken noch gemehret;
Schwarz verkappt' geheimnißvolle,
Hohe, markige Cumpane,
Drängen sich am allermeisten
Um den bleichen Sakristane.
Durch die Thüre tritt der Ritter
Mit geschlossenem Visire,
Nella an der Hand, er hob sie
Schweigend erst von ihrem Thiere
Und geleitet sie fein sittig,
Ganz wie altgewohnte Sache,
Durch die Halle nach dem kleinen,
Wohnlich schauenden Gemache.
»Setzt Euch nieder, Edle!« spricht er,
»Und dankt mir's beim Saft der Rebe,
Daß ich Euch bei solchem Wetter
Hier ein gastlich Obdach gebe.
Hört Ihr wohl den Sturm und Regen
Auf dem Dache wiederklingen?
Wunderlich, daß oft zum besten
Man die Leute noch muß zwingen!«
Leise lacht er, Nella deucht es
Gar wie Hohn in seiner Stimme,
Und sie ballt die kleinen Hände
Wider ihn in trotz'gem Grimme:
»Also spottend wird geladen
Wohl die Maus erst von der Katze,
Ehe sie zum gier'gen Fange
Hebt die hinterlist'ge Tatze?
Hüte Dich, Du kecker Räuber!
Ich bin nicht so schwach, wie Jene,
Und ich zeige erst der Katze
Kampfesmuthig meine Zähne!«
Zu der Thür zurückgetreten
War schon Robert, jetzo wandte
Er das Haupt so schnell zu Nella,
Als ob Zaubermacht ihn bannte;
Sah die rothen Kienbrandlichter
Zuckend um ihr Antlitz wehen,
Um dies stolze, süße Antlitz,
Wie er keins zuvor gesehen.
War ihm unbekannt am Weibe
Dieses trotzig kühne streiten,
Als Gefangne noch den Faden
Der Versöhnung durchzuschneiden.
»Bravo!« rief er jäh entgegen,
» Katz' und Maus! ich laß es gelten,
Und ich werd' im Augenblicke
Mich zum holden Zweikampf melden!
Jetzt vergebt mir, wenn ich scheide,
Bald kehr' ich zurück zum Platze,
Und dann komm', Du kleines Mäuslein,
Wag' den Kampf mit Deiner Katze!«
Und die Thüre schloß sich knarrend.
Stolz und bleich, hoch aufgerichtet
Blickt ihm nach die Edeldame,
Und was je ihr Geist erdichtet,
Was sie je von schroffen Bildern
Wilden Hasses mochte träumen,
Jetzt begann's mit heißem Blute
Zügellos empor zu schäumen.
Aller Trotz, der ihr zu eigen,
Das Bewußtsein der hülflosen
Lage, drin sie jetzt befangen,
Wuchs empor zum riesengroßen
Zorne gegen jenen Räuber.
Ihre blauen Augen flammen,
Purpurn leuchten ihre Wangen,
Fiebernd müssen ihre Blicke
Immer an der Thüre hangen;
Und sie hört, wie in der Halle
Laut des Ritters Worte klingen,
Wie sie heiter, voller Wohlklang
Immer wieder zu ihr dringen.
Und jetzt jubeln viele Stimmen,
Fässer rollen, Becher klingen;
Und jetzt hat die Diebes-Horde
Gar zu singen angefangen!
Endlich öffnet sich die Thüre,
Wieder steht er auf der Schwelle,
Hoch und stattlich wie ein Kaiser,
Dieser freche Raubgeselle.
»Nun? habt Ihr die fette Beute
Jetzt getheilt mit den Collegen?
War wohl heut ein guter Fischzug?«
Höhnet Nella ihm entgegen;
Und der Ritter setzt sich lachend
Gegenüber ihr am Tische:
»Habt ganz recht! in meinem Netze
Zappeln heute seltne Fische;
Doch Ihr wißt, als liebste Beute
Schleppt die Katze in ihr Häuslein,
Stets das kleine, sammetweiche,
Bitterböse Jungfer Mäuslein.
Fische sind zu stumme Gäste,
Doch des Mäuschens zornig Fauchen
Kann ich just am allerbesten
Hier zu meiner Kurzweil brauchen!«
»Mich zur Kurzweil'?!« – Nella ruft es
Athemlos in bleichem Zorne,
Und sein lustig Lachen wird ihr
Und dem Hasse noch zum Sporne;
»Wenn Ihr Kampf auf Tod und Leben
Kurzweil nennt, mag sie Euch werden!
Habe Niemand noch so glühend,
So gehaßt wie Euch im Leben!
Glaubt Ihr mich gar einzuschüchtern,
Weil ich hülflos hier gefangen?
Nella Eschwege wird niemals
Vor dem Straßenräuber bangen;
Kann sich auch die Maus nicht wehren
In des Feinds gewalt'ger Tatze,
Kann sie doch mit letztem Seufzer
Noch verfluchen diese Katze!«
– »Puh, wie schrecklich!« schaudert Robert,
»Solche Maus – beim heil'gen Vater –
Muß ja fürchterlich verblüffen
Selbst den muthigsten der Kater.
Also hassen thut Ihr – hassen?
Dann hält's schwer, versöhnt zu werden,
Ich hingegen – hört! – ich liebte
Niemals noch ein Weib auf Erden,
Weil mir keines noch gefallen;
Mäuslein aber, das empörte,
Das gefällt mir nun vor allen,
Und drum laßt den Ausweg finden:
Als miraculum auf Erden,
Soll das Mäuslein seiner Katze
Minnigliche Hausfrau werden!«
– »Eure Hausfrau?!« keine Sylbe
Weiter konnt' die Lippe beben,
Aber dafür haben Nellas
Augen Antwort ihm gegeben.
»Dieser Antrag überrascht Euch?
Zeit ist gut bei allen Dingen,
Mögt mir später Eure Antwort,
Euer Jawort selber bringen!«
Gellend auf lacht Petronella,
»Jawort«! keuchet sie im Grimme.
Robert aber tritt schnell näher,
Und er spricht mit leiser Stimme,
Diesem weichen Flüsterlaute,
Der so überzeugend klinget
Und wie giftig Blumenduften
Mächtig durch die Seele dringet:
»Hörtet Ihr wohl je das Märlein
Von der Katz' und Maus, Vielholde?
Zwei gewalt'ge Hexenmeister
Hat die Katze in dem Solde:
Ihre grünen, wunderlichen
Augen sind es, die mit langen
Regungslosen Zauberblicken
Unrettbar die Seele fangen.
In die grünen Räthselaugen
Starrt die Maus … kann nicht vom Platze …
Wie gebannt, in ihr Verhängniß
Taumelt sie, ans Herz der Katze.
Merkt's Euch, Fräulein! – Euch zu zwingen
Stehet nicht in meinem Sinne,
Ganz von selber sollt Ihr kommen,
Durch den Zauberbann der Minne;
Und bis zu dem Wiedersehen
Lebet wohl und zieht von dannen,
Draußen harret Euer Rößlein,
Harren wohlgemuth die Mannen.
Ja, ich lieb' Euch, Petronella,
Doch halt' ich Euch nicht zurücke,
Weiß es ja, Ihr werdet kehren
Einst zu meinem, Euerm Glücke!
Dann wird vor des Straßenräubers
Schlößlein nimmermehr Euch bangen,
Und das Mäuslein giebt von selber
Seiner Katze sich gefangen!«
Nella steht und blickt und blicket
Stumm in seines Auges Flammen,
Die durch das Visir sie treffen,
Und sie schaudert jäh zusammen,
Und sie schrickt vor ihm zurücke,
Und wie sich die Hände ballen,
Ist der kleine, weiche Handschuh
Ihrer Rechten schnell entfallen.
Robert neigt sich, reicht zurück ihn,
Und er lacht: »Gilt's Frieden, Süße?«
Nella aber schleudert wortlos
Ihm den Handschuh vor die Füße.

Gleich dem Zuge wilder Schwäne,
Die auf rastlos schneller Schwinge,
Wie ein Schatten durch die Luft zieh'n,
Ist das Wolkenheer zerstoben,
Und durch seine letzten, dünnen
Nebelhaften Regenschleier
Hat der Vollmond seiner Strahlen
Mildes Silberlicht gewoben.
Aus dem regenfeuchten Grase
Steigt empor ein süßes Duften,
Tausend jung erschloss'ne Kräuter
Baden sich in klaren Perlen,
Die aufs neue stets ein Lüftchen
Von den Zweigen niederschüttelt.
In dem Fichtenwalde streift ein
Wonnenvoller, kräftig herber
Harzgeruch, es rinnen langsam
Tropfen an den Bärten nieder,
Welche grün vom starren Ast wehn
Und den moos'gen Stamm umschmeicheln.
Ruhe athmet's von den Bergen,
Selten nur, daß eine leise
Vogelstimme Antwort locket.
Schweigend, wie in tiefem Traume,
Ritt zu Thale Petronella,
Neben ihr Schritt düster sinnend,
Furchtbar ernst der fromme Pater,
Während laut und voll Begeist'rung
Rings umher die Knechte schwatzten
Und solch' Aventiure priesen,
Die so ernst begonnen hatte,
Um so weinesfroh zu enden.
Nur der Meister schritt noch sorgend
Hastig nieder zu der Eb'ne,
Schüttelte das Haupt und traute
Noch so recht nicht diesem Frieden.
Hatte auch der fremde Ritter
Auf sein Ehrenwort versichert,
Daß er nur die anvertrauten
Brieflein, die der Meister Gottfried
Auf der Reise mit sich führe,
Wünsche jetzo ausgeliefert,
Und daß seine reichen Waaren
Wohlbehütet in dem Thale
Auf des Kaufherrn Rückkehr warten,
Schien ihm doch der Handel mißlich
Und auch gar nicht so recht glaublich;
Ehrenwort und Plünderritter
Paßten ihm nicht recht zusammen.
Da er aber auf der Fahrstraß'
Unberührt die Wagen vorfand
Und sich eiligst überzeugte,
Daß auch nicht ein Strohhalm fehlte,
Ja, da faßte er des Fräuleins
Kalte Hand und rief laut jauchzend:
»Blut und Eisen, solch' ein Wunder!
Hab' doch Vieles schon erfahren,
Solch' ein Raubnest aber niemals,
Selbst im Märlein nicht, getroffen!
Könnt Ihr mir solch' Räthsel lösen?
Oder hab' ich's nur geträumet,
Oder ist die Burg da oben
Selber gar ein großes Räthsel,
D'rüber sich vielleicht noch höh're
Leute ihren Kopf zerbrechen?
Fräulein! Fräulein, ja es deucht mir,
Daß wir hier in keinem Raubnest
Von gemeiner Art gewesen!«
Petronella starrte wortkarg
Noch einmal empor zur Neste,
Biß die Zähne fest zusammen,
Lachte höhnisch, nahm die Gerte
Und trieb jählings an den Zelter.
»Vorwärts«, rief sie, »vorwärts, Burschen,
Graden Wegs empor zur Wartburg!« –
Wieder war ein Tag vergangen.
Frau Sophia, Heinrichs Mutter,
Von Brabant die edle Fürstin,
Saß im Erker, und sie stützte
Sorgenvoll das ernste Antlitz
In die Hand und schaute prüfend
Nieder auf die blauen Berge,
Deren einen, wie durch Zauber
Ueber Nacht ein Schloß gekrönet.
Und sie krauste ihre weiße,
Kluge Stirn und sprach voll Unmuths:
»Also gar ein Raubnest ist es?
Unerhört wär' solche Frechheit,
Und die Milde hier Verbrechen
An der Sicherheit des Landes.
Redet weiter, frommer Vater,
Hat man Euern Zug beraubet?«
Tief verneigte sich der Alte,
Und mit einem Blick auf Nella,
Die an Frau Sophias Seite
Unverwandt auf das Gescheide
Starrte, dessen Wunder-Veste,
Grell vom Abendroth beschienen,
Aussah als stünd sie in Flammen,
Fuhr er fort ihr zu erzählen
Von dem wunderlichen Ritter,
Der verkappt, wie die Gesellen,
Von des Krämers buntem Tande
Nichts begehrt, als nur die Brieflein,
Die der Meister bei sich führte,
Wie er ihm mit frecher Kühnheit
Von der Brust die Pergamente
Stahl, darauf Frau Margaretha
Ihren letzten Willen aufschrieb.
Theilnahmsvoll hört's Frau Sophia,
Sinnet ernst und spricht am Ende:
»In dem Volksmund heißt's vom Schlößlein,
Das auf räthselhafte Weise
In nur einer Nacht erbaut ward,
Daß es sei ein Werk des Satans.
Doch nach allen Euern Reden
Glaub ich fast, daß diese Veste
Nicht nur Lust am Raube baute!
Jedenfalls nicht dulden werd' ich,
Daß zum Schrecken dieses Landes
Solch' ein Zauberwerk bestehe;
Und ich will dem Breitgescheide
Seine Krone just so plötzlich
Wieder von dem Scheitel reißen,
Wie es sich mit ihr geschmücket.
Jungfrau Nella, könnt Ihr mir wohl
Näh'res von dem Ritter sagen?«
Tief betroffen schaute Nella
In der Fürstin prüfend Auge,
Und mit ihren weißen Zähnchen
Heftig an der Lippe nagend,
Senkte rathlos sie die Blicke,
Unentschlossen und umwölket
Streiften sie das Fußgetäfel,
Während Wiederschein der Sonne
Ihr die Wangen und das Blondhaar
Rosenroth und goldig säumten.
Endlich sprach sie in dem Tone
Eines schwer gereizten Weibes:
»Gnäd'ge Frau, soll ich Euch künden,
Wie mich jener Mann gekränkt hat,
So versprecht mir bei den Heil'gen,
Daß es bleib' bei Euch verschlossen
Als ein lebenslang Geheimniß!
Viel zu stolz ist Petronella,
Durch die Keckheit dieses Räubers
In der Leute Mund zu kommen,
Viel zu stolz, um ihren Namen
Wenn auch nur durch die Erzählung
Mit dem seinen zu verbinden!«
Und darauf verkündet Nella
Von des schwarzen Ritters Antrag,
Wie er sie im Uebermuthe
Zu der Hausfrau sich erküret,
Wie er gar verlangt, sie solle
Selber ihm das Jawort bringen.
Aber mit dem Zwiegespräche
Von der Katz' und Maus, da hielt sie
Vorsorglich noch hinterm Berge,
Wußte selbst nicht recht die Ursach,
Daß sie's so geheim wollt' halten. –
War der Sakristan von Fulda
Eifersvoll herzugetreten,
Und er blickt mit list'gen Augen
Forschend in der Jungfrau Antlitz.
»Nella«, sprach er, »jener Ritter
Ist in Eure Hand gegeben;
Hat er Euch sein Herz geschenket,
Wird er's sicherlich versuchen,
Baldigst Euern Weg zu kreuzen.
Höret d'rum, was ich Euch sage:
Jenen Mann sollt Ihr entlarven
Und des Gaudiebs Namen künden
Mir und auch dem Abt zu Fulda;
Hier aufs heil'ge Kreuz beschwört es,
So zu thun nach meinem Worte.«
Regungslos stand Petronella,
Starrte auf das dargebotne
Cruzifix des Sakristanes,
Und – war's nur das Licht der Sonne? –
Heißer glühten ihre Wangen.
»Ei, was zaudert Ihr, Jungfräulein?«
Lächelte Sophie und drohte
Scherzend mit erhobnem Finger,
»Ist am Ende jener schwarze
Ritter auf der Teufels-Veste
Doch nicht lang' mehr ohne Hausfrau?«
Wie von gift'gem Dolch getroffen
Zuckte Nella auf vom Sinnen,
Und mit zornentflammtem Auge,
Drinnen Thränen der Empörung
Blitzten, hob die Hand sie jählings,
Legte auf das Kreuz sie nieder
Und sprach kalt und stolz: »Ich schwöre«. –

In Johannis Klosterhofe
Scharrte ungeduldig Roberts
Roß, dieweil er selber
In behaglichem Geplauder
Bei dem Abte noch verweilte.
Wunfried hielt die Pergamente
Siegesfreudig in der Rechten,
Trat zum offenen Kamine,
Drin ein kleiner Holzstoß flammte,
Und er warf die kleinen Fetzen
Des zerrißnen Testamentes
Voller Vorsicht in die Gluth.
Alles, was da blieb, war Asche,
War ein kleines Häuflein Asche,
Und doch Schloß es viele Hufen
Reichsten Klostersegens in sich.
»so war dies die einz'ge Beute,
Die Ihr machtet, Junker Robert?«
Der Gefragte blickte schalkhaft
In des Abtes forschend Auge,
Machte dennoch eine Geste
Mit der Hand und zuckt' die Schultern,
So wie Einer, um den's schlecht steht,
Und sprach: »Dies die einz'ge Beute!
Aber freilich, Abt Wunfriedus,
Ist sie hoch genug erkaufet,
Und in seltne Gegensätze
Seht Ihr mich anitzt verwickelt:
Wollte keck den Räuber spielen
Und bin selber der Beraubte,
Wollte fangen und besiegen,
Ach, und fühl' in schweren Ketten
Selbst mich elend jetzt gefangen!«
»Wie? … sprich deutlicher!« rief Wunfried.
»Deutlicher! Wohlan so höret!
In den Netzen, die ich stellte,
Einen list'gen Wolf zu knebeln,
Fing sich plötzlich mir zum Staunen
Klein und grau ein Mäuschen ein,
Das mit nagend scharfen Zähnen,
Eh' ich's dacht', die Fäden durchbiß
Und von dannen floh. Und als ich
Ganz verwirrt dem holden Flüchtling
Nachsah, merkt' ich gar zum Schrecken,
Daß dies diebisch kecke Mäuslein
Noch aufs ärgste mich bestohlen:
Dieses hier, Abt Wunfried, schauet!«
Und der Ritter legte lächelnd
Auf das Herz die Hand und seufzte.
– »Das ging schnell, bei meiner Seele!
Wart doch sonst so kühl und nüchtern,
Daß Euch nie ein Weib verwirrte –«
– »Nein, noch nie! denn jener Weiber
Ewig einerlei Gebahren,
Diese schüchtern, sittsam ernsten
Ewig stummen Edelfräulein,
Eine wie die Andre, Oheim,
Nein, die konnten mich nicht reizen.
Doch das Mäuslein mit den scharfen
Zähnen und der scharfen Zunge,
Die so gröblich mich behandelt,
Wie's ein Raubgesell verdienet,
Aber niemals noch erfahren,
Die ist just nach meinem Sinne;
Und ich schwör's bei meiner Ehre,
Sie wird mein! – Doch laßt's genug sein,
Wundert Euch nicht meiner Rede,
Wisst, der »tolle« Junker spricht sie.
Hier die andern Brieflein. – Prüft sie,
Sind aus Meister Gottfrieds Sacke.«
Eifrig griff nach ihnen Wunfried,
Neigte sich und las und las sie;
Endlich zuckt er auf vor Schrecken,
Ließ die Pergamente sinken
Und starrt' sprachlos in die Flammen.
»Also war's vergeblich – – Alles!«
Murmelt er mit bleichen Wangen.
– »Was? was ist vergeblich, Oheim?«
»Graf von Eppstein ist der Schlinge,
Ist der Holzenburg entkommen,
Hier dies Brieflein bringt die Kunde
An das Sanct Kartäuser Kloster,
Daß statt über Eisenach er
Hat den Weg nach Cöln genommen.«
Und des Abtes Hände knittern
Aufgeregt das Unglücksschreiben,
Um es mit gepreßten Lippen
Noch einmal zu überlesen.
»Hol's der Teufel!« wettert Robert,
»Der Gesell muß hohe Gönner
Bei den lieben Heil'gen haben,
Daß sie also ihn beschirmen!«
Finster blickt der Abt: »so wäre
Denn die Frist schon abgelaufen,
Die der Holzenburg gesetzet,
Mag sie heute Nacht verschwinden
Just so spurlos und so heimlich,
Wie sie aus dem Fels gewachsen!«
»Daran thut Ihr wohl, Herr Oheim,
Heute schon hat Frau Sophia
Einen Boten mir gesendet,
Schleunigst mein Visir zu lüften
Oder ihren Zorn zu fürchten;
Jener Sakristan von Fulda
Hat, bei Gott, nicht schlecht gezetert!
Außerdem, Herr Abt Wunfriedus,
Braucht man meiner in der Heimath;
Hat der rothe Fuchs von Beilstein
Gestern Nacht, wie man mir meldet,
Meinen Mittelstein befehdet,
Und mit vieler Noth und Mühe
Ist sein Angriff abgeschlagen.
Solche Art nimmt mich nicht Wunder,
Feig und schlau, so liebt's der Beilstein.
Aber in den Fingern zuckt's mir,
Diesem hinterlist'gen Burschen
Offen jetzt Bescheid zu geben;
Hüte Dich, Du kleines Treffurt!«
Wunfried war zerstreut; er nickte
Nur und sprach: »so ziehet
Denn in Gottes Namen, Robert,
Eure Schuld ist abgetragen!« –
Robert griff zu Schwert und Helme
Und nahm Abschied. Auf der Schwelle
Hielt der Abt ihn auf und blickte
Warnend nochmals ihm ins Auge:
»Hüte Dich, mein Sohn, und wahre
Nun vor allem das Geheimniß!
Denn gar schwere Folgen hätt' es,
Deinen Namen zu entdecken,
Blut'ge Fehde, Haß und Zwiespalt,
Wie für Dich, so für das Kloster.
Und vor allem, Robert, hüte
Dich vor jenem kleinen Mäuslein!
Seine weißen, scharfen Zähne
Schneiden Dir ins Mark des Lebens,
Fliehe vor ihm, Robert, – fliehe!«
– »Vor der Maus die Katze fliehen?«
Auf des Frankensteiners Schulter
Legte Wunfried schwer die Rechte:
»Lache nicht! es hat ein Mäuslein
Andre Gegner schon besieget,
Als wie blindverliebte Katzen.
Kennst Du nicht das Märlein, Robert,
Wie ein Löwe ward bezwungen
Und besieget durch ein Mäuslein?
Jener königliche Streiter
Baute zu fest auf die Stärke
Und die Macht in seinen Tatzen,
Siegesmuthig wollt' er spotten
Seines kleinen Zwergengegners.
Aber sieh, das schlaue Mäuslein
Schlüpft dem Starken in die Ohren,
Und von wildem Schmerz bezwungen,
Lag der Thiere König, flehte
Machtlos an das kluge Mäuschen.
Und darum merk' auf, mein Robert,
Nimm ein Beispiel an der Fabel!
Nicht ins Ohr kriecht Dir Dein Mäuslein,
Aber schlimmer noch, – im Herzen
Wird der Gegner sich einnisten,
Wird die Sinne Dir berücken,
Dich in wilde Qualen stürzen,
Bis Du matt und sterbenselend
Deinem Feind zu Füßen sinkest.
Fliehe! – flieh' dies Mäuslein, Katze!«
Robert hört's und nickt und lächelt,
»Lebe wohl!« ruft er und schwingt sich
Ungestüm auf seinen Renner.


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