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Die Werra-Fuhrt.

Das war ein wildes Rennen
Zu Treffurt auf dem Schloß,
Das Dach, die Balken brennen,
Es stürmt der Feinde Troß.
Der Junker Beilstein hebt die Faust
In wildem Fluch. Es kracht und saust,
Es bersten Schloß und Riegel;
Die Flamme loht zum Himmel auf,
Es wettert an den Wällen,
Die Schwerter klirren wild im Hauf,
Manch stolzen Wuchs zu fällen.
Dem Frankensteiner Leuen droht
Gar oftmals bitt're Todesnoth,
Er brüllt aus blut'gem Rachen;
Doch kühn gereckt, zum Sprung gestreckt,
Hebt furchtbar er die Pranken,
Und wo sein Flammenathem weht,
Muß Feind und Mauer wanken.
Dem Fuchs entwindet er das Beil,
Das Wappen birst. – Heil, Leue, Heil!
Du hast den Sieg behalten! –
Das Angstgeschrei durchgellt das Rund,
Die Weiber auf den Knieen,
Sie jammern laut mit bleichem Mund:
»Wohin, wohin entfliehen?!«
Einbricht der Feind; an Wunden schwer,
Noch in der Brust den scharfen Speer,
Sinkt Henno bleich zusammen.
Der Frankensteiner bei ihm kniet
Und hält ihn in den Armen,
Den stahl er aus der Wunde zieht
In christlichem Erbarmen
Und rufet laut: »Den Kampf stellt ein,
Kein Mann mehr soll gefället sein,
Vor allem schont die Weiber;
Doch keiner weiche aus dem Schloß,
Sperrt sorglich alle Thüren!«
Und langsam wendet er das Roß,
Den Beilstein fortzuführen. –
Da schreitet aus der Halle Thor
Ein ernster, kleiner Zug hervor,
Sie leiten einen Kranken;
Es ist ein Jüngling bleich und schlank,
Sein Antlitz dicht verbunden.
»Ein Klosterschüler – todeskrank,
Wird nimmermehr gesunden;
Vergönnt, o Herr, daß er entweicht,
Ein schirmend Obdach bald erreicht,«
Ruft flehend sein Gefährte.
Der Frankensteiner schaut sich um,
– Er steht in tiefem Schatten –
Er nicket flüchtig, winket stumm,
Den Auszug zu gestatten.
Den Kranken hebt man auf ein Roß,
Zu Pferd auch steigt sein Kampfgenoß,
Und langsam sie entschwinden.
Und Ruhe wird es allgemach;
Im Hofe hingestrecket
Ruht Freund und Feind, – noch brennt das Dach,
Von Flammen rings umlecket.
Zur Mägdeschaar tritt Frankenstein:
»War jüngst nicht hier ein Jungfräulein
Zum Burgfried eingekehret?«
»Sie war es, Herr, und bis zur Stund'
Hat sie bei uns geweilet,
Doch wo sie blieb? Nicht ward's uns kund,
Vielleicht ist sie enteilet.«
Da zuckt's ihm plötzlich durch den Sinn,
Hell lacht er auf: »Narr, der ich bin,
Das Spiel nicht zu durchschauen!«
Und hastig zu dem Kampfgenoß,
Dem treuen, er sich wendet:
»Behauptet Ihr anitzt das Schloß,
Was ich begann, vollendet!
Zum Morgengraun bin ich zurück,
Mein Roß herbei! … und hei! all Glück!
Noch fehlt mir was zum Siege!« – –

*

Im tiefen Wald am Werrastrand
Rathlos durch Busch und Hecken
Zwei Reiter traben durch das Land,
Die Flußfuhrt zu entdecken;
Es ist ein Jüngling, schlank und fein,
Ein schmächtig, zaghaft Jungherrlein,
Mit seinem Waidgesellen.
Und weiche Stimme zürnet laut:
»Gott wird die Schmach vergelten!
Was ich bis jetzt im Land geschaut,
Sind Dieb' und Raubnesthelden;
Weh Dir, Du Herr von Frankenstein,
Der frech zerstört die Heimath mein,
Mich grausam neu verwaiset!«
– »Dankt Gott dem Herrn, vieledle Maid,
Er ließ die List gelingen,
Euch ohne alles Herzeleid
Noch aus der Burg zu bringen.
Das Spiel war kühn, doch ist's geglückt,
Und der Gefahr seid Ihr entrückt,«
Ruft froh der Waidgeselle.
»Wo ist die Fuhrt? wer zeigt den Weg?«
Fährt Nella fort zu klagen,
»Hier durch die Fluth ohn' Weg und Steg
Kann mich mein Roß nicht tragen,
Schon strauchelt es. Der Uferrand
Voll Felsgeröll, Gestrüpp und Sand,
Er bringt uns noch zu Falle.
Was raschelt da? … Wie Hufschlag klingt's!« …
Der Waidmann greift zum Schwerte:
»Dicht hinter uns aus Tannen dringt's
Und dröhnet auf der Erde« – –
»Erbarm Dich, Gott! – ein Räuber gar?«
– »Getrost, Vieledle! Die Gefahr
Habt Ihr nicht zu befürchten.«
Im Mondschein auf dem Wiesenplan
Hersprengen zwei Gestalten,
Zu Rosse hoch, und wie sie nah'n
Und neben Nella halten,
Visir geschlossen – schwarz und groß –
Sinkt zitternd ihr die Hand zum Schooß:
»Er ist's! … es ist … die Katze!«
Doch hastig ruft der Reitersmann
Und deutet nach den Wellen:
»Sucht Ihr die Fuhrt im Fluß? – sagt an!
Wollt Ihr hindurch, Gesellen?
Nur nachgefolgt, ich reit' voraus,
Will sie Euch gerne weisen;
Zum Teufel, ja! Wie schaut Ihr aus?
Verbunden und auf Reisen?
Wer bist Du, Bürschlein?« – Der Gesell
Antwortet statt der Herrin schnell:
»Aus Hersfeld ein Scholare,
Ward krank zu Treffurt; doch zur Nacht,
Als Robert Frankensteiner
Das Schloß zu jähem Fall gebracht,
Ließ zieh'n man den Lateiner,
Daß auf der Wartburg mög' in Ruh'
Genesen er.« – »Doch wer bist Du?«
Fragt krank und leise Nella;
Ein Hoffnungsstrahl zog durch die Brust:
»Er kennt mich nicht … O Wunder!
Könnt' ich ihm jetzo unbewußt
Die Maske zieh'n herunter!«
»Mein Name, Bürschchen?« jener lacht,
»Was nützt er Dir? – ganz leis und sacht
Will ich nachher ihn künden,
Nicht fürchte Dein gelahrtes Blut,
Er könne Dir mißfallen,
Mein Namen klinget seltsam gut,
Der liebste mir von allen.
Doch vorwärts nun! – He! Junkerlein,
Ihr sagt, der Ritter Frankenstein
Berannte heut Schloß Treffurt?« –
– »so ist es, Herr, – Gott sei's geklagt,
Er straf' des Frevler's Tücke!«
– »Es scheint, der Mann Euch nicht behagt?«
»Wenn ich das Schwert einst zücke,
So treff' ich auf dem Erdenrund
Zwei Männer damit todeswund,
Der Eine heißt Herr Robert!« –
Der Schwarze lacht, lacht leis und fein:
»Mein bester Freund im Leben,
Jungherrlein, ist der Frankenstein,
Ich will ihm Warnung geben.
Gesundet nur nicht allzuschnell,
Damit mein armer Trautgesell'
Erst seinen Willen schreibe!«
– »Da ist die Fuhrt!« – Hell wie Krystall
Rauscht's um der Rosse Hufen,
Beherzt einreitet der Vasall,
Thut Nellas Knecht anrufen:
»Frisch zu, Gesell, prob Du erst fein
Die Tiefe für Dein Junkerlein!«
Und lachend geht's ins Wasser.
Wie Silber glänzt's und wogt und singt,
Sie sind in Flusses Mitte,
Des Ritters Stimme plötzlich klingt:
»Verweilt, Herrlein! – ich bitte;«
Ihm in die Zügel fällt er schnell
Und neigt sich dicht und lacht: »Gesell,
Frugt Ihr mich nicht nach Namen?
Wohlan denn, ich verrath ihn Dir,
schön Nella von Eschwege,
So überraschend ward er mir,
Wie Labkraut blüht am Stege:
›Die Katze‹ heiß ich; meine Maus
Zu fangen, zog ich heute aus,
Bliebst mir ja Antwort schuldig!
Daß ich Dich ritterlich geführt,
Dein Helfer jetzt gewesen,
Dafür hab' ich mir Lohn erkürt,
Und Folgendes erlesen:
Gieb mir aus all dem Ueberfluß
Nur einen kleinen, kleinen Kuß,
Schön Nella von Eschwege!« –
Im Wogenschwall steh'n sie allein,
Gebannet Seit' an Seite,
Im Mondlicht strahlt wie Demantstein
Sein ritterlich Geschmeide,
Fest hält er ihre Hand gefaßt.
Die Jungfrau zittert und erblaßt
Und starrt in seine Augen,
Die schauen sie so seltsam an,
Wie gluthenvolle Sonne,
Die weben einen Zauberbann
Von Angst durchschreckter Wonne;
Und näher neigt er, – näher sich:
»Zahl' mir den Lohn und küsse mich,
Klein Nella von Eschwege!« –
Ein Schreckensschrei leis zu ihm gellt:
»Mag eh' die Fluth mich schlingen!«
Und Nella jach zur Seite schnellt,
Zum Fluß herab zu springen.
Er lacht, hält sie mit sichrer Hand:
»Gemach, gemach! Ihr wär't's im Stand,
Hab' ich Euch je gezwungen?
Ich schreib' den Kuß zu Eurer Schuld,
Bis Ihr mich einst beglücket,
Freiwillig mir durch Minnehuld
Ihn auf die Lippen drücket;
Bis Ihr den Ritter Frankenstein
So minnig schließt ins Herzchen ein
Wie mich, der Euch drum bittet!
Und bis dahin gedenket mein,
Und tragt mich treu im Sinne.
Komm bald, Du süßes Jungfräulein,
Und bring mir Kuß und Minne,
Weit offen steht Dir Herz und Haus,
Es wartet treulich auf die Maus
Und sehnsuchtsvoll die Katze!«
Und eindrückt er den scharfen Sporn,
Sprengt kühn empor zur Halde,
Und lachend leis, durch Strupp und Dorn
Verschwindet er im Walde,
Sein Knappe folgt ihm, – wie ein Traum
Entfliehen sie. Nur Silberschaum
Wogt zitternd auf den Wellen
Und sprüht empor zur jungen Maid,
Die regungslos verharret,
Die bleich, in bittrem Herzeleid
Zum Waldessaum noch starret,
Aufs Herz preßt schweigend sie die Hand
Und reitet langsam an das Land:
»Wer wird mich an ihm rächen? …«
Das Schilf singt leis sein heimlich Lied,
Das Wasser klingt und blitzet,
Und durch die ernsten Wipfel zieht's:
»Was tief im Herz ihm sitzet,
Der Minne Lust, der Minne Leid,
Die rächet schon, vielholde Maid,
Das Mäuslein an der Katze!«


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