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Zweites Kapitel.

Das Motto zu Kapitel 23 (in dieser Übersetzung zu Band 2, Kapitel 2):

The offender's sorrow brings but small relief
To him who wears the strong offence's cross.

Shakespeare: Sonnets.


Leider muß ich bekennen, daß Fred Vincy sich schon drei Tage nach den glückverheißenden Ereignissen von Houndsley in schlechterer Stimmung als je zuvor in seinem Leben befand. Nicht daß er sich in Betreff der möglichen Verkäuflichkeit seines Pferdes geirrt hätte, nur hatte dieser Diamond, in welchem Fred Hoffnungen zum Belaufe von achtzig Pfund angelegt hatte, noch bevor der Handel über denselben mit Lord Medlicote's Reitknecht hatte abgeschlossen werden können, im Stall plötzlich und unerwartet eine höchst verderbliche Energie im Ausschlagen entwickelt, hatte den Stallknecht beinahe umgebracht und hatte schließlich sein Bein in einen die Krippe überhängenden Strick verfangen und dabei den Fuß bedenklich verstaucht. Abhülfe gab es dafür so wenig wie für das unglückliche Temperament des einen Ehegatten, welches der andere erst nach der Hochzeit entdeckt, während alte Freunde dasselbe natürlich schon vorher recht gut gekannt hatten.

Aus einem oder dem anderen Grunde versagte Fred bei diesem Mißgeschick die gewöhnliche Elasticität seines Geistes; er wußte sich nichts zu sagen, als daß er nur fünfzig Pfund besitze, daß er keine Aussicht habe, sich für jetzt mehr zu verschaffen, und daß der von ihm ausgestellte auf hundertundsechzig Pfund lautende Wechsel ihm in fünf Tagen präsentirt werden würde.

Fred war sich schmerzlich bewußt, daß, selbst wenn er sich auf den Grund hin an seinen Vater hätte wenden wollen, daß doch Herr Garth vor Verlust geschützt werden müsse, Herr Vincy sich aufgebracht geweigert haben würde, Herrn Garth vor den Folgen von etwas zu bewahren, was Fred's Vater als Ermunterung zu Ausschweifung und Betrug bezeichnet haben würde. Er war so gänzlich rathlos, daß er keinen anderen Ausweg sah, als direkt zu Herrn Garth zu gehen, ihm die fünfzig Pfund zu bringen, um wenigstens diese Summe sicher zu ihrem Zweck zu verwenden und ihm die traurige Wahrheit zu gestehen.

Sein Vater, der schon ins Geschäft gegangen war, hatte noch nichts von dem Vorfall mit dem Pferde gehört; wenn er denselben erführe, würde er sicher darüber donnern, daß eine so bösartige Bestie in seinen Stall gebracht sei, und ehe er diese geringere Verdrießlichkeit über sich ergehen ließ, wollte Fred all seinen Muth zusammen nehmen, um der größeren Unannehmlichkeit zu begegnen. Er nahm das Reitpferd seines Vaters; denn er war entschlossen, nachdem er Herrn Garth Alles gestanden haben würde, nach Stone Court zu reiten und auch Mary Alles zu bekennen.

In der That ist es wohl nicht unwahrscheinlich, daß, wenn Fred Mary nicht geliebt hätte, sein Gewissen sich viel weniger geregt und ihn nicht so lebhaft angetrieben haben würde, sich erst ernst und angelegentlich mit der Schuld zu beschäftigen und dann, statt sich in gewohnter Weise zu schonen und die Erfüllung einer unangenehmen Pflicht zu verschieben, so rasch und einfach wie möglich zu handeln. Selbst viel seelenstärkere Sterbliche als Fred Vincy verdanken die Hälfte ihrer Rechtschaffenheit dem Weibe, das sie lieben.

»Das Publikum aller meiner Handlungen ist verschwunden,« sagte ein Alter, als sein bester Freund gestorben war – und wohl denen, deren Publikum stets das Beste von ihnen verlangt.

Ganz gewiß würde es in jener Zeit anders um Fred gestanden haben, wenn Mary Garth nicht so bestimmte Begriffe von dem gehabt hätte, was an einem Charakter schätzenswerth ist.

Herr Garth war nicht auf seinem Bureau und Fred ritt daher sofort weiter nach seinem Hause, welches eine kleine Strecke vor der Stadt lag, – ein schmuckloses, unregelmäßiges, altmodisches, halb aus Holz errichtetes Gebäude mit einem Obstgarten davor, welches, bevor die Stadt sich bis hieher ausgebreitet hatte, ein Pachthaus gewesen war, jetzt aber inmitten der Landhäuser der Stadtbewohner lag.

Wir gewinnen unsere Häuser um so lieber, jemehr ihnen wie unseren Freunden eine bestimmte Physiognomie aufgeprägt ist. Die Garths, – eine ziemlich zahlreiche Familie, denn Mary hatte vier Brüder und eine Schwester –, hatten ihr altes Haus, aus welchem die besten Möbel schon lange verkauft waren, sehr lieb. Auch Fred liebte das Haus, das er in und auswendig bis hinauf in die Dachkammern, welche köstlich nach Aepfeln und Quitten dufteten, kannte, und es war heute das erste Mal, daß er es mit anderen als angenehmen Erwartungen betrat; aber jetzt schlug sein Herz unbehaglich, denn er sah voraus, daß er sein Bekenntniß wahrscheinlich vor Frau Garth zu machen haben werde, vor welcher er eine ehrfurchtsvollere Scheu hatte als vor ihrem Gatten.

Nicht daß sie wie Mary zu sarkastischen Bemerkungen und witzigen Einfällen geneigt gewesen wäre. In ihrem jetzigen vorgerückten Alter wenigstens ließ sich Frau Garth nie zu einem übereilten Worte hinreißen, da sie, wie sie zu sagen pflegte, in ihrer Jugend ein Joch getragen und Selbstbeherrschung gelernt habe. Sie hatte den selten verständigen Sinn, der das Unabänderliche richtig erkennt und sich demselben ohne Murren fügt. Von Verehrung für die Tugenden ihres Mannes erfüllt, hatte sie sich zeitig in seine Unfähigkeit, seine eigenen Interessen wahrzunehmen, gefunden und hatte die Folgen dieses Mangels mit heiterem Gemüthe getragen.

Sie war großherzig genug gewesen, allem eitlen Stolz auf schönes Silbergeschirr und auf Stickereien an der Kindertoilette zu entsagen und hatte nie ihren Freundinnen pathetische Confidenzen über den Mangel an Umsicht ihres Mannes und über die Summen gemacht, welche er hätte verdienen können, wenn er hätte handeln wollen wie andere Männer. Daher hielten diese schönen Freundinnen sie entweder für stolz oder für excentrisch und sprachen gegen ihre Ehemänner bisweilen von ihr, als von der »vornehmen Frau Garth«.

Sie übte dagegen auch ihrerseits ihre Kritik an diesen Damen, da sie gründlicher unterrichtet war als die meisten Frauen in Middlemarch, und – wo gäbe es eine untadelige Frau! – war geneigt, ihr eigenes Geschlecht, welches nach ihrer Ansicht zu völliger Unterordnung bestimmt war, etwas strenge zu beurtheilen.

Andrerseits war sie unverhältnißmäßig nachsichtig gegen die Fehler der Männer, und man hörte sie oft sagen, daß diese Fehler ganz natürlich seien. Wir wollen auch nicht leugnen, daß Frau Garth etwas zu nachdrücklich in ihrem Widerstande gegen das auftrat, was sie für Thorheit hielt; sie war ein wenig zu sehr davon erfüllt, wie gut sie den Uebergang von der Gouvernante zur Hausfrau bewerkstelligt habe, und sie vergaß selten, daß während ihre grammatikalischen Kenntnisse und ihre Aussprache den Durchschnitt des in dieser Beziehung in Middlemarch Geleisteten weit überragten, sie eine einfache Haube trug, das tägliche Mittagessen selbst kochte und alle Strümpfe stopfte.

Sie hatte noch als Hausfrau dann und wann Schüler in einer peripatetischen Weise unterrichtet, indem sie dieselben mit ihrem Buche oder ihrer Rechnentafel mit sich durchs Haus und in die Küche nahm. Sie war der Meinung, es könne denselben nur dienlich sein zu sehen, daß sie einen vortrefflichen Seifenschaum zu machen verstehe und gleichzeitig, ohne aufzusehen, die Fehler der Schüler corrigire, daß eine Frau mit bis über die Ellenbogen aufgestreiften Aermeln doch genau von dem Subjonctif und der heißen Zone Bescheid wissen könne – kurz, daß sie »Orthographie« und« andere emphatisch auszusprechende gute Dinge auf »phie« besitzen könne, ohne darum eine unnütze Puppe zu sein.

Wenn sie dergleichen erbauliche Bemerkungen machte, zog sich auf ihrer Stirn eine scharfe kleine Falte zusammen, was jedoch dem wohlwollenden Ausdruck ihres Gesichts keinen Abbruch that, und sprach ihre Worte, die einander mit einer gewissen Feierlichkeit wie eine Prozession folgten, mit einer angenehmen, warmen, tiefen Altstimme.

Gewiß hatte die exemplarische Frau Garth ihre komischen Seiten; aber die Vortrefflichkeit ihres Charakters überwog ihre Wunderlichkeiten, wie ein sehr schöner Wein leicht über einen Geschmack nach dem Schlauch hinwegsehen läßt.

Für Fred Vincy hegte sie mütterliche Gefühle und war immer geneigt gewesen, seine Fehler zu entschuldigen, wiewohl sie es wahrscheinlich nicht entschuldigt haben würde, wenn Mary sich mit ihm verlobt hätte, da die größere Strenge, mit welcher sie ihr eigenes Geschlecht beurtheilte, auch auf ihre Tochter Anwendung fand. Aber gerade die exceptionelle Nachsicht, welche sie immer gegen ihn geübt hatte, ließ es Fred nur um so bitterer empfinden, daß er jetzt unvermeidlich in ihrer Achtung werde sinken müssen. Dazu kam, daß sich die Umstände seines Besuches noch ungünstiger gestalteten, als er erwartet hatte; denn Caleb Garth war schon früh ausgegangen, um einige in der Reparatur begriffene Bauten in der Nähe in Augenschein zu nehmen.

Zu gewissen Stunden des Tages war Frau Garth immer in der Küche, und auch diesen Morgen lag sie gleichzeitig verschiedenen Beschäftigungen in derselben ob; sie stand an der einen Seite dieses lustigen Raumes an einem wohlgescheuerten föhrenen Tische und machte ihre Pies, beobachtete gleichzeitig durch eine offene Thür Sally's Bewegungen am Backofen und an der Teigmulde und gab dabei ihren jüngsten Kindern, einem Mädchen und einem Knaben, welche ihr gegenüber mit ihren Büchern und Rechnentafeln am Tische standen, Unterricht. Ein Zuber und ein Gestell zum Trocknen der Wäsche, welche an der andern Seite der Küche standen, zeigten, daß heute zwischendurch auch kleine Wäsche besorgt wurde.

Frau Garth, wie sie mit über die Ellbogen aufgestreiften Aermeln ihren Pastetenteig behende knetete, ihn dann mit der Teigrolle ausrollte und schließlich der Schönheit der Form noch durch einige Drücker mit dem Finger nachhalf, während sie mit grammatikalischem Feuereifer das Verhältniß der Verben und Pronomina zu den Substantiven auseinandersetzte, war ein wohlthuend ergötzlicher Anblick. Sie hatte wie Mary krauses Haar und denselben etwas breiten Gesichtstypus, war aber hübscher und hatte feinere Züge, einen zarteren Teint und dabei etwas sehr Entschiedenes im Blick und eine stattliche matronenhafte Gestalt. In ihrer schneeweißen zierlich gekräusten Haube erinnerte sie an die reizenden französischen Frauen, die wir Alle wohl einmal, den Korb über dem Arm, zu Markt haben gehen sehen.

Wenn man die Mutter ansah, mochte man sich der Hoffnung hingeben, daß die Tochter ihr mit den Jahren gleichen werde, eine Anweisung auf die Zukunft, welche einer Mitgift gleich zu achten ist, während nur zu oft die Mutter wie eine boshafte Prophezeihung: »Seht mich nur an, so wird sie auch bald aussehen,« hinter der Tochter steht.

»Jetzt wollen wir das noch einmal durchnehmen,« sagte Frau Garth, während sie den Blätterteig zu einem Apfelpie knetete, welcher die Aufmerksamkeit Ben's, eines strammen Jungen von etwas langsamer Fassungskraft, von der Lection abzulenken schien.

»Nicht ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Wortes, insofern es eine Begriffseinheit oder eine Mehrheit von Begriffen umfaßt – Sage mir noch einmal, was das heißt, Ben.«

Frau Garth hatte gleich berühmteren Pädagogen eine alte Lieblingsmethode und würde bei einem Zusammensturze des ganzen socialen Gebäudes doch versucht haben, ihren »Lindley Marray Lindley Murray (1745-1826), amerikanischer Anwalt und Geschäftsmann, der sich auch als Schriftsteller und Grammatiker betätigte. Bis in die 1960er-Jahre hinein bezogen sich englische Schulgrammatiken auf sein Werk › Short Introduction to English Grammar‹ (1762), das an der Herausbildung einer englischen Standardsprache maßgeblichen Anteil hatte. Seit 1784 lebte Murray in England. – Anm.d.Hrsg.« vor dem Untergange zu retten.

»O – das heißt – man muß denken, was man meint,« antwortete Ben etwas verdrossen. – »Ich hasse Grammatik. Wozu nützt sie denn?«

»Dazu Dich zu lehren, correct zu sprechen und zu schreiben, so daß man Dich verstehen kann,« entgegnete Frau Garth mit strenger Präcision des Ausdrucks. »Möchtest Du wohl so sprechen wie der alte Job?«

»Ja wohl,« sagte Ben trotzig, »»es ist komischer. Er sagt ›Ihr gaht‹, das ist gerade so gut wie: ›Ihr geht.‹«

»Aber er sagt ›de Blume wachse auf de Betten‹ anstatt: ›auf den Beeten‹,« sagte Letty mit einer Miene der Ueberlegenheit. »Da könnte man meinen, Blumen wachsen auf den Betten.«

»Nein, das könnte man nicht, wenn man nicht dumm wäre,« sagte Ben. »Wie können Blumen auf Betten wachsen?«

»Das sind Fehler der Aussprache, mit welchen die Grammatik nur wenig zu thun hat,« bemerkte Frau Garth. – »Die Apfelschaale soll zum Futter für die Schweine dienen, Ben; wenn Du sie aufissest, muß ich ihnen Dein Stück Pie geben. – Job braucht nur von sehr einfachen Dingen zu reden. Wie wolltest Du wohl über irgend etwas schwereres schreiben oder sprechen, wenn Du nicht mehr von der Grammatik wüßtest als er? Du würdest Dich falscher Worte bedienen und die Worte an eine Stelle setzen, wo sie nicht hingehören, und die Leute würden Dich nicht verstehen und würden sich von Dir als von einem langweiligen Menschen abwenden. Was würdest Du dann wohl anfangen?«

»Ich würde mir daraus nichts machen, ich würde die Sache aufgeben,« sagte Ben in dem Bewußtsein, daß dies ein erwünschter Ausweg sei, wo es sich um Grammatik handele.

»Ich sehe, Du wirst müde und dumm, Ben,« sagte Frau Garth, welche an diese Art von hinderlicher Argumentation ihres männlichen Sprößlings schon gewöhnt war.

Als sie mit ihren Pies fertig war, trat sie an das Gestell zum Trocknen der Wäsche und sagte:

»Komm her und erzähle mir die Geschichte von Cincinnatus, die ich Dir vorigen Mittwoch erzählt habe.«

»Ich weiß,« sagte Ben, »er war ein Pächter.«

»Na hör' 'mal Ben, er war ein Römer,« sagte Letty, indem sie ihn rechthaberisch mit dem Ellbogen anstieß.

»Du dummes Ding, er war ein römischer Pächter und war beim Pflügen.«

»Ja aber noch vorher – das war nicht das erste – die Leute verlangten, daß er –« unterbrach Letty wieder.

»Gut, aber zuerst mußt Du doch sagen, was für eine Art Mann er war,« beharrte Ben. »Er war ein kluger Mann wie Vater, und darum verlangten die Leute seinen Rath. Und er war ein tapferer Mann und konnte fechten, und das könnte Vater auch, nicht wahr, Mutter?«

»Ben, laß mich jetzt die Geschichte hinter einander erzählen, wie Mutter sie uns erzählt hat,« sagte Letty verdrießlich. »Bitte, Mutter, sage Ben, daß er still ist.«

»Letty, schäme Dich,« sagte Frau Garth, während sie die im Zuber gewaschenen Mützen auswrang. »Als Ben anfing, hättest Du warten sollen und sehen, ob er nicht die Geschichte erzählen könne Wie häßlich siehst Du aus mit Deinem mürrischen Gesichte und stößest Ben mit Deinem Ellbogen, als ob Du Dich irgendwo durchdrängen wolltest! Cincinnatus würde gewiß sehr böse geworden sein, wenn seine Tochter sich so betragen hätte.«

Frau Garth gab diesem furchtbaren Satze noch durch eine höchst würdevolle Betonung den gehörigen Nachdruck, und Letty fühlte bereits, daß das Leben, in welchem man in seinem Redeflusse gehemmt und der allgemeinen Mißachtung, die der Römer mit einbegriffen, Preis gegeben werden könne, eine schwere Last sei.

»Nun, Ben?«

»Nun – ja – nun – na, sie hatten da sehr viel gefochten und waren Alle Dummköpfe und, – ich kann es nicht gerade genau so erzählen, wie Du es erzählt hast, aber sie brauchten einen, der ihr Anführer und ihr König und Alles sein sollte.«

»Ein Dictator, das war es,« schaltete Letty mit einer verletzten Miene und mit dem geheimen Wunsche ein, ihre Mutter den Verweis von vorhin bereuen zu machen.

»Meinetwegen Dictator,« sagte Ben verächtlich. »Aber, das ist kein guter Ausdruck; er hatte ihnen doch nichts dictirt, was sie auf ihre Tafeln schreiben sollten.«

»Komm, komm, Ben, so dumm bist Du doch nicht,« sagte Frau Garth mit gewichtigem Ernst. »Horch, da klopft es an der Hausthür, lauf' hin Letty und mach' auf.«

Es war, Fred und als Letty ihm sagte, daß ihr Vater noch nicht wieder zu Hause, ihre Mutter aber in der Küche sei, hatte er keine Wahl, er konnte nicht auf einmal von seiner Gewohnheit abweichen, Frau Garth in der Küche aufzusuchen, wenn sie zufällig dort beschäftigt war. Schweigend schlang er seinen Arm um Letty's Nacken und ging mit ihr, ohne seine gewöhnlichen Späße und Liebkosungen, in die Küche.

Frau Garth war überrascht, Fred zu dieser frühen Stunde zu sehen, aber Ueberraschung war ein Gefühl, dem sie nicht leicht Ausdruck gab, und ohne sich in ihrer Arbeit stören zu lassen, sagte sie nur in ruhigem Tone:

»Sie, Fred, so früh am Morgen? Sie sind ja so blaß? Ist etwas vorgefallen?«

»Ich möchte Herrn Garth sprechen,« sagte Fred, der sich noch nicht hinlänglich gefaßt hatte, um mehr zu sagen, »und Sie auch,« fügte er nach einer kleinen Pause hinzu; denn er war überzeugt, daß Frau Garth ganz genau über die Wechselangelegenheit unterrichtet sei, und sagte sich, daß er doch schließlich vor ihr, wenn nicht mit ihr allein von der Sache werde reden müssen.

»Caleb wird in einigen Minuten wieder hier sein,« erwiderte Frau Garth, die sich dachte, daß es sich wohl um eine Differenz zwischen Fred und seinem Vater handeln werde. »Er kann nicht lange mehr ausbleiben, denn er hat eine schriftliche Arbeit vor, die heute Morgen gemacht werden muß. Mögen Sie so lange bei mir bleiben, während ich hier meine Geschäfte beende?«

»Aber wir brauchen nicht weiter von Cincinnatus zu sprechen, nicht wahr?« fragte Ben, welcher Fred seine Reitpeitsche aus der Hand genommen hatte und die Brauchbarkeit derselben an der Katze erprobte.

»Nein, geh' jetzt hinaus. Aber, leg' die Peitsche hin. Wie abscheulich von Dir, die arme alte Tortoise mit der Peitsche zu schlagen! Bitte, Fred, nehmen Sie sie ihm weg.«

»Komm alter Junge, gieb die Peitsche her,« sagte Fred, indem er die Hand ausstreckte.

»Willst Du mich heute auf Deinem Pferde reiten lassen?« fragte Ben, indem er die Peitsche mit einer Miene auslieferte, als ob er es freiwillig thue.

»Heute nicht, ein andermal, das Pferd gehört nicht mir.«

»Siehst Du Mary heute noch?«

»Ich denke wohl,« erwiderte Fred, dem die Frage eine unbehagliche Empfindung verursachte.

»Sag ihr, daß sie bald nach Hause kommt und Pfänderspiel mit uns spielt und Spaß macht.«

»Genug, genug, Ben, lauf hinaus,« sagte Frau Garth, als sie sah, daß der Junge Fred lästig war.

»Sind Letty und Ben jetzt Ihre einzigen Schüler, Frau Garth?« fragte Fred, als die Kinder hinausgegangen waren und er sich der Nothwendigkeit nicht entziehen konnte, etwas zu sagen, um die Zeit hinzubringen. Er war mit sich noch nicht darüber im Reinen, ob er Herrn Garth abwarten oder die erste sich in der Unterhaltung darbietende Gelegenheit benutzen solle, um sein Bekenntniß vor Frau Garth abzulegen, ihr das Geld zu geben und fortzureiten.

»Ich habe außer den Kindern nur noch eine einzige Schülerin, Fanny Hackbutt, die um halb zwölf Uhr zu mir kommt. – Ich habe jetzt keine große Einnahme,« fügte Frau Garth lächelnd hinzu. »Mit meinen Schülern geht es sehr bergab. Aber ich habe mir doch so viel erspart, wie wir brauchen, um Alfreds Lehrgeld zu bezahlen; ich habe zweiundneunzig Pfund. Er kann jetzt zu Herrn Hanmer kommen, er hat gerade das rechte Alter.«

Das war eine wenig passende Gelegenheit zu der Mittheilung, daß Herr Garth im Begriff stehe, zweiundneunzig Pfund und mehr zu verlieren. Fred schwieg.

»Junge Herren, die studieren, kosten noch etwas mehr als das,« fuhr Frau Garth ganz harmlos fort, während sie die Garnierung einer Haube auszupfte. »Und Caleb meint, Alfred werde ein ausgezeichneter Ingenieur werden, und er möchte dem Jungen daher eine gute Chance geben. Da ist er, ich höre ihn kommen. Wir wollen zu ihm ins Wohnzimmer gehen, wenn's Ihnen Recht ist.«

Als sie ins Wohnzimmer traten, saß Caleb bereits an seinem Schreibtisch.

»Was, Fred, mein Junge?« sagte er in einem Tone gelinder Ueberraschung, indem er die Feder noch uneingetaucht emporhielt. »Sie kommen ja heute früh.« Als er aber den gewohnten Ausdruck heiterer Begrüßung in Fred's Gesicht vermißte, fügte er sofort hinzu. »Ist zu Hause etwas vorgefallen? – Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Ja, Herr Garth, ich komme um Ihnen etwas zu sagen, was Ihnen, fürchte ich, eine schlechte Meinung von mir geben wird. Ich komme, um Ihnen und Frau Garth zu sagen, daß ich mein Wort nicht halten kann. Ich kann doch schließlich das Geld nicht anschaffen und den Wechsel nicht einlösen. Ich habe Unglück gehabt! – und habe nur diese fünfzig Pfund, um die Schuld von hundertsechzig Pfund zu decken.«

Während er das sagte, hatte Fred die Banknoten aus der Tasche gezogen und dieselben auf den Schreibtisch vor Herrn Garth hingelegt. In seiner knabenhaften Verzweiflung hatte er sich außer Stande gefühlt, irgend etwas zur Motivirung seiner Handlungsweise hinzuzufügen, und war ohne weiteres mit der nackten Thatsache herausgeplatzt. Frau Garth stand in stummem Erstaunen da und schien durch ihre Blicke auszudrücken, daß sie von ihrem Manne eine Erklärung erwarte.

Caleb erröthete und sagte nach einer kleinen Pause:

»O ich habe Dir nichts davon gesagt, Susanna, ich habe meinen Namen auf einen von Fred ausgestellten Wechsel gesetzt, der auf hundertundsechzig Pfund lautete; er versicherte mich, er werde den Wechsel selbst decken können.«

Ersichtlich ging eine Veränderung in Frau Garths Gesicht vor; es war aber wie eine Veränderung, die in einem Gewässer vorgeht, dessen Oberfläche davon unberührt bleibt. Sie sah Fred scharf an und sagte:

»Vermuthlich haben Sie Ihren Vater um die fehlende Summe gebeten, und der hat sie Ihnen verweigert.«

»Nein,« erwiderte Fred, indem er sich auf die Lippen biß und seine Worte nur mühsam hervorbrachte, »aber ich weiß, daß es nichts nützen würde, ihn darum zu bitten, und ich möchte, wenn es doch nichts nützen kann, in dieser Angelegenheit lieber Herrn Garths Namen nicht nennen.«

»Die Sache kommt zu einer unglücklichen Zeit,« sagte Caleb in seiner zögernden Weise, indem er auf die Banknoten niederblickte und den Wechsel mit einer nervösen Fingerbewegung betastete. »Weihnachten steht vor der Thür, und ich bin gerade jetzt etwas knapp. Sie sehen, ich muß mich zusammennehmen wie ein Schneider, der alles aus einem zu kleinen Stück Zeug herausschneiden soll. Was können wir dabei thun, Susanne? Ich brauche jeden Heller, den wir in der Bank haben. Es sind etwa hundertundzehn Pfund, hol' es der Teufel.«

»Ich muß Dir die zweiundneunzig Pfund geben, die ich für Alfreds Lehrgeld zurückgelegt habe,« sagte Frau Garth in ernstem und festem Ton, wiewohl einem feinen Ohre ein leichtes Zittern ihrer Stimme bei einigen der Worte nicht entgangen sein würde. »Und ich zweifle nicht, daß Mary zwanzig Pfund von ihrem Salair erspart hat, die sie uns vorschießen wird.«

Frau Garth hatte Fred nicht wieder angesehen und war nicht im Mindesten darauf aus, ihn durch ihre Worte zu verletzen. Ganz in Uebereinstimmung mit ihrem excentrischen Wesen war sie jetzt völlig von der Erwägung dessen absorbirt, was zu thun sei, und ließ es sich nicht in den Sinn kommen, daß ihr Zweck durch bittere Bemerkungen oder Zornausbrüche besser erreicht werden könne.

Aber ihre Worte hatten doch Fred zum ersten Male etwas wie Gewissensbisse fühlen lassen. Sonderbar genug hatte sein Kummer bis dahin fast ausschließlich in dem Bewußtsein bestanden, daß er unehrenhaft vor den Garths dastehen und in ihrer Achtung sinken müsse; an die Unbequemlichkeiten und die möglicherweise ernsten Verlegenheiten, welche er ihnen durch seinen Wortbruch vielleicht bereiten würde, hatte er nicht gedacht; denn eine solche Verwendung der Einbildungskraft auf die Ausmalung der Bedürfnisse anderer Leute pflegt hoffnungsvollen jungen Männern fremd zu sein.

In der That werden die meisten Menschen in ihrer ganzen Erziehung dazu angeleitet, die Motive zur Unterlassung einer unrechten Handlung in etwas zu suchen, was von der Art, wie diejenigen, welche das Unrecht von ihnen zu erleiden haben, davon betroffen werden, ganz unabhängig ist.

In diesem Augenblicke aber erschien sich Fred plötzlich als ein erbärmlicher Wicht, der zwei Frauen um ihre Ersparnisse bringe.

»Ich werde es gewiß Alles schließlich bezahlen, Frau Garth,« stammelte er.

»Ja, schließlich.« entgegnete Frau Garth, die ihre entschiedene Abneigung gegen schöne Worte bei häßlichen Gelegenheiten nicht unterdrücken konnte. »Aber Knaben können nicht gut schließlich in die Lehre gegeben werden, sie müssen im Alter von fünfzehn Jahren in die Lehre gehen.«

Sie war nie so wenig geneigt gewesen, Fred zu entschuldigen.

»Ich bin am meisten zu tadeln, Susanne,« sagte Caleb. »Fred versicherte zwar, daß er das Geld werde anschaffen können; ich hätte mich aber nicht mit Wechseln befassen sollen. Ich nehme an, daß Sie kein ehrenwerthes Mittel sich zu helfen, unversucht gelassen haben?« fügte er hinzu, indem er seine milden grauen Augen fest auf Fred heftete.

Caleb war zu delikat, um Herrn Featherstone's speciell Erwähnung zu thun.

»Ja, ich habe Alles versucht – das habe ich wirklich. Ich würde auch hundertunddreißig Pfund bereit gehabt haben, wenn ich nicht Unglück mit einem Pferde gehabt hätte, das ich zu verkaufen im Begriff stand. Mein Onkel hatte mir achtzig Pfund geschenkt, von denen ich dreißig Pfund nebst meinem alten Pferde hingab, um dafür ein anderes Pferd zu kaufen, welches ich für achtzig Pfund oder mehr wieder verkauft haben würde, – ich wollte mich ohne Pferd behelfen –; aber leider hat dieses Pferd sich jetzt als bösartig herausgestellt und hat sich selbst lahm gemacht. Ich wollte, mich mit sammt dem Pferde hätte der Teufel geholt, bevor ich das Elend über Sie gebracht hätte. Es giebt Niemanden, aus dem ich mir soviel mache, – Sie und Frau Garth sind immer so gütig gegen mich gewesen. Aber was nützt es, daß ich das sage; Sie werden mich doch immer für einen Schurken halten.«

Mit diesen Worten drehte sich Fred um und ging rasch fort. Er fühlte, daß er in Gefahr sei, sich weibisch zu benehmen, und hatte eine unklare Vorstellung davon, daß der Ausdruck seines Bedauerns den Garths nicht viel nützen könne.

Sie konnten ihn sein Pferd besteigen und rasch zur Pforte hinausreiten sehen.

»Ich habe mich in Fred Vincy getäuscht,« sagte Frau Garth. »Ich würde es bis heute nicht für möglich gehalten haben, daß er Dich in seine Schulden verwickelt hätte. Ich kannte ihn als leichtsinnig, aber ich hätte ihn keiner so niedrigen Gesinnung für fähig gehalten, wie sie dazu gehört, um seinem ältesten Freunde, der Verluste am wenigsten ertragen kann, die Gefahren seiner Lage aufzubürden.«

»Ich war ein Thor, Susanne.«

»Das warst Du,« sagte die Frau, indem sie ihm lächelnd zunickte. »Aber ich hätte es darum doch nicht auf öffentlichem Markte ausgerufen. Warum hältst Du solche Dinge vor mir geheim? Gerade so machst Du es mit Deinen Hemdsknöpfen, Du läßt sie abspringen, ohne es mir zu sagen, und gehst dann mit offnen Manschetten aus. Wenn ich nur von der Sache gewußt hätte, würde ich vielleicht etwas Besseres haben ausfindig machen können.«

»Ich weiß, es ist ein harter Schlag für Dich, Susanne,« sagte Caleb, indem er sie mit herzlich theilnehmenden Blicken ansah. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß Du das Geld verlieren sollst, welches Du so mühsam für Alfred zusammengespart hast.«

»Es ist ja sehr gut, daß ich es zusammengespart habe, und Du bist ja auch so noch der leidende Theil; denn Du wirst nun den Jungen selbst unterrichten müssen. Du mußt Deine schlechten Gewohnheiten ablegen. Einige Männer fröhnen dem Laster des Trinkens, Du aber hast das Laster, unentgeltlich zu arbeiten. Du mußt Dir darin etwas weniger nachgeben! – und mußt zu Mary hinüberreiten und das Kind fragen, was sie an Geld vorräthig hat.«

Caleb hatte seinen Stuhl zurückgeschoben und saß jetzt vorübergebeugt, den Kopf langsam schüttelnd und die Fingerspitzen beider Hände sehr genau an einander passend da.

»Die arme Mary!« rief er aus und fuhr dann in leiserem Tone fort, »Susanne, ich fürchte, sie liebt Fred.«

»O nein, sie macht sich über ihn lustig! und ich glaube schwerlich, daß er andere als brüderliche Gefühle für sie hegt.«

Caleb erwiderte nichts, sondern schob plötzlich seine Brille wieder über die Augen, zog seinen Stuhl dicht an den Schreibtisch heran und sagte: »Hol' der Teufel den Wechsel, ich wollt' er wär', wo der Pfeffer wächst! Solche Sachen sind eine fatale Störung im Geschäfte!«

Der erste Theil dieser Aeußerungen umfaßte Caleb's ganzen Vorrath an Flüchen, und er brachte dieselben mit einem leisen Knurren vor, von dem sich Jeder leicht eine Vorstellung wird machen können; schwer aber würde es sein, denen, welche ihn nie das Wort »Geschäft« aussprechen hörten, einen Begriff von dem eigenthümlichen Tone glühender Liebe, ja religiöser Anbetung zu geben, mit welchem Caleb dieses Wort umgab, wie eine geweihte Reliquie in ein goldbefranztes Linnen gehüllt wird.

Caleb Garth versank oft in tiefes Nachdenken über den Werth und die unentbehrliche Macht der myriadenköpfigen und myriadenarmigen Arbeit, durch welche die menschliche Gesellschaft gekleidet, genährt und mit Wohnungen versehen wird. Dieses Wunderwerk menschlicher Arbeit hatte seine Einbildungskraft schon in frühen Jahren mächtig ergriffen. Die Echos der gewaltigen Hammerschläge, welche beim Haus«-und Schiffsbau erschallen, die Signalrufe der Arbeiter, das Tosen des Hochofens, der Donner und Blitz der Dampfmaschine waren erhabene Musik für sein Ohr gewesen; das Fällen und Aufladen der Bäume, die Thätigkeit des Krahns auf der Werfte, die in Speichern aufgethürmten Produkte, die Genauigkeit und Mannigfaltigkeit menschlicher Muskelthätigkeit, wo immer es sich um feine Arbeit handelte – der Anblick all dieser Dinge hatte in seiner Jugend auf ihn gewirkt wie Poesie ohne die Hülfe der Poeten, hatte ihm ohne den Beistand der Philosophen zu einer Philosophie und ohne Theologen zu einer Religion verholfen.

Von Jugend auf war es sein Ehrgeiz gewesen, einen möglichst thätigen Antheil an dieser erhabenen Arbeit zu nehmen, welcher die Bezeichnung »Geschäft« in seinem Munde noch eine besondere Würde verlieh, und obgleich er nur kurze Zeit bei einem Feldmesser in der Lehre gestanden hatte und schließlich sein eigener Lehrer gewesen war, verstand er doch mehr vom Bauwesen, von Grundstücken und Grubenarbeiten, als die meisten der aus diesen Fächern Profession machenden Leute in der Grafschaft.

Seine Classification menschlicher Beschäftigungen war etwas roh und würde, wie die Kategorien berühmterer Männer, in unsern fortgeschrittenen Tagen kaum annehmbar erscheinen. Er theilte die menschlichen Thätigkeiten in: Geschäft, Politik, Gelehrsamkeit, Predigen und Vergnügen. Er hatte nichts gegen die letzten vier Beschäftigungen, betrachtete sie aber wie ein frommer Heide andere als seine eigenen Götter. Ebenso respectirte er alle Stände, hätte aber für seine Person keinem Stande angehören mögen, in welchem er nicht in hinreichend naher Beziehung zum »Geschäft« gestanden hätte, um sich gelegentlich mit Staub und Mörtel, mit den Spuren des feuchten Dampfes der Maschinen und des lieblichen Erdreichs der Wälder und Wiesen geschmückt zu sehen.

Obgleich er sich selbst nie für etwas anderes als einen rechtgläubigen Christen gehalten hatte und sich ohne Zweifel für die Gnadenwahl erklärt haben würde, wenn man ihn in die Lage gebracht hätte, sich darüber auszusprechen, verehrte er doch, glaube ich, als seine wahren Gottheiten gute praktische Pläne, accurate Arbeit und die gewissenhafte Ausführung übernommener Verpflichtungen; sein Fürst der Finsterniß war ein träger Arbeiter. Aber Caleb hatte keine Freude am Widerspruch, und die Welt erschien ihm so wunderbar, daß er bereit war, eine beliebige Anzahl von Systemen gelten zu lassen, wenn sie nur nicht augenfällig mit der besten Art der Drainage, mit solider Bauart, correctem Vermessen und einsichtigem Bohren nach Kohlen collidirten.

Er hatte eine wahrhaft fromme Seele, dabei aber einen stark entwickelten praktischen Verstand. Aber seine schwache Seite waren die Finanzen; er hatte zwar einen sehr deutlichen Begriff von Werthen, ermangelte aber durchaus eines lebhaften Vorstellungsvermögens in Betreff pecuniärer Erfolge in der Gestalt von Gewinn und Verlust und hatte, nachdem er sich über diese Schwäche nach Bezahlung eines theuren Lehrgeldes klar geworden war, beschlossen, alle die Zweige seines geliebten »Geschäfts,« zu deren Betriebe finanzielles Talent gehörte, aufzugeben.

Von diesem Augenblicke an hatte er sich ganz und ausschließlich den vielen Arten von Arbeit, welche er, ohne über Kapital zu disponiren, ausführen konnte, gewidmet und wurde in seinem Distrikte ein höchst geschätzter Mann, welchen Alle besonders gern für sich arbeiten ließen, weil er seine Arbeit gut that und sehr wenig, bisweilen auch gar nichts dafür berechnete. Kein Wunder also, daß die Garths arm waren und sehr bescheiden lebten. Aber sie machten sich nichts daraus.



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